BAG, Urteil vom 19.2.2009, 8 AZR 188/08
Zu den Voraussetzungen für eine Haftungsbeschränkung bei Arbeitsunfall
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Oktober 2007 – 19 Sa 1891/06 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Arbeitsunfalles.
Der Kläger, ein gelernter Zimmermann, war Arbeitnehmer der D Holzleimbau GmbH & Co. KG (im Folgenden: Firma D). Zusammen mit seinem Arbeitskollegen P W war er am 21. November 2002 auf dem Gelände einer britischen Kaserne (B Barracks) im Zusammenhang mit dem Neubau eines Kantinengebäudes mit Zimmermannsarbeiten beschäftigt. Mit der Durchführung dieser Arbeiten war die Beklagte zu 2) betraut. Deren Verantwortlicher vor Ort war der Beklagte zu 1), ein Zimmermannsmeister. Weiterhin waren für die Beklagte zu 2) deren Arbeitnehmer M M und H U auf der Baustelle tätig. Aufgrund von Personalengpässen bei der Beklagten zu 2) hatte die Firma D, die nur Material anliefern sollte, den Kläger und den Arbeitnehmer W an die Beklagte zu 2) überlassen, um dieser bei der Montage zu helfen.
Der Kläger verlegte gegen 15.25 Uhr zusammen mit seinem Kollegen W auf dem Dach des Neubaus 14 m lange Leimbinderplatten auf Sparren. Das Dach befand sich über einem ummauerten Raum, der später den Toilettentrakt der Kantine bilden sollte. Die Platten lagen zunächst quer über drei Bindern, die im rechten Winkel zur Traufe verliefen. Das Verlegen erfolgte dergestalt, dass die Platten auf den Bindern parallel und bündig zum Traufelement gezogen wurden. Dieses ging über den ummauerten Bereich des Gebäudes hinaus. Innerhalb des ummauerten Bereiches war eine Zwischendecke eingezogen, so dass hier eine maximale Absturzhöhe von 2 m bestand. Außerhalb des ummauerten Bereiches betrug die Absturzhöhe 5,50 m. Bei der Durchführung der Verlegearbeiten stand der Kläger auf der etwa 36 cm breiten Mauer. Beim Heranziehen einer Leimbinderplatte mittels eines Zimmermannhammers verlor der Kläger das Gleichgewicht und stürzte von der Mauer. Dabei fiel er nicht auf die Zwischendecke innerhalb des ummauerten Gebäudeteiles, sondern 5,50 m tief auf den Betonboden außerhalb des ummauerten Raumes.
Die Unfallstelle war nicht entsprechend den Unfallverhütungsvorschriften für Bauarbeiten (BGV C22) abgesichert. Am frühen Nachmittag des Unfalltages hatte der Beklagte zu 1) mit dem Bauleiter des Bau- und Liegenschaftsbetriebes, J V, sowie dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator des Bau- und Liegenschaftsbetriebes, K C, die Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle besprochen. In einem Bautagebuch hatte Herr C nach dem Unfall dieses Gespräch protokolliert und als Beanstandung vermerkt, dass Schutznetze sowie an den Randseiten der Arbeitsabschnitte Schutzgeländer angebracht werden müssten. Die bereits angebrachten Schutznetze seien nicht ausreichend befestigt. In dem Protokoll wurde die Beklagte zu 2) als Verantwortliche für die Sicherungsmaßnahmen und als Termin für die Durchführung derselben „sofort“ vermerkt.
Der Kläger zog sich durch den Sturz schwere Verletzungen zu. Er ist seitdem querschnittsgelähmt und leidet an einer vollständigen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung. Außerdem hat er seinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren. Aufgrund eines hirnorganischen Psychosyndroms ist sein Gedächtnis schwer beeinträchtigt. Seinen Beruf als Zimmermann kann der Kläger nicht mehr ausüben. Eine Umschulung zum technischen Zeichner musste er abbrechen, da er aufgrund der unfallbedingten Störungen seiner Gedächtnisleistungen die schulischen Anforderungen nicht erfüllen konnte.
Zum Zeitpunkt des Unfalles befand sich der Beklagte zu 1) etwa 10 bis 15 m von der Unfallstelle entfernt. Er verrichtete dort Schweißarbeiten. Am 12. November 2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Paderborn wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 50,00 Euro. Die Holz-Berufsgenossenschaft hat den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt.
Der Kläger behauptet, er sei gemeinsam mit seinem Kollegen W beauftragt worden, die Leimbinderplatten zu verlegen. Kurze Zeit vor dem Unfall sei durch die Herren C und V die fehlende Absturzsicherung im Bereich der späteren Absturzstelle bemängelt worden. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) seien daraufhin von der Baustelle geholt worden. Der Beklagte zu 1) habe zugesagt, die verlangten Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen, insbesondere ein fahrbares Gerüst aufzustellen und die gesamte Fläche, über der gearbeitet werden sollte, mit Fangnetzen abzusichern. Tatsächlich aber sei keine dieser Maßnahmen in dem Bereich, in dem er gearbeitet habe, umgesetzt worden.
