BGH, Urteil vom 06.07.1999 – VI ZR 290/98
Zu den Voraussetzungen einer Beweiserleichterung bei Unterlassung der medizinisch gebotenen Erhebung eines Befundes.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 8. Juli 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen ärztlicher Behandlungsfehler. Sie wurde am 26. November 1990 nach einem Verkehrsunfall in das Klinikum der Erstbeklagten eingeliefert, wo am selben Tag neben weiteren Verletzungen am linken Bein eine distale Unterschenkeltrümmerfraktur und eine Oberschenkelspiralfraktur festgestellt und vom Zweitbeklagten operativ behandelt wurden. Am 28. November 1990 wurde die Klägerin von der Intensivstation in die allgemeine chirurgische Abteilung verlegt, deren Leiter der Drittbeklagte ist. Dort wurde am 10. Dezember 1990 eine Etagenfraktur des rechten Wadenbeins festgestellt und versorgt, am 2. Januar 1991 ebenfalls als Unfallfolge eine nicht dislozierte Abrißfraktur der Bogenwurzel des zweiten Halswirbelkörpers und am 20. Januar 1991 ein Pleuraerguß, der zweimal punktiert wurde. Am 5. Februar 1991 wurde die Klägerin in ambulante Behandlung entlassen. In der Folgezeit wurde an ihrem linken Unterschenkel eine ausgeprägte Osteitis festgestellt, die erst im Sommer 1994 im wesentlichen ausgeheilt war.
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Die Klägerin macht geltend, die Osteitis sei durch eine Infektion im Krankenhaus unmittelbar nach dem Unfall entstanden, und zwar durch Hospitalismuskeime oder die Ansteckung durch eine bereits mit Osteitis infizierte Frau im selben Krankenzimmer, was beides zu Lasten der Beklagten gehe. Die Osteitis sei zu spät erkannt und behandelt worden und habe zu schweren Komplikationen geführt sowie mehrere Operationen erforderlich gemacht. Hierzu trägt die Klägerin vor, sie habe bis Sommer 1994 erhebliche Schmerzen erlitten und sei dreieinhalb Jahre an den Rollstuhl gefesselt gewesen. Auch nach Ausheilung der Osteitis sei eine erhebliche Beinverkürzung verblieben, wodurch sich eine vorhandene Coxarthrose der rechten Hüfte verschlimmert und im Juli 1994 eine Operation erforderlich gemacht habe. Wegen der verspäteten Entdeckung der Abrißfraktur der Bogenwurzel habe sie über Wochen stärkste Schmerzen aushalten müssen, die zum Teil noch vorhanden seien. Der zu spät erkannte Pleuraerguß habe zur Bildung von Fleckenherden beider Lungenoberlappen und damit zu einer dauernden Schädigung der Lunge geführt, was bei rechtzeitiger Entdeckung hätte vermieden werden können.
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Das Landgericht hat die nach vorprozessualer Zahlung von 6.000 DM durch die hinter den Beklagten stehende Haftpflichtversicherung auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter verfolgt und daneben im Wege der Klagerweiterung Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 40.000 DM, Ersatz von Sachschaden in Höhe von mindestens 100.000 DM sowie eine vierteljährliche Rente von 2.000 DM beantragt. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr erweitertes Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht führt – sachverständig beraten – aus, eine Verantwortlichkeit der Beklagten für die Ansteckung der Klägerin mit den die Osteitis auslösenden Bakterien sei ebensowenig nachgewiesen wie die Behauptung, daß die Erkrankung schuldhaft zu spät erkannt worden sei. Der Sachverständige gehe davon aus, daß die Infektion vermutlich bei der Operation entstanden sei, zumal das allgemeine Infektionsrisiko bei Weichteilschäden mit komplizierten Brüchen der vorliegenden Art erhöht sei und auch durch hygienische Vorkehrungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne. Es sei auch nicht feststellbar, daß das Infektionsrisiko in fehlerhafter Weise durch eine zu frühe Operation erhöht worden sei. Soweit der Sachverständige in Erwägung ziehe, daß die Infektion postoperativ beim Verbandswechsel erfolgt sei, setze eine Haftung der Beklagten voraus, daß die Keimübertragung durch hygienische Vorsorge hätte verhindert werden können. Da dies nicht den Bereich des ärztlichen Handelns, sondern den vom Krankenhaus beherrschbaren Betrieb betreffe, müsse sich insoweit grundsätzlich der Krankenhausträger entlasten. Dies gelte jedoch nur dann, wenn feststehe, daß die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen sei, was vorliegend nicht der Fall sei. Eine Ansteckung durch die zeitweise im selben Krankenzimmer liegende Zeugin K. könne ebenfalls nicht festgestellt werden.
