OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.01.2014 – 11 SV 110/13
Erfüllungsort i.S.d. § 29 ZPO im Fall der negativen Feststellungsklage, mit welcher ein Schuldner die Feststellung begehrt, dass keine Ansprüche aus einem unterzeichneten Mobilfunkvertrag bestehen, ist der Ort, an dem im Fall des wirksamen Vertragsschlusses der Kläger seine Verpflichtungen erfüllen müsste. Dies ist in der Regel gemäß § 269 BGB sein Wohnort.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Das Amtsgericht Bad Homburg wird als das gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I.
1
Die Klägerin begehrt mit ihrer vor dem Amtsgericht Bad Homburg eingereichten Klage die Feststellung, dass zwischen den Parteien keine Ansprüche aus einem Mobilfunkvertrag vom 08.03.2013 bestehen.
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Die Klägerin hatte sich am 08.03.2013 in einen Shop der Beklagten in … begeben, um sich über die Konditionen eines Mobilfunkvertrags zu informieren. Im Laufe des Beratungsgespräches kam es zur Unterzeichnung eines Vertrages. Diesen Vertrag hat die Klägerin nachfolgend angefochten. Sie ist der Ansicht, über den tatsächlichen Preis arglistig getäuscht worden zu sein.
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Die Beklagte rügte die örtliche Zuständigkeit (GA 21). Die Klägerin wies nachfolgend mit Schriftsatz vom 30.9.2013 unter Bezugnahme auf einen Beschluss des KG Berlin (17.09.2007 zu Az. 2 AR 37/07, GA 25 ff.) darauf hin, dass sie die Beklagte im besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes in Anspruch nehme (GA 24). Vorsorglich beantragte sie die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Düsseldorf. Mit Beschluss vom 07.10.2013 hat sich das Amtsgericht Bad Homburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das für den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten örtlich zuständige Amtsgericht Düsseldorf verwiesen. Zur Begründung führte es aus, dass bei Zugrundelegung des Beschlusses des Kammergerichtes Berlin eine unübersehbare Vielzahl von Gerichtsständen gegeben wäre; dies widerspreche der Systematik der ZPO (GA 50). Dieser Beschluss wurde der Beklagten zusammen mit dem Verweisungsantrag der Klägerin vom 30.09.2013 zugestellt.
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Mit Beschluss vom 05.11.2013 hat sich das Amtsgericht Düsseldorf seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main vorgelegt (GA 56 ff.). Es hält den Beschluss für nicht bindend, da jegliche Auseinandersetzung mit der eigenen Zuständigkeit fehle.
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Die Beklagte hat im Rahmen des Bestimmungsverfahrens vertieft ausgeführt, dass das Amtsgericht Düsseldorf für diesen Rechtsstreit zuständig sei (GA 65ff). Hinreichend konkreter Vortrag zur Zuständigkeit des Amtsgerichts Bad Homburg könne dem Klägervortrag nicht entnommen werden. Ein konkreter Leistungsort im Sinne des § 29 ZPO lasse sich bei einem Mobilfunkvertrag für die seitens des Telekommunikationsunternehmens geschuldeten Leistung nicht bestimmen. Jedenfalls sei der Beschluss des Amtsgerichts Bad Homburg nicht willkürlich und deshalb bindend.
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Die Klägerin hat im Rahmen des Bestimmungsverfahrens keine weitere Stellungnahme abgegeben.
II.
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Das Amtsgericht Bad Homburg ist das gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zuständige Gericht.
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1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Bad Homburg als auch das Amtsgericht Düsseldorf haben sich im Rahmen jeweils nicht anfechtbarer Beschlüsse für örtlich unzuständig erklärt.
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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites berufen, da das zuerst angerufene Amtsgericht Bad Homburg zum Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main gehört (§ 36 Abs. 2 ZPO).
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2. Das Amtsgericht Bad Homburg ist für die negative Feststellungsklage gemäß § 29 ZPO zuständig.
