OLG Köln, Beschluss vom 07.10.2013 – I-6 W 84/13, 6 W 84/13 (Life of Pi)
Zu den Anforderungen an die Ermittlung einer offensichtlichen Rechtsverletzung als Voraussetzung für den Erlass einer Gestattungsanordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 28.1.2013 – 230 O 16/13 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 2).
Gründe
I.
1
Der Beteiligte zu 2) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts Köln, durch den der Beteiligten zu 3) gemäß § 101 Abs. 9 UrhG gestattet worden ist, unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft zu erteilen über diejenigen Nutzer, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte IP-Adressen zugewiesen worden waren. Aufgrund dieses Beschlusses ist der Beteiligte zu 2) namens der Beteiligten zu 1) außergerichtlich in Anspruch genommen worden. Der Beteiligte zu 2) bestreitet die Richtigkeit der der Gestattungsanordnung zugrundeliegenden Ermittlungen der von der Beteiligten zu 1) beauftragten i. GmbH.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere – jedenfalls nach Maßgabe der vom Bundesgerichtshof im Beschluss vom 5.12.2012 (I ZB 48/12 – GRUR 2013, 536 Tz. 21 ff. – Die Heiligtümer des Todes) aufgestellten Grundsätze – fristgerecht eingelegt worden. Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
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1. Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) haben ihre Vertretungsmacht durch Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde im Original (Anlage ASt 6) nachgewiesen. Die Vorlage ist nicht verspätet, da sie innerhalb der – verlängerten – Frist erfolgt ist, die der Senat hierzu gesetzt hat (§ 11 S. 2 FamFG). Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht ergeben sich für den Senat nicht; insbesondere ist es aus Rechtsgründen nicht erforderlich, dass sie mit einem Datum versehen ist.
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2. a) Das vorliegende Verfahren betrifft, worauf das Landgericht bereits in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich hingewiesen hat, lediglich die Frage, ob die Beteiligte zu 3) als Internetprovider der Beteiligten zu 1) Auskunft über die Nutzer, denen bestimmte IP-Adressen zugewiesen worden waren, zu erteilen hat. Eine Entscheidung darüber, ob von dem Anschluss dieser Nutzer aus tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung begangen worden ist, und wer für eine etwaige Rechtsverletzung einzustehen hat, ist mit dem angefochtenen Beschluss nicht verbunden. Diese Fragen können und müssen erst dann geklärt werden, wenn die Beteiligte zu 1) tatsächlich Ansprüche wegen einer solchen Rechtsverletzung einklagt. Im Rahmen der Entscheidung über eine solche Klage wird dann gegebenenfalls auch die Richtigkeit der Ermittlung der IP-Adresse und der ihnen zugeordneten Nutzerdaten zu überprüfen sein. Sofern die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) in ihrem Schreiben vom 11.4.2013 ausgeführt haben, das Landgericht habe “rechtskräftig festgestellt”, dass das streitgegenständliche Repertoire von einer bestimmten IP-Adresse aus zum Herunterladen angeboten worden sei, so ist diese Formulierung zumindest missverständlich. Eine rechtliche Bindungswirkung für nachfolgende Verfahren entfaltet die Gestattungsanordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG nicht, die in diesem Verfahren vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung haben allenfalls eine tatsächliche Indizwirkung in Folgeverfahren.
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Die Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG setzt voraus, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung im Sinn des § 101 Abs. 2 UrhG vorliegt. Dabei bezieht sich das Erfordernis der Offensichtlichkeit in § 101 Abs. 2 UrhG neben der Rechtsverletzung auch auf die Zuordnung dieser Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten (Senat, Beschluss vom 21.10.2008 – 6 Wx 2/08 – GRUR-RR 2009, 9, 11 – Ganz anders; Beschluss vom 20.1.2012 – 6 W 242/11 – GRUR-RR 2012, 335). Die Zuordnung der Rechtsverletzung zu den Verkehrsdaten muss dabei nicht nachträglich durch einen Sachverständigen überprüft werden; auch andere Mittel der Glaubhaftmachung wie die hier vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Ermittler können ausreichen (Senat, Beschl. vom 3.7.2012 – 6 W 100/12 – GRUR 2013, 67 – The Disco Boys).