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Soweit es um die Frage gehe, ob die Osteitis zu spät erkannt und behandelt worden sei, habe der medizinische Sachverständige zwar die Unterlassung eines Wundabstrichs als möglichen Fehler diskutiert, diesen aber letztlich nicht bestätigen können, weil er die Wunde nicht selbst gesehen habe. Er habe allerdings erklärt, daß er selbst einen Abstrich gemacht hätte und daß man je nach dem äußeren Erscheinungsbild der Wunde mit Verabreichung von Antibiotika oder einer sofortigen operativen Revision hätte reagieren müssen, wenn der Abstrich auf den Erreger, nämlich Staphylococcus aureus, hingewiesen hätte.
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Beweiserleichterungen kämen der Klägerin nicht zugute. Insbesondere ergäben sie sich nicht aus Dokumentationsversäumnissen. Selbst eine unterlassene oder lückenhafte Dokumentation bilde keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern führe allenfalls zu Beweiserleichterungen, wenn die Dokumentationslücke einen groben Behandlungsfehler indiziere, was vorliegend nicht der Fall sei. Im übrigen sei die Dokumentation nach den Feststellungen des Sachverständigen auch nicht in wesentlichen Punkten lückenhaft. Beweiserleichterungen ergäben sich auch nicht aus der Häufung von Versäumnissen, die die Klägerin geltend mache. Daß einige Verletzungen erst nachträglich erkannt worden seien, erkläre sich nämlich daraus, daß zunächst die erkennbaren schweren Schäden im Vordergrund der medizinischen Betreuung gestanden hätten. Selbst wenn an der Wunde Anzeichen einer Osteitis übersehen worden wären, lasse sich jedenfalls ein grober Behandlungsfehler nicht feststellen, so daß die Klägerin den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen einem solchen Fehler und dem anschließenden Krankheitsverlauf nicht beweisen könne. Auch wenn der Sachverständige ausgeführt habe, das Heilungsergebnis bei der Osteitis sei um so besser, je früher man eine operative Revision durchführe, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen, daß der Verlauf anders gewesen wäre, wenn eine solche Revision schon beim ersten Klinikaufenthalt durchgeführt worden wäre.
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Ein ärztliches Verschulden sei auch nicht wegen der späten Erkennung der Abrißfraktur der Bogenwurzel festzustellen, da die Fraktur nach den Feststellungen des Sachverständigen auf der ersten Röntgenaufnahme nicht erkennbar gewesen und die Fertigung einer zweiten Aufnahme zu einem früheren Zeitpunkt nicht veranlaßt gewesen sei. Die Klägerin habe nämlich nicht bewiesen, daß sie über starke Schmerzen geklagt habe. Ohnehin seien die jetzt noch von ihr geklagten Schmerzen nach der Beurteilung des Sachverständigen mit aller Wahrscheinlichkeit durch die erlittene Verletzung und nicht durch deren verzögerte Erkennung zu erklären. Zum Pleuraerguß habe der Sachverständige überzeugend ausgeführt, daß die Fleckherde beider Lungenoberlappen nicht auf den Pleuraerguß zurückzuführen, sondern unfallunabhängige Veränderungen der Lunge seien. Ob der Pleuraerguß zu spät erkannt worden sei, habe er offengelassen. Dies könne auch dahinstehen, weil die Beklagten ohne Vorbehalt der Rückforderung vorgerichtlich 6.000 DM an die Klägerin bezahlt hätten, die insoweit eine mehr als ausreichende Entschädigung darstellten.
