Zum Vorliegen eines Reisemangels wegen Dreharbeiten für eine Fernsehserie auf einem Kreuzfahrtschiff während einer Kreuzfahrt

OLG Köln, Beschluss vom 03. September 2018 – I-16 U 144/17

Die Durchführung von Dreharbeiten für einen Film oder eine Fernsehserie auf einem Kreuzfahrtschiff (Fernsehserie „Verrückt nach Meer“) ist für den Reisenden nicht zu beanstanden, sofern sich aus solchen Dreharbeiten oder Filmaufnahmen keine Beeinträchtigungen für die Reisenden ergeben.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 02.10.2017 – 1 O 122/17 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages leistet.

Gründe
I.

1
Die Klägerin, die bereits etwa 25 Schiffsreisen mit der Beklagten unternommen hatte, buchte bei dieser für den Zeitraum vom 22.12.2016 bis 13.04.2017 die Kreuzfahrt „A“ auf dem Schiff MS B. Der Reisepreis betrug laut Rechnung vom 01.08.2016 (Anlage K 1 – GA 4/5) 26.794,00 EUR, davon entfielen 1.397,00 EUR als Prämie auf eine Reiserücktrittskostenversicherung. Die Klägerin bezahlte die Versicherungsprämie in vollem Umfang und auf den Reisepreis einen Teilbetrag von 5.080,00 EUR.

2
Wenige Wochen nach Abschluss der Buchung unternahm die Klägerin im Zeitraum vom 27.09.2016 bis zum 11.11.2016 die bei der Beklagten gebuchte Schiffsreise „C“ mit dem Schiff MS D. Auf dieser Reise fanden Dreharbeiten für die ZDF-Serie „E“ statt, für die sich die Klägerin – nach den Feststellungen des Landgerichts – als Komparsin hatte eintragen lassen.

3
Nachdem die Klägerin während der „C“-Reise erfahren hatte, dass auf der im Dezember 2016 beginnenden Kreuzfahrt um die Welt im Zeitraum zwischen dem 06.03.2017 und dem 26.03.2017 Dreharbeiten für die ARD-Serie „F“ erfolgen sollten, teilte die Klägerin der Beklagten mit Email vom 03.11.2016 (GA 66) mit, dass sie die Anfang August 2016 gebuchte, streitgegenständlichen Weltreise wegen der vor der Buchung nicht mitgeteilten Dreharbeiten „storniere“.

4
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin wegen der vor Reiseantritt erklärten Kündigung des Reisevertrages die Rückzahlung des anteilig gezahlten Reisepreises (5.080,00 EUR) und der Prämie für die abgeschlossene Reiserücktrittskostenversicherung (1.397,00 EUR) sowie Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, dessen Höhe sie mit 26.794,00 EUR – dem vereinbarten Reisepreis nebst Versicherungsprämie – beziffert.

5
Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und wegen des beiderseitigen Parteivorbringens erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 02.10.2017 Bezug genommen.

6
Das Landgericht hat durch das genannte Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne sich nicht auf einen Mangel der gebuchten, aber von ihr nicht angetretenen Reise stützen. Der Verweis auf die während dieser Reise gestatteten Aufnahmen zu der ARD-Fernsehserie „F“ sei nicht geeignet, einen zur Minderung berechtigenden Reisemangel zu begründen. Vielmehr sei – wie schon bei entsprechenden Reisen mit Dreharbeiten zu der genannten Fernsehserie in der Vergangenheit – davon auszugehen, dass die während der Reise erfolgten Filmaufnahmen sich in einem Rahmen bewegten, der nur geringfügige Beeinträchtigungen des Passagiere zur Folge gehabt habe und deshalb über bloße Unannehmlichkeiten nicht hinausgingen. Die Klägerin trage nichts dazu vor, in welchem Umfang Schiffsbereiche nicht nutzbar gewesen seien oder sonst zugesicherte Leistungen nicht erbracht worden seien. Beeinträchtigungen der Passagiere, die die Reise angetreten hätten, habe die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargetan. Der Verweis auf Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Schiffsreise mit Dreharbeiten zur Serie „E“ sei unbehelflich, weil die Beklagte substantiiert dargetan habe, dass die Filmarbeiten für die Serie „F“ komplett anders gestaltet und mithin nicht vergleichbar seien. Insbesondere sei das Filmteam um ein Vielfaches kleiner als dasjenige bei der Serie „E“ und für die als Dokumentation einzuordnende Serie werde hauptsächlich hinter den Kulissen gefilmt. Soweit es in diesem Zusammenhang zu Filmaufnahmen unter Einbeziehung einzelner Reisender gekommen sei, stelle dies keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise dar, sondern würde der Klägerin allenfalls ein Minderungsrecht nach § 651 d BGB verschafft haben. Der Vortrag der Klägerin erschöpfe sich in Spekulationen und Mutmaßungen. Die Film- bzw. Videoaufnahmen für die Doku-Serie „F“ hätten zudem nur in einem Zeitraum von 20 Tagen während der auf 112 Tage angelegten Kreuzfahrt durchgeführt werden sollen. Im Übrigen zeige ihr Stornierungsschreiben vom 09.11.2016, dass der Stornierung eine andere Motivation als die hier angeführte zugrunde gelegen habe.

