LG Regensburg, Urteil vom 17.06.2014 – 1 HKO 1763/13
Zur Abgrenzung zwischen Frachtvertrag und Chartervertrag
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % über der zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 37.927,48 € festgesetzt.
Tatbestand
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Es geht um einen Rechtsstreit aus dem Transportrecht.
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Die Fa. … hatte im August 2010 an die Fa. … Computer und Zubehör für über 500.000,00 EUR verkauft. Mit dem Transport der Ware beauftragte die Fa. … die Fa. … welche wiederum die Fa. … einschaltete. Durchgeführt wurde der Transport durch die nach der Fa. … tätig gewordene Fa. … Der Fahrer dieser Firma übernahm das Transportgut am 26.8.2010 in Regensburg. In der Nacht vom 30. auf 31.08.2010 wurde in Schweden ein Teil der Ladung im Wert von 24.056,00 EUR entwendet.
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Wegen dieses Vorfalls wurde vor dem Landgericht Regensburg – 1 HK O 747/11 – ein Verfahren durchgeführt. bei dem die Transportversicherung der Fa. … die Fa. … als Klägerin die Fa. … auf Regress verklagte. In dem Verfahren waren sowohl der Fa. … wie der Fa. … der Streit verkündet worden. Mit Urteil vom 28.2.2012 wurde die Fa. … zur Zahlung von 24.056,00 EUR verurteilt, einschließlich zur Tragung der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Auslagen der Beklagten. Die Streitverkündeten mussten ihre Auslagen selbst tragen.
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Gegen dieses Urteil wurde von Seiten der Streitverkündeten … Berufung eingelegt. Mit Endurteil vom 25.03.2013 wies das OLG Nürnberg die Berufung zurück. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte 1 HK O 747/11 des Landgerichts Regensburg verwiesen.
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Die Klägerin trägt vor, der Verkehrshaftpflichtversicherer der Fa. … zu sein und an die … 27.375,39 EUR bezahlt zu haben, nämlich den Urteilsbetrag zuzüglich Zinsen. Aufgrund des im Vorprozess festgestellten qualifizierten Verschuldens des Fahrers der beklagten Fa. … hafte dieselbe. Bezüglich der Schadenshöhe wird auf die Klage vom 5.09.2013 sowie den Schriftsatz vom 21.05.2014 verwiesen.
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Die Klägerin stellt den Antrag:
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 37.927,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.05.2013 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Sie trägt vor, dass zwischen der Fa. … und der Beklagten kein Transportvertrag vorliege. Die Beklagte habe vielmehr Fahrer und Lkw an die Fa. … zur Verfügung gestellt, somit verchartert. Seine Aufträge habe der Fahrer immer direkt vom Disponenten der Fa. … ohne jeglichen Einfluss der Beklagten erhalten. Am Ende der jeweiligen Arbeitswoche habe der Fahrer die Frachtpapiere der Woche in das Büro der Beklagten gebracht. Diese seien dann an die Fa. … übermittelt worden. Dispositionen für die nächste Woche seien allein durch die Fa. … erfolgt.
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Im Übrigen stellt die Beklagte die Versicherungseigenschaft und die Zahlung durch die Klägerin streitig und wendet sich gegen die Schadenshöhe. Insoweit wird auf die Schriftsätze vom 6.11.2013 und 21.05.2014 verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugen … (Bl. 62 ff. d. A.). Im Übrigen lagen Urkunden vor sowie die beigezogene Akte 1 HK O 747/11 des Landgerichts Regensburg.
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Im Einverständnis mit den Parteien wurde das schriftliche Verfahren mit Beschluss vom 8.05.2014 bei Schriftsatzfrist bis 21.05.2014 angeordnet.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Der Klägerin steht kein Anspruch aus übergegangenem Recht gegenüber der Beklagten zu.
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Zwar ist die Klägerin aktivlegitimiert, was sich aus den Anlagen K 7 (Versicherungsvertrag der Fa. … mit der Klägerin), K 8 (Zahlungsübersicht) und insbesondere K 9 (Privaturkunde, beinhaltend eine Erklärung einer Angestellten der … ergibt.
