Zur Aufklärungspflicht einer Bank über verdeckte Innenprovisionen

LG Hamburg, Urteil vom 10.7.2009 – 329 O 44/09

Aufklärungspflicht einer Bank über verdeckte Innenprovisionen

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.125,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % p. a. aus 10.000,00 EUR für die Zeit vom 15.02.2007 bis zum 12.05.2008 und aus 9.125,00 EUR für die Zeit vom 13.05.2008 bis zum 14.10.2008 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.125,00 EUR seit dem 15.10.2008 Zug um Zug gegen Übereignung des Lehman Brothers Treas.co.b.v. Glob.Champ.ZT07(13.3.10) index Bskt. Zertifikats mit der ISIN DE….1 zum Nennwert von EUR 10.000,00 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1 genannten Zertifikats in Verzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 775,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2009 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Rahmen einer Anlageberatung über den Erwerb eines Zertifikats der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers geltend.

Der Kläger ist 65 Jahre alt und Rentner. Zuvor war er beruflich als Bauleiter tätig. Er ist seit ca. 40 Jahren Kunde bei der D. Bank, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist.

Der Kläger legte in der Vergangenheit Geld ausschließlich in Bundeswertpapieren, auf dem Sparbuch oder auf ähnliche Weise an.

Lediglich im Jahr 2003 erwarb er infolge einer Beratung durch die D. Bank Anteile an dem Fonds A….. P…. euro Bond Toat Return A.

Da er mit der Entwicklung des Fonds unzufrieden war, bat der Kläger im Februar 2007 um eine Alternativempfehlung. Dazu führte eine Mitarbeiterin der D. Bank, die Zeugin J., ein Beratungsgespräch mit dem Kläger. Auf Empfehlung der Beraterin erwarb der Kläger im Anschluss an das Gespräch das im Tenor näher bezeichnete Zertifikat zum Nennwert von 10.000,00 EUR mit der folgenden Funktionsweise (Anlage K 2):

Am Bewertungstag, dem 06./07.02.2007, wurden die Schlussstände des Dow Jones EURO STOXX 50, des Standard & Poors 500 Index und ds Nikkei 225 Index festgestellt. In den Jahren 2008 bis 2010 wird jeweils am 06.05. der Kursverlauf der Indices im vorherigen Zeitraum beobachtet. Sollte keiner der Indices während des jeweiligen Beobachtungszeitraumes auf 60 % oder weniger seines Anfangsstandes gesunken sein, erhält der Anleger jeweils einen Bonus von 8,75 % des Nominalbetrages der Anlagesumme. Falls alle drei Indices an einem der Bobachtungstage über dem Anfangswert notieren, kommt es zu einer vorzeitigen Rückzahlung.

Sollte bis zum 06.05.2010 kein Index auf die 60 %-Schwelle gefallen sein, wird am Endfälligkeitsdatum – dem 13.05.2010 – das gesamte Kapital an den Anleger ausgezahlt. Anderenfalls richtet sich die Höhe der Rückzahlung nach dem Stand desjenigen Index am Laufzeitende, bei dem während der Laufzeit der größte Verlust eintrat.

Am 13.05.2008 erhielt der Kläger einen Bonus von 875,00 EUR ausgezahlt. Im September 2008 meldete Lehman Brothers Insolvenz an.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe des von ihm eingesetzten Kapitals abzüglich der Bonuszahlung. Er verlangt außerdem die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.377,12 EUR, wobei er insofern eine 1,8 Geschäftsgebühr ansetzt.

Mit vorgerichtlichem Rechtsanwalts-Schreiben vom 13.10.2008 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückabwicklung. Mit Schreiben vom 29.12.2008 lehnte die Beklagte die Zahlung von Schadensersatz ab.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe gegen ihre Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung verstoßen.

Die Beraterin habe den Kläger nicht über das Totalverlustrisiko informiert, obwohl er zu Beginn des Gesprächs erklärt habe, im Gegensatz zu der „getauschten“ Fondsanlage etwas „total Sicheres“ kaufen zu wollen.