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Ferner besteht in dem vorliegenden Verfahren Anlass zu dem Hinweis, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung auch das Verfahren nach dem hier anwendbaren FamFG (§ 101 Abs. 9 S. 4 UrhG) beherrscht. Der Richter trifft nach freier Überzeugung die sich aus den Ermittlungen folgenden Feststellungen des maßgebenden Sachverhalts. Zur richterlichen Überzeugung ist eine absolute Sicherheit über die tatsächlichen Vorgänge nicht erforderlich; es reicht auch in Verfahren, die von Amts wegen durchzuführen sind, aus, wenn ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit vorliegt, der vernünftige Zweifel ausschließt. Absolute Gewissheit im naturwissenschaftlichen Sinn ist nicht erforderlich (Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 29 Rn. 28; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 4. Aufl. 2013, § 30 Rn. 10; vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1993 – VI ZR 221/92 – NJW-RR 1994, 567, 568; Urteil vom 12.1.1994 – XII ZR 155/92 – NJW 1994, 1348, 1349).
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b) Soweit der Beteiligte zu 2) ausgeführt hat, er habe sich zu dem fraglichen Zeitpunkt in Urlaub befunden, so ist dieser Vortrag im Verfahren betreffend die Erteilung einer Gestattungsanordnung grundsätzlich unerheblich. Die von einem Anschlussinhaber begehrte nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer seine Internetdaten betreffenden richterlichen Anordnung kann nicht auf Umstände gestützt werden, deren Prüfung überhaupt nicht Gegenstand des Anordnungsverfahrens sind, also insbesondere nicht auf eine angeblich fehlerhafte Auskunft des Providers über die Zuordnung der angegebenen IP-Adresse oder auf tatsächliche Vorgänge in Bezug auf die Nutzung des fraglichen Internet-Anschlusses durch den Anschlussinhaber, seine Familienangehörigen oder sonstige Dritte. Da diese Umstände aus dem Bereich des Anschlussinhabers stammen, der zu dem Zeitpunkt, in dem über die Gestattung zu entscheiden ist, überhaupt noch nicht bekannt ist, können sie im Anordnungsverfahren nicht – auch nicht nachträglich – geprüft werden (Senat, Beschluss vom 5.10.2010 – 6 W 82/10 – GRUR-RR 2011, 88 – Gestattungsanordnung II). Nur ergänzend ist daher noch darauf hinzuweisen, dass der entsprechende Vortrag nicht ausschließt, dass selbst bei seiner Abwesenheit ein Dritter sich Zugang zu dem Internetanschluss des Beteiligten zu 2) verschafft und die Rechtsverletzung begangen haben könnte. Der diesbezügliche Vortrag des Beteiligten zu 2) genügt schon nicht den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Sicherung eines über W-LAN erfolgenden Internetzugangs zu stellen sind (BGH, Urteil vom 12.5.2010 – I ZR 121/08 – GRUR 2010, 633 Tz. 33 f. – Sommer unseres Lebens).
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c) Die Beteiligte zu 1) hat jedenfalls durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Frau K. (Anlage ASt 5) glaubhaft gemacht, dass ihr für das Gebiet der Bundesrepublik das ausschließliche Verwertungsrecht an dem Film “Life of Pi” zusteht, das sie von der Herstellerin des Films ableitet (§§ 94 Abs. 1, 121 Abs. 4 UrhG i. V. m. Art. 4 der Revidierten Berner Übereinkunft – RBÜ). Als Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts stehen ihr die Ansprüche aus §§ 97 ff. UrhG zu (Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 97 Rn. 5).
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Dass es sich bei der im Internet angebotenen Datei möglicherweise um eine schlechte Kopie dieses Films, die durch Abfilmen von der Leinwand entstanden sein könnte, handelt, ändert nichts daran, dass das Angebot einer solchen Datei die Rechte der Beteiligten zu 1) an dem Original verletzt. Diese werden auch dann verletzt, wenn eine minderwertige Kopie im Internet öffentlich zugänglich gemacht wird. Die Rechte des Urhebers an einem Originalwerk werden auch durch die Verbreitung minderwertiger Kopien verletzt, solange sie als Kopien des Originalwerks erkennbar sind und als solche verbreitet werden. Das Urheberrecht schützt nicht bestimmte Dateien gegen Vervielfältigung, sondern die geistige – im Fall des Filmherstellers auch die wirtschaftliche – Leistung des Rechteinhabers gegen Eingriffe Dritter. Dieses Interesse wird auch durch die Veröffentlichung minderwertiger Kopien verletzt. Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Filmhersteller gemäß § 94 Abs. 1 S. 2 UrhG auch Entstellungen seines Filmes verbieten kann, die bei der Verbreitung qualitativ minderwertiger Kopien im Einzelfall gegeben sein kann. Gerade das – verbreitete – Angebot von durch Abfilmen von der Leinwand entstandenen Kopien, noch bevor der Rechteinhaber den Film zur Verbreitung durch (legales) Herunterladen oder Vertrieb physischer Datenträger freigegeben hat, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der geschützten Rechte der Filmhersteller dar. Es ist daher nicht erforderlich, dass die zum Herunterladen angebotene Datei eine identische Kopie einer seitens des Filmherstellers angebotenen Datei – sei es zum (legalen) Erwerb im Internet, sei es auf DVD oder anderen Speichermedien – darstellt.
