Zu den Anforderungen an den Nachweis, dass Ursache für einen Brandschaden ein Gartengrill auf dem Grundstück war

LG Bielefeld, Urteil vom 30. März 2012 – 16 O 49/11

Zu den Anforderungen an den Nachweis, dass Ursache für einen Brandschaden ein Gartengrill auf dem Grundstück war

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch wegen eines Brandschadens gegen die Beklagten geltend.

2
Die Beklagten sind Eigentümer eines Reihenmittelhausgrundstücks in M.. An dieses Haus grenzt auf der eine Seite das Reihenhaus der Familie C., auf der anderen Seite das Reihenhaus der Eheleute M. an.

3
Am Abend des 03.09.2005 feierten die Beklagten mit einigen Bekannten bis in die Nacht ein kleines Grillfest. In den frühen Morgenstunden des 04.09.2005 kam es zu einem Brand am Gebäude der Beklagten. Im Bereich des kleinen zur Gartenseite gelegenen Abstellraums des Hauses der Beklagten stand zu diesem Zeitpunkt ein kleiner Gartengrill. Verwendet zum Grillen wurde ein offener Gartengrill, der fest im Garten der Beklagten aufgestellt war. In dem Bereich, in dem das Feuer seinen Ursprung nahm, verliefen elektrische Leitungen, u.a. an der Außenwand eine Doppelsteckdose, an die mehrere Verbraucher angeschlossen waren.

4
Die genaue Brandursache konnte jedoch durch die Brandermittler der Polizei nicht festgestellt werden. Ein unter dem Aktenzeichen 76 UJs 608/05 eingeleitetes Ermittlungsverfahrens wurde seitens der Staatsanwaltschaft Bielefeld eingestellt, da keine Straftat ersichtlich sei.

5
Das Feuer ergriff nicht nur das Haus der Beklagten, sondern auch Teile des Daches der beiden angrenzenden Reihenhäuser. Hierdurch ist es zu Schäden an der Dachkonstruktion einschließlich darunter liegender Folie, Isolierung, Lattung, Sparren und Dachfenster am Haus der Eheleute M. gekommen. Der genaue Umfang der Schäden ist dabei zwischen den Parteien im Streit.

6
Mit Schreiben vom 21.04.2006 machte die Klägerin als – behaupteter – Wohngebäudeversicherer der Frau B. M. erstmals Ausgleichsansprüche aus übergegangenem Recht beim Beklagten zu 1) dem Grunde nach geltend. Mit bei der Klägerin am 25.04.2007 eingegangenem Schreiben vom 23.04.2007 lehnte der Haftpflichtversicherer der Beklagten eine Einstandspflicht abschließend ab.

7
Die Klägerin behauptet, das Feuer habe im Bereich des Abstellraumes der Beklagten seinen Ursprung genommen. Ursache sei entweder das Grillfeuer, ein hierdurch ausgelöster Funkenflug oder aber ein Defekt der elektrischen Anlage des Hauses der Beklagten bzw. einer defekten Lichterkette gewesen. Sie behauptet ferner, zwischen ihr und der Frau J. M. habe ein Wohngebäudeversicherungsvertrag – wie auch zwischen ihr und Herrn M. ein Hausratsversicherungsvertrag – bestanden.

8
Die Klägerin behauptet weiterhin, infolge der Schäden habe das Dach einschließlich der Dämmungen sowie der Innenausbauteile der Dachschrägen und die Fußböden sowie der Elektroanlage im Ober- und Dachgeschoss erneuert werden müssen. Ferner seien Reparaturen an der Außenverblendung des Hauses erforderlich gewesen. Weiterhin habe der Hausrat der Familie M. vorübergehend durch eine Spedition umgelagert werden müssen.

9
Wegen der geltend gemachten Kosten wird auf die Aufstellung in der Klageschrift vom 22.12.2008 (Bl. 11 ff. d.A.) nebst Anlagen (Bl. 43 ff. d.A.) Bezug genommen.

10
Die Klägerin beantragt,

11
die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 59.289,51 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.04.2007 zu zahlen.