7
Gegen dieses Urteil, auf dessen Inhalt auch im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

8
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel der Verurteilung der Beklagten weiter.

9
Die Klägerin vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie führt im Wesentlichen aus, sie sei bei der vom 27.9. bis 10.11.2016 durchgeführten Kreuzfahrt auf der MS D mehrfach ungenehmigt und gegen ihren erklärten Willen und von ihr unbemerkt gefilmt worden. Derselbe Bordkameramann, der das Reise-Video „D-Video-Logbuch“ gedreht habe, habe außerdem teilweise die Fernsehaufnahmen der drei Fernseh-Kamera-Teams gefilmt, d.h. seine Kollegen von den drei Aufnahmeteams für die Serie „E“, darunter eine Drohne des Fernsehteams. Das Filmen eines Reisenden ohne Zustimmung des Gefilmten stelle eine Straftat dar, ein Einverständnis des Gefilmten habe der Filmende zu beweisen. Zwar habe sie sich am 21.10.2016 – an diesem Tag sei eine etwa 60 Personen umfassende Filmcrew auf das Schiff gekommen – zunächst als Komparsin auf eine Liste setzen lassen; diese Benennung habe sie aber unmittelbar anschließend rückgängig gemacht, und zwar vor einer ersten Aufnahme, als ihr bewußt geworden sei, wie furchtbar die Beeinträchtigungen durch die Filmerei gewesen seien. Unabhängig von den Filmaufnahmen zur Serie E sei die Videodokumentation zur Schiffsreise aufgenommen worden; hierbei sei sie ungenehmigt aufgenommen worden. Es sei praktisch überall ohne vorherige Zustimmung von Reisenden gefilmt worden. Ein solches Vorgehen sei strafbar. Das Vorgehen bezüglich der Filmaufnahmen auf dem Schiff MS D zeige, dass auf der hier in Rede stehenden Schiffsreise mit der MS B nicht anders verfahren worden wäre.

10
Die Klägerin beantragt,

1.

11
das Urteil des Landgerichts Bonn vom 02.10.2017 – 1 O 122/17 – aufzuheben,

2.

12
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.477,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2017 zu zahlen,

3.

13
die Beklagte ferner zu verurteilen, an sie 26.794,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2017 zu zahlen,

4.

14
die Beklagte zu verurteilen, an sie die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.474,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

5.

15
für den Fall der Abweisung der Berufung die Revision zulassen.

16
Die Beklagte beantragt,

17
die Berufung zurückzuweisen.

