OLG Oldenburg (Oldenburg), Rechtsentscheid in Mietsachen vom 19. Februar 1981 – 5 UH 12/80
Zur Ablehnung eines Nachmieters bei vorzeitigem Auszug des Mieters
1. Der Vermieter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Mieter vorzeitig aus dem Vertrag zu entlassen, auch wenn der Mieter dem Vermieter einen Ersatzmieter benennt. Etwas anderes gilt nur, wenn das Verhalten des Vermieters gegen Treu und Glauben verstößt.
2. Der Vermieter verliert seinen Anspruch auf den Mietzins für die auf den Auszug des Mieters folgenden beiden Monaten jedenfalls dann nicht, wenn der Mieter aus von vornherein vorhersehbaren Gründen vorzeitig auszieht und der Vermieter den ihm angebotenen Ersatzmieter ablehnt, um alsbald mit einem anderen Mieter über das Ende der restlichen Mietzeit hinaus einen Vertrag zu günstigeren Bedingungen abzuschließen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tatbestand
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(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
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Das Landgericht hat dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
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Verliert der Vermieter den Anspruch auf den Mietzins für eine Wohnung in O. für die beiden auf den Auszug des Mieters folgenden Monate, in denen sie leergestanden hat, wenn der Mieter die Wohnung am 29. März 1979 zum 30. Juni 1979 gekündigt hat, weil dann sein Beschäftigungsverhältnis in O. auslaufe und er dem Vermieter einen Nachfolger genannt hat, der den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen wie der Mieter fortzusetzen bereit gewesen wäre, obwohl das Mietverhältnis nach dem Mietvertrag erst zum 31. Januar 1980 gekündigt werden konnte?
Entscheidungsgründe
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Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Rechtsentscheids liegen vor. Die vom Landgericht gestellte Frage kann allerdings in dieser Form nicht durch Rechtsentscheid beantwortet werden, weil das Landgericht nicht eine einzelne oder – was auch zulässig und in diesem Fall mindestens zweckmäßig gewesen wäre – mehrere Rechtsfragen vorgelegt, sondern in Frageform einen konkreten Sachverhalt zur Beurteilung unterbreitet hat. Dabei läßt die vorgelegte Frage für sich betrachtet in zwei dem Senat wesentlich erscheinenden Punkten nicht eindeutig genug erkennen, von welchen Vorgaben die Kammer bei ihrer Entscheidung im einzelnen ausgehen will. Dem Beschluß allein läßt sich weder zweifelsfrei entnehmen, ob das Auslaufen ihres Beschäftigungsverhältnisses für die Mieterin ein unvorhergesehenes Ereignis war und deshalb einen besonderen Grund darstellt, der gemäß § 242 BGB ein gewisses Entgegenkommen des Vermieters gebieten kann, noch wird deutlich, ob der Wohnungsinteressent nach der Überzeugung der Kammer bereit gewesen wäre, lediglich für die restliche Mietzeit zu den bisherigen Bedingungen in dem Mietvertrag einzutreten.
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Gleichwohl ist die vorgelegte Frage in diesem Fall einer Entscheidung durch Rechtsentscheid ausnahmsweise zugänglich, weil der Senat in der Lage ist, die vorgelegte Frage mit Hilfe der vom Landgericht gegebenen Begründung und den aus den Akten zweifelsfrei zu entnehmenden Tatsachen einzugrenzen und auf mehrere allgemeine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zurückzuführen, so daß jedenfalls eine entscheidungserhebliche Teilfrage durch Rechtsentscheid beantwortet werden kann.
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Falls die Kammer bei ihrer Fragestellung davon ausgegangen sein sollte, daß der von der Beklagten genannte Interessent nur bereit gewesen wäre, einen über die restliche Mietdauer von 7 Monaten hinauslaufenden Mietvertrag zu den bisherigen Bedingungen abzuschließen, wäre die Frage des Landgerichts möglicherweise schon deshalb zu verneinen gewesen, weil es dem Vermieter grundsätzlich freistehen muß, nach der Beendigung des Mietverhältnisses einen Nachfolger frei auszuwählen und neue Vertragsbedingungen auszuhandeln (vgl. schon BGH NJW 1963, 1299: kein „Mitspracherecht“ des alten Mieters bei der Auswahl eines Nachfolgers). Darauf, daß die Kammer an einen Nachfolgemieter gedacht hat, der die bisherigen günstigen Bedingungen über das Vertragsende hinaus für sich in Anspruch nehmen möchte, deutet das in den Beschlußgründen von der Kammer angeführte Argument, daß es dem Vermieter möglich sein müsse, bei einem Mieterwechsel einen höheren Preis auszuhandeln.