II.
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Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
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1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, entgegen § 313 Abs. 2 ZPO lasse sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen, welche Anträge die Klägerin in der Berufungsinstanz gestellt habe. Dies wird vielmehr aus dem Tatbestand des Berufungsurteils hinreichend deutlich, ohne daß es einer wörtlichen Wiedergabe der Anträge bedarf. Im Hinblick auf die entsprechenden Ausführungen im Berufungsurteil ist entgegen der Auffassung der Revision auch keineswegs unklar, daß die Klagerweiterung in die Entscheidung des Berufungsgerichts einbezogen worden ist.
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2. Hinsichtlich der Frage, ob die Infektion der Klägerin bei der Operation oder zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten ist, geht das Berufungsgericht aufgrund der Beurteilung des medizinischen Sachverständigen Dr. K. davon aus, daß die Infektion bereits bei der Operation erfolgt sei, ohne daß insoweit ein ärztlicher Fehler festgestellt werden könne.
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a) Die – daran anknüpfend – von der Revision im Zusammenhang mit der Frage, ob bei der Operation die erforderlichen hygienischen Vorkehrungen beachtet worden sind, erhobenen Verfahrensrügen hat der erkennende Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 565 a ZPO abgesehen.
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b) Auch den Zeitpunkt der Operation hat das Berufungsgericht nicht für fehlerhaft erachtet. Demgegenüber meint die Revision, die Operation sei zu früh erfolgt, und sucht Beweiserleichterungen für die Klägerin daraus herzuleiten, daß die Weichteilsituation am linken Unterschenkel im Operationsbericht unzulänglich dokumentiert sei.
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Sie macht hierzu geltend, daß es durch die fehlende Schilderung des Weichteilschadens für die Klägerin unzumutbar erschwert werde, das Operationsgeschehen aufzuklären. Damit verkennt sie jedoch den Zweck der Dokumentationspflicht, die der Sicherstellung wesentlicher medizinischer Daten und Fakten für den Behandlungsverlauf dient und deshalb nach ihrem Zweck nicht auf die Sicherung von Beweisen für einen späteren Haftungsprozeß des Patienten gerichtet ist. Deshalb ist, wie der erkennende Senat mehrfach ausgesprochen hat, eine Dokumentation, die aus medizinischer Sicht nicht erforderlich ist, auch aus Rechtsgründen nicht geboten (Senatsurteile vom 24. Januar 1989 – VI ZR 170/88 – VersR 1989, 512, 513 und vom 23. März 1993 – VI ZR 26/92 – VersR 1993, 836, 837). Im übrigen hat der Senat im Urteil vom 23. März 1993 (aaO) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine unvollständige oder auch nur lückenhafte Dokumentation keine eigenständige Anspruchsgrundlage bildet und auch grundsätzlich nicht unmittelbar zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs führt. Dazu kann es vielmehr nur kommen, wenn die Dokumentationslücke einen groben Behandlungsfehler indiziert, der als solcher die Grundlage für Beweiserleichterungen bildet.
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Indessen hat das Berufungsgericht hinsichtlich des Zeitpunkts der Operation einen solchen Fehler nicht festgestellt, ohne daß die Revision hiergegen durchgreifende Einwendungen erhebt. Insoweit muß auch die Äußerung des Sachverständigen, er könne nicht beurteilen, ob die Entscheidung zur sofortigen Operation trotz der vorhandenen Weichteilschäden richtig oder falsch gewesen sei, weil er die Wunde nicht gesehen habe, entgegen der Auffassung der Revision noch keine Zweifel an seiner Kompetenz wecken, zumal es hier um die notfallmäßige Versorgung einer schweren Unfallverletzung ging und deshalb nachvollziehbar ist, daß für deren Behandlung die aktuelle Wundsituation ausschlaggebend war. Im übrigen bietet die Beurteilung dieser Frage durch den Sachverständigen für die Annahme eines groben Fehlers keinen Anhaltspunkt. Die Revision macht denn auch in diesem Punkt keinen groben Fehler geltend, sondern beruft sich lediglich auf die Unzulänglichkeit der Dokumentation. Insoweit konnte das Berufungsgericht jedoch ohne Verfahrensfehler der Beurteilung des medizinischen Sachverständigen folgen, daß die Darstellung der Weichteilverletzungen im Operationsbericht aus medizinischen Gründen nicht geboten gewesen sei.