Die Funktionsweise des Zertifikats sei nicht erläutert worden, insbesondere sei kein Hinweis auf den fehlenden Substanzschutz erfolgt. Auch ein Produktflyer sei ihm nicht übergeben worden. Die Beraterin habe lediglich erklärt, dass der Bonus nicht gezahlt werde, wenn die Indices um mehr als 40 % sinken würden.

Des Weiteren sei kein Hinweis darauf erfolgt, dass der Kläger das Risiko der Insolvenz der Emittentin trage. Ihm sei eine 100%ige Rückzahlungsgarantie mitgeteilt worden. Auf die Sicherheit der Anlage sei es ihm auch in besonderer Weise angekommen.

Zudem habe die Beklagte den Kläger nicht darüber aufgeklärt, dass die Lehman-Zertifikate keinem Einlagensicherungssystem unterfielen, obwohl das angelegte Geld zuvor in einem Rentenfonds angelegt gewesen sei. Er sei daher in eine ungesicherte Anlage „hineinberaten“ worden.

Auch über Kursrisiken und die mangelnde Gewährleistung einer Handelbarkeit über die Börse sei er nicht aufgeklärt worden.

Der Kläger ist des Weiteren der Ansicht, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Aufklärungspflicht der Bank über verdeckte Innenprovisionen (sog. „Kick Backs“) auf den vorliegenden Fall entsprechend anwendbar sei. Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung sei es, den Anleger über ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des Beraters aufzuklären. Ein derartiges, zur Aufklärung verpflichtendes wirtschaftliches Eigeninteresse habe die Beklagte im vorliegenden Fall gehabt. Der Kläger behauptet in diesem Zusammenhang, dass die D. Bank tatsächlich einen Kurs von 92 statt 100 gezahlt haben dürfte und demgemäß durch die Veräußerung an ihre Kunden „schnelle 8%“ verdient habe. Indem die D. Bank den Kläger nicht über diese Gewinnmarge aufgeklärt habe, die sie mit dem Verkauf der Lehman-Zertifikate erzielt habe, habe sie gegen ihre Aufklärungspflichten aus dem Beratungsvertrag mit dem Kläger verstoßen.

Der Kläger behauptet, dass er von dem Erwerb des streitgegenständlichen Zertifikats Abstand genommen hätte, wenn er über die vorgenannten Umstände aufgeklärt worden wäre. Insbesondere hätte er das Zertifikat nicht erworben, wenn ihm mitgeteilt worden wäre, dass die Kapitalrückzahlung von der Zahlungsfähigkeit einer ihm unbekannten amerikanischen Investmentbank abhängig war, von deren Bonität er gar keine Vorstellung gehabt habe. Auch hätte er sich nicht für das Produkt entschieden, wenn er gewusst hätte, dass die Bank nicht nur an Transaktionskosten und Depotgebühren verdiene, sondern von einer Gewinnmarge profitiere. Er hätte sein Geld stattdessen anderweitig für 4 % Zinsen angelegt.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % p. a. vom 15.02.2007 bis zum 14.10.2008 und ab dem 15.10.2008 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, abzüglich am 13.05.2008 gezahlter 875,00 EUR, Zug um Zug gegen Übereignung des Lehman Brothers Treas.co.b.v. Glob.Champ.ZT07(13.3.10) index Bskt. Zertifikats mit der ISIN DE….1 zum Nennwert von EUR 10.000,00 zu zahlen.

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des unter dem Antrag 1. genannten Zertifikats im Annahmeverzug befindet.

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.377,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie den Kläger ordnungsgemäß beraten habe.

Die Eheleute Kläger seien bereits in einem Beratungsgespräch am 11.12.2002 grundlegend über die Chancen und Risiken von Wertpapiergeschäften aufgeklärt worden. Dabei seien ihnen auch mehrere Informationsbroschüren übergeben worden, aus denen sich u. a. die Funktionsweise und die Risiken von Indexzertifikaten ergeben hätten.

Das Zertifikat – insbesondere die Funktionsweise und ein mögliches Verlustrisiko – sei dem Kläger durch die Zeugin J. anhand des Porträts umfassend erläutert worden. Der Kläger habe eine „attraktive Rendite“ bei begrenztem Risiko gewünscht.