18
Sie vertieft ihren Vortrag erster Instanz und macht im Wesentlichen geltend, der Klägerin sei bekannt gewesen, dass auf den Schiffen der Beklagten wie auch auf sämtlichen anderen Kreuzfahrtschiffen Erinnerungsvideos gedreht würden. Die von der Klägerin als Beanstandung geltend gemachten Dreharbeiten für die Doku-Serie „F“ seien mit denjenigen für die ZDF-Unterhaltungsserie „E“ nicht vergleichbar. Für die Passagiere, die nichts mit den Dreharbeiten hätten zu tun haben wollen, habe es keinerlei Einschränkungen der vereinbarten Reiseleistungen gegeben. Die Tatsache, dass auf einem Kreuzfahrtschiff gefilmt werde, beeinträchtige den Wert oder die Tauglichkeit der Reise zum gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen in keiner Weise. Die Klägerin habe ihre Bitte um Stornierung der Reise nicht damit begründet, dass sie befürchte, illegal gefilmt zu werden. Die E-Mail vom 03.11.2016 bringe nur zum Ausdruck, dass der Umfang der Filmarbeiten den Reisegenuss beeinträchtigen könne. In der vorgerichtlichen Korrespondenz sei nicht davon die Rede gewesen, dass die Klägerin oder andere Passagiere gegen ihren Willen gefilmt und die Bilder auch noch über das Fernsehen verbreitet würden. Eine solche Befürchtung werde erst im vorliegenden Rechtsstreit erhoben, weshalb davon auszugehen sei, dass die Klägerin die Reise nicht wegen der jetzt geäußerten Befürchtung unbefugten Filmens ihrer Person gekündigt habe. Diese Befürchtung sei zudem unbegründet. Den vorgelegten Fotos zu früheren Folgen der Serie „F“ sei nicht zu entnehmen, dass die dort abgebildeten Passagiere gegen ihren Willen gefilmt worden seien. Es bestehe auch kein Anlass zu der Annahme, dass sich ein Kamerateam der MS B, die zudem über 10 Stockwerke verfüge, über ein Verbot eines Passagiers, gefilmt zu werden, hinweggesetzt haben würde. Im Übrigen komme eine – von der Klägerin angesprochene – Strafbarkeit nur in Betracht, wenn Bildnisse ohne Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt würden (§§ 22 Satz 1, 33 Abs. 1 Kunsturhebergesetz – KUG); das bloße Anfertigen von Foto- oder Filmaufnahmen verwirkliche noch keine Straftat. Die mit der Berufungsbegründung als Anlage KK 1 vorgelegten Fotos nebst zugrundeliegendem Sachvortrag seien nicht zuzulassender neuer Sachvortrag, der aber auch sachlich nicht erheblich sei. Die Filmaufnahmen beträfen ein Erinnerungsvideo, welches nicht ohne Einverständnis der darauf abgebildeten Reisenden erstellt worden sei. Soweit darauf die Klägerin abgebildet sei, sei dies ebenfalls nicht ohne ihr Einverständnis geschehen; es habe keine versteckte Kamera gegeben, vielmehr seien die Dreharbeiten gut sichtbar gewesen.

19
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den weiteren Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

20
Die Berufung ist formell unbedenklich, in der Sache jedoch offensichtlich unbegründet.

21
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch gemäß § 651 f Abs. 1 und 2 BGB in der bis zum 30.6.2018 geltenden Fassung (BGB a.F.) auf Zahlung der mit Klage und Berufung geltend gemachten Hauptforderungsbeträge von 5.080,00 EUR Stornokosten, 1.397,00 EUR Versicherungsprämie und von weiteren 26.794,00 EUR – zusammen 33.271,00 EUR – zu.

22
1. Ersatz der Stornokosten (5.080,00 EUR):

23
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klägerin die Durchsetzung des Anspruchs auf Erstattung der gezahlten Stornokosten in Höhe von 5.080,00 EUR versagt.

24
Die Klägerin hat zwar den Reisevertrag mit E-Mail vom 03.11.2016 gekündigt, wozu sie vor Reisebeginn nach § 651 i Abs. 1 BGB a.F. auch ohne besonderen Grund berechtigt war.

25
Rechtsfolge einer solchen Kündigung ist jedoch das Anfallen einer – wie hier – vereinbarten Stornierungsgebühr (§ 651 i Abs. 3 BGB a.F.), es sei denn, die Kündigung wäre nach § 651 e Abs. 1 BGB a.F. gerechtfertigt. In einem solchen Fall verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis und hat eine etwaige Anzahlung zurückzuzahlen.

26
Eine Kündigung nach § 651 e Abs. 1 BGB a.F. setzt das Vorliegen eines Reisemangels im Sinne von § 651 c BGB a.F. und eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise durch diesen Mangel oder die Unzumutbarkeit der Reise aus wichtigem Grund voraus.

27
Für die Erheblichkeit der Beeinträchtigung ist darauf abzustellen, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat, sowie darauf, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. Dabei ist das Maß, mit dem ein Mangel die Reise beeinträchtigt, auf Grund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen (BGH NJW 2013, 3170, 3171; BGH NJW 2012, 2107, 2110 Rn. 34 m.w.N.; Staudinger/Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 651 f Rn. 73 ff.).

