LG Frankfurt, Urteil vom 20. März 2019 – 2-06 O 420/18
Die Verhängung einer Verbandsstrafe in Form eines Punktabzugs in einer Meisterschaftsrunde wegen Fanausschreitungen in der vorangegangenen Saison ist am Satzungszweck zu messen und nicht nur das Interesse des Verbands an der Verhinderung künftiger Ausschreitungen zu berücksichtigen, sondern auch das Interesse der Sportler und der übrigen an der Meisterschaft teilnehmenden Vereine an einem unverfälschten sportlichen Wettbewerb. Ein Punktabzug ist danach in aller Regel nur gerechtfertigt, wenn er dazu dient, einen unberechtigt oder in sonstiger Weise unfair erlangten Vorteil wieder rückgängig zu machen.(Rn.28)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, der in der Fußball-Regionalliga Südwest spielenden 1. Herrenmannschaft der Klägerin in der Saison 2018/2019 drei Spielpunkte abzuziehen oder die Vollziehung dieses Punktabzugs durch einen Dritten anzuordnen oder zu dulden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist für die Klägerin bzgl. der Untersagungstenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin betreibt den Lizenzspielbetrieb des Fußballclubs SV Waldhof Mannheim. Sie entstand durch eine Ausgliederung des Profi-Fußballbereichs des SV Waldhof Mannheim 07 e. V.. Sie ist eine eigenständige juristische Person.
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Der Beklagte ist der Dachverband der Deutschen Fußballverbände in Deutschland. Die Klägerin selbst ist nicht Mitglied des Beklagten.
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Die Klägerin nahm in der Saison 2017/2018 am Spielbetrieb der Regionalliga Süd-West teil. Dieser wird von der Regionalliga Südwest GbR veranstaltet und durchgeführt. Als Zweitplatzierte qualifizierte sie sich sportlich für die Aufstiegsrunde zur 3. Liga. Bei den Aufstiegsspielen handelt es sich um von dem Beklagten veranstaltete „Bundesspiele“. Die Klägerin unterzeichnete am 4.4.2018 die von dem Beklagten gestellten Teilnahmebedingungen für die Aufstiegsspiele zur 3. Liga 2018/2019. Auf die Anlage K 3 wird Bezug genommen.
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Die Relegationsspiele gegen den (…) fanden am 24.5.2018 in (…) und am 27.5.2018 in Mannheim statt. In beiden Spielen unterlag die Klägerin. Bei beiden Spielen kam es zu von Anhängern der Klägerin initiierten pyrotechnischen Aktionen. Die Begegnung in Mannheim musste sogar kurz vor Spielende vorzeitig abgebrochen werden, da ein ordnungsgemäßer Ablauf nach Einschätzung des Schiedsrichters nicht mehr gewährleistet werden konnte.
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Am Vorabend des Spiels vom 27.5.2018 fand ein Grillfest verschiedener Ultragruppen des SV Waldhof Mannheim im Innenbereich des Carl-Benz-Stadions statt. Ihnen standen auf dem Stadiongelände zwei Container zur freien Nutzung zur Verfügung, ebenso war ihnen die Selbstverwaltung der Osttribüne des Stadions (Fanbereich) übertragen worden.
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Noch am 27.5.2018 übermittelte das Mitglied des Kontrollausschusses, (Herr X), der an diesem Tag eine Spielbeobachtung der verfahrensgegenständlichen Begegnung für den Kontrollausschuss übernommen hatte, seinen Spielbericht an den Beklagten (Anlage B 1=Bl. 70 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 28.5.2018 (Bl. 76 d. A.) übersandte der Beklagte der Klägerin diesen Bericht mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 19.6.2018 (Anlage K 6) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er beabsichtige Anklage beim DFB-Sportgericht zu stellen. Unterzeichnet war das Schreiben von (Herr A), dem Chefjustiziar des Beklagten. Vertretungsbefugnis für den Kontrollausschuss besitzt die DFB-Zentralverwaltung nicht. Die Klägerin begründete mit Schreiben vom 22.6.2018 und 3.7.2018 ihre Nichtzustimmung zum Strafantrag des Kontrollausschusses des Beklagten.
