BGH, Urteil vom 2. Mai 2012 – XII ZR 88/10
Zu den Voraussetzungen einer wirksam vereinbarten Umlegung von Betriebskosten
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 18. Mai 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Betriebskostennachforderung für das Jahr 2007.
Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte Mieterin einer Wohnung in B. Unter Ziff. 3 des Mietvertrages vom 21. Oktober 1993 heißt es unter der Überschrift „Miete und Nebenkosten“:
„3.1 Die Miete beträgt monatlich DM 580,77
…
3.2 Nebenkosten Heizkosten zur Zeit DM ./. 1 Betriebskostenvorschuß zur Zeit DM 232,50 Zur Zeit geltende monatliche Gesamtmiete DM 813,42 3.3.
Außerdem hat der Mieter nachfolgende Nebenkosten, soweit nicht bereits in 3.1 und 3.2 enthalten, in der zulässigen Höhe anteilig im Verhältnis der Wohnfläche zu tragen …“
Eine Einfügung findet sich in der Bestimmung nicht.
Nach Ziff. 4.1 sind Miete und Nebenkosten monatlich im Voraus zu zahlen. Ziff. 4.2 lautet:
„Die Nebenkosten für Betriebskosten werden in Form monatlicher Abschlagszahlungen erhoben.“
Mit Schreiben vom 3. November 2008 übermittelte die Klägerin der Beklagten die von ihr erstellte Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007, in welcher ein Nachforderungsbetrag von 1.006,50 € errechnet ist. Die Klägerin ist der Ansicht, im Mietvertrag seien Vorschüsse auf Betriebskosten gemäß § 27 der II. Berechnungsverordnung vereinbart worden. Diese könnten daher abgerechnet und umgelegt werden. Die Beklagte leistete die geforderte Nachzahlung nicht.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 1.006,50 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Gründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in Grundeigentum 2010, 849 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Auffassung, die Klägerin könne die Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung 2007 nicht verlangen, im Wesentlichen ausgeführt: Nebenkosten könnten – unabhängig von der Art des Mietverhältnisses – mit dem Mieter nur gesondert abgerechnet werden, wenn dies im Mietvertrag klar und eindeutig geregelt sei. Die vereinbarte Mietstruktur müsse erkennen lassen, dass der Mieter die Nebenkosten ganz oder anteilig neben der Grundmiete tragen solle. Denn der Mieter müsse sich auf die damit verbundenen Lasten einstellen können. Dies sei grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Absprachen über die Nebenkostenumlage dem schuldrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz im Sinne des § 241 BGB aF bzw. § 241 Abs. 1 BGB nF entspreche und die nach dem Willen der Parteien abrechnungsfähigen Nebenkosten inhaltlich konkretisiert oder zumindest eindeutig bestimmbar seien. Kostenarten, die nicht ausdrücklich im Vertrag genannt seien, seien danach im Zweifel jedenfalls gegenüber dem Mieter von Wohnraum nicht gesondert umlegbar. Anderes ergebe sich hier auch nicht daraus, dass der Mietvertrag den Begriff „Betriebskosten“ verwende, der in § 2 der Betriebskostenverordnung bzw. der zur Zeit des Mietvertragsabschlusses geltenden Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung gesetzlich definiert sei. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf diese Vorschriften reiche zwar grundsätzlich aus, sei aber auch erforderlich und hier nicht erfolgt. Die Parteien hätten auch nicht durch spätere Übung die Betriebskosten so konkretisiert, dass eine wirksame Vereinbarung 6 vorliege. Denn es sei bisher nur einmal für das Jahr 1998 abgerechnet worden, wobei die Beklagte der Abrechnung bereits mit dem Hinweis auf die Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung widersprochen habe.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Frage, ob die Klägerin die Betriebskostennachforderung beanspruchen kann, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht unter Zugrundelegung eines beendeten Mietverhältnisses zu entscheiden. Der Mietvertrag sieht unter Ziff. 2.5 zwar vor, dass im Fall der Fortsetzung des Gebrauchs der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit neben der zu zahlenden Nutzungsentschädigung die Geltendmachung eines weiteren Schadens vorbehalten bleibe. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist indessen nicht beendet.
a) Zu Recht weist die Revision allerdings darauf hin, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte einen bis zum 31. Oktober 1998 befristeten Mietvertrag abgeschlossen haben. Zutreffend ist ferner der Hinweis der Revision, dass unter Ziff. 2.3 des Mietvertrages § 568 BGB aF (§ 545 BGB nF) abbedungen worden ist. Nach dieser Bestimmung verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, wenn der Mieter den Gebrauch der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit fortsetzt, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Ob § 568 BGB aF, auf den im Mietvertrag lediglich verwiesen wird, rechtswirksam abbedungen wurde (bejahend für den Fall, dass ein Formularvertrag nur die Verweisung auf die nicht abgedruckte Norm enthält: OLG Rostock NJW 2006, 3217; LG Erfurt WuM 2008, 283; Lammel WuM 2008, 659; verneinend OLG 8 Schleswig NJW 1995, 2858, 2859; für den Fall, dass die infolge der Nichtgeltung der Bestimmung eintretende Rechtsfolge in einem Formularvertrag genannt wird, bejahend: BGH Urteil vom 15. Mai 1991 – VIII ZR 38/90 – NJW 1991, 1750, 1752), kann jedoch dahinstehen.
