LG Osnabrück, Urteil vom 11. Juli 2018 – 1 S 317/17
1. Macht ein Mieter geltend, dass es während der Heizperiode regelmäßig nachts Klopfgeräusche gebe, die – wenn auch mit Ausnahmen – täglich auftreten würden, hat er einen Mangel der Mietsache hinreichend substantiiert dargelegt.(Rn.23)
2. Besteht eine unregelmäßig auftretende, aber jederzeit mögliche Lärmbelästigung, handelt es sich um eine Dauerbelastung; hinsichtlich der Berechtigung zur Mietminderung kommt es dann nicht darauf an, dass die Geräusche nicht durchgehend auftreten und es auch ruhige Phasen gibt.(Rn.32)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 10.07.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Osnabrück – 53 C 549/17 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.262,50 EUR zu zahlen, Zug um Zug gegen Beseitigung des Mangels, der dazu führt, dass in der Heizperiode in unregelmäßigen Abständen in der Wohnung des Beklagten im Erdgeschoss links in der R. Straße in O., insbesondere im Schlafzimmer, im Badezimmer und im Kinderzimmer, Klopfgeräusche auftreten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 70% und der Beklagte 30%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 3.900,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten um eine Mietminderung wegen Lärmbelästigung.
2
Mit Vertrag vom 25.6.2012 mietete der Beklagte von der Klägerin die Wohnung im Erdgeschoss links in der R. Straße in O.. Die Miete beträgt 410,00 EUR zzgl. Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 60,00 EUR und Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 80,00 EUR.
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Im Zeitraum von Dezember 2014 bis Februar 2017 (bis auf Juli 2016) zahlte der Beklagte monatlich nur 400,00 EUR. Er begründete die Minderung mit in der Wohnung angeblich hörbaren Klopfgeräuschen.
4
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.900,00 EUR nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat behauptet, in der Mietwohnung seien seit Dezember 2014 erhebliche Klopfgeräusche in der Heizungsanlage bzw. den in der Wand verlaufenden Heizungsrohren aufgetreten. Diese Klopfgeräusche seien in unregelmäßigen Abständen im Badezimmer, im Kinderzimmer und vor allem im Schlafzimmer zu hören, und zwar während der Heizperiode, aber unabhängig davon, ob die Heizung angestellt sei oder nicht. Auch die Zeitpunkte seien unterschiedlich und reichten von spätabends nach 21:00 Uhr bis morgens um 5:00 Uhr. Die Schnelligkeit des Klopfens variiere. Die Beklagten haben weiter behauptet, es handele sich um eine alte, reparaturbedürftige Heizungsanlage.
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Er – der Beklagte – könne teilweise nur mit Gehörschutz schlafen. Seit November 2016 leide er wegen des Klopfens an Schlafstörungen.
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Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, eine Minderung von monatlich 150,00 EUR sei angemessen. Darüber hinaus macht er ein Zurückbehaltungsrecht geltend.
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Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.6.2017, Bl. 61 d. A., Bezug genommen.
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Mit am 10.7.2017 verkündetem Urteil, dem Beklagtenvertreter am 13.7.2017 zugestellt, hat das Amtsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben.
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Zur Begründung hat es angeführt, der Beklagte habe die genauen Zeitpunkte der Lärmbelästigung nicht hinreichend konkret vorgetragen. Auch die Befragung der Zeuginnen habe dies nicht klären können.
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Mit am 8.8.2017 eingegangenem Schrift hat der Beklagte Berufung eingelegt und diese mit am 13.10.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.10.2017 verlängert worden war.
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Der Beklagte begehrt weiterhin Klageabweisung. Er ist der Ansicht, das Ausmaß der Lärmbelästigung ausreichend konkret beschrieben zu haben. Sein Vortrag sei so zu verstehen, dass die Lärmbelästigungen in der vorgetragenen Form in allen Monaten bis auf Juni, Juli und August aufträten. Jedenfalls durch die Zeuginnenaussagen R. und L. sei sein Vortrag hinreichend substantiiert und auch bewiesen. Außerdem könne er – der Kläger – zu den Klopfgeräuschen tagsüber, wenn er arbeite, sowie nachts, wenn er Ohrenstöpsel trage, naturgemäß nichts sagen.