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Wegen der Vorkommnisse während beider Relegationsspiele erhob der Kontrollausschuss des Beklagten beim Sportgericht Anklage und beantragt u. a. eine Geldstrafe und den Abzug von 9 Punkten gegen die Klägerin. Das Sportgericht verhängte durch Urteil vom 13.7.2018 (Entscheidung Nr. 98/2017/2018 3. Liga, Anlage K 9) als erste verbandsgerichtliche Instanz des Beklagten gegen die Klägerin eine Geldstrafe in Höhe von 40.000 € und einen Abzug von 3 Punkten für die Saison 2018/2019 für die erste Herrenmannschaft. Zudem wurden der Klägerin mehrere Auflagen auferlegt. Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein. Das Bundesgericht gab der Berufung der Klägerin durch Urteil vom 15.10.2018 (Anlage K 12) teilweise statt und reduzierte die Geldstrafe von 40.000,- € auf 25.000,- €. Der Punkteabzug wurde bestätigt.
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Im Nachgang zu den Vorgängen erließ die Klägerin bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgerichts 15 Stadionverbote gegen Fans. Weitere Maßnahmen zur Verhinderung von Abbrennen von Pyrotechnik wurden klägerseits eingeleitet.
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Die Klägerin trägt vor, ihre Klage sei begründet. Die im verbandsgerichtlichen Instanzenzug zuletzt getroffene Entscheidung leide unter irreparablen formellen und materiellen Mängeln, so dass die verhängten Sanktionen unwirksam seien und der Beklagte sie nicht vollziehen dürfe.
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Es fehle an einer wesentlichen Verfahrensvoraussetzung des verbandsgerichtlichen Verfahrens, weil der Beklagte die verfahrenseinleitende Anklage nicht schriftlich und auf der Grundlage eines Beschlusses des Kontrollausschusses gestellt habe. Die unwirksame Verfahrenseinleitung habe die Unwirksamkeit der verhängten Strafe zur Folge.
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Es fehle auch eine weitere Verfahrensvoraussetzung, weil der Anklageerhebung kein Beschluss des zuständigen Kontrollausschusses zu Grunde gelegen habe. Die Anklageerhebung habe, wie das Bundesgericht selbst festgestellt habe auf der persönlichen Entscheidung des Kontrollausschussmitglieds (Herr Y) beruht.
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Weiter werde die Unwirksamkeit des Punkteabzugs aus materiell-rechtlichen Gründen geltend gemacht. Der Ausspruch der Unwirksamkeit sei deklaratorisch, die Nichtigkeit trete bereits kraft Gesetzes ein.
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Die Satzungsgrundlage für die Verhängung des Punktabzuges verstoße gegen den auch im Disziplinarrecht geltenden Bestimmtheitsgrundsatz und damit gegen §§ 242 BGB, 19 I und II Nr. 2 GWB. Der Punktabzug sei unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls unangemessen (§§ 242 BGB, 19 I und II Nr. 2 GWB). Er bestrafe allein die Klägerin und lasse die eigentlichen Störer ungeschoren davonkommen. Dies stehe in keinem Verhältnis zum Verursachungsbeitrag der Klägerin. Er ignoriere auch ihre ganz erheblichen personellen und finanziellen Bemühungen im Kampf gegen das Abbrennen von Pyrotechnik. Die Strafe sei willkürlich, unangemessen und damit unwirksam. Der Klägerin könne kein eigenes Verschulden zur Last gelegt werden.
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Die Klägerin beantragt,
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1) den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, der in der Fußball-Regionalliga Südwest spielenden 1. Herrenmannschaft der Klägerin in der Saison 2018/2019 drei Spielpunkte abzuziehen oder die Vollziehung dieses Punktabzugs durch einen Dritten anzuordnen oder zu dulden,
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2) festzustellen – bezüglich des Punktabzugs hilfsweise -, dass die von dem Beklagten gegen die Klägerin verhängte Punkt- und Geldstrafe, wie durch das Urteil des DFB-Bundesgerichts vom 15.10.2018 (Entscheidung Nr. 2/2018/2019 BG) bestätigt, unwirksam ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, der Klageantrag zu 1) sei nicht statthaft. Der verhängte Punkteabzug sei in der aktuellen Tabelle der Regionalliga Südwest bereits vollzogen. Zudem sei die Regionalliga keine Spielklasse bei ihm. Der Punkteabzug sei folglich auch nicht vom ihm, sondern vom zuständigen Spielklassenträge der Regionalliga Südwest vorgenommen worden. Der Antrag sei auch unbestimmt.