b) Die Parteien haben das Mietverhältnis jedenfalls konkludent fortgesetzt bzw. ein neues Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage des Mietvertrages vom 21. Dezember 1993 begründet (vgl. hierzu Haase ZMR 2003, 557, 562 f., 566). Bereits im Rahmen des im Jahr 2000 geführten Rechtsstreits über die Betriebskostennachforderungen für 1997 und 1998 gingen beide Parteien davon aus, dass zwischen ihnen auf der Grundlage des Mietvertrages vom 21. Dezember 1993 ein Mietverhältnis besteht. Ebenso verhält es sich in dem vorliegenden Rechtsstreit. Nachdem die ursprüngliche Mietzeit seit über 13 Jahren abgelaufen ist, beide Parteien sich aber gleichwohl mietvertraglich gebunden fühlen, lässt dies nur den – ersichtlich auch vom Berufungsgericht gezogenen – Schluss zu, dass nach Ablauf der Mietzeit jedenfalls konkludent ein Mietvertrag zustande gekommen ist.
2. Der Mietvertrag enthält aber keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Zahlung abrechenbarer Betriebskosten, weshalb die Klage zu Recht abgewiesen worden ist.
a) Nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Der Vermieter hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen (§ 535 Abs. 1 Satz 3 BGB). Dazu gehören auch die Betriebskosten. Das Gesetz geht mithin davon aus, dass der Vermieter die aus der Gebrauchsgewährung herrührenden Kosten in die Miete einkalkuliert und diese mit dem vereinbarten Mietentgelt 11 abgegolten werden. Abweichungen hiervon bedürfen der Vereinbarung. Demgemäß sieht § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB nF vor, dass die Vertragsparteien regeln können, der Mieter solle Betriebskosten tragen.
b) Eine Vereinbarung dieses Inhalts muss dem Mietvertrag allerdings klar und eindeutig zu entnehmen sein. Es bedarf deshalb einer ausdrücklichen, inhaltlich bestimmten Regelung, aus der sich ergibt, dass der Mieter neben der Grundmiete ganz oder anteilig Betriebskosten zu tragen hat. Letztere müssen der Art nach konkretisiert werden. Nur dann ist es dem Mieter möglich, sich zumindest ein grobes Bild davon zu machen, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen können (Senatsurteil vom 6. April 2005 – XII ZR 158/01 – NZM 2005, 863 Rn. 28; Schmidt-Futterer/Langenberg Mietrecht 10. Aufl. § 556 Rn. 35; Sternel Mietrecht aktuell 3. Aufl. V Rn. 124; Staudinger/Weitemeyer BGB [2011] § 556 Rn. 49; MünchKommBGB/Schmid 6. Aufl. § 556 Rn. 12; Eisenschmid/Wall Betriebskosten-Kommentar 3. Aufl. § 556 Rn. 1510).
c) Diese Voraussetzungen sind selbst bei einer formularmäßigen Vereinbarung in einem Wohnraummietvertrag erfüllt, wenn der Vertrag zur Umlegung der Betriebskosten eine Verweisung auf die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung enthält, sofern es sich nicht um „sonstige Betriebskosten“ im Sinne von Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung handelt (BGH Urteile vom 8. April 2009 – VIII ZR 128/08 – NJW 2009, 2058 Rn. 10; vom 27. Juni 2007 – VIII ZR 202/06 – NJW 2007, 3060 Rn. 19 und vom 7. April 2004 – VIII ZR 167/03 – NJW-RR 2004, 575 unter II 1 b bb). Denn der allgemeine Verweis auf die Anlage 3 gibt dem Mieter hinsichtlich der Nr. 1-16 hinreichende Klarheit darüber, mit welchen Nebenkosten er jedenfalls dem Grunde nach zu rechnen hat, weil diese dort im Einzelnen aufgeführt sind.
d) Im vorliegenden Fall enthält der Mietvertrag weder eine Aufzählung der umzulegenden Betriebskosten noch eine Verweisung auf die – seinerzeit noch geltende – Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung. Genannt wird unter der Überschrift „Nebenkosten“ vielmehr nur das Wort „Betriebskostenvorschuss“; außerdem findet sich die Abrede, Nebenkosten für Betriebskosten würden in Form monatlicher Abschlagszahlungen erhoben.
Ob eine derart gestaltete Vereinbarung grundsätzlich als hinreichend bestimmte Regelung über die Übernahme von Betriebskosten im Sinne der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung durch den Mieter angesehen werden könnte, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Auch wenn die Verwendung des Begriffs „Betriebskosten“ hierfür teilweise als ausreichend angesehen wird (so MünchKommBGB/Schmid 6. Aufl. § 556 Rn. 18; a.A. Schmidt-Futterer/Langenberg aaO § 556 Rn. 36; Eisenschmid/Wall aaO § 556 Rn. 1519 ff.; Staudinger/Weitemeyer aaO § 556 Rn. 50; für einen gewerblichen Mietvertrag: OLG Düsseldorf ZMR 2003, 109, 111), kann dies hier jedenfalls nicht gelten.