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Der Berufungskläger und Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des am 10.7.2017 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Osnabrück, 53 C 549/17, abzuweisen.
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Die Berufungsbeklagte und Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin ist der Ansicht, der Vortrag der Beklagtenseite sei zu allgemein gehalten; der Beklagte habe nicht einmal vorgetragen, wann denn die „Sommermonate“ begönnen und endeten. Im Übrigen könne zur Konkretisierung des Mangels nicht auf die Zeugenaussagen zurückgegriffen werden, da sich der Beklagte diese nicht zu eigen gemacht habe.
II.
19
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.
1.
20
Dem Zahlungsanspruch der Klägerin steht teilweise ein Minderungsrecht des Beklagten entgegen. Die Miete war wegen der Klopfgeräusche in den Monaten Dezember 2014 bis März 2015, November 2015 bis März 2016 sowie November 2016 bis Februar 2017 monatlich um 137,50 EUR gemindert, insgesamt also um eine Summe von 1.637,50 EUR.
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a) Der Vortrag des Beklagten ist, entgegen der Ansicht des Amtsgerichts, hinreichend substantiiert und damit – zumindest teilweise – erheblich.
22
Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig bzw. erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, auf Grund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH, NJW 2012, 382 Rdnr. 14). Sind diese Anforderungen erfüllt, ist in die Beweisaufnahme einzutreten.
23
Da die Minderung nach § 536 I BGB kraft Gesetzes eintritt, genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen (BGH, NJW-RR 1991, 779). Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm ist deshalb die Vorlage eines Protokolls nicht erforderlich. Vielmehr genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten (BGH, NZM 2012, 381, beck-online).
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Diesen Vorgaben wird der Vortrag des Beklagten gerecht, wenngleich er nicht in vollem Umfange erheblich ist: Nachdem der Beklagte zunächst vorgetragen hatte, die Klopfgeräusche träten seit Dezember 2014 durchgängig unregelmäßig auf, hat er seinen Vortrag im Rahmen seiner Parteianhörung konkretisiert und eingeschränkt: Er hat eingeräumt, dass die Geräusche im Sommer nicht aufträten, sondern nur in der Heizperiode, dann aber – mit Ausnahmen – täglich ab 21:00 Uhr durchgängig die ganze Nacht sowie ab morgens um 5:00 Uhr. Der Begriff „Heizperiode“ kann zwar grundsätzlich mangels näherer Darlegung nach allgemeinem Sprachverständnis dahingehend ausgelegt werden, dass der Zeitraum von Oktober bis April des Folgejahres gemeint ist (s. etwa LG Berlin, Urteil vom 26. Mai 1998 – 64 S 266/97 -, juris). Da sich der Beklagte allerdings auf eine Minderung beruft, muss er die Zeiträume, in denen die Heizung tatsächlich gelaufen ist und Geräusche verursacht hat, konkret benennen. Mit der Bezugnahme auf „die Heizperiode“ ist es nicht getan. Da in den Monaten Oktober und April ein Heizen nicht in jedem Fall erforderlich ist, ist der Vortrag des Beklagten nur hinsichtlich der Monate November bis März erheblich. Nur in diesen Monaten ist auch ohne weiteren Vortrag des Beklagten auf jeden Fall davon auszugehen, dass geheizt wurde.