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Es ist zur Rechtsverletzung ferner nicht erforderlich, dass die betreffende Datei an einen Dritten übermittelt wird. Allein durch das Einstellen eines Werkes in eine Internet-Tauschbörsen greifen deren Nutzer in Bezug auf das angebotene Werk regelmäßig in das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) ein (Ahlberg/Götting/Reber, BeckOK UrhG, Stand 1.3.2013, § 97 Rn. 72).
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d) Durch die seitens der Beteiligten zu 1) vorgelegten Unterlagen ist – für den Erlass einer Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG – hinreichend glaubhaft gemacht, dass eine solche Datei über eine IP-Adresse zum Herunterladen angeboten worden ist, die nach der Auskunft des Providers zu eben diesem Zeitpunkt dem Beteiligten zu 2) zugewiesen worden war.
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aa) Die Beteiligte zu 1) hat durch die eidesstattlichen Versicherungen (Anlagen ASt 4 und ASt 8) glaubhaft gemacht, dass eine ihre Rechte an dem Film “Life of Pi” verletzende Datei unter der IP-Adresse 93.228.67.203 zum Herunterladen angeboten worden ist. Danach hat sich der Ermittlungsvorgang so gestaltet, dass zunächst die unterschiedlichen Dateiversionen heruntergeladen worden sind und durch Abgleich mit dem Originalwerk daraufhin überprüft worden sind, ob es sich um eine Kopie des Originalwerks handelt. Insoweit genügt, da die Rechte der Beteiligten zu 1) auch durch das Angebot qualitativ minderwertiger Kopien verletzt werden, ein visueller Abgleich.
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Es ist weiter glaubhaft gemacht worden, dass nach den Dateiversionen, die rechtsverletzenden Charakter haben, anschließend anhand ihrer Hash-Werte in den einschlägigen Tauschbörsen gesucht worden ist. Anschließend sind Daten der betreffenden Datei heruntergeladen und auf ihre Übereinstimmung mit dem entsprechenden Teil der Referenzdatei überprüft worden (Anlage ASt 8).
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Anhaltspunkte dafür, dass die in den genannten eidesstattlichen Versicherungen enthaltenen Angaben über die tatsächlichen Vorgänge unrichtig sind, liegen nicht vor. Die in ihnen geschilderte Vorgehensweise erscheint dem Senat auch grundsätzlich geeignet, um Urheberrechtsverletzungen im Internet im Rahmen von Tauschbörsen zu ermitteln.
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Soweit der Beteiligte zu 2) ausführlich darzulegen versucht, dass der Hash-Wert keine absolut sichere Identifizierung einer bestimmten Datei erlaubt, so mag dies zutreffend sein. Wie bereits dargelegt, ist im vorliegenden Verfahren aber eine absolute Gewissheit nicht erforderlich, sondern es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Nach diesem Maßstab ist die Identifikation der Dateien anhand der Hash-Werte ausreichend. Die Beteiligte zu 1) hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in den Tauschbörsen eDonkey und BitTorrent der Hash-Wert in der Kommunikation zur Identifikation einer Datei dient. Es mag sein, dass dabei die theoretische Möglichkeit von Fehlzuordnungen besteht. Der Erfolg und die grundsätzlich gegebene Funktionsweise der genannten Tauschbörsen zeigen jedoch, dass für praktische Anwendungen der Hash-Wert eine ausreichend sichere Identifikation einer Datei erlaubt.
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Ferner hat die Beteiligte zu 1) glaubhaft gemacht, dass die von der fraglichen Internetadresse heruntergeladenen Daten mit dem entsprechenden Teil der Referenzdatei übereinstimmten. Auch wenn dabei in dem von der Beteiligten zu 1) angegebenen Zeitfenster nicht die gesamte Datei heruntergeladen werden konnte, so verbleiben folgende Elemente:
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– Die unter der ermittelten IP-Adresse angebotene Datei wies den gleichen Hashwert wie eine Referenzdatei auf, die in Tauschbörsen zum Nachteil der Beteiligten zu 1) angeboten wurde.
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– Ein Teil der Daten dieser Datei, der heruntergeladen wurde, stimmte 1:1 mit dem korrespondierenden Teil der Referenzdatei überein.