Zusammen mit seinem Kollegen W habe er das Werkzeug in den Firmenwagen geschafft, um zurück zur Firma D bzw. nach Hause zu fahren. Die Wochenarbeitszeit sei bereits erfüllt gewesen. Daraufhin seien sie durch den Beklagten zu 1) aufgefordert worden, die Arbeit fortzusetzen. Deshalb habe er sich zur Fortsetzung der Arbeiten gezwungen gesehen und allein mit seinem Kollegen W die Arbeiten auf dem Dach wieder aufgenommen.
Die mangelnde Sicherung der Baustelle durch den Beklagten zu 1) stelle einen Verstoß gegen § 3 der Arbeitsstättenverordnung iVm. § 12 der Unfallverhütungsvorschrift BGV C22 und damit die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht dar. Der Beklagte zu 1) hafte daher aus unerlaubter Handlung. Die Beklagte zu 2) müsse für den Beklagten zu 1) als ihren Verrichtungsgehilfen einstehen und hafte darüber hinaus auch aus eigenem Organisationsverschulden. Diese Haftung sei auch nicht durch die §§ 105 ff. SGB VII ausgeschlossen. Zur Zeit des Unfalls habe er allein mit seinem Kollegen W an der Unfallstelle gearbeitet, so dass die Mitarbeiter der Firma D und die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig gewesen seien. Zudem habe der Beklagte zu 1) zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, da er in Kenntnis der fehlenden Absturzsicherungen ihn – den Kläger – und den Kollegen W veranlasst habe, die Arbeiten fortzusetzen. Damit habe er den Unfall zumindest billigend in Kauf genommen.
Unter Berücksichtigung der Verletzung, der Verletzungsfolgen sowie des Verschuldens der Beklagten sei ein Schmerzensgeld von mindestens 250.000,00 Euro angemessen.
Der Kläger hat – soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist – beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld iHv. 250.000,00 Euro für den Zeitraum vom 21. November 2002 bis zum 31. Oktober 2005 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2005 zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, letztere, soweit sie nach dem 31. Oktober 2005 entstehen, aus dem Unfall vom 21. November 2002 zu bezahlen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
12
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
Sie sind der Meinung, dass sie nicht für die Folgen des Arbeitsunfalles haften. Mit seinen Anordnungen und der Weitergabe der Sicherheitsvorgaben habe der Beklagte zu 1) seine Verpflichtungen, insbesondere seine Verkehrssicherungspflicht erfüllt. In keinem Falle habe er vorsätzlich gehandelt. Die Beklagte zu 2) hafte nicht aus einem Organisationsverschulden, da sie zur Überwachung der Sicherheitsvorrichtungen den Beklagten zu 1) beauftragt und geschult sowie für die Baustelle ausreichend Sicherungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt habe. Sie müsse auch nicht für den Beklagten zu 1) als ihren Verrichtungsgehilfen einstehen, weil sie diesen ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht habe. Der Beklagte zu 1) sei zum Unfallzeitpunkt bereits seit fünf 1/2 Jahren in ihrem Betrieb als Zimmermannsmeister beschäftigt gewesen. Unter seiner Aufsicht sei es bis zu dem streitgegenständlichen Vorfall nie zu einem Unfall gekommen.
Eine Haftung sei darüber hinaus nach den §§ 104 bis 106 SGB VII ausgeschlossen. Die Mitarbeiter der Firma D und diejenigen der Beklagten zu 2) seien auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig gewesen. Mangels vorsätzlichen Verhaltens des Beklagten zu 1) sei dessen Haftung daher nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Eine Haftung der Beklagten zu 2) sei nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Zumindest läge aber für den Fall, dass der Beklagte zu 1) nicht hafte, wohl aber die Beklagte zu 2), eine gestörte Gesamtschuld vor, so dass die Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger nur so haften müsse, wie bei der Beklagten zu 2) nach dem Gesamtschuldnerausgleich noch ein Haftungsanteil verbleiben würde. Da aber allenfalls eine Haftung der Beklagten zu 2) für ihren Verrichtungsgehilfen in Betracht kommen könne, hafte nach § 840 Abs. 2 BGB die Beklagte zu 2) im Innenverhältnis zu dem Beklagten zu 1) überhaupt nicht, so dass auch im Außenverhältnis zum Kläger eine Haftung ausscheide.
Letztlich haben die Beklagten auch die Einrede der Verjährung erhoben.