(1) Wie sich aus Ziff. 3.2 des Mietvertrages ergibt, waren für Heizkosten keine Vorauszahlungen vorgesehen. Dass diese Position nicht in den im Mietvertrag genannten Betrag von 232,50 DM einbezogen worden ist, wird durch die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 bestätigt, in der insofern keine Kosten aufgeführt sind. Daraus folgt, dass die Vertragsparteien den Begriff der Betriebskosten nicht im Sinne der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung verstanden haben, in der Heizkosten unter Ziff. 4 genannt sind.
(2) Welchen anderen Inhalt die Vertragsparteien dem Begriff beigelegt haben, lässt sich auch durch eine Auslegung des Mietvertrages nicht erkennen. Zwar ist die Auslegung von Willenserklärungen grundsätzlich Aufgabe des 16 Tatrichters. Da das Berufungsgericht eine Auslegung aber nicht vorgenommen hat und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat den Vertrag selbst auslegen (ständ. Rspr., vgl. BGHZ 65, 107, 112).
Die Vereinbarung einer Vorauszahlung deutet allerdings darauf hin, dass jedenfalls einzelne Betriebskosten umgelegt werden sollten. Insofern kann die Höhe der Vorauszahlungen ein Indiz für den Umfang der Betriebskostenumlegung sein (MünchKommBGB/Schmid aaO §556 Rn. 13). Im vorliegenden Fall belaufen sich die Vorauszahlungen auf rund 40 % der Miete, obwohl Heizkosten, die in der Regel einen beträchtlichen Anteil der Betriebskosten ausmachen, gerade nicht in dem Betrag enthalten sind. Angesichts dieser Höhe der Vorauszahlungen kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass mit „Betriebskosten“ bzw. „Nebenkosten“ auch Positionen gemeint sein sollten, die in der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung nicht enthalten sind. Infolge der insofern bestehenden Unklarheit ist eine inhaltlich bestimmte Vereinbarung über die Umlage von Betriebskosten nicht zustande gekommen.
(3) Diesem Ergebnis steht das Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 (BGHZ 183, 299 = NJW 2010, 671) nicht entgegen. In dem seinerzeit entschiedenen Fall waren die „Kosten der kaufmännischen und technischen Hausverwaltung“ neben weiteren ausdrücklich genannten Mietnebenkosten in einer im Mietvertrag in Bezug genommenen Aufstellung aufgeführt. Zur Ausfüllung des Begriffes konnte auf die im Wesentlichen übereinstimmenden Definitionen in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV und § 26 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung zurückgegriffen werden, weshalb die erforderliche Bestimmtheit gegeben war. Ein solcher Rückgriff ist im vorliegenden Fall – wie ausgeführt – nicht möglich.
(4) Das Auslegungsergebnis wird im Übrigen durch das Verhalten der Vertragsparteien nach Abschluss des Mietvertrages bestätigt. Im Rahmen des 20 im Jahr 2000 geführten Rechtsstreits bestand Einvernehmen darüber, dass eine Umlegung von Betriebskosten nicht vereinbart worden ist. Das ergibt sich eindeutig aus dem von den Vorinstanzen in Bezug genommenen Schreiben des damaligen Klägervertreters vom 17. Juli 2000. Eine entsprechende Abrede ist auch später nicht erfolgt. Vielmehr hat die Beklagte seitdem über 8 Jahre und insgesamt über 15 Jahre bis zur Erhebung der vorliegenden Klage Vorauszahlungen erbracht, ohne dass ihr gegenüber – außer für 1997/1998 und 2007 – abgerechnet worden ist.
(5) Bei dieser Sachlage ist nicht nur davon auszugehen, dass eine Umlegung von Betriebskosten nicht vereinbart worden ist. Vielmehr ist durch schlüssiges Verhalten eine Änderung der Mietstruktur im Sinne einer Bruttomiete bzw. einer Teilinklusivmiete erfolgt (vgl. hierzu Schmitt-Futterer/Langenberg aaO § 556 Rn. 56). Denn den Vertragsparteien war – jedenfalls seit dem Jahr 2000 – die fehlende Umlegungsvereinbarung bewusst. Gleichwohl hat die Beklagte weiterhin die „Vorauszahlungen“ geleistet, ohne dass die Betriebskosten abgerechnet wurden. Der Klägerin ist es auch deshalb verwehrt, die geforderte Nachzahlung zu verlangen, ohne dass es auf die – vom Berufungsgericht offen gelassene – Frage ankommt, ob es sich bei dem Mietvertrag um einen Individual- oder um einen Formularvertrag handelt. 23 3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten nicht durch spätere Übung die Betriebskosten konkretisiert, begegnet nach den vorstehenden Ausführungen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.