28
Die Klägerin hat die in Rede stehende Reise nicht angetreten. Sie kann daher auch denknotwendig keine Beeinträchtigung der gebuchten Reise erfahren haben.

29
Einer erheblichen Beeinträchtigung steht es jedoch gleich, wenn ein Reisemangel die Reise vereitelt hat (arg. § 651 f BGB). Eine Vereitelung der Reise liegt vor, wenn sie überhaupt nicht angetreten oder – was hier nicht der Fall war – gleich zu Anfang wieder abgebrochen worden ist (BGHZ 85, 301, 303 f. = NJW 1983, 448 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1078; Staudinger/Staudinger, a.a.O., Rn. 71 m.w.N.).

30
Die Klägerin hat weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren einen Reisemangel und eine darauf fußende „erhebliche Beeinträchtigung“ der von ihr gebuchten, aber nicht angetretenen Reise dargetan (§ 651 e Abs. 1 Satz 1 BGB), welche sie zum Rücktritt von dem mit der Beklagten geschlossenen Reisevertrag berechtigen würde. Eine Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände ergibt auch nicht, dass der Klägerin der Antritt der Reise objektiv nicht zugemutet werden konnte.

31
Im Einzelnen:

32
a) Vornahme von Dreharbeiten:

33
Die Klägerin kann sich nicht auf mutmaßliche Beeinträchtigungen der von ihr gebuchten streitgegenständlichen Weltreise (Reise Nr. XXX) durch Dreharbeiten für die ARD-Doku-Serie bzw. Doku-Soap „F“ berufen, die von der Gesamtreisezeit vom 22.12.2016 bis 14.04.2017 den Zeitraum vom 06.03. bis 26.03.2017 (20 Tage) betroffen hätten.

34
Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Nutzung eines Schiffes der Entscheidung des Schiffseigners unterliegt und dabei zu gewährleisten ist, dass unterschiedliche Nutzungen miteinander vereinbar bleiben, was aus Sicht des Reisenden eines Kreuzfahrtschiffs bedeutet, dass die vertraglich zugesicherten bzw. üblicherweise vorhandenen Einrichtungen und Leistungen für den Reisenden während der üblichen Zeiten frei genutzt werden können und die Leistungen an Bord uneingeschränkt zur Verfügung stehen und seine Unterbringung in der Kabine nicht gestört wird (LG Bonn BeckRS 2016, 17152).

35
Dementsprechend ist die Durchführung von Dreharbeiten für einen Film oder eine Fernsehserie für den Reisenden nicht zu beanstanden, sofern sich aus solchen Dreharbeiten bzw. Filmaufnahmen keine Beeinträchtigungen für die Reisenden ergeben. Solche Beeinträchtigungen sind in der Rechtsprechung (vgl. AG Oldenburg, Urt. vom 5.10.1999 – 3 C 177/99 – RRa 2000, 132 f.; LG Lübeck, Urt. vom 10.3.2000 – 1 S 109/99 – RRa 2000, 133 f.; s. auch Tamm, in: Beck-Online Großkommentar zum BGB, Stand: 1.7.2017, § 651 c Rn. 50.1; Führich, Reiserecht § 5 Rn. 164) im Falle von Dreharbeiten zur ZDF-Serie „E“ angenommen worden.

36
Dass die für die hier gebuchte und von der Klägerin stornierte Weltreise „A“ für einen Zeitraum von lediglich 20 Tagen vorgesehene Gestattung der Durchführung von Filmaufnahmen für die ARD-Fernsehserie „F“ zu einer Beeinträchtigung des Reisegenusses geführt haben würde oder ernsthaft zu besorgen gewesen wäre, hat die Klägerin nicht ausreichend dargetan.

37
Dazu hätte es des Vortrags im Einzelnen dazu bedurft, in welcher Weise Dreharbeiten Teilnehmer der Kreuzfahrt „A“ in ihrem Genuss von Reiseleistungen behindert oder beeinträchtigt haben würden. Weder das Vorbringen erster Instanz noch das Berufungsvorbringen machen hierzu hinreichende Ausführungen.

aa)

38
Zur Darlegung solcher angeblicher – hypothetischer – Beeinträchtigungen kann sich die Klägerin nicht auf die Dreharbeiten für die ZDF-Serie „E“ während der von der Klägerin unternommenen Seereise „C“ auf der MS D vom 27.09. bis zum 11.11.2016 berufen.