Auf ein abstraktes Insolvenzrisiko der Emittentin habe die Beklagte nicht hinweisen müssen, es habe keinerlei Anhaltspunkte für ein konkretes Insolvenzrisiko gegeben.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten sei auch nicht deshalb gegeben, weil sie nicht über eine fehlende Einlagensicherung in Bezug auf das streitgegenständliche Zertifikat aufgeklärt habe. Der Kläger sei als langjähriger Kunde der Beklagten über die fehlende Einlagensicherung aufgeklärt worden, da es in den AGB in Ziff. 20 Abs. 2 heiße:

„Nicht geschützt sind Forderungen, über die die Bank Inhaberpapiere ausgestellt hat, wie z. B. Inhaberschuldverschreibungen und Inhabereinlagenzertifikate, sowie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten.“

Zudem habe es für den Kläger auf der Hand gelegen, dass ein deutsches Einlagensicherungssystem für Verbindlichkeiten einer ausländischen Bank nicht einstehen würde.

Die Beklagte habe die Zertifikate von Lehman Brothers zum Nennwert erworben. Eine Gewinnmarge habe es dabei nicht gegeben. Für jedes veräußerte Zertifikat habe sie von Lehman Brothers lediglich eine einmalige Vertriebsprovision von 3,5 % erhalten. Soweit die Beklagte eine solche Provision für die Veräußerung der Zertifikate von der Emittentin erhalten habe, sei die Höhe marktüblich gewesen, so dass kein aufklärungsbedürftiger Interessenkonflikt bestanden habe. Die „Kick-Back“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei auf die vorliegende Fallkonstellation auch nicht übertragbar, da es hier nicht um einen Fall der Zahlung eines verdeckten Rückflusses gehe. Zudem bestünden bei einem Kaufvertrag im Gegensatz zu der Geschäftsbesorgung auch keine besonderen Auskunftspflichten.

Zumindest fehle es an der haftungsbegründenden Kausalität, da der Kläger sich nicht auf eine Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens berufen könne.

Schließlich treffe die Beklagte in jedem Fall kein Verschulden, da es für sie zum Zeitpunkt der Beratung nicht vorhersehbar gewesen sei, dass die „Kick Back“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die vorliegende Fallgestaltung angewendet werden könnte. Ebenso wenig sei bisher die Ansicht vertreten worden, dass eine Aufklärung über eine fehlende Einlagensicherung zu erfolgen habe. Die Annahme der Beklagten, dass insofern eine Aufklärungspflicht nicht bestünde, stelle daher einen unvermeidbaren Rechtsirrtum dar.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien einschließlich der eingereichten Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 29.05.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch ganz überwiegend begründet. Lediglich hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und der Zinsen hat sie in der Sache nur zum Teil Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 9.125,00 EUR gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten aus einem Beratungsvertrag.

1.

Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufklärung des Klägers aus dem konkludent geschlossenen Beratungsvertrag verletzt.

Der Anlageberater hat den Kunden über alle Umstände zu informieren, die für die Anlageentscheidung wesentlich sind, und die erteilten Informationen fachkundig zu bewerten und zu beurteilen (BGHZ 74, 103; 123, 126; NJW 1982, 1095; NJW-RR 1993, 1114).

Die Beratung hat sich daran auszurichten, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung dieses Ziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten, also „anlegergerecht“ sein. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung als „objektgerecht“ auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Entscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können.

Vorliegend hat die D. Bank ihre Pflicht zu einer objektgerechten Beratung jedenfalls in zweifacher Hinsicht verletzt. Ob daneben noch weitere Pflichtverletzungen gegeben sind, kann dahinstehen.

a) Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist zunächst darin zu sehen, dass sie den Kläger nicht darüber aufgeklärt hat, dass das streitgegenständliche Zertifikat nicht von einem Einlagensicherungssystem gedeckt ist.