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Im Übrigen hat der Beklagte die Geräuschbelästigung so detailliert beschrieben, wie es ihm möglich war. Er hat vorgetragen, dass die Geräusche in unregelmäßigen Abständen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Schlafzimmer (am lautesten), im Badezimmer und im Kinderzimmer auftreten, und zwar teilweise in schneller, teilweise in langsamer Abfolge. Angesichts der Häufigkeit und des Zeitraums der behaupteten Geräuschentwicklung kann die Führung eines Lärmprotokolls – abgesehen von den in der Entscheidung BGH, NZM 2012, 381, genannten Gründen – auch aus Zumutbarkeitsgründen nicht verlangt werden.
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Der Vortrag des Beklagten ist demgemäß erheblich hinsichtlich der Monate Dezember 2014 bis März 2015, November 2015 bis März 2016 und November 2016 bis Februar 2017.
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b) Hinsichtlich dieser Monate steht nach der Beweisaufnahme auch fest, dass es zu Geräuschbeeinträchtigungen gekommen ist. Die Zeugen waren in der Berufungsinstanz zu vernehmen. Das Amtsgericht hat zwar Zeugen vernommen. Es hat die Aussagen indes nicht umfassend gewürdigt, da es davon ausgegangen ist, dass der Vortrag des Beklagten schon unsubstantiiert war. Das Amtsgericht stellt fest, dass durch die Befragung der Zeuginnen nicht abschließend habe geklärt werden können, in welchen Abschnitten innerhalb des streitigen Zeitraums die Klopfgeräusche aufgetreten seien. Das Amtsgericht begründet aber nicht, warum die Zeugenaussagen nicht ausreichen, ob es die Aussagen schon nicht für ergiebig hält oder ob es die Aussagen nicht für glaubhaft oder die Zeuginnen nicht für glaubwürdig hält. Einer solchen Begründung hätte es aber bedurft, denn die Zeuginnen haben den Vortrag des Beklagten erstinstanzlich zumindest teilweise bestätigt.
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Nach der Beweisaufnahme in zweiter Instanz ist das Berufungsgericht davon überzeugt, dass Heizungsgeräusche, die eine Minderung rechtfertigen, vorhanden waren:
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Die Zeugin L. hat bekundet, die Geräusche seien in jeder Nacht, in der sie dort übernachtet habe, zu hören gewesen. Sie habe dort im Zeitraum von November 2016 bis Februar 2017 öfters übernachtet. Sie habe die Geräusche vor allem nachts gehört und sei davon oft wachgeworden. Der Beklagte schlafe wegen der Geräusche nur mit Ohrenstöpseln. Die Geräusche träten während der Heizperiode unregelmäßig auf und hätten auch keine gleichmäßige Dauer und Lautstärke. Am Heizkörper im Schlafzimmer seien die Geräusche am lautesten, auch wenn sie nicht genau sagen könne, ob sie aus dem Heizkörper selbst oder aus der Wand kämen. Die Geräusche seien so störend, dass sie die Konsequenz gezogen habe, nicht mehr dort zu übernachten.
30
Der Sohn des Beklagten, der Zeuge G., hat bekundet, bei seinen Übernachtungen seit dem Jahr 2014 die Geräusche regelmäßig – wenn die Heizung angeschaltet war – gehört zu haben. Er hat die Geräusche ähnlich beschrieben wie die Zeugin L.. Er konnte die Geräuschquelle nicht genau verorten. Er habe die Geräusche durch die Tür mitbekommen. Trotzdem seien sie noch so laut gewesen, dass er regelmäßig aufgewacht sei.
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Obwohl die Zeugin und der Zeuge dem Beklagten nahe stehen, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass sie wahrheitsgemäß ausgesagt haben. Beide Aussagen wirkten authentisch und frei von einseitigen Belastungstendenzen. Dabei spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit, dass die Zeugen die Zeiträume nicht ohne weiteres näher eingrenzen und die Geräusche und deren Frequenz selbst auch erst nach einigem Nachdenken detaillierter beschreiben konnten. Die folgende, teilweise bildhafte Beschreibung beruhte nach dem Eindruck des Gerichts bei beiden Zeugen auf eigenem Erleben und dem Versuch, dem Gericht die Erinnerungen nachvollziehbar zu beschreiben.
