LG Hagen (Westfalen), Urteil vom 03.02.2012 – 1 S 204/11
Zur Beantwortung der Frage, wer Vertragspartner des Bestellers einer Fahrt mit dem Heissluftballon ist, ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Bestellers bei Vertragsschluss abzustellen (Rn. 4)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.08.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts J abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
1
Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Ergänzend hat die Beklagte in zweiter Instanz unbestritten vorgetragen, dass die Klägerin am 14. und 16.12.2009 je ein Bestellformular für einen Ballongutschein unterzeichnet habe (vgl. Bl. 133 f d. A.). Streitig ist der neue Vortrag der Beklagten, dass die auf dem Bestellformular erwähnten AGB der Firma C GmbH in ihrer Verkaufsstelle ausgelegen hätten.
II.
2
Die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgt, ist zulässig und begründet.
3
Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Beträge von 2 x 185,- € für die von ihr am 14. und 16.12.2009 erworbenen Ballonfahrtgutscheine besteht gegen die Beklagte nicht.
4
Ein Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 326 Abs. 4, 346 BGB scheidet aus, weil die Beklagte nicht Vertragspartner der Klägerin geworden ist, als diese die Gutscheine im Ticketshop der Beklagten erwarb. Rechtlich zutreffend hat das Amtsgericht bei der Abgrenzung von Eigen- und Fremdgeschäft darauf abgestellt, ob sich vom objektiven Empfängerhorizont der Klägerin betrachtet bei Vertragsschluss aus den Umständen ergab, dass die Beklagte die Ballonfahrten selbst in eigener Verantwortung veranstalten oder ob sie Ballonfahrten der Firma C GmbH vermitteln wollte. Zu Recht hat das Amtsgericht auch darauf hingewiesen, dass die interne Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Firma C GmbH, wonach die Beklagte die Tickets ausdrücklich gegen Provision vermitteln sollte, für die Frage, wie die Klägerin das Gutscheinangebot verstehen durfte, nicht maßgeblich ist. Es kommt vielmehr auf die Umstände an, die die Vorstellungen der Klägerin bei Vertragsschluss geprägt haben.
5
Hierfür war die Werbung für die Veranstaltung von maßgeblicher Bedeutung, durch die auch die Klägerin auf die Ballonfahrten aufmerksam geworden ist. Nach Auffassung der Kammer ergab sich für Interessenten aus dieser Werbung deutlich, dass die Beklagte die Ballonfahrten nicht als eigene Leistungen anbot. Sowohl wegen weiterer Informationen zu den Ballonfahrten als auch wegen des Ticketkaufs wurden die Interessenten ausdrücklich an die Firma C verwiesen. Der Umstand, dass nicht deren exakte Firmenbezeichnung und Anschrift mitgeteilt wurden, ändert an der Deutlichkeit der Verweisung an die Firma C nichts. Zur Kontaktaufnahme wurden nämlich zeitgemäß deren Website, E-Mail-Adresse und Telefonnummer mitgeteilt. Dass in der Werbung immer auch das Logo der Landesgartenschau erschien, erklärt sich zwanglos damit, dass der Veranstaltungsort für die Ballonfahrten mitzuteilen und Werbung für die Landesgartenschau als solche beabsichtigt war. In Verbindung mit dem Umstand, dass die Durchführung von Ballonfahrten für den Veranstalter einer Gartenschau eine völlig fachfremde technische Leistung darstellt, konnte die Verweisung an die Spezialfirma nur die Erwartung begründen, dass diese und nicht die Organisatorin oder Landesgartenschau für die Ballonfahrten verantwortlich sein sollte. Nichts anderes ergibt sich aus dem Text des Gutscheins, der der Klägerin zumindest vor dem nachträglichen Erwerb des zweiten Gutscheins bekannt war.
6
Auch ohne den neuen Sachvortrag der Beklagten zu den AGB der Firma C GmbH, der gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zugelassen werden kann, ergeben bereits die unstreitigen Umstände, dass die Beklagte gegenüber den Interessenten nicht selbst als Veranstalter der Ballonfahrten aufgetreten ist.
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Die Beklagte haftet auch nicht nach Gesellschaftsrecht gesamtschuldnerisch mit der Firma C GmbH auf Rückerstattung der 370,- €. Ob die Beklagte und die Firma C GmbH mit dem Ballonfestival gesellschaftsvertraglich einen gemeinsamen Zweck verfolgt haben, kann dahinstehen. Da die Beteiligten nämlich nach außen nicht als BGB-Gesellschafter aufgetreten sind, könnte allenfalls eine Innengesellschaft vorgelegen haben, deren Gesellschafter gegenüber Dritten nur dann gemäß § 427 BGB gesamtschuldnerisch haften, wenn sie sich auch gemeinschaftlich gegenüber dem Dritten verpflichtet haben. Wie zuvor bereits ausgeführt handelte die Beklagte bei dem Verkauf der Tickets für die Ballonfahrten aber nach dem Erwartungshorizont der Kunden erkennbar nur als Vermittler. Die Landesgartenschau stellte die Werbung und die Kulisse bereit, was für die Annahme einer Mitverpflichtung bezüglich der Ballonfahrten nicht ausreicht.
8
Schließlich scheidet auch eine Haftung der Beklagten wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens gemäß §§ 311 Abs. 3, 280 BGB aus. Es ist durchaus einleuchtend, dass die Klägerin die teuren Gutscheine nicht so lange im Voraus bezahlt hätte, wenn nach ihrem Eindruck nicht die Beklagte bzw. die Stadt I irgendwie „dahinter gestanden“ hätten. Aufgrund der Einbeziehung der Ballonfahrten in die Werbung und die Kulisse der Landesgartenschau dürften die Gutscheinerwerber vielfach davon ausgegangen sein, dass die Beklagte schon eine zuverlässig erscheinende Fachfirma für Ballonfahrten zur Landesgartenschau eingeladen habe – sowohl in finanzieller wie vor allem auch in flugtechnischer Hinsicht. Alles andere hätte die von der Beklagten zweifellos angestrebte Attraktivitätssteigerung der Landesgartenschau völlig verfehlt. Diese Situation genügt aber nicht, um die Übernahme einer persönlichen Gewähr der Beklagten für die Erfüllung der Ballonfahrtverträge anzunehmen. Es reicht nämlich nicht das allgemeine Vertrauen, das die Gutscheinkunden der Beklagten bzw. der Stadt I entgegengebracht haben mögen. Erforderlich wäre vielmehr gewesen, dass die Beklagte in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt hätte, sie werde persönlich die ordnungsgemäße Abwicklung der Ballonfahrten selbst dann gewährleisten, wenn der Kunde der Veranstalterin nicht oder nur wenig vertraue (vgl. zu den Anforderungen an die Vertrauenshaftung BGH, NJW 2006, 2321 f). Eine solche Sachlage ist bei der Vermittlung der Ballonfahrten offensichtlich nicht gegeben.
9
Die Beklagte ist bei dem Verkauf der Gutscheine schließlich auch nicht „praktisch in eigener Sache“ als „Quasi Partei“ tätig geworden, denn die Organisation und Gewinnerzielung bezüglich der Ballonfahrten war alleine Sache der Firma C GmbH. Die vereinbarte Vermittlungsprovision für die Beklagte begründete lediglich ein mittelbares wirtschaftliches Interesse, das zur Haftungsbegründung nicht ausreicht (vgl. BGH a.a.O.).
10
Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Die Entscheidung erfordert nicht die Beantwortung grundsätzlicher, bislang höchstrichterlich nicht geklärter Rechtsfragen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.