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Jedoch liegt eine Haftung der Beklagten nur vor, wenn ein Frachtvertrag im Sinne von Art. 1 CMR zwischen ihr und der Fa. … abgeschlossen wurde oder ein durchgehender Frachtbrief nach Art. 34 CMR vorliegt.
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Letzterer wurde dem Gericht nicht übergeben trotz Erörterung in dieser Sache. Eine Übernahme und Eintritt im Sinne von Art. 34 CMR durch die Beklagte liegt somit nicht vor.
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Das Gericht hatte somit zu überprüfen, welches Vertragsverhältnis zwischen der Fa. … und der Beklagten vorlag. Die Unterscheidung zwischen Chartervertrag und Frachtvertrag wird in Rechtsprechung und Literatur auf verschiedene Kriterien gestützt:
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a. Wer verfügt über den Lkw einschließlich des Fahrers bzw. disponiert die Fahrten (OLG Innsbruck, Transportrecht 97, 343; Koller, 7. Aufl., Art. 1 CMR, Rdnr. 3)?
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b. Liegt ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vor (vgl. OLG Karlsruhe, Transportrecht 06, 85)?
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c. Wer hat die kommerzielle Verfügungsbefugnis (Münchner Kommentar, 2. Aufl., Art. 1 CMR, Rdnr. 9)?
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d. Ist der Vertrag ladungsbezogen oder fahrzeugbezogen (Koller, a. a. O.)?
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e. Wird der Transporterfolg geschuldet? Wird die Ware vom Auftragnehmer in Obhut genommen (Koller, 7. Aufl., § 407 Rdnr. 18)?
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f. Liegen besondere Abrechnungsmodalitäten vor, welche auf den Transporterfolg als Berechnungsmerkmal verweisen?
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Nach der Aussage des Zeugen … Disponent bei der Beklagten, verfügt die Fa. … über verschiedene Objekte wie Tankstelle, Waschanlage, Tankfahrzeuge und eine Stückgutflotte, hauptsächlich bestehend aus Sattelschleppern und Aufliegern. Die Zusammenarbeit habe mit der Fa. … 2008 begonnen. Dabei seien 3 bis 4 Fahrzeuge immer fest an die Fa. … verchartert worden. Fahrer und Fahrzeuge seien von der Beklagten gestellt worden, jedoch hätte alle Dispositionen die Fa. … getroffen. Es habe sich um feste Fahrzeuge gehandelt, außer ein Fahrzeug sei einmal kaputt gewesen. Vereinbart sei gewesen, dass diese Fahrzeuge immer befrachtet werden. Sie wurden in Deutschland befrachtet und seien dann nach Schweden gegangen und wieder zurück. Nur dann, wenn ein Fahrzeug leer gewesen wäre, hätte man nachgefragt, ob man wieder selbst befrachten könne oder ob man einen Auftrag habe. Die Fa. … habe dann zu überprüfende Gutschriften erstellt. Kosten des Fahrers und alle Kosten um das Kraftfahrzeug seien von der Fa. … getragen worden. Am Wochenende seien die Fahrzeuge, welche verchartert gewesen waren, auf den Hof der Fa. … gekommen. Danach seien sie für die kommende Woche wieder auf Transport gegangen. Wohin und mit welcher Ladung habe er nicht gewusst. Dies habe er erst durch den Fahrer am Wochenende erfahren, als dieser die Transportpapiere im Büro abgeliefert habe. Während dieser Zeit habe zwischen ihm und dem Fahrer auch, mit Ausnahme von Unfällen oder dergleichen oder falls keine Fracht mehr vorhanden war, kein Kontakt bestanden.
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Es sei auch durchaus vorgekommen, dass die Fa. … von der Fa. … einen direkten Frachtauftrag bekommen habe. Dieser Frachtauftrag sei dann mit anderen Fahrzeugen abgewickelt worden. Die Abstimmung über die Fahrzeiten seien zwischen … und dem Fahrer gelaufen. Auch die sonstigen Weisungen.
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Diese Aussage wurde von dem Zeugen … bestätigt. Dieser gab an, dass er von der Fa. … auf sein Handy, das ein Firmenhandy von der Fa. … war, die Daten für den jeweils durchzuführenden Transport erhalten habe.