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Nach ganz herrschender Meinung ist im Rahmen einer negativen Feststellungsklage, deren Gegenstand das Nichtbestehen eines Vertrages ist, Leistungsort im Sinne des § 29 ZPO der Ort, an dem der Kläger im Falle des Bestehens des Vertrages seine Leistung zu erfüllen hätte (vgl. Zöller/Vollkommer, 29. Aufl., ZPO, § 29 Rn. 25 „negative Feststellungsklage“; Baumbach/Lauterbach, 70. Aufl., ZPO, § 29 Rn. 32 „verneinende Feststellungsklage“; Musielak/Heinrich, 10. Aufl., ZPO, § 29 Rd. 14 und 31; vgl. BGH NJW 1977, 1637, 1638 zu neg. Feststellungsklage und § 23 ZPO). Maßgeblich ist grundsätzlich die Verpflichtung, deren Nichtbestehen festgestellt werden soll (vgl. auch Beck’scher Online-Kommentar/Toussaint, ZPO, Stand 15.7.2013, § 29 Rd. 16, 17).
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Mit der hier zugrunde liegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagten keine Ansprüche aus dem Mobilfunkvertrag gegen sie zustehen. Maßgeblich i.S.d. § 29 ZPO ist damit der Ort, an dem die Klägerin im Falle eines wirksamen Vertragsschlusses die vereinbarten Entgelte zu entrichten hätte. Leistungsort gem. § 269 BGB für diese Entgelte wäre hier – mangels anderweitiger Vereinbarung – der Wohnort der Klägerin in …. Damit besteht in Bad Homburg der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Sinne des § 29 ZPO. Auf die Frage, wo ein besonderer Erfüllungsort für die der Beklagten als Telekommunikationsunternehmen obliegenden Verpflichtungen begründet ist, kommt es hier angesichts der Konstellation einer negativen Feststellungsklage nicht an.
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3. Mit der Klageerhebung vor dem Amtsgericht Bad Homburg hat die Klägerin bindend ihre Wahl zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten in Düsseldorf und dem besonderen Gerichtsstand gem. § 29 ZPO im Bezirk des Amtsgerichts Bad Homburg ausgeübt (§ 35 ZPO). Ausweislich ihres Schriftsatzes vom 30.09.2013 wollte die Klägerin ausdrücklich vor dem Amtsgericht Bad Homburg als Gericht des Erfüllungsortes klagen. Soweit sie dabei davon ausgegangen ist, dass im Rahmen der negativen Feststellungsklage der Erfüllungsort der Verpflichtung der Beklagten maßgeblich sei, steht das der Ausübung einer bindenden Wahl vorliegend nicht entgegen. Dem Schriftsatz ist vielmehr deutlich zu entnehmen, dass es der Klägerin gerade darum ging, in Kenntnis eines Wahlrechtes zwischen mehreren Gerichtsständen bindend einen solchen in Bad Homburg zu begründen.
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Aus diesem Grund hat sie auch lediglich hilfsweise die Verweisung an das Amtsgericht Düsseldorf beantragt (GA 24).
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4. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Bad Homburg ist auch nicht durch den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Bad Homburg verloren gegangen. Grundsätzlich ist allerdings ein Verweisungsbeschluss gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Verweisung jede gesetzliche Grundlage fehlt und sie daher objektiv willkürlich ist oder aber rechtliches Gehör vor der Verweisung versagt wurde (Zöller/Vollkommer ebenda § 36 Rd. 28 m.w.N.).
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So liegt es hier. Das Amtsgericht Bad Homburg hat der Beklagten vor Erlass des Verweisungsbeschlusses kein rechtliches Gehör gewährt. Der hilfsweise gestellte Verweisungsantrag der Klägerin vom 30.09.2013 ging beim Amtsgericht Bad Homburg am 02.10.2013 ein (GA 24). An diesem Tag ging auch eine Stellungnahme der Beklagten ein, die bereits aus zeitlichen Gründen keine Reaktion auf den Verweisungsantrag enthält. Der Verweisungsantrag der Klägerin vom 30.09.2013 wurde der Beklagten erst zusammen mit dem Verweisungsbeschluss vom 7.10. 2013 zugestellt (GA 51). Diese Vorgehensweise konnte nicht mehr den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs – vor Beschlusserlass – sicherstellen.