Das vom Kläger zunächst angerufene Landgericht Paderborn hat mit Beschluss vom 11. April 2006 den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht Paderborn verwiesen. Dieses hat der Klage auf Schmerzensgeld und der Feststellungsklage stattgegeben. Die Klage auf Ersatz der außergerichtlichen Kosten hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagten die Zurückweisung der Revision beantragen. Die Personen, denen die Beklagten den Streit verkündet haben, sind dem Rechtsstreit nicht beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Ihm steht der geltend gemachte Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten nicht zu.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte zu 1) hafte wegen § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII für den dem Kläger entstandenen Personenschaden nicht, weil der Kläger und der Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes auf einer gemeinsamen Betriebsstätte als Arbeitnehmer tätig gewesen seien. Bei der Auslegung des Begriffes „gemeinsame Betriebsstätte“ sei dem Grund des Haftungsausschlusses Rechnung zu tragen, der auf dem Gedanken der so genannten Gefährdungsgemeinschaft beruhe. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise jeder der in enger Berührung miteinander Tätigen gleichermaßen zum Schädiger oder Geschädigten werden könne. Demnach habe zwischen den Mitarbeitern der Beklagten zu 2) und den Mitarbeitern der Firma D, also dem Kläger und seinem Arbeitskollegen W, zum Zeitpunkt des Unfalles eine Gefahrengemeinschaft bestanden.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die Firma D kein „Subunternehmer“ gewesen sei, sondern nur Material an die Beklagte zu 2) habe liefern sollen. Die Erstellung der Dachkonstruktion, die Verlegung der Binder und der Dachplatten habe zum Gewerk der Beklagten zu 2) gehört. Ein abgegrenzter Auftrag, der gerade von der Firma D zu erbringen gewesen sei, habe nicht bestanden. Der Einsatz des Klägers und seines Arbeitskollegen habe zur Erfüllung des Auftrages/Gewerkes der Beklagten zu 2) erfolgen sollen. Daraus ergebe sich, dass die Mitarbeiter der beiden Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung gemeinsam ein Gewerk erbringen sollten. Diese aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit sei auch tatsächlich durchgeführt worden.
Der Annahme einer gemeinsamen Betriebsstätte iSd. § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII stehe nicht entgegen, dass der Kläger und sein Arbeitskollege zum Unfallzeitpunkt allein mit dem Verlegen von Dachplatten beschäftigt gewesen seien. Die Beschäftigten der Beklagten zu 2) und der Firma D seien nicht zufällig auf derselben Baustelle anwesend gewesen mit lediglich dem gemeinsamen Endziel der Ausführung des Bauvorhabens. Vielmehr seien die Arbeitnehmer der beiden Unternehmen wie eine Kolonne unter einheitlicher Leitung des Beklagten zu 1) eingesetzt worden. So hätten sie ua. gemeinsam Binder aufgestellt und Platten verlegt, wobei jederzeit die Gefahr bestanden habe, dass aufgrund eines Fehlers eines Arbeitnehmers ein Schaden bei einem anderen Arbeitnehmer entstehen konnte. Dies zeige sich deutlich an der Tatsache, dass der Beklagte zu 1) verbindlich in der Lage gewesen sei, die Arbeitseinsätze, Arbeitszeiten und damit die konkreten Arbeitsorte zu bestimmen. Deshalb habe die Sicherung der Arbeitsstelle nur einheitlich für alle Arbeitnehmer erfolgen können, weil diese nicht aufeinander folgend gearbeitet hätten, sondern „Hand in Hand“, wie zB beim gemeinsamen Richten der Binder oder der Verlegung von Platten, bei denen jeweils zwei Arbeitnehmer verlegt und ein Dritter die Platte befestigt hätten.
Entscheidend sei, dass sich aufgrund des aufeinander bezogenen betrieblichen Zusammenwirkens jederzeit eine Gefahrengemeinschaft habe ergeben können. Dies sei vorliegend etwa wegen der Entscheidung des Beklagten zu 1) der Fall gewesen, weil dieser zunächst habe weiterarbeiten lassen, obwohl er selbst keine konkreten Sicherungsmaßnahmen entsprechend den zuvor gemachten Auflagen veranlasst gehabt habe.