39
Anders als bei der hier in Rede stehenden Doku-Serie diente und dient das für die Verfilmung der ZDF-Unterhaltungsserie „E“ gecharterte Kreuzfahrtschiff – zuletzt die MS D – insgesamt als Kulisse und Drehort für die Serie. Zum Einsatz gelangen neben einem aus zahlreichen Personen bestehenden Mitarbeiterstab eine Vielzahl von Schauspielern, deren Einsatz nach einem festen Drehbuch erfolgt und ggfls. Zugangsbeschränkungen für die Mitreisenden erfordern, die für die Dreharbeiten nicht als Komparsen zur Verfügung stehen.

40
„F“ ist demgegenüber – wie der allgemein zugänglichen Online-Enzyklopädie Wikipedia (Internetadresse 1) entnommen werden kann – eine Doku-Serie der ARD, die seit 2009 in Zusammenarbeit mit der G GmbH produziert wird. Die Erstausstrahlung der Doku-Serie erfolgte im Januar 2010. In der Serie wird das Geschehen einer Kreuzfahrt gezeigt und erklärt. In den einzelnen Folgen werden die unterschiedlichen Aufgaben des Kapitäns, die Rollenverteilung der Küchencrew und die Aufgaben an der Rezeption näher erläutert. Außerdem werden immer wieder verschiedene Passagiere und ihre Erlebnisse während der Kreuzfahrten gefilmt und gezeigt. Gedreht wird mit drei Teams bestehend aus je drei Leuten (Kameramann, Tontechniker, Assistent). Ein Team ist zuständig für die Filmarbeit der Abläufe an Bord, was die Belange der Schiffsbesatzung und die Versorgung anbetrifft, ein zweites Team konzentriert sich auf die Passagiere, und das dritte Team ist für die Parallelgeschichten und vorbereitende Abläufe in den Ländern zuständig (Nachweis bei Wikipedia, a.a.O., Fußnote 4).

41
Etwaige Behinderungen des Reisegenusses der Passagiere liegen nach der Struktur der Doku-Serie nicht nahe. Die Passagiere sind regelmäßig nur insoweit eingebunden, als sie selbst Gegenstand des Berichts bzw. einer Reportage (Parallelgeschichte) sind, was aber selbstredend deren Einverständnis voraussetzt.

42
Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin – wie auch die übrigen Passagiere – durch die Filmaufnahmen der Doku-Serie eine erhebliche Beeinträchtigung ihres Reisegenusses zu befürchten haben, bestanden bei Tätigung der Reisebuchung nicht.

bb)

43
Die weitere – bloße – Befürchtung, an Bord oder auf Landausflügen einem Kameramann zu begegnen, stellt die Tauglichkeit der Reise nach dem gewöhnlichen, vertraglich vorausgesetzten Nutzen ebenfalls nicht in Frage.

44
b) Gefahr des unerlaubten Gefilmtwerdens:

45
Schließlich bestand für die Klägerin keine ernst zu nehmende Befürchtung dahingehend, dass sie unerlaubt im Zuge von Dreharbeiten als Passagier gefilmt werden könnte bzw. würde.

46
Bildnisse von natürlichen Personen dürfen nach § 22 Satz 1 Kunsturhebergesetz (KUG) nur mit Einwilligung de Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Ohne Einwilligung dürfen verbreitet oder gestellt werden unter anderem solche Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen (§ 23 Nr. 2 KUG). Dies korrespondiert mit der Strafvorschrift des § 33 KUG, wonach sich strafbar macht, wer entgegen §§ 22, 23 KUG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.

47
Darüber hinaus kann die ungenehmigte Herstellung von Bildnissen einer Person in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB; Art. 1, 2 Abs. 1 GG) des Abgebildeten eingreifen und rechtswidrig sein, insbesondere bei Verbreitungsabsicht (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 823 Rn. 117).

48
Danach ergibt sich im Streitfall folgendes:

aa)

49
Soweit die Klägerin darauf verweist, dass die Beklagte auch für die hier gebuchte Reise die Erstellung eines Erinnerungsvideos-DVD vorgesehen hat, ist zwar davon auszugehen, dass Filmaufnahmen auch unter Erfassung eines Teils der Passagiere stattfinden werden.

