Versuchter Betrug bei Antragstellung auf Erlass eines Mahnbescheids in Kenntnis eines fehlenden Anspruchs

OLG Celle, Beschluss vom 01.11.2011 – 31