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Es mag sein, dass dennoch die theoretisch denkbare Möglichkeit bestand, dass es sich bei der unter der IP-Adresse angebotenen Datei nicht um eine Kopie der Referenzdatei, sondern um völlig andere Daten handelte. Diese Möglichkeit erscheint jedoch als so fernliegend, dass sie für praktische Zwecke außer Betracht bleiben kann. Vielmehr erlauben die genannten Umstände den hinreichend sicheren Schluss, dass unter der IP-Adresse eine Kopie der Referenzdatei öffentlich angeboten worden ist.
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Im Übrigen hat der Beteiligte zu 2) in seiner Beschwerde selber ausgeführt, dass eine Suchanfrage nach dem von der Beteiligten zu 1) angegebenen Hash-Wert zu der Information geführt hat, dass “eine Datei mit dem Namen “Life of Pi – Film” unter diesem Hash-Wert seit Dezember 2012 auf einem niederländischen Verteilserver gehostet wird. Aus dessen Dateibeschreibung geht hervor das es sich wohl um eine qualitativ fragwürdige Kameraabfilmung mit territorial unterschiedlicher Herkunft zur Tonspur handelt” (Schreiben vom 19. 4. 2013, S. 3 = Bl. 88 d. A.). Dies bestätigt das Ermittlungsergebnis der i. GmbH, dass der genannte Hash-Wert einer Kopie des streitgegenständlichen Films zuzuordnen war, wie es in der Anlage ASt 4 an Eides Statt versichert worden ist. Dass diese Kopie qualitativ minderwertig ist, ändert – wie dargelegt – nichts daran, dass ihr Zugänglichmachen geeignet ist, die Rechte der Beteiligten zu 1) an dem Originalfilm zu verletzen.
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Ließ sich aber der Hash-Wert jedenfalls noch im Januar 2013 einer Kopie des Films zuordnen, ist es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses unerheblich, ob dies immer noch der Fall ist. Sämtliche Ausführungen des Beteiligten zu 2) dazu, zu welchen Ergebnisse eine Recherche nach diesem Hash-Wert jetzt führt, sind daher unbeachtlich. Sie können allenfalls belegen, dass diese Kopie des Films aktuell nicht mehr öffentlich angeboten wird, nicht aber, dass dies im Januar 2013 nicht der Fall war.
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bb) Durch die von der Beteiligten zu 1) vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen (Anlagen ASt 7 und ASt 9) wird weiter hinreichend belegt, dass das von der i. GmbH eingesetzte System geeignet ist, Rechtsverletzungen zu dokumentieren und insbesondere auch den Zeitpunkt der Rechtsverletzung hinreichend genau zu dokumentieren.
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Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2) ist es nicht erforderlich, dass Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erstellt werden. Sie “sollen” zwar im Geltungsbereich der ZPO – die hier nicht unmittelbar anwendbar ist – bevorzugt herangezogen werden (§ 404 Abs. 2 ZPO). Dies ändert aber nichts daran, dass auch die Gutachten von Sachverständigen, die nicht diese Voraussetzungen erfüllen, verwertet werden können (BayObLG, Beschl. vom 11.12.1990 – BReg. 1a Z 5/89 – FamRZ 1991, 618; MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 4. Aufl. 2012, § 404 Rn. 7). Erforderlich ist nur, dass sie über genügende Sachkunde verfügen. Hieran besteht bei den Mitarbeitern des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie, die die Stellungnahme Anlage ASt 7 verfasst haben, kein Zweifel. Bei dem Verfasser der Stellungnahme ASt 9 handelt es sich um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit der Sachverständigen liegen nicht vor. Allein der Umstand, dass der kaufmännische Geschäftsführer der i. GmbH ein “ehemaliger Kollege” der Verfasser der Stellungnahme ASt 7 sein soll, genügt insoweit nicht.
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Beide Stellungnahmen sind auch zeitnah zu den hier in Rede stehenden Ermittlungsvorgängen erstellt worden. Dass in der Zwischenzeit Veränderungen des eingesetzten Systems stattgefunden hätten, die seine Funktionsweise signifikant beeinträchtigt hätten, ist nicht ersichtlich. Beide Stellungnahmen bestätigen auch die grundsätzliche Zuverlässigkeit des von der i. GmbH eingesetzten Systems. Aus den vorgelegten Beweismitteln ergibt sich daher mit hinreichender Zuverlässigkeit, dass die fragliche Datei (nicht nur, aber jedenfalls) am 3.1.2013 um 19:15:44 Uhr in einer Tauschbörse öffentlich angeboten worden ist.