Der Haftungsausschluss gem. § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII iVm. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII scheitere auch nicht aufgrund eines vorsätzlichen Verhaltens des Beklagten zu 1). Zwar habe dieser schuldhaft gehandelt, weil er die Auflagen der für die Bauaufsicht zuständigen Beauftragten zuvor – wahrscheinlich – an die Arbeitnehmer weitergegeben habe, für die tatsächliche Durchführung aber keine Vorkehrungen und Veranlassungen getroffen und auch keine dahingehenden Anweisungen erteilt habe. Es bestehe jedoch keine Veranlassung, ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten zu 1) anzunehmen. Zwar sei ihm die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bereits aufgrund des Eintrages ins Bautagebuch und der dort aufgeführten Aufforderung zur sofortigen Umsetzung bewusst gewesen, jedoch indiziere allein der Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschriften kein vorsätzliches Verhalten. Vielmehr müsse hierfür der Arbeitsunfall als solcher gewollt oder für den Fall des Eintritts gebilligt worden sein. Aufgrund seiner im Verfahren erfolgten Einlassung, dass der Kläger an der Unfallstelle nicht hätte arbeiten, insbesondere aber nicht hätte stehen sollen und des Vortrags, dass die Mitarbeiter auf den Bindern sitzend im inneren Bereich, also oberhalb der Zwischendecke, hätten arbeiten sollen, ergebe sich, dass der Beklagte zu 1) darauf vertraut habe, dass bei vorsichtiger Weiterarbeit trotz der unterbliebenen Sicherungsmaßnahmen kein Absturz aus großer Höhe und damit eine Verletzung von Mitarbeitern stattfinden werde. Für die Annahme, dass sich der Beklagte zu 1) bewusst gewesen sei, dass die Mitarbeiter aufgrund der einzunehmenden Arbeitshaltung gezwungenermaßen in einer Absturzhöhe von mehr als 3 m arbeiten und bei einem Absturz zwangsläufig schwere Verletzungen erleiden würden, sei kein Raum.
Eine Haftung der Beklagten zu 2) scheide aufgrund der anzuwendenden Grundsätze des gestörten Gesamtschuldverhältnisses aus. Danach bleibe die Haftung des selbst nicht auf der Betriebsstätte tätigen Unternehmers auf die Fälle beschränkt, in denen ihn nicht nur eine Haftung wegen vermuteten Auswahl- oder Überwachungsverschuldens treffe, sondern auch eine eigene Verantwortlichkeit wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder ein Organisationsverschulden. Da ein solches eigenes Verschulden der Beklagten zu 2) als Haftungsgrund nicht in Betracht komme, während der Beklagte zu 1) bei Wegfall des Haftungsprivilegs nach § 106 Abs. 3 3. Alt SGB VII aufgrund eigenen Verschuldens voll haften würde, entfalle in Anwendung des Grundsatzes des gestörten Gesamtschuldverhältnisses entsprechend § 840 Abs. 2 BGB auch die Haftung des Beklagten zu 2) im Außenverhältnis.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält nicht in allen Punkten der Begründung, aber im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
I. Letztlich zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass der Beklagte zu 1) zum Ersatz des dem Kläger entstandenen Personenschadens nicht verpflichtet ist.
1. Bei dem Unfall vom 21. November 2002, der zur streitgegenständlichen Schädigung des Klägers geführt hat, handelt es sich – wie auch das Landesarbeitsgericht angenommen hat – um einen Versicherungsfall iSd. § 105 SGB VII. Als ein solcher gilt auch ein Arbeitsunfall, § 7 Abs. 1 SGB VII.
Dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, steht zum einen zwischen den Parteien außer Streit und bedarf zum anderen auch deshalb keiner weiteren Begründung, weil die zuständige Berufsgenossenschaft eine entsprechende Entscheidung getroffen hat. Nach § 108 Abs. 1 SGB VII sind die Gerichte, die über Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art zu entscheiden haben, an eine unanfechtbare Entscheidung nach dem SGB VII gebunden, ob ein Versicherungsfall vorliegt. Diese Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Frage, ob der Verletzte versichert war und darauf, in welchem Betrieb sich der Unfall ereignet hat. Die Zivilgerichte können nur noch eine Feststellung darüber treffen, dass der Unfall auch einem anderen Betrieb als Arbeitsunfall zuzurechnen ist und dass insoweit die Haftungsfreistellung gegeben ist; insoweit besteht keine Bindung (Senat 12. Dezember 2002 – 8 AZR 94/02 – BAGE 104, 229 = AP SGB VII § 105 Nr. 2 = EzA SGB VII § 106 Nr. 1; zum früheren § 638 RVO: BGH 22. September 1981 – VI ZR 55/80 – VersR 1982, 40) .
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine Haftung des Beklagten zu 1) für den Personenschaden, den der Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls erlitten habe, scheide deshalb aus, weil er mit diesem eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet habe, § 106 Abs. 3 3. Alt. iVm. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII.