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c) Auch mit dem Vorbringen, daß die Infektion möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt beim Verbandswechsel oder durch Ansteckung seitens einer anderen Patientin erfolgt sei, kann die Revision keinen Erfolg haben.
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aa) Zu dem letztgenannten Punkt erhebt die Revision Verfahrensrügen, die indessen nicht durchgreifen, wobei der Senat gemäß § 565 a ZPO von einer Begründung absieht.
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bb) Soweit das Berufungsgericht hilfsweise in Erwägung zieht, daß die Infektion beim Verbandswechsel eingetreten sei, ohne daß ein Verschulden der Beklagten festzustellen sei, erstrebt die Revision Beweiserleichterungen unter dem Blickpunkt des durch das Krankenhaus voll beherrschbaren Risikos (hierzu Senatsurteil vom 8. Januar 1991 – VI ZR 102/90 – NJW 1991, 1541, 1542). Indessen setzen solche Beweiserleichterungen voraus, daß die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen ist. Eine dahingehende Feststellung hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen, sondern vielmehr ausgeführt, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen in allererster Linie eine Infektion bei der Operation in Betracht komme, die gerade bei dieser Art der Verletzung nicht vollständig beherrschbar sei, weil die Infektionsrate bei Operationen dieser Art in Verbindung mit Weichteilverletzungen 1,5% bis 2% betrage und selbst bei fachgerechtestem Vorgehen nicht vermeidbar sei. Angesichts dieser Beurteilung des Sachverständigen ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht – wie oben zu 1) ausgeführt – von einer Infektion bei der Operation ausgeht und annimmt, daß diese unter den Umständen des Streitfalls von seiten des Krankenhausträgers nicht beherrschbar gewesen sei. Von diesem Ansatz her kann entgegen der Auffassung der Revision nicht der Beklagtenseite der Beweis dafür auferlegt werden, daß die Keimübertragung durch hygienische Maßnahmen beim Verbandswechsel hätte verhindert werden können.
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3. Im Ergebnis zu Recht beanstandet die Revision jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Unterlassung eines Wundabstrichs in der Zeit nach dem 27. Dezember 1990 keinen ärztlichen Fehler darstelle und keine Beweiserleichterungen für die Klägerin dahin rechtfertige, daß die Osteitis bei früherer Erkennung weniger gravierend verlaufen wäre.
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a) Die Revision sucht auch insoweit Beweiserleichterungen in erster Linie aus der unzulänglichen Dokumentation der Wundsituation herzuleiten und verweist auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen, wonach auch bei Feststellung einer kleinen nässenden Wunde, wie sie hier für den 27. Dezember 1990 dokumentiert sei, deren weitere Entwicklung für die Folgetage und die weitere Zeit danach dokumentationspflichtig sei. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, solche Stellen müßten ständig beobachtet werden, weil im Endbereich des Unterschenkels der Weichteilmantel nur sehr gering ausgeprägt sei und es dort häufig zu Wundheilungsstörungen komme. Das Berufungsgericht hat dies auch nicht verkannt, den Sachverständigen jedoch dahin verstanden, daß die Dokumentation der Wundverhältnisse auch für diesen Zeitraum ausreichend sei und jedenfalls nicht auf einen groben Behandlungsfehler schließen lasse, wie er erforderlich sei, um Beweiserleichterungen wegen eines Dokumentationsversäumnisses zu rechtfertigen. Das ist unter diesem rechtlichen Blickpunkt nicht zu beanstanden.
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b) Mit Recht macht die Revision jedoch geltend, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend geprüft, ob sich die von der Klägerin erstrebten Beweiserleichterungen aus einem Verstoß gegen die ärztliche Pflicht zur medizinisch gebotenen Erhebung und Sicherung von Befunden ergeben könnten.