50
Dies reicht aber nicht aus, die Unzulässigkeit solcher Filmaufnahmen zu reklamieren. Denn die Beklagte hatte in dem Buchungsprospekt ausdrücklich auf die Fertigung solcher Aufnahmen hingewiesen. Im Buchungskatalog H, an dessen wirksamer Einbeziehung in das Vertragsverhältnis der Parteien rechtliche Bedenken nicht bestehen, heißt es auf Seite 202: „FOTO & VIDEO: Viele Landausflüge und Bordveranstaltungen werden von einem professionellen Fotografen und Kameramann begleitet. Die entstandenen Fotos sind an Bord …käuflich zu erwerben. Das Video zu Ihrer Reise können Sie bereits an Bord oder nach Ende Ihrer Reise …bestellen.“ Diese Bestimmungen sind weder überraschend noch unangemessen. Damit war klargestellt, dass bei den genannten Gelegenheiten Foto- und Filmaufnahmen zu Erinnerungszwecken erstellt werden würden. Mit der Buchung hat die Klägerin konkludent ihr Einverständnis hierzu erteilt.

51
Selbst wenn der Klägerin während der Reise Bedenken gekommen wären und sie an dem erteilten Einverständnis nicht mehr festgehalten werden wollte, hätte einer entsprechenden Kundgabe ihres „Nicht-Wollens“ nichts entgegen gestanden.

bb)

52
Soweit die Klägerin hierzu auf Fotos aus verschiedenen früheren Folgen der Doku-Serie „F“ verwiesen hat, sagt dies nichts darüber aus, dass die betreffenden abgebildeten Passagiere ohne oder gegen ihren Willen gefilmt worden sind.

cc)

53
Eine solche Wahrscheinlichkeit kann die Klägerin auch nicht daraus ableiten, dass sie bei ihrer vorgängigen Reise auf dem Schiff MS D gefilmt worden ist.

54
Das hierzu angesprochene Erinnerungsvideo reicht zur notwendigen Darlegung eines fehlenden Einverständnisses nicht aus.

55
Es ist zudem schon ausgesprochen unplausibel, dass die Klägerin nicht mit solcher Abbildung einverstanden gewesen wäre. Die Klägerin hat den seinerzeit unwidersprochen nicht versteckt, sondern offen vorgenommenen Videoaufnahmen nie widersprochen und sich nach den den Senat bindenden (§§ 529, 314 ZPO) Feststellungen des Landgerichts gar als Komparsin für die auf dem Schiff verfilmte ZDF-Serie „E“ eintragen lassen, so dass von einem jedenfalls konkludent erteilten Einverständnis der Klägerin mit den Filmaufnahmen ausgegangen werden muss. Dass die Klägerin dieses Einverständnis zu einem späteren Zeitpunkt widerrufen hätte, ist nicht hinreichend nachprüfbar dargetan und angesichts naheliegender, jedoch fehlender Dokumentation hierzu auch nicht plausibel.

dd)

56
Auch der Hinweis der Klägerin, dass die Möglichkeit bestanden habe, dass sie in Filmsequenzen aufgenommen werden bzw. ins Bild kommen könnte, die dokumentarische Darstellungen von Parallelgeschichten oder Ausschnitte aus dem Geschehen an Bord zum Inhalt haben, vermag eine erhebliche Beeinträchtigung der Urlaubsreise nicht zu begründen.

57
Die Fertigung von Fotos oder Filmaufnahmen als solche begründen weder ein Unterlassungsgebot, noch eine Strafvorschrift nach dem Kunsturhebergesetz (KUG) missachten. Nach § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden; bestraft wird daher gemäß § 33 Abs. 1 KUG nur, wer entgegen § 22 KUG ein Bild verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt. Dass eine ohne Einwilligung eines Abgebildeten erfolgende Filmaufnahme ohne dessen Zustimmung im Fernsehen gezeigt oder ins Internet gestellt und damit „öffentlich zur Schau gestellt wird“, ist angesichts der Strafdrohung des § 33 KUG und der den Zur-Schau-Stellenden treffenden Beweislast für dessen Einwilligung (vgl. Engels, in: BeckOK Urheberrecht, Ahlberg/Götting, 18. Edition, Stand: 01.11.2017, § 22 KUG Rn. 16; Fricke, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl., 2014, § 22 KUG Rn. 18) wenig wahrscheinlich.

58
Auch hatte die Klägerin im Zeitpunkt ihrer Vertragsstornierung keine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB; Art. 1, 2 Abs. 1 GG) zu befürchten.