Dem ist nicht zu folgen, weil eine Haftung des Beklagten zu 1) bereits unmittelbar nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausscheidet. Liegt eine Haftungsprivilegierung nach dieser Vorschrift vor, kann eine solche nach § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII schon begrifflich nicht vorliegen (vgl. BGH 23. März 2004 – VI ZR 160/03 – VersR 2004, 1045) .
a) Der Beklagte zu 1) hat den Kläger durch eine betriebliche Tätigkeit iSv. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII verletzt.
b) Im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die beiden nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte iSd. § 106 Abs. 3 3. Alt SGB VII, sondern im selben Betrieb iSd. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII tätig waren.
aa) Die Beklagte zu 2) betreibt einen Baubetrieb. Sie hatte – wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat – den Auftrag übernommen, auf dem Gelände der B Barracks in P die Dachkonstruktion auf dem neuen Kantinengebäude zu erstellen sowie die Binder und Dachplatten zu verlegen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hatte sie eigene Arbeitnehmer, darunter den Beklagten zu 1), eingesetzt. Der Kläger war zwar Arbeitnehmer der Firma D und nicht der Beklagten zu 2), wurde aber dennoch auf der Baustelle wie ein Beschäftigter, dh. Versicherter iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, der Beklagten zu 2) tätig, § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Er war damit zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles als „Versicherter desselben Betriebes“ iSd. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII tätig, in dem auch der Beklagte zu 1) tätig war.
Grundsätzlich setzt die Anwendbarkeit des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht voraus, dass der Schädiger und der Geschädigte Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers sind. Davon ist auch der Senat in seinem Urteil vom 12. Dezember 2002 (- 8 AZR 94/02 – BAGE 104, 229 = AP SGB VII § 105 Nr. 2 = EzA SGB VII § 106 Nr. 1) konkludent ausgegangen. Auch der Bundesgerichtshof (7. November 2006 – VI ZR 211/05 – NJW 2007, 1754) und das Bundessozialgericht (24. Juni 2003 – B 2 U 39/02 R – NJW 2004, 966) nehmen an, dass eine Haftungsbefreiung des Schädigers nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Betracht kommt, wenn der Geschädigte nicht als Arbeitnehmer des Unternehmers, in dessen Betrieb sich der Versicherungsfall ereignet hat, sondern als sog. „Wie-Beschäftigter“ iSd. § 2 Abs. 2 SGB VII in diesem Betrieb tätig gewesen ist.
Als Beschäftigter und damit als Versicherter des Betriebes (§ 105 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) gilt ein Arbeitnehmer, wenn er in den Betrieb eingegliedert ist. Ob eine solche Eingliederung vorliegt, ist nicht anhand rechtlicher Erwägungen, sondern vor allem anhand der tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Falles zu prüfen (BAG 15. Februar 1974 – 2 AZR 57/73 – BAGE 25, 514 = AP RVO § 637 Nr. 7 = EzA RVO § 637 Nr. 4 zum früheren § 637 RVO) .
Kommt es auf die Frage an, ob der Geschädigte in den Betrieb des anderen Unternehmers eingegliedert war, ist entscheidend, ob der Geschädigte Aufgaben des anderen Unternehmens wahrgenommen hat und die Förderung der Belange dieses Unternehmens seiner Tätigkeit auch im Übrigen das Gepräge gegeben hat, dh. er muss wie ein Beschäftigter dieses Unternehmens iSd. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig geworden sein (BGH 23. März 2004 – VI ZR 160/03 – VersR 2004, 1045) . Dies setzt voraus, dass die von diesem Unternehmer zu erfüllenden Pflichten der Hilfeleistung des einem anderen Unternehmen (Stammunternehmen) angehörenden Geschädigten das Gepräge gegeben haben. War der Geschädigte hingegen zur Wahrnehmung von Aufgaben seines Stammunternehmens tätig, liegen die Voraussetzungen der § 2 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht vor (BGH 23. März 2004 – VI ZR 160/03 – VersR 2004, 1045) . Hat der Verletzte eine Aufgabe wahrgenommen, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Stammunternehmens als auch in den des Unfallunternehmens fiel, so ist in der Regel anzunehmen, dass er allein zur Förderung der Interessen seines Stammunternehmens tätig geworden ist (BGH 9. Juli 1996 – VI ZR 155/95 – AP RVO § 636 Nr. 22) .
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich infolge der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt vorübergehend im selben Betrieb wie der Beklagte zu 1) tätig gewesen ist.
Das Landesarbeitsgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass die Firma D, die Arbeitgeberin des Klägers, nicht als Subunternehmerin der Beklagten zu 2) auf der Baustelle der B Barracks tätig geworden war. Sie habe keinen eigenen Auftrag für die Erstellung eines bestimmten Gewerkes gehabt. Ihre Verpflichtung habe ursprünglich nur darin bestanden, Material an die Beklagte zu 2) zu liefern. Sodann habe die Firma D aufgrund von Personalengpässen der Beklagten zu 2) zwei ihrer Arbeitnehmer, nämlich den Kläger und den Arbeitnehmer W, an die Beklagte zu 2) überlassen. Der Auftrag dieser beiden habe darin bestanden, der Beklagten zu 2) zu helfen.