12
Die Beklagten beantragen,

13
die Klage abzuweisen.

14
Sie bestreiten, dass der Brand von ihrem Gebäude ausgegangen sei und behaupten, die beim Grillen auf dem fest im Garten installierten Grill verwendete Kohle sei nach dem Grillen in einen kleinen Gartengrill umgefüllt worden, der sodann neben deren Gartenteich zum Ausglühen abgestellt worden sei. Diese Kohle sei im Zeitpunkt des Ausbruchs des Brandes bereits einige Zeit ausgebrannt gewesen. Die Außensteckdose sei durch den Beklagten zu 1) noch vor Ausbruch des Brandes stromlos geschaltet worden. Während des Brandes hätten weder der Schutzschalter noch Sicherungen ausgelöst. Erst während des Brandes sei der Schutzschalter der elektrischen Anlage des Gebäudes auf „aus“ gestellt worden.

15
Die Beklagten behaupten, vor diesem Hintergrund komme als Brandursache lediglich eine Brandstiftung durch eine dritte Person in Betracht.

16
Das Landgericht Bielefeld hat im Rahmen des Parallelrechtsstreits des Wohngebäudeversicherers der Eheleute C. gegen die Beklagten (Az.: 7 O 464/08) Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen N. sowie die Vernehmung von Zeugen.

17
Wegen des Ergebnisses der Begutachtung wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten vom 30.01.2010, das Ergänzungsgutachten vom 28.10.2010 sowie die ergänzende mündliche Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2011 (Bl. 207 ff. der Akte 7 O 464/08).

18
Im vorliegenden Verfahren haben sich die Parteien mit der Verwertung dieses Gutachtens auch für den hiesigen Rechtsstreit gem. § 411a ZPO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe
19
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aus übergegangenem Recht gem. § 67 VVG a.F. aktivlegitimiert ist. Denn ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 BGB – der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage – besteht mangels Nachweises der Störereigenschaft der Beklagten nicht.

1.

20
Dabei war aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen N. im Parallelverfahren, dessen Verwertung im Einverständnis der Parteien gem. § 411a ZPO angeordnet und erfolgt ist, davon auszugehen, dass das Feuer seinen Ursprung auf dem Grundstück der Beklagten, und zwar innerhalb oder außerhalb des Gebäudes in dem von dem Sachverständigen auf der als Anlage zu seinem schriftlichen Gutachten vom 30.01.2010 beigefügten Zeichnung eingefügten Oval nahm.

2.

21
Allein dies begründet jedoch noch keine Haftung der Beklagten entsprechend § 906 Abs. 2 BGB. Der bloße Umstand des Eigentums an dem Grundstück, von dem die schädliche Einwirkung ausgeht, begründet noch nicht die Störereigenschaft des Eigentümers; die Beeinträchtigung muss wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen (BGH, NJW-RR 2011, 687). Die Frage, ob der Eigentümer als Störer anzusehen ist, ist danach nicht begrifflich zu klären, sondern durch eine wertende Betrachtung von Fall zu Fall zu entscheiden (BGH a.a.O.). Dies ist dann zu bejahen, wenn sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen ergibt (BGH a.a.O.).

3.

22
Gemessen an diesen Voraussetzungen wären die Beklagten danach als Störer anzusehen, wenn als Brandursache ausschließlich ein technischer Defekt oder aber eine fahrlässige Verursachung durch sie selbst – hier etwa in Form der Verursachung des Brandes durch Funkenflug oder noch entzündeter Kohle – im Anschluss an das Grillfest in Betracht gekommen wäre.

a)

23
Vorliegend kommt jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen als Brandursache gleichermaßen eine vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung durch einen Dritten in Betracht. Zumindest kann eine derartige Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden.

24
Nach den Feststellungen des Sachverständigen, die dieser unter Berücksichtigung der polizeilichen Ermittlungsergebnisse sowie anhand der Zerstörungen und Verfärbungen des Mauerwerks getroffen hat, umfasst der abgrenzbare Bereich, in dem das Feuer ausbrach, einen Teil des Innenraums des verschlossenen Abstellraums als auch einen Teil außerhalb des Hauses unterhalb des Dachüberstands zur Gartenseite.