Hierbei handelt es sich um einen für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstand, da es für den Anleger einen erheblichen Unterschied macht, ob ihm im Fall des finanziellen Zusammenbruchs des Emittenten eine Sicherungseinrichtung zur Verfügung steht oder ob er selbst das Risiko einer Insolvenz des Emittenten und des nahezu vollständigen Verlusts des eingesetzten Kapitals trägt (so auch schon Landgericht Hamburg, Urteil vom 23.06.2009 – Az.: 310 O 4/09; Bömcke/Weck, VuR 2009, 53, 56). Insofern ist auch unerheblich, dass das Risiko einer Insolvenz von Lehman Brothers zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung objektiv als sehr gering einzustufen war. Die Wesentlichkeit und damit die Aufklärungsbedürftigkeit folgen schon daraus, dass dieser Umstand im Falle einer Verwirklichung des Risikos den Unterschied zwischen Kapitalerhalt und Totalverlust ausmachen kann.

Angesichts der Möglichkeit einer solchen Bedeutung stand es der D. Bank aber nicht zu, das Risiko selbst als gering einzustufen und sich gegen eine Mitteilung an den Kunden zu entscheiden. Die Anlageberatung muss dem Kunden gerade eine ausgewogene, umfassende und eigenverantwortliche Entscheidung ermöglichen. Es ist daher allein Sache des Kunden, die Bedeutung möglicher Risiken für seine Entscheidung zu beurteilen, so dass die Bank nicht eine eigene Bewertung durchführen und ihm dann gegebenenfalls den für unbeachtlich gehaltenen Aspekt verschweigen darf.

Dass ein solches Zertifikat von keinem Sicherungssystem erfasst ist, ist entgegen der Auffassung der Beklagten für den durchschnittlichen Anleger, der bei seiner Hausbank ein Anlageprodukt erwirbt, auch nicht offensichtlich.

Vorliegend kann dahinstehen, ob eine entsprechende Aufklärungspflicht besteht, wenn der Anlagebetrag zuvor schon nicht „gesichert“ war, da der Kläger hier von einer „gesicherten“ zu einer „ungesicherten“ Anlagemöglichkeit wechselte. Der Kläger hatte den Betrag, der für den Erwerb des Zertifikats verwendet wurde, zuvor in einem Fonds angelegt. Dieser stellt insolvenzfestes Sondervermögen dar. Eine Einlagensicherung bestand insofern zwar nicht, war aber auch gar nicht erforderlich, da der Kläger im Falle einer Insolvenz der Fondsgesellschaft ohnehin abgesichert war.

Ein Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung wurde dem Kläger nicht erteilt. Eine – für den Laien ohnehin kaum verständliche – Erklärung in Ziff. 20 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vermag eine vollständige Aufklärung im Rahmen eines Beratungsgespräches nicht zu ersetzen.

b) Die Beklagte hat es zudem pflichtwidrig unterlassen, den Kläger über die zu erwartende Provision aus dem Vertrieb des streitgegenständlichen Zertifikats aufzuklären (vgl. dazu schon Landgericht Hamburg, Urteil vom 23.06.2009 – Az.: 310 O 4/09; Urteil vom 01.07.2009 – Az.: 325 O 22/09).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht eine Pflicht der Bank zur Offenlegung von verdeckten Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen und jährlichen Verwaltungsgebühren (BGHZ 146, 235; 170, 226; NJW 2009, 1416). Dies ist auf die vorliegend nach dem eigenen Vortrag der Beklagten von der Emittentin an die D. Bank – verdeckt im Wege der Rückvergütung – gezahlte Vertriebsprovision anwendbar.

Eine Aufklärung über die Vergütung für die Bank ist notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank offen zu legen. Erst durch die Aufklärung wird der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Bank ihm ein bestimmtes Produkt nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient. Bei der Offenlegung von Rückvergütungen geht es mithin um die Frage, ob eine Gefährdungssituation für den Kunden geschaffen wird. Deshalb ist eine Aufklärung unabhängig von der Rückvergütungshöhe geboten (BGH NJW 2009, 1416, 1417). Dies muss nach dem Sinn und Zweck dieser Pflicht, die allein auf eine Offenbarung des Eigeninteresses abzielt, sogar unabhängig von der Ausgestaltung der Vergütung gelten, gleich ob es sich um einen Rückfluss handelt oder nicht, ob es um eine Provision geht oder um eine Gewinnmarge.