Damit steht fest, dass die Tätigkeit des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalles ausschließlich darin bestanden hat, die Beklagte zu 2) bei der Erfüllung ihres Auftrages – Erstellung einer Dachkonstruktion – zu unterstützen. Seine Arbeitgeberin, die Firma D, hatte zu diesem Zeitpunkt ihre Verpflichtungen, nämlich die Lieferung von Material an die Beklagte zu 2), bereits erfüllt gehabt. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, bestand ein abgrenzbarer Auftrag, den die Firma D noch hätte erledigen müssen, nicht mehr.
Die Aufgaben des Klägers bestanden somit darin, der Beklagten zu 2) Hilfe bei den diesem Unternehmen das Gepräge gebenden Verpflichtungen – Erledigung des auf der Baustelle zu erbringenden Gewerkes – zu leisten. Dass diese Hilfeleistung auch mit einer unmittelbaren Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten zu 2) verbunden war, zeigt sich daran, dass nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Beklagte zu 1) als „Polier“ der Beklagten zu 2) „den Arbeitseinsatz“ des Klägers und seines Kollegen W „leiten sollte“ und dass „die Arbeitnehmer der beiden Unternehmen wie eine Kolonne unter einheitlicher Leitung des Beklagten zu 1) eingesetzt“ worden sind. Damit hatte der Kläger zum Zeitpunkt seines Unfalles eine Aufgabe wahrgenommen, die ausschließlich in den Aufgabenbereich der Beklagten zu 2) fiel, so dass davon auszugehen ist, dass er nur im Interesse dieses Unternehmens tätig gewesen ist. Der Kläger war mithin zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles im selben Betrieb (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) wie der Beklagte zu 1) tätig, so dass zugunsten des Beklagten zu 1) die Haftungsprivilegierung des § 105 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VII eingreift, nachdem sich der Arbeitsunfall nicht als Wegeunfall iSd. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII darstellt, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII.
3. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Haftungsfreistellung des Beklagten zu 1), der mit dem Kläger am Unfalltag im selben Betrieb tätig gewesen ist, für die unfallbedingten Personenschäden des Klägers nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht deshalb entfällt, weil er den Versicherungsfall, dh. den Arbeitsunfall, vorsätzlich herbeigeführt hat.
a) Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zunächst darin zu folgen, dass der Beklagte zu 1) den Versicherungsfall schuldhaft verursacht hat.
Unstreitig hat am Unfalltag eine Besprechung über die Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle zwischen dem Beklagten zu 1), dem Bauleiter des Bau- und Liegenschaftsbetriebes V sowie dem Sicherheits- und Gesundheitskoordinators des Bau- und Liegenschaftsbetriebes C stattgefunden. Im Verlaufe dieser Besprechung wurde für den Bereich „Zimmermannsarbeiten“ beanstandet, dass weitere Schutznetze sowie an den Randseiten der Arbeitsabschnitte Schutzgeländer angebracht werden müssten. Außerdem wurde festgestellt, dass bereits angebrachte Netze nicht ausreichend befestigt seien und gefordert, dass der Aufstieg über Rollgerüste zu erfolgen habe. In dem über diese Besprechung angefertigten Protokoll ist die Beklagte zu 2) als Verantwortliche für diese Sicherungsmaßnahmen vermerkt und als Termin für die Durchführung „sofort“ eingetragen worden.
Unabhängig davon, ob dem Landesarbeitsgericht in seiner Annahme gefolgt werden kann, die Nichtdurchführung dieser Sicherungsmaßnahmen hätte im Verantwortungsbereich des Beklagten zu 1) gelegen, ergibt sich dessen Verschulden an den infolge des Unfalles beim Kläger eingetretenen Personenschäden daraus, dass er den Kläger angewiesen hatte, auf dem Dach des im Bau befindlichen Toilettentraktes Arbeiten zu verrichten, ohne dass die geforderten Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden waren. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat und vom Kläger auch behauptet wird, hatte der Beklagte zu 1) den Kläger und dessen Arbeitskollegen W veranlasst, diese Arbeiten durchzuführen. Zwar hat der Beklagte zu 1) in seiner Revisionserwiderung ausgeführt, die Behauptung, er habe vom Kläger und dessen Arbeitskollegen die Fortsetzung der Verlegearbeiten auf einer ungesicherten Baustelle verlangt, „sei und bleibe falsch“. Er hat gegen die gegenteilige Feststellung des Landesarbeitsgerichts jedoch keinen zulässigen und begründeten Revisionsangriff iSd. § 559 Abs. 2 ZPO erhoben. Da er – wovon das Landesarbeitsgericht und der Kläger ebenfalls ausgehen – gegenüber diesen beiden eine Vorgesetztenstellung inne hatte, weil er verbindlich in der Lage war, Arbeitseinsätze, Arbeitszeiten und Arbeitsorte zu bestimmen, hätte der Beklagte zu 1) einen Arbeitseinsatz des Klägers auf der nicht ordnungsgemäß gesicherten Baustelle nicht anordnen dürfen. Zu den Pflichten eines Vorgesetzten gehört es nicht nur, einem ihm unterstellten Arbeitnehmer keine Arbeiten zuzuweisen, welche dieser aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben darf (vgl. Senat 13. Dezember 2001 – 8 AZR 131/01 – EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 69) , sondern auch, ihm keine Tätigkeiten zuzuweisen, bei denen die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung besteht, weil vom Arbeitgeber zu ergreifende Schutzmaßnahmen iSd. § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 12 Abs. 1 Nr. 4 BGV C22 vom 1. April 1977 idF vom 1. Januar 1997 (vgl. BAG 10. März 1976 – 5 AZR 34/75 – AP BGB § 618 Nr. 17 = EzA BGB § 618 Nr. 2) (= Absturzsicherungen) nicht ergriffen worden sind.