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Dass die Zeugen – und der Beklagte – die genauen Daten und die Dauer der Geräuschbelästigung nicht benennen konnte, ist unerheblich. Im Hinblick auf die Berechtigung zur Mietminderung kommt es nicht darauf an, dass das Klopfen nicht durchgehend erfolgte und es auch ruhige Tage und Nächte gab. Bei den hier durch die Zeugen geschilderten Lärmbelästigungen handelt es sich um – während der Heizperiode – unregelmäßig auftretende, aber jederzeit mögliche Belästigungen. Die abendlichen und nächtlichen Geräusche wirkten sich auf den Wohnwert für den Beklagten täglich aus unabhängig davon, an welchen konkreten Einzeltagen es zu den Lärmbelästigungen kam. Selbst wenn die Zeugen keine konkreten Tage und Uhrzeiten benennen können, liegt hier eine Dauerbelastung vor. Beide Zeugen haben geschildert, dass die andauernden und wiederkehrenden Lärmbelästigungen aufgrund ihrer Intensität und Häufigkeit sich auf das Schlafverhalten ausgewirkt hätten. Die Zeugin L. habe aufgrund dessen dort nicht mehr übernachtet.
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Damit war für die Monate Dezember 2014 bis März 2015, November 2015 bis März 2016 sowie November 2016 bis Februar 2017 die Miete gemindert.
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Die Mietminderung kann mit 25% bewertet werden. Dabei ist das Maß der zulässigen Minderung nicht rein rechnerisch anhand des flächenmäßigen Anteils der Räume, in denen die Störung wahrzunehmen ist, und anhand der täglichen Nutzungsdauer dieser Räume zu bestimmen (so aber LG Berlin, NZM 2000, 490, beck-online). Die nächtliche Ruhephase hat wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Gesundheit des Mieters. Angesichts der hoch zu bewertenden Bedürfnisse Schlaf und Erholung ist der Wohnwert erheblich beeinträchtigt (s. etwa AG Hamburg-Barmbek, 24. Januar 2003, 815 C 238/02; AG Chemnitz Urt. v. 29.6.1993 – 4 C 1080/93; AG Bremen, NZM 2012, 383). Die Kammer bewertet die Wohnwertbeeinträchtigung deshalb mit 25%.
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Damit ergeben sich folgenden Mietrückstände:
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2.
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Hinsichtlich des verbleibenden Betrags von 2.262,50 EUR war der Beklagte Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung zu verurteilen, da ihm insofern ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht.
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Er konnte sich über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum auf ein Leistungsverweigerungsrecht bezüglich der Mietzahlung wegen der Lärmbelästigung berufen, und zwar monatlich (mindestens) in einem der Minderung entsprechenden Betrag von 137,50 EUR. Damit war über den Zeitraum von 27 Monaten der gesamte noch offene Betrag nicht fällig
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Das bloße Bestehen des Leistungsverweigerungsrechts hinderte (in dieser Höhe) – ohne dass es sofort ausdrücklich hätte geltend gemacht werden müssen – den Eintritt des Verzugs (BGH Urt. v. 07.05.1982 – V ZR 90/81, in: NJW 1982, 2242, juris Rn. 14, LG Berlin Urt. v. 18.12.2015 – 65 S 238/15, BeckRS 2016, 11662, beck-online).
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Das Zurückbehaltungsrecht ist (mindestens) in Höhe des Minderungsbetrages angemessen, § 287 ZPO. Maßgeblich für die Beurteilung sind die konkrete Beschaffenheit des Mangels und seine Auswirkungen auf den Gebrauch der Mietsache.