25
Die eigentliche Brandursache vermochte der Sachverständige dagegen nicht festzustellen. Vielmehr hat der Sachverständige ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 28.10.2011 in dem Parallelrechtsstreit nochmals ausdrücklich bekräftigt, dass nach dem Ergebnis seines Gutachtens sowohl eine vorsätzliche als auch eine fahrlässige Brandstiftung im Bereich des Brandausgangs in Betracht kommen. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des erfahrenen Sachverständigen bestehen dabei für das Gericht nicht.

b)

26
Es kann auch nicht mit der für ein positives Beweisergebnis erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass als Verursacher eine derartigen Brandstiftung allein die Beklagten in Betracht kommen bzw. eine solche auf Umstände zurückzuführen ist, die von ihnen beherrschbar gewesen wären.

27
Dass ein Dritter in den Garten eindringen konnte, liegt nahe und war aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, wie sie von dem Beklagten zu 1) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2011 gem. § 141 ZPO in dem Parallelrechtsstreit 7 O 464/08 unwidersprochen geschildert worden sind, ohne Weiteres möglich.

28
Entgegen den Ausführungen in dem Schriftsatz vom 14.12.2011 ist es auch nicht zwingend, dass aufgrund der geschilderten – nicht feststehenden – zeitlichen Abläufe der Brand zu einem Zeitpunkt entstanden sein muss, als der Beklagte zu 1) noch mit dem Zeugen Prohaska auf der Terrasse gesessen habe oder aber noch mit dem Aufräumen beschäftigt war. Denn die dieser Folgerung zugrundegelegten Äußerungen im Ermittlungsverfahren sind bereits miteinander nicht zu vereinbaren. So hat der Zeuge Prohaska nach dem Inhalt der Ermittlungsakte gegenüber den Polizeibeamten angegeben, gegen 1.30 Uhr nach Hause gegangen zu sein. Der Beklagte zu 1) hat sich dahin geäußert, dass er bis ca. 2.00 Uhr bis 2.15 Uhr mit dem zeugen Prohaska auf der Terrasse gesessen habe und dann ins Bett gegeben sei. Im Übrigen wäre selbst unter Zugrundelegung einer Entfernung von der Terrasse gegen 2.00 Uhr noch genügend Zeit für eine vorsätzliche oder fahrlässige Begehung durch einen Dritten geblieben. So ist von der Klägerin selbst die Entstehung des Brandes auf einen Zeitraum zwischen 2.00 Uhr und 2.43 Uhr eingegrenzt worden.

4.

29
Dieses Beweisergebnis geht zu Lasten der Klägerin. Diese war nach Auffassung des Gerichts dafür beweispflichtig, dass die Voraussetzungen für eine Störereigenschaft der Beklagten erfüllt sind. Erforderlich für das Bestehen des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der in Anspruch genommene Grundstückseigentümer Störer i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB ist (BGH, NJW-RR 2011, 687). Für die Störereigenschaft des in Anspruch genommenen im Rahmen des Anspruchs aus § 1004 BGB ist aber der Anspruchsteller in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig ist (Palandt-Bassenge. BGB, 71. Auflage, § 1004 Rn. 52). Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch tritt an die Stelle des nicht mehr erfüllbaren Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs aus § 1004 BGB. Dementsprechend müssen für diesen Ausgleichsanspruch die Voraussetzungen des § 1004 BGB vorliegen. Insofern kann aber für den – zudem weitergehenden – Ausgleichsanspruch keine anderslautende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Störereigenschaft und der Voraussetzungen des § 1004 BGB gelten.

30
Dabei bedurfte es nicht konkreter, objektivierbarer Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Brandstiftung durch einen Dritten. Entscheidend und der erforderlichen positiven Feststellung einer Störereigenschaft der Beklagten entgegenstehend ist die – hier nach den Ausführungen des Sachverständigen – gegebene, nicht ausräumbare Möglichkeit eines derartigen Geschehensablaufs.

31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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