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Die Entscheidung des Bundesgerichts könne nur darauf überprüft werden, ob sie willkürlich bzw. grob unbillig sei. Das Verfahren leide nicht unter formellen Mängeln, die zu einer Unwirksamkeit der Entscheidung führen könnten. Insbesondere mangele nicht jegliche Schriftform, die Unterzeichnung durch den Chefjustiziar sei ausreichend. Die Verfahrensweise entspreche auch den Vereinsgewohnheiten des Beklagten. Die auf der Ebene des Kontrollausschusses getroffene Entscheidung, Anklage zu erheben, sei nicht zu beanstanden. Die Mitglieder des Kontrollausschusses seien auf jeden Fall mit dem Vorgehen von (Herr Y) einverstanden.
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Die Verhängung des Punktabzugs sei auch nicht unangemessen gewesen. Unsachliche Erwägungen und Billigkeitsverstöße bei der Strafzumessung seien in keiner Weise erkennbar.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Klageantrag zu 1), den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, der in der Fußball-Regionalliga Südwest spielenden 1. Herrenmannschaft der Klägerin in der Saison 2018/2019 drei Spielpunkte abzuziehen oder die Vollziehung dieses Punktabzugs durch einen Dritten anzuordnen oder zu dulden, ist begründet.
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Die Entscheidung des Bundesgerichts vom 15.10.2018 ist nicht rechtswirksam. Die in diesem Urteil bestätigte Belegung der ersten Herrenmannschaft der Klägerin in der Spielzeit 2018/2019 mit der Aberkennung von 3 Punkten hält bei der vorzunehmenden Überprüfung auf ihre inhaltliche Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht stand.
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Bei dem Urteil des Bundesgerichts vom 15.10.2018 handelt es sich um eine Entscheidung eines Verbandsgerichts, d. h. eines verbandsinternen Organs, dem in Ausübung der autonomen Verbänden zustehenden Befugnis zur inneren Selbstorganisation die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen gegenüber der Verbandsstrafgewalt unterworfenen Personen zugewiesen ist. Von einem solchen Verbandsorgan verhängte Sanktionen sind nicht Entscheidungen einer externen Schiedsgerichtsbarkeit, sondern eigene Disziplinarmaßnahmen des betreffenden Verbandes selbst. Verbandsgerichtliche Entscheidungen unterliegen der gerichtlichen Kontrolle. Der Umfang der Nachprüfung ist jedoch mit Rücksicht auf die grundrechtlich geschützte Vereinsautonomie ( Art. 9 GG) teilweise eingeschränkt. Das staatliche Gericht darf überprüfen, ob der Betroffene der Ordnungsgewalt des Verbandes unterliegt, die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, das in der Satzung oder Vereinsordnung vorgeschriebene Verfahren beachtet ist, die allgemein gültigen Verfahrensgrundsätze eingehalten worden sind und sonst keine Verstöße gegen ein Gesetz, die Satzung oder die guten Sitten vorgekommen sind (OLG Frankfurt am Main, BeckRS 2016, 20412 Rn. 12; BGH, NJW 2017, 402 Rn. 37; BGH NJW1995, 583 Nr. 3 a)). Darüber hinaus haben die Gerichte auch darüber zu befinden, ob die der Sanktion zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen fehlerfrei sind. Bei Vereinen, für die eine Aufnahmepflicht besteht, sind die Anwendung des Vereinsrechts und die Strafbemessung vollständig gerichtlich nachprüfbar. In einem solchen Fall erstreckt sich die Kontrollbefugnis des angerufenen Gerichts auch auf die inhaltliche Angemessenheit der angewandten Bestimmungen gemäß § 242 BGB, die einen angemessenen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen des Verbandes und den schutzwürdigen Interessen derjenigen herstellen müssen, die seiner Verbandsgewalt unterworfen sind (OLG Düsseldorf, NJOZ 2015, 858). Bei anderen Vereinen beschränkt sich die Prüfung der Subsumtion und der Bemessung der Strafe dagegen grundsätzlich darauf, ob die Strafe willkürlich oder grob unbillig ist (OLG Frankfurt am Main, a. a. O., Rn. 12; OLG Düsseldorf, a. a. O.; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 25 Rn. 23, 25 m. w. N.).
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Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Verein, dem eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich zukommt. Dementsprechend ist die Entscheidung vollständig auf einen angemessenen Ausgleich der sich gegenüberstehenden Interessen der Parteien nachprüfbar.