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Dem kann unter den hier gegebenen Umständen (noch) nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass sich die Klägerin über den gesamten Zeitraum nicht dazu veranlasst sah, Abhilfe zu schaffen, das Zurückbehaltungsrecht also bislang seinen Zweck nicht erfüllte. Insbesondere stehen dem Zurückbehaltungsrecht des Beklagten nicht die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Juni 2015 (VIII ZR 19/14, in: WuM 2015, 568, juris) entwickelten Grundsätze entgegen: Danach ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des in § 320 Abs. 2 BGB in Bezug genommenen Grundsatzes von Treu und Glauben die Frage zu entscheiden, ob, in welcher Höhe und über welchen Zeitraum dem Mieter einer mangelbehafteten Wohnung neben der Minderung ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Den Besonderheiten des bei der Miete von Wohnraum gegebenen Dauerschuldverhältnisses ist dadurch Rechnung zu tragen, dass das Leistungsverweigerungsrecht insbesondere bei Mängeln, die die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nur beschränkt mindern, schonend auszuüben und grundsätzlich einer zeitlichen, aber auch betragsmäßigen Beschränkung zu unterstellen ist. Dabei kann ein zusätzlicher Einbehalt eines Teils der geschuldeten Miete – auch mit Blick auf den Zweck des Zurückhaltungsrechtes, den Vermieter zur Beseitigung des Mangels anzuhalten – für einen auch längeren Zeitraum in Betracht kommen. Führt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht zu dem beabsichtigten Erfolg, hat es seinen Zweck verfehlt; der Mieter ist in diesen Fällen gehalten, auf Mangelbeseitigung zu klagen, Schadenersatz geltend zu machen oder – unter den Voraussetzungen des § 536a BGB – den Mangel selbst zu beseitigen und Ersatz zu verlangen.
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Ein solcher Fall liegt hier (noch) nicht vor. Insbesondere besteht keine offenkundige Inadäquanz zwischen Minderung und zusätzlichem Einbehalt einerseits und – wenngleich mangelbehafteter – Gegenleistung andererseits. Die angesetzte Minderung betrifft einen geringen Teilbetrag der Miete. Der Mangel ist zwar nicht ohne Weiteres ohne großen Aufwand zu beheben. Allerdings spricht nach der Beweisaufnahme alles dafür, dass er mit der Heizungsanlage im Zusammenhang steht. Der Klägerin ist es zuzumuten, die Ursache der Geräusche – ggf. mittels Bauteilöffnung durch einen Sachverständigen – zu erforschen und Abhilfe zu schaffen. Die Auswirkungen des Mangels auf den Gebrauch der Mietsache stehen dazu in keinem für den Beklagten hinnehmbaren Verhältnis, denn die Nachtruhe ist, wie dargelegt, ein hohes Gut.
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Selbst wenn man die Höhe des Zurückbehaltungsrechts nicht anhand des Minderungsbetrags bemisst, sondern auf den Rechtsgedanken des § 641 Abs. 3 BGB abstellt und das Doppelte der Mängelbeseitigungskosten ansetzt (so etwa Neuhaus, HdB der Geschäftsraummiete, Kap. 20, Rn. 25; Palandt/Grüneberg, BGB, § 320 Rn. 11), ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Zwar ist zu den Mängelbeseitigungskosten nichts vorgetragen. Allein die Kosten für ein Sachverständigengutachten mit Bauteilöffnung liegen aber ersichtlich über 1.500,00 EUR (§ 287 ZPO), so dass der doppelte – möglicherweise auch schon der einfache – Betrag über die Restsumme von 2.262,50 EUR hinausgeht.
3.
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Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen schuldet der Beklagte mangels Verzugs nicht.
4.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Soweit die Klage in Höhe von 1.637,50 EUR abgewiesen wird, trägt die Klägerin die Kosten. Hinsichtlich der restlichen 2.262,50 EUR waren die Kosten gegeneinander aufzuheben, da aufgrund des Zurückbehaltungsrechts eine Zug-um-Zug-Verurteilung erfolgt. Insgesamt ergibt sich damit eine Quote von 70% zu 30% zu Lasten der Klägerseite.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.