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Der Senat hat jedoch Bedenken, die Frage der Kammer in diesem Sinne zu verstehen. Denn nach dem in den Beschlußgründen mitgeteilten Sachverhalt soll der Vertragsabschluß mit dem Interessenten daran gescheitert sein, daß der Kläger ab 1. Januar 1980 andere Vertragsbedingungen einführen wollte. Das Mietverhältnis mit der Beklagten endet aber erst am 31. des Monats. Daß der von der Beklagten benannte Interessent tatsächlich bereit gewesen wäre, lediglich für die restliche Vertragsdauer, also beschränkt auf die Zeit bis zum 31. Januar 1980, zu den bisherigen Bedingungen als Ersatzmieter in den alten Mietvertrag einzutreten, um dann wieder auszuziehen oder die neuen Bedingungen zu akzeptieren, läßt sich dem Vorlagebeschluß aber auch nicht entnehmen. Danach bleibt offen, ob das Scheitern der Verhandlungen tatsächlich gerade darauf zurückzuführen ist, daß der Kläger schon für den letzten Monat vor Ablauf des alten Mietverhältnisses die geänderten Bedingungen einführen wollte, worauf möglicherweise die Argumentation der Beklagten in der Anschlußberufungsschrift hinauslaufen soll. Insoweit handelt es sich aber um eine Tatfrage, die der Beurteilung des Senats entzogen ist und zunächst vom Landgericht beantwortet werden müßte, damit der Senat erkennen kann, inwieweit die vom Landgericht vorgelegte Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist.
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Eine gleichzeitig in der Vorlage des Landgerichts mitenthaltene Frage ist indessen zu verneinen. Die Frage geht dahin, ob der Vermieter, der einen Ersatzmieter ablehnt, seinen Mietzinsanspruch für die auf den Auszug des Mieters folgenden beiden Monate nach Treu und Glauben verlieren kann, wenn der Mieter aus von vornherein vorhersehbaren Gründen vorzeitig auszieht. Diese Frage ist dahin zu beantworten, daß ein Verlust der Mietzinsansprüche in dem genannten Fall zumindest dann nicht eintritt, wenn der Vermieter den ihm angebotenen Ersatzmieter ablehnt, um alsbald mit einem anderen Mieter über das Ende der restlichen Mietzeit hinaus einen Vertrag zu günstigeren Bedingungen abzuschließen. Der Vermieter braucht in einem Fall wie dem vorliegenden den von dem Mieter benannten Interessenten weder als Ersatzmieter noch als Nachfolgemieter kurzfristig zu akzeptieren, wenn der Mieter schon bei Abschluß des Mietvertrages absehen kann, daß er wegen der vereinbarten Kündigungsfrist das Mietverhältnis nicht gleichzeitig mit dem Auslaufen seines Beschäftigungsverhältnisses würde beenden können.
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Daß eine derartige Konstellation hier zu Grunde zu legen ist, läßt sich der in dem Vorlagebeschluß verwandten Formulierung, daß das Beschäftigungsverhältnis „auslaufe“, in Verbindung mit dem vom Senat ergänzend heranzuziehenden Akteninhalt entnehmen. Bevor sie den schriftlichen Mietvertrag unterschrieb, hat die Beklagte nämlich mit Schreiben vom 6. März 1978 verschiedene Änderungen erbeten. Unter anderem schlug sie dem Kläger mit Rücksicht auf ihre befristete Tätigkeit in O. vor, daß „der Mietvertrag auf den 31.8.1979 befristet wird, oder eine ausdrückliche Option von einem halben Jahr Mietzeit festgehalten wird“. Obgleich der Kläger diesen Wunsch durch Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 3. Mai 1978 ausdrücklich abgelehnt hat, ist der Mietvertrag von der Beklagten unterschrieben worden. Die Beklagte ist also in diesem Fall bewußt das Risiko eingegangen, die Wohnung nicht bis zum Ende der Mietzeit nutzen zu können, weil der Mietvertrag andernfalls nicht zustande gekommen wäre. Es liegen daher auf Seiten der Beklagten für eine vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses keine unvorhersehbaren besonderen Gründe vor (vgl. dazu Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., S. 584, IV 225, S. 585, IV 226 und S. 585 Fußnote 35; Münchner Kommentar, BGB, RZ 9 zu § 552). Wenn der Vermieter unter diesen Umständen die Beklagte noch zwei Monate nach ihrem Auszug an dem Mietvertrag festhält, um mit einem anderen Mieter über das Ende der Mietzeit hinaus einen Vertrag zu günstigeren Bedingungen abzuschließen, verstößt sein Verhalten nicht gegen Treu und Glauben (vgl. Münchner Kommentar, a.a.O., RZ 12). Nach dem Grundsatz, daß Verträge zu halten sind, ist der Mieter eben nicht ohne weiteres berechtigt, sich vom Vertrag zu lösen, sofern er nur einen zumutbaren Ersatzmieter benennt. Müßte nämlich der Vermieter stets den Ersatzmieter akzeptieren, um sich vor dem Verlust seiner Ansprüche zu schützen, würde das im Ergebnis darauf hinauslaufen, daß der Mieter während der Vertragsdauer dem Vermieter gegen seinen Willen einen andern Vertragspartner aufzwingen könnte (vgl. dazu schon OLG Frankfurt ZMR 1970, 49, 40). Diese Möglichkeit eröffnet das Gesetz dem Mieter aber nicht.