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Entsprechend dieser SMS habe er dann geladen und sei gefahren. Auch die Schiffsbuchungen habe er von der Fa. … mitgeteilt bekommen und ebenso die Reihenfolge der Abladungen. Bei einer Panne habe er bei … aber auch bei der Fa. … angerufen. Sein Wochenbericht sei an die Fa. … gegangen. Alle Ladepapiere habe er vom Absender erhalten. Mit seinem Disponenten … habe er unter der Woche, mit Ausnahme einer Panne z. B., nicht telefoniert. Er habe jedoch jeden Tag mit der Fa. … telefoniert.
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Auch der Zeuge … bestätigt im Wesentlichen diese Angaben. Er ist angestellter Disponent bei der Fa. … und hatte mit der Fa. … zusammen gearbeitet. Die Aufträge seien direkt an den Fahrer gegangen und zwar mittels Telefon oder SMS. Diese Aufträge seien auch nicht an … weitergemeldet worden. Eine Abgleichung sei immer erst am Ende der Woche erfolgt. Schriftlich sei der Fahrer nie beauftragt worden und auch die Fa. … habe keine schriftliche Ausfertigung erhalten.
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Der Zeuge …, Geschäftsführer der Fa. … hat zwar dem Gericht gegenüber angegeben, dass seiner Auffassung nach Hr. … ein von ihm eingesetzter Subunternehmer war. Es handelt sich hier jedoch um eine Rechtsauffassung, nicht um eine Tatsachenfeststellung. Letztlich wies der Zeuge jedoch darauf hin, dass das Fahrzeug und der Fahrer von der Fa. … an seine Firma übergeben worden seien zur Disposition. Er habe dem Fahrer mitgeteilt, wo zu laden war, wo abzuliefern sei und welche Fähre zu nehmen sei. Diese Angaben wurden aber von den Zeugen wieder eingeschränkt dahingehend, dass er gegenüber dem Fahrer nicht weisungsbefugt gewesen sei. Das Gericht hatte somit den Eindruck, dass diese Aussage, anders als bei den vorangegangenen Zeugen, von dem Eigeninteresse des Zeugen an dem Rechtsstreit beeinflusst war.
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Der Zeuge … hat jedoch im Termin eine Vereinbarung vorgelegt aus dem Jahr 2008, wie zwischen seiner Firma und der Beklagten abgerechnet wurde. Danach lag kein Zeitfaktor vor, sondern es wurde über Lastkilometer und Leerkilometer abgerechnet.
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Eine derartige Abrechnung widerspricht nicht der Annahme eines Chartervertrages. Denn bei dem vermieteten Lkw handelt es sich um ein Wirtschaftsgut, das entsprechend dem Einsatz mehr oder weniger stark abgenutzt werden kann. Wie üblich im Kraftfahrzeugbereich wird daher nicht allein auf einen Zeitraum abgestellt, sondern im Wesentlichen auf die gefahrenen Kilometer.
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Fasst man somit alle Momente zusammen, so lag sowohl die tatsächliche Dispositionsbefugnis als auch der wirtschaftliche Einsatz des Fahrzeuges und die mögliche Ziehung von Nutzen aus diesem Fahrzeug auf Seiten der Fa. … und nicht auf Seiten der Beklagten. Zwar konnte die Beklagte ihren Fahrer über das Firmenhandy – wie allgemein üblich – jederzeit erreichen. Allerdings waren Fahrzeug und Fahrer, solange keine besonderen Vorkommnisse vorlagen, für die Beklagte mit unbekanntem Ziel und auf unbekanntem Ort unterwegs. Der Abgleich erfolgte ja erst nach den durchgeführten Fahrten einer Woche.
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Hätte die Fa. … die Beklagte als Subunternehmer und Unterfrachtführer einsetzen wollen, so hätte sie diese ohne Weiteres in einem eigenen Frachtvertrag beauftragen können. Dass dies nicht geschah, zeigt im Umkehrschluss wiederum, dass an den Transporterfolg auf Seiten der Fa. … kein eigenes Interesse bestand. Dies erschöpfte sich in der geschäftsmäßigen Vermietung von Fahrzeug mit Stellung des Fahrers an die Fa. …. Damit konnte die Klägerin ein Frachtführerverhältnis zwischen ihrer Versicherungsnehmerin und der Beklagten nicht nachweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO i. V. m. §§ 3, 63 GKG.