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Unerheblich ist dabei, dass die Verletzung nur für einen bestimmten Zeitpunkt dargelegt ist und es nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass die Datei nur für einen kurzen Zeitraum in der Tauschbörse angeboten worden ist. Denn zum einen legt es die Lebenserfahrung nahe, dass derjenige, der an einer Internet-Tauschbörse teilnimmt, dies nicht nur für einen kurzen Zeitraum tut. Dies folgt aus dem damit verbundenen und im Regelfall fortdauernden Interesse, seinerseits über die Tauschbörse Dateien herunterzuladen, sowie dem mit der Teilnahme an der Tauschbörse verbundenen Aufwand (Installation der erforderlichen Software usw.). Zum anderen hat der Verletzer ab dem Zeitpunkt des Angebots die weitere Verbreitung der Datei nicht mehr in der Hand, auch wenn er selbst dieses nur für einen kurzen Zeitraum zur Verfügung stellt (Senat, Beschl. vom 21.10.2008 – 6 Wx 2/08 – GRUR-RR 2009, 9, 11 – Ganz anders).
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cc) Soweit der Beteiligte zu 2) weiter darauf hingewiesen hat, dass die Datenströme in Peer-to-Peer-Systemen nicht manipulationssicher seien, so gilt wiederum, dass die theoretische Möglichkeit von Manipulationen nichts darüber aussagt, ob es im vorliegenden Fall zu Manipulationen zu Lasten des Beteiligten zu 2) gekommen ist. Dass solche Manipulationen überhaupt tatsächlich vorgenommen werden, ist nicht ersichtlich; noch viel weniger bestehen im konkreten Fall Anhaltspunkte dafür.
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dd) Eine Rechtsgrundlage für die vom Beteiligten zu 2) beantragte Herausgabe von Dateien und Dokumenten ist nicht gegeben. Soweit sich der Beteiligte zu 2) in diesem Zusammenhang auf § 19 BDSG berufen hat, so ist diese Vorschrift im vorliegenden Verfahren ohnehin nicht anwendbar, da sie sich lediglich auf die Datenverarbeitung durch öffentliche Stellen bezieht. Aber auch ein Auskunftsanspruch aus § 34 BDSG – der im vorliegenden Verfahren nach dem FamFG ebenfalls nicht durchsetzbar wäre – scheidet aus, da es sich bei den vom Beteiligten zu 2) genannten Daten (mit Ausnahme der IP-Adresse, bezüglich derer die gewünschte Auskunft bereits erteilt ist) nicht um personenbezogene Daten im Sinn des § 3 Abs. 1 BDSG, sondern um sach- (nämlich auf die fraglichen Dateien) bezogene Daten handelt, die vom BDSG nicht erfasst werden (Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl. 2012, § 3 Rn. 5 ff.; Wolff/Brink/Schild, Datenschutzrecht, 2013, § 3 BDSG Rn. 23). Die genannten Dateien und Dokumente sind auch nicht für eine weitere Beweisaufnahme erforderlich. Dass sich aus ihnen weitergehende Erkenntnisse gewinnen lassen, ist nicht anzunehmen. Auch der im Verfahren nach dem FamFG geltende Grundsatz der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) erfordert nur, dass das Gericht die Ermittlungen anstellt, zu denen nach dem von den Beteiligten vorgetragenen Sachverhalt Anlass besteht. Das Gericht ist nicht verpflichtet, allen nur denkbaren Möglichkeiten nachzugehen. Die Beweisaufnahme ist abzuschließen, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts von einer weiteren oder von einer erneuten Beweisaufnahme ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr erwartet werden kann (BGH, Beschl. vom 5.7.1963 – V ZB 7/63 – NJW 1963, 1972, 1973; OLG Köln, Beschl. vom 3.11.2003 – 2 Wx 26/03 – FGPrax 2004, 78, 79; Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 26 Rn. 17 und 25, alle m. w. N.).
28
e) Dass die Rechtsverletzung in einem gewerblichen Ausmaß stattgefunden hat, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, nicht erforderlich (BGH, Beschl. vom 19.4.2012 – I ZB 80/11 – GRUR 2012, 1026 Rn. 10 – Alles kann besser werden).
29
f) Die weiteren Voraussetzungen für den Erlass einer Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG haben vorgelegen, wie bereits das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat.
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3. Da die Beschwerde erfolglos war, hat der Beteiligte zu 2) als Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 84 FamFG). Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht; gegen diese Entscheidung ist damit kein weiteres Rechtsmittel mehr gegeben.
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Wert für das Beschwerdeverfahren: 956,00 EUR