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aa) Nach der neueren Rechtsprechung des Senats läßt ein Verstoß des Arztes gegen diese Pflicht im Wege der Beweiserleichterung für den Patienten zwar zunächst nur auf ein positives Befundergebnis schließen, wenn ein solches hinreichend wahrscheinlich war. Ein solcher Verstoß kann aber darüber hinaus auch für die Kausalitätsfrage beweiserleichternd Bedeutung gewinnen, nämlich dann, wenn im Einzelfall zugleich auf einen groben Behandlungsfehler zu schließen ist, weil sich bei der unterlassenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, daß sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen müßte (BGHZ 132, 47, 52 ff.; Urteile vom 13. Januar 1998 – VI ZR 242/96 – VersR 1998, 457, 458 f.; vom 27. Januar 1998 – VI ZR 339/96 – VersR 1998, 585, 586; vom 6. Oktober 1998 – VI ZR 239/97 – VersR 1999, 60, 61; vom 3. November 1998 – VI ZR 253/97 – VersR 1999, 231, 232). Nach diesen Grundsätzen kann ein Verstoß gegen die Befundsicherungspflicht mit den von der Revision erstrebten beweiserleichternden Folgen auf der Grundlage der derzeitigen tatsächlichen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden.
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bb) Die Revision weist nämlich darauf hin, daß der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Berufungsgericht eindeutig erklärt hat, daß er selbst auf jeden Fall einen Abstrich gemacht hätte. Auch wenn er dies nachfolgend dahin eingeschränkt hat, daß er als Oberarzt an einer Universitätsklinik wohl vorsichtiger sei und nicht sagen möchte, daß die Unterlassung vorliegend ein Fehler gewesen sei, macht die Revision mit Recht geltend, daß das Berufungsgericht diese Äußerung kritisch hätte hinterfragen und den Sachverständigen zu einer Klarstellung hätte veranlassen müssen. Dies war um so mehr geboten, als der Sachverständige der Beantwortung der Frage, ob die Unterlassung des Wundabstrichs ein Fehler gewesen sei, erkennbar ausweichen wollte. Die vom Sachverständigen hierbei gewählten Formulierungen hätten dem Berufungsgericht jedenfalls in diesem Punkt Anlaß geben müssen, das Gutachten kritisch zu würdigen und in Betracht zu ziehen, daß manche Sachverständige Behandlungsfehler nur sehr zurückhaltend ansprechen (Senatsurteile vom 27. September 1977 – VI ZR 162/76 – NJW 1978, 587, 588 und vom 19. Januar 1993 – VI ZR 60/92 – NJW 1993, 1524, 1525). Auch hätte das Berufungsgericht beachten müssen, daß die Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch auf ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit zu prüfen sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hätte das Berufungsgericht den Sachverständigen vor allem mit seinem vorstehend zu a) erörterten Hinweis konfrontieren müssen, daß wegen der für den 27. Dezember 1990 dokumentierten Wundheilungsstörungen an der besonders gefährdeten Stelle eine erhöhte Beobachtung geboten gewesen sei. Von diesem Ausgangspunkt her hätte es ihn auch näher und kritisch befragen müssen, weshalb er selbst „in jedem Fall“ einen Abstrich vorgenommen hätte, für den Streitfall jedoch die Frage nach einem ärztlichen Fehler verneint hat bzw. erklärt hat, er könne sie nur dann beantworten, wenn er die Wunde gesehen hätte. Auch wenn diese Formulierung ähnlich wie in dem oben (2 b) erörterten Zusammenhang unter den besonderen Umständen des Streitfalls noch nicht zwingend zu Bedenken gegen die fachliche Kompetenz des Sachverständigen führen muß, bot sie jedenfalls Anlaß, die Folgerung des Sachverständigen, die Unterlassung des Wundabstrichs sei kein Fehler gewesen, kritisch zu würdigen und ihn ggf. zu einer Ergänzung oder Klarstellung im Hinblick auf seine sonstigen Ausführungen zu veranlassen. Da dies nicht geschehen ist, bietet das Gutachten des Sachverständigen keine ausreichende Grundlage für die tatrichterliche Überzeugungsbildung (Senatsurteile vom 19. Januar 1993 (aaO); vom 27. September 1994 – VI ZR 284/93 – NJW 1995, 779, 780; vom 9. Januar 1996 – VI ZR 70/95 – NJW 1996, 1597 f. und vom 3. Dezember 1996 – VI ZR 309/95 – NJW 1997, 803 ff.).