Diese Verpflichtung des Vorgesetzten besteht nicht nur gegenüber ihm unterstellten Arbeitnehmern, die beim selben Arbeitgeber wie er tätig sind, sondern auch gegenüber Arbeitnehmern eines anderen Unternehmens, wenn sie im Rahmen einer vorübergehenden Tätigkeit im Betrieb tätig sind und wie die übrigen dem Vorgesetzten unterstellten Beschäftigten eingesetzt werden.
b) Das Fehlen dieser Sicherheitseinrichtungen war – wovon das Landesarbeitsgericht ebenso wie die Parteien konkludent ausgeht – für die durch den Sturz des Klägers eingetretenen Personenschäden ursächlich.
Für die Verursachung des Versicherungsfalles, dh. des Arbeitsunfalles, durch eine betriebliche Tätigkeit iSd. § 105 Abs. 1 SGB VII ist ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich. Das Unfallereignis muss durch das Verhalten des Arbeitnehmers verursacht sein (haftungsbegründende Kausalität), dh. nach der im Sozialrecht anzuwendenden „Theorie der wesentlichen Bedingung“ ist nicht jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, ursächlich für das Unfallereignis (Adäquanztheorie), sondern nur die Bedingung, die im Verhältnis zu anderen, einzelnen Bedingungen nach der Anschauung des praktischen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Durch das Unfallereignis muss sodann ein Gesundheitsschaden des Geschädigten eingetreten sein (haftungsausfüllende Kausalität). Eine solche ist gegeben, wenn das Unfallereignis die wesentliche mitwirkende Ursache im Sinne der „Theorie der wesentlichen Bedingung“ gewesen ist (Senat 22. April 2004 – 8 AZR 159/03 – BAGE 110, 195 = AP SGB VII § 105 Nr. 3 = EzA SGB VII § 105 Nr. 4) . Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die vom Beklagten zu 1) veranlasste Arbeit des Klägers auf dem Dach des ummauerten Raumes des späteren Toilettentraktes trotz des Fehlens der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen stellte die wesentliche Bedingung für den Eintritt des konkreten Unfallereignisses dar, nämlich des Sturzes des Klägers auf den 5,50 m tiefer liegenden Betonfußboden. Wäre die Baustelle ordnungsgemäß mit Absturzsicherungen (BGV C22 „Bauarbeiten“ vom 1. April 1977 idF vom 1. Januar 1997, § 12 Abs. 1 Nr. 4) abgesichert gewesen, wäre der Kläger, nachdem er gestrauchelt war, von der erforderlichen Absturzsicherung aufgefangen worden. Dieser Sturz stellt auch die Ursache der vom Kläger erlittenen Gesundheitsschäden dar.
c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht nur eine fahrlässige, nicht jedoch eine vorsätzliche Schadensverursachung angenommen hat.
Das Verschulden und die einzelnen Arten des Verschuldens, dh. des Verschuldensgrades, sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung ihrer Voraussetzungen liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob der Tatrichter von den richtigen rechtlichen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt hat sowie Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat. Eine Aufhebung des Berufungsurteils darf nur erfolgen, wenn eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch den Tatsachenrichter festzustellen ist (Senat 18. Januar 2007 – 8 AZR 250/06 – AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2; 4. Mai 2006 – 8 AZR 311/05 – NZA 2006, 1428 mwN) . Dagegen genügt es für eine Aufhebung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils nicht, dass im Streitfall auch eine andere Beurteilung als die des Landesarbeitsgerichts möglich ist und dass das Revisionsgericht, hätte es die Beurteilung des Verschuldensgrades selbst vorzunehmen, zu dem Ergebnis gekommen wäre, es liege ein anderer Verschuldensgrad als der vom Berufungsgericht angenommene vor (vgl. Senat 18. Januar 2007 – 8 AZR 250/06 – aaO) .