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Für den verhängten Punkteabzug findet sich im Regelwerk der Beklagten eine Grundlage. Die Klägerin war zum fraglichen Zeitpunkt, nämlich für die Austragung der Aufstiegsspiele, dem Verbandsregelwerk des Beklagten unterworfen, da sie die von dem Beklagten gestellten Teilnahmebedingungen für die Aufstiegsspiele zur 3. Liga 2018/2019 am 4.4.2018 unterzeichnet hatte. Diese Regelwerke sehen die Möglichkeit der Verhängung eines Punkteabzugs gegen einen Verein vor. So ist in § 7 Nr. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung (RuVO) geregelt, dass bei Bundesspielen bei Vergehen, die mit einer höheren Geldstrafe als 2.500,- € bedroht sind, in schwerwiegenden Fällen an Stelle oder neben der Geldstrafe eine weitergehende Strafe nach § 44 der Satzung des Beklagten verhängt werden kann und gleiches in Wiederholungsfällen und in Fällen der Tatmehrheit gelte. § 7 Nr. 1 e) sieht vor, dass für schuldhaftes Herbeiführen eines Spielabbruchs eine Geldstrafe bis zu 100.000 € verhängt werden kann. Grundlage der Verhängung der Strafe war der Spielabbruch am 27.5.2018. Dieser kann mit einer höheren Strafe als 2.500,- € bestraft werden, es konnten daher weitergehende Strafen nach § 44 der Satzung verhängt werden. Nach § 44 Nr. 2 l) ist als Strafe die Aberkennung von Punkten zulässig. Eine entsprechende Satzungsgrundlage für die Aberkennung der Punkte, der die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum unterlag, bestand daher.
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Die Aberkennung von 3 Punkten kann aber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben keinen Bestand haben.
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Ausweislich der Präambel der Satzung des Beklagten handelt der Beklagte in sozialer und gesellschaftspolitischer Verantwortung und fühlt sich in hohem Maße dem Gedanken des Fair Play verbunden. Der Gedanke des fairen Verhaltens rechtfertigt grundsätzlich den Abzug von Punkten. Die Aberkennung von Punkten als Strafe ist aber vor dem Hintergrund der obersten Satzungsmaxime, den Fußball als fairen Sportwettkampf zu fördern, im Regelfall nur dann interessengerecht, wenn Vorgänge vorliegen, die ursächlich dafür waren, dass bei einem ausgetragenen Spiel eine Mannschaft Punkte erworben oder der Gegner gerade deswegen keine Punkte erworben hat, weil es zu Vorfälle bei der Austragung des Spiels gekommen ist, die die Punkteverteilung in irgendeiner Art und Weise direkt beeinflusst haben und die verteilten Punkte daher nicht gerechtfertigt anzusehen sind. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn aufgrund eines Spielabbruchs wegen unsportlichen Verhaltens der Fans einer Mannschaft diese Mannschaft Punkte erworben hätte und davon ausgegangen werden kann, dass die gegnerische Mannschaft aufgrund des unsportlichen Verhaltens im spielerischen Ablauf gehandikapt war. Vorliegend unterlag aber die Klägerin in beiden Relegationsspielen, (…) erspielte jeweils 3 Punkte. Der vom Sportgericht verhängte Punkteabzug korrigierte daher nicht die Punkteverteilung in dem streitgegenständlichen Spiel, sondern entfaltete seine Wirkung auf die gesamte nächste Spielsaison, die mit den Vorfällen in dem Relegationsspiel in keinem Zusammenhang stehen.
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Selbstverständlich stellen das Entzünden pyrotechnischer Gegenstände und gewalttätige Auseinandersetzungen erhebliche Gefahren für alle im Stadion befindlichen Personen dar, sowohl für alle Zuschauer als auch für die Spieler und die mit der Organisation betrauten Personen. Dass an der Unterbindung solchen Verhaltens ein vorrangiges Interesse besteht, bedarf keiner Erörterung und wird von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. So hat sich die Klägerin von den Vorfällen distanziert und diese scharf verurteilt. Sie hat kurz nach dem Spiel einen weitreichenden Maßnahmenkatalog beschlossen, der erhebliche Restriktionen in der Fanszene mit sich brachte und erkennbar hohe präventive Wirkung entfalten kann. Die Klägerin hat sich auch um Aufklärung der Taten und Identifizierung der Täter bemüht.