59
Das zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehörende Recht am eigenen Bild erstreckt sich über den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 KUG hinaus – die allein Schutz vor einer widerrechtlichen Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung von Bildern bieten – auch auf die bloße Anfertigung von Bildnissen (vgl. BGH NJW 2016, 1094 Tz. 31; OLG Brandenburg NJW-RR 2012, 1250 ff. hier zitiert nach juris Rn. 16; Palandt/Sprau, a.a.O.). Da das Recht am eigenen Bild auch das Recht umfasst, selbst zu bestimmen, ob und wobei man fotografiert oder gefilmt wird, hängt die Frage, ob mit Filmaufnahmen im Einzelfall auch ein rechtswidriger Eingriff in diese grundrechtlich geschützte Position einhergeht, von einer Gesamtabwägung der konkreten Umstände und der außerdem betroffenen Grundrechtspositionen ab (OLG Brandenburg, a.a.O.).

60
Im Rahmen der hierbei vorzunehmenden Abwägung wäre im Hinblick auf die Pressefreiheit das Erfordernis der Informationsbeschaffung zur Befriedigung des Berichterstattungsinteresses der Öffentlichkeit an den Abläufen des Betriebes eines Kreuzfahrtschiffes zu beachten.

61
Diesem Interesse würde eine nur geringfügige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin gegenüberstehen. Etwaige Aufnahmen würden die Klägerin nicht in ihrer Privatsphäre – d.h. in einem Raum, in dem sie die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und der damit erzwungenen Selbstkontrolle zu sein – beeinträchtigen, sondern in für mehrere Hundert Passagiere und Besatzungsmitglieder zugänglichen öffentlichen Bereichen eines Kreuzfahrtschiffes. Die Aufnahmen würden auch nicht heimlich gemacht, sondern durch Kamerateams, die aus drei Personen bestehen und deren Handlungen bzw. Arbeiten nicht übersehen werden können.

ee)

62
Soweit die Klägerin mit der Berufungsbegründung vom 09.01.2018 in deren Anlage KK 1 Lichtbildaufnahmen vorgelegt hat, betreffen diese nicht die Serien „E“ oder „F“, sondern Filmaufnahmen aus einem Erinnerungsvideo (Video-Logbuch) der Reise auf der MS D. Diese sind für die Bewertung der hier streitgegenständlichen Reise unerheblich.

63
Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, noch von der Klägerin im Einzelnen dargetan, dass die dort abgebildeten Personen mit ihrer Abbildung im Rahmen des Erinnerungsvideos nicht einverstanden gewesen sind.

64
Wie bereits ausgeführt musste die Klägerin angesichts der Ankündigung im Buchungsprospekt mit der Durchführung von Filmaufnahmen für das sog. Erinnerungsvideo rechnen. In der Fertigung solcher Aufnahmen hätte ein Mangel der Reise deshalb nicht gesehen werden können.

65
Aus den Lichtbildaufnahmen der früheren Reise kann nicht abgeleitet werden, dass die Klägerin mit der Verbreitung bzw. dem Zur-Schau-Stellen von ihr nicht genehmigter Filmaufnahmen für eine Fernsehserie rechnen musste bzw. solche Filmaufnahmen ohne Einverständnis zu erwarten gewesen sind.

2.

66
Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit nach § 651 f Abs. 2 BGB kann die Klägerin mangels erheblicher Beeinträchtigung der gebuchten und von ihr nicht angetretenen Reise nicht verlangen. Eine Vereitelung dieser Reise ist aus den vorstehend erörterten Gründen nicht festzustellen.

3.

67
Eine Erstattung der Prämie für die Reiserücktrittsversicherung in Höhe von 1.397,00 EUR besteht ebenfalls nicht.

68
Die Beklagte trifft keine Schadensersatzverpflichtung (§§ 280 Abs. 1, 651 f Abs. 1 BGB) zum Ersatz dieser Kosten. Die Reise war – wie erörtert – nicht mit einem erheblichen Mangel behaftet. Auch ein vorvertragliches Verschulden der Beklagten ist nicht erkennbar.

III.

69
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

70
Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht durch Urteil, so dass über das Rechtsmittel der Klägerin durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO entschieden werden konnte.

IV.

71
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

72
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 33.271,00 EUR festgesetzt.

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