Nach diesen Grundsätzen hält die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte zu 1) habe den Personenschaden des Klägers nicht vorsätzlich iSd. § 105 Abs. 1 SGB VII herbeigeführt, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Zunächst legt das Landesarbeitsgericht einen zutreffenden Beurteilungsmaßstab bei der Prüfung an, ob der Beklagte zu 1) vorsätzlich gehandelt hat. So ist die Annahme des Berufungsgerichts zutreffend, dass allein der Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften kein vorsätzliches Verhalten indiziert, sondern dass ein Arbeitsunfall nur dann vorsätzlich herbeigeführt worden ist, wenn dieser gewollt und für den Fall seines Eintritts gebilligt worden war. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach verbietet es sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung eines Schädigers mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall iSd. § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO (in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung) gleichzubehandeln. Dies folgt bereits aus dem verschiedenen Unrechtsgehalt. Derjenige, der vorsätzlich eine zu Gunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, will demnach meistens nicht die Schädigung und den Arbeitsunfall des Arbeitnehmers selbst, sondern er hofft, dass diesem kein Unfall widerfahren werde. Das Gewicht seines Rechtsverstoßes ist geringer als in dem anders gelagerten Falle, in dem jemand – mit oder ohne Pflichtenverstoß – den Unfall eines anderen billigend in Kauf nimmt (BAG 27. Juni 1975 – 3 AZR 457/74 – AP RVO § 636 Nr. 9 = EzA RVO § 636 Nr. 9) . Diese zur vorsätzlichen Herbeiführung eines Arbeitsunfalles im Sinne des außer Kraft getretenen § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ergangene Rechtsprechung ist auf die vorsätzliche Herbeiführung eines Versicherungsfalles iSd. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII entsprechend anzuwenden, weil sich insoweit der Inhalt der gesetzlichen Regelungen nicht verändert hat (Senat 19. August 2004 – 8 AZR 349/03 – AP SGB VII § 104 Nr. 4 = EzA SGB VII § 104 Nr. 2; 10. Oktober 2002 – 8 AZR 103/02 – BAGE 103, 92 = AP SGB VII § 104 Nr. 1 = EzA SGB VII § 105 Nr. 2) .
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist das Landesarbeitsgericht dann zu dem Ergebnis gelangt, aufgrund der Einlassung des Beklagten zu 1) ergebe sich, dass er darauf vertraut habe, es werde „kein Absturz aus großer Höhe und damit eine Verletzung von Mitarbeitern stattfinden“. Für die Annahme, der Beklagte zu 1) sei sich bewusst gewesen, dass der Mitarbeiter aufgrund der einzunehmenden Arbeitshaltung gezwungenermaßen in einer Absturzhöhe von mehr als 3 m arbeiten müsse und dann bei einem Absturz zwangsläufig schwere Verletzungen erleiden würde, sei kein Raum.
Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Konkrete zulässige und begründete Revisionsangriffe iSd. § 559 Abs. 2 ZPO hat der Kläger gegen diese Feststellungen nicht erhoben. Seine Ansicht, „schon die Gleichgültigkeit gegenüber einem nicht für unwahrscheinlich zu haltenden Erfolg“ genüge, einen bedingten Vorsatz zu bejahen, entspricht nicht der Rechtsprechung, die für die Annahme des Vorsatzes verlangt, dass der Schädiger den Eintritt des Unfalles gebilligt hat (vgl. Senat 19. August 2004 – 8 AZR 349/03 – AP SGB VII § 104 Nr. 4 = EzA SGB VII § 104 Nr. 2; BAG 27. Juni 1975 – 3 AZR 457/74 – AP RVO § 636 Nr. 9 = EzA RVO § 636 Nr. 9) .
Im Übrigen hatte das Landesarbeitsgericht nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob und inwieweit es das Vorbringen des Beklagten zu 1) für wahr oder unwahr hielt (§ 286 Abs. 1 ZPO) .
II. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) zu. Zu deren Gunsten greift der Haftungsausschluss für durch einen Versicherungsfall verursachte Personenschäden eines in ihrem Unternehmen tätigen Versicherten, § 104 Abs. 1 SGB VII.
Der Kläger war für das Unternehmen der Beklagten zu 2) tätig, weil er unter die so genannten „Wie-Beschäftigten“ iSd. § 2 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII fiel (vgl. BGH 23. März 2004 – VI ZR 160/03 – VersR 2004, 1045) . Demnach würde die Beklagte zu 2) nur dann haften, wenn einer ihrer Vertreter vorsätzlich den Versicherungsfall verursacht hätte. Dafür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich.
III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.