Diese Aufklärungspflicht hat die D. Bank verletzt, indem sie den Kläger vor seiner Anlageentscheidung nicht auf die Vertriebsprovision in Höhe von 3,5 % hingewiesen hat, die sie von Lehman Brothers für den Vertrieb eines Zertifikats erhielt.

Dass die Parteien hinsichtlich des Zertifikats einen Kaufvertrag abgeschlossen haben, ist unerheblich, da die Pflicht zur Information des Kunden aus dem Beratungsvertrag folgt.

Nicht von Bedeutung ist auch der Umstand, dass der D. Bank anders als im Falle anderer Kreditinstitute bei einer Nichtveräußerung der Zertifikate im Verhältnis zu Lehman kein wirtschaftlicher Nachteil gedroht haben mag. Dies wäre nur ein weiterer aufklärungsbedürftiger Aspekt. Für ein Eigeninteresse der Bank an der Veräußerung eines Zertifikats, das dem Kunden im Rahmen einer umfassenden Beratung offenbart werden muss, genügt aber schon der zu erwartende Vorteil für die Bank, es muss nicht noch verschärfend ein drohender Nachteil hinzukommen.

c) Die Beklagte hat auch schuldhaft im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB gehandelt. Sie kann sich auch nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen, da sie das Bestehen einer Aufklärungspflicht hinsichtlich der fehlenden Einlagensicherung und der Vertriebsprovision hätte erkennen können. Dies folgt bereits daraus, dass der Anlageberater den Umfang der Beratung an der möglichen Bedeutung verschiedener anlagebezogener Umstände für die Entscheidung des Kunden auszurichten hat und nicht etwa daran, was in der Rechtsprechung bereits als ein solcher wesentlicher Umstand benannt worden ist. Dem objektiven Anlageberater hätte sich aber erschließen müssen, dass die Absicherung durch ein Sicherungssystem und das Vorhandensein eines Eigeninteresses der beratenden Bank potentiell bedeutsame Umstände sind, deren Berücksichtigung bei der Anlageentscheidung dem Kunden ermöglicht werden muss.

d) Der Kläger hat bereits durch den Erwerb der für ihn nachteiligen Kapitalanlage infolge einer unzureichenden Beratung einen Schaden erlitten (BGH NJW 2005, 1579, 1580).

Im Wege des Vorteilsausgleichs ist bei der Schadenshöhe der im Mai 2008 ausgezahlte Bonus in Höhe von 875,00 EUR zu berücksichtigen. Dieser Betrag ist allerdings nicht gemäß § 367 Abs. 1 BGB auf die Zinsen anzurechnen, da erkennbar die Erfüllung des Anspruches des Klägers auf Auszahlung eines Bonus bezweckt wurde und nicht die Tilgung eines Schadensersatzanspruches. Zudem steht der dadurch erlangte Vorteil in erster Linie nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem entgangenen Zinsgewinn des Klägers, sondern mit dem eingesetzten Kapital in Höhe von 10.000,00 EUR. Der insofern erlittene Nachteil wurde durch die Bonuszahlung zu einem Teil kompensiert.

e) Die Pflichtverletzungen der Beklagten sind auch kausal für den entstandenen Schaden des Klägers.

Zu Gunsten des Klägers greift hier die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens ein. Wer eine vertragliche Aufklärungspflicht verletzt, ist beweispflichtig dafür, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte und der Schaden damit auch bei pflichtgemäßen Verhalten entstanden wäre (BGHZ 61, 118; 124, 159; WM 2009, 789; WM 2009, 1274).

Für diese Verteilung des Beweislastrisikos ist insbesondere entscheidend, dass die Frage nach dem Verhalten des Anlegers im Falle einer vollständigen und richtigen Aufklärung ausschließlich hypothetisch ist. In der Folge werden regelmäßig Zweifel daran verbleiben, wie der Anleger sich bei Kenntnis eines Umstandes, der auch nur einer von verschiedenen abzuwägenden Aspekten ist, tatsächlich entschieden hätte. Auch wird als Beweismittel oftmals nur der geschädigte Anleger selbst zur Verfügung stehen, um über seine inneren Gedanken- und Entscheidungsvorgänge Auskunft zu geben. Ein vollständiger Beweis wird sich daher weder in die eine noch in die andere Richtung kaum einmal führen lassen.