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cc) Daß ein nach dem derzeitigen Sachstand zumindest nicht auszuschließender Verstoß gegen die Befunderhebungspflicht auch für die Kausalitätsfrage beweiserleichternde Bedeutung gewinnen könnte, setzt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht voraus, daß bereits dieser Verstoß für sich genommen einen groben Behandlungsfehler darstellen müßte (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 1998 – aaO). Vielmehr kann bereits die – nicht grob – fehlerhafte Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen einen Ansatz für Beweiserleichterungen bilden, wenn sich bei der unterlassenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, daß sich dessen Verkennung als fundamental fehlerhaft darstellen müßte. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen, die aus den dargelegten Gründen noch der Ergänzung bedürfen, weisen bereits in diese Richtung, weil hiernach die Osteitis im fraglichen Zeitpunkt bereits vorgelegen hat, so daß bei einem Wundabstrich der vom Sachverständigen schon jetzt als reaktionspflichtig beurteilte Erreger wahrscheinlich erkannt worden wäre. Das Berufungsgericht wird mithin unter Berücksichtigung der aufgezeigten Bedenken gegen das bisherige Sachverständigengutachten mit sachverständiger Hilfe erneut zu prüfen haben, ob die Unterlassung der Befunderhebung fehlerhaft war und ob die Verkennung des Befundes, der sich wahrscheinlich ergeben hätte, einen groben Fehler dargestellt hätte (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1998 – aaO).
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4. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, daß das Berufungsgericht ein ärztliches Verschulden wegen der zunächst nicht erkannten Abrißfraktur der Bogenwurzel verneint hat. Mit Recht rügt sie insoweit die tatrichterliche Würdigung als unvollständig und lückenhaft und macht geltend, daß aus den vorliegenden Krankenunterlagen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hervorgehe, daß die Klägerin erstmals am 2. Dezember 1990 über Schmerzen im Halsbereich geklagt habe. Diese Dokumentation ist, wie die Revision hervorhebt, vom Sachverständigen dahin ausgewertet worden, daß wegen dieser Beschwerden eine zweite Röntgenaufnahme veranlaßt gewesen sei. Dabei hat der Sachverständige die Behauptung der Beklagten, man habe die Klägerin wegen Bettlägerigkeit nicht wie vorgesehen am 18. Dezember 1990 röntgen können, als unzutreffend bezeichnet. Bei dieser Sachlage können die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht insoweit einen Behandlungsfehler verneint hat, keinen Bestand haben. Deshalb muß auch dieser Punkt in die neuerliche sachverständige Begutachtung miteinbezogen werden.
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Dies gilt allerdings nicht für die verspätete Erkennung des Pleuraergusses. Insoweit kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht diese körperliche Beeinträchtigung mit Recht durch die vorgerichtliche Zahlung von 6.000 DM für abgegolten erachtet hat. Die Revision erhebt jedenfalls keine Einwendungen gegen die auf das Sachverständigengutachten gestützte Auffassung des Berufungsgerichts, daß die bei der Klägerin festgestellten Veränderungen an der Lunge nicht auf den Unfall zurückzuführen seien, und legt auch keine Beeinträchtigung dar, die eine höhere Entschädigung rechtfertigen könnte. Bei dieser Sachlage gereicht die Anrechnung des vorgerichtlich gezahlten Betrags von 6.000 DM auf die vorübergehende Gesundheitsbeeinträchtigung durch das verspätete Erkennen des Pleuraergusses der Klägerin nicht zum Nachteil.