LG Darmstadt, Urteil vom 28.02.2014 – 14 O 124/13
Aus dem Umkehrschluss zum Artikel 18 Abs. 4 Satz 1 MÜ ergibt sich zwingend, dass der Zeitraum der Luftbeförderung jedenfalls auch die Lagerung und den Umschlag der Luftfracht innerhalb eines Flughafens umfasst (Rn. 16).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt in ihrer Eigenschaft als Transportversicherer Schadensersatz, weil eine von ihrer angeblichen Versicherungsnehmerin, der … GmbH, überholte Spezialkamera des in Agadir/Marokko ansässigen Kanalreinigungsunternehmens … bei der im Auftrag der … GmbH erfolgten Rücksendung per Luftfracht von den Zollbehörden auf dem Flughafen in Casablanca aus angeblich von der Beklagten zu vertretenden Gründen gestoppt und dort festgehalten wurde, bevor diese nach ca. 1 Jahr wieder zur Versenderin zurückgelangte.
2
Die Klägerin behauptet, die Zustellung der streitgegenständlichen Sendung sei an der Unfähigkeit der Beklagten zu deren Verzollung gescheitert, die offensichtlich versucht habe, diese über das falsche Eingangszollamt nach Marokko einzuführen.
3
Ihre Versicherungsnehmerin habe daraufhin einen Nachbau dieser Kamera an den marokkanischen Vertragspartner übersandt, der deshalb nicht mehr bereit gewesen sei, seine Kamera nach deren unversehrtem Wiedereintreffen bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin abzunehmen, die für die Versicherungsnehmerin bis auf das Gehäuse mangels des dazu gehörigen Auswertungssystems wertlos sei.
4
Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Montrealer Übereinkommen mit seinen Haftungsbegrenzungen auf den vorliegenden Fäll nicht anwendbar sei, weil es sich bei dem Transport um einen sogenannten multimodalen Transport gehandelt habe.
5
Auch sei die Sendung bei der Luftbeförderung weder in Verlust geraten, noch beschädigt, noch verspätet bei der Empfängerin angeliefert worden, was die Anwendbarkeit des MÜ schon tatbestandlich ausschließe. Die Verzollung der Sendung sei im Übrigen als Nebenpflicht aus dem streitgegenständlichen Vertrag zu qualifizieren, weshalb die Beklagte auch gemäß §§ 280 ff BGB der Höhe nach unbegrenzt für den eingetretenen Schaden zu haften habe.
6
Gestützt auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten zur Höhe des Schadens beantragt die Klägerin,
7
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 29.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2012 zu zahlen.
8
Die Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation, den Inhalt und den Wert der Sendung. Sie ist der Auffassung, dass das Montrealer Übereinkommen im vorliegenden Fall Anwendung finde und behauptet, die Sendung habe aufgrund unterbliebener Mitwirkung des Empfängers nicht verzollt werden können.
11
Auch handele es sich bei der Schadensursache um einen Eingriff von hoher Hand, womit die Haftung des Luftfrachtführers ausgeschlossen sei.
12
Die Beklagte erhebt den Einwand des Mitverschuldens und meint ferner, dass jegliche Ansprüche wegen einer fehlenden, nicht form- und fristgerechten Schadensanzeige gemäß Artikel 31 Abs. 1 Satz 2 MÜ ausgeschlossen seien.
13
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
14
Die Klage ist nicht begründet.
15
Dies gilt unabhängig von allen übrigen zwischen den Parteien streitigen Fragen schon deshalb, weil das Montrealer Übereinkommen im vorliegenden Fall mit der Folge Anwendung findet, dass die Beklagte nur im Rahmen der Haftungshöchstbeträge des Artikels 22 MÜ haften würde, ohne dass die Klägerin trotz entsprechender Hinweise in der mündlichen Verhandlung Vortrag zum Umfang des ihr hiernach in Höhe von 17 Sonderziehungsrechten für das Kilogramm bestehenden Anspruchs gehalten hat. Unabhängig von allen weiteren zwischen den Parteien hierzu streitigen Rechtsfragen findet das Montrealer Übereinkommen im vorliegenden Fall schon deshalb Anwendung, weil die streitgegenständliche Sendung noch auf dem Flughafen in Casablanca vom Zoll angehalten wurde.
16
Aus dem Umkehrschluss zum Artikel 18 Abs. 4 Satz 1 MÜ ergibt sich zwingend, dass der Zeitraum der Luftbeförderung jedenfalls auch die Lagerung und den Umschlag der Luftfracht innerhalb eines Flughafens umfasst. Das Anhalten der Sendung auf dem Flughafen in Casablanca durch die dortigen Zollbehörden führte damit selbst bei unterstellter Verantwortlichkeit der Beklagten für das Scheitern der Verzollung zu einer Verspätung der Auslieferung der Sendung, auf die die Klägerin den ihrer angeblichen Versicherungsnehmerin entstandenen Schaden nunmehr stützt. Denn eben die Dauer dieser Verzögerung soll ihrer Versicherungsnehmerin zur Schadensgeringhaltung veranlasst haben, einen Nachbau der fraglichen Kamera herzustellen und diesen an ihre Kundin zu verschicken, die eben deshalb nicht mehr bereit gewesen sei, ihre eigene Kamera wieder zurückzunehmen. Selbst unterstellt der Richtigkeit des Vortrags der Klägerin handelt es sich hierbei um einen Verspätungsschaden im Sinne des Artikels 22 MÜ, da hiernach alle Arten von Schäden zu ersetzen sind (vgl. Koller, Transportrecht, Artikel 22 MÜ Randnummer 2).
17
Diese sind allerdings nur im Rahmen der Haftungshöchstsummen des MÜ zu ersetzen, zu denen die Klägerin keinerlei Vortrag mit der Folge gehalten hat, dass die Klage insgesamt abzuweisen war.
18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
19
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.