Die Konsequenzen dieser Beweisnot muss aber derjenige tragen, der eine solche Situation schuldhaft herbeigeführt hat. Die D. Bank hatte es hier in der Hand, die Frage nach dem hypothetischen Verhalten des Klägers durch dessen ordnungsgemäße Aufklärung zu vermeiden, während der Kläger gerade darauf vertrauen durfte, vollständig informiert zu werden.

Die Beklagte hat die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens auch nicht widerlegt.

Auf der Grundlage des Sachvortrages erscheint es hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger sich bei einer Aufklärung über die fehlende Einlagensicherung und die Vertriebsprovision gegen den Erwerb des Zertifikats entschieden hätte. Einen gegenteiligen Beweis hat die Beklagte nicht geführt.

Die Beklagte trägt selbst vor, dass der Kläger das in einen Fonds investierte Geld anderweitig anlegen wollte und als Verwendungszweck des Betrages eine Rücklage für das Alter, einen Autokauf, einen etwaigen Immobilienkauf der Tochter und gemeinsame Reisen mit seiner Frau nannte. Angesichts dieser Anlageziele ist die Behauptung des Klägers plausibel, dass er im Falle der Kenntnis von der fehlenden Einlagensicherung und dem damit einhergehenden Totalverlustrisiko von dieser Anlageform abgesehen hätte.

Auch ist es nachvollziehbar, dass der Kläger – der lediglich den Nennwert des Zertifikats zahlte – keine Vorstellung davon hatte, dass und in welcher Höhe die Beklagte für die Veräußerung des Zertifikats eine Provision von der Emittentin erhielt. Die Provisionshöhe ist zudem nicht derart gering, dass das Vorhandensein eines Eigeninteresses aus objektiver Sicht zu vernachlässigen ist, weil die Entscheidung eines verständigen Anlegers dadurch in keiner Weise hätte beeinflussen werden können.

2.

Die Feststellung des Annahmeverzugs folgt aus § 293 BGB. Der Kläger hat der Beklagten die Rückgabe des streitgegenständlichen Zertifikats mit Schreiben vom 13.10.2008 (Anlage K 3) wörtlich im Sinne des § 295 BGB angeboten.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stehen dem Kläger nur in Höhe von 775,64 EUR als Teil des zugesprochenen Schadensersatzes gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu, ein weitergehender Anspruch besteht nicht. Der Kläger kann nach Nr. 2300 VV RVG lediglich den Ersatz einer 1,3 Geschäftsgebühr zu einem Streitwert von 9.125,00 EUR verlangen. Die Rechtssache hat keinen überdurchschnittlichen Umfang und weist im Vergleich mit anderen Rechtsstreitigkeiten, die Schadensersatzansprüche aufgrund von Anlageberatungsfehlern betreffen, keine besonderen Schwierigkeiten auf.

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich für die Zeit vom 15.02.2007 bis zum 14.10.2008 aus § 280 Abs. 1 i. V. m. § 252 BGB. Die Höhe der entgangenen Zinsen hat das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO auf 4 % p. a. geschätzt.

Für den Zeitraum ab dem 15.10.2008 folgt der Zinsanspruch aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Allerdings kann der Kläger für die Zeit ab dem 13.05.2008 Zinsen nur noch aus einem Betrag von 9.125,00 EUR verlangen, da sich sein Schaden zu diesem Zeitpunkt in Höhe der Bonuszahlung verringert hat. Dieser Betrag stand dem Kläger für eine anderweitige Kapitalanlage wieder zur Verfügung.

3.

Bei der Entscheidung ist neuer Vortrag aus dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz des Klägers vom 03.07.2009 nicht berücksichtigt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 9.125,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs kommt neben dem Leistungsantrag kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu (HansOLG Hamburg OLGR 2000, 455).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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