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Der Fair Play-Gedanken muss aber nicht nur gegenüber dem Verein, auch wenn diesen hier ein erhebliches eigenes Verschulden trifft, sondern vor allem auch zugunsten der Spieler Anwendung finden, die nach hartem Training in einem fairen Spiel mit der gegnerischen Mannschaft alles daran setzen, um einen Sieg und damit Punkte zu erringen, die um einen Aufstieg in eine höhere Liga kämpfen und die unmittelbar für die Vorfälle nicht verantwortlich sind und auf diese auch keinen unmittelbaren Einfluss haben. Dabei ist auch zu sehen, dass sich der Punkteabzug nicht in Bezug auf das konkrete Spiel auswirkte, sondern auf die nachfolgende Saison. Fair Play gegenüber den Spielern bedeutet, dass von einer Strafe Abstand zu nehmen ist, die die Spieler für ein nicht von ihnen ausgehendes Verhalten bestraft, wenn andere Strafmaßnahmen zur Verfügung stehen, die zumindest eine vergleichbare Wirkungen erzielen können, die Spieler jedoch weniger trifft. Insofern ist insbesondere auf die gleichfalls nach § 44 Nr. 2 lit. k) zulässige Strafe einer Spielaustragung unter Ausschluss oder Teilausschluss der Öffentlichkeit zu verweisen.
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Der Punktabzug ist auch nicht im sportlichen Interesse der übrigen Mannschaften, die am Wettbewerb teilnehmen. Denn die Teilnahme eines gehandicapten Gegners, dem Punkte nicht zum Ausgleich von unlauteren oder sonst unberechtigten Vorteilen im sportlichen Wettkampf abgezogen wurden, verfälscht den Wettbewerb und entwertet die Meisterschaft.
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Das Ermessen, das dem Bundesgericht bei der Entscheidung über die Art und den Umfang von zu verhängenden Strafen zusteht, hätte daher die Interessen der Spieler, die kein Verschulden trifft, und das Interesse an einem unverfälschten sportlichen Wettbewerb berücksichtigen müssen, was ausweislich der Urteilsbegründung nicht geschehen ist. Zwar hat der Punkteabzug keinen unmittelbaren Einfluss auf die berufliche Ausübung der Spieler. Ihm kann jedoch eine mittelbare – immense – Auswirkung nicht abgesprochen werden. Ein 3-Punkteabzug kann den Aufstieg der Mannschaft in die nächste höhere Klasse verhindern. Dies hätte für jeden einzelnen Spieler unmittelbare, auch finanzielle Auswirkungen. Dem kann der Beklagte nicht entgegen halten, dass die Klägerin trotz des Punkteabzugs derzeit Tabellenführer der Regionalliga Südwest sei und nach sportlichen Kriterien – momentan – in die 3. Liga aufsteigen würde.
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Soweit der Beklagte gegen den Unterlassungsantrag eingewandt hat, dass dieser in der gestellten Form nicht statthaft sei, da zum einen der verhängte Punktabzug in der aktuellen Tabelle der Regionalliga Südwest bereits vollzogen und anderen die Regionalliga keine Spielklasse des Beklagten sei und deswegen der Punktabzug nicht vom Beklagten, sondern vom zuständigen Spielklassenträger der Regionalliga Südwest vorgenommen worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Ein Unterlassungsanspruch kann auch Beseitigungspflichten auslösen. Und eine entsprechende Befugnis auch gegenüber dem Spielklassenträger der Regionalliga Südwest besitzt der Beklagte gemäß § 3 der DFB-Spielordnung. Von einem auf eine rechtlich unmöglichen Leistung gerichteten Klageantrag kann daher nicht ausgegangen werden. Insoweit hat bereits das Bundesgericht darauf hingewiesen, dass es dem durch Auf- und Abstieg gewollt durchlässigen Spielbetriebs immanent sei, dass sportgerichtliche Sanktionen auch in Spielklassen Geltung erlangten, für die originär der entscheidende Spruchkörper keine Zuständigkeit habe. Der Beklagte sei nicht gezwungen, speziell für Relegationsspiele zusätzliche Gerichtsbarkeiten zu schaffen, sondern habe mit der Regelung in § 3 der DFB-Spielordnung das Verhältnis zwischen dem Beklagten und seinen Mitgliedsverbänden bezüglich der Allgemeinverbindlichkeit von Verbandsstrafen explizit und im Rahmen der durch Art. 9 Abs. 1 des Grundgesetzes eingeräumten Möglichkeiten geregelt. Die Formulierung „die Vollziehung des Punktabzugs durch einen Dritten anzuordnen oder zu dulden“ stellt sich vor dem Hintergrund, dass letztlich der zuständige Spielklassenträger vollzieht, nicht als unbestimmt dar.
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Über den trotz des möglicherweise missverständlichen Wortlauts insgesamt hilfsweise geltend gemachten Klageantrag zu 2) war demnach nicht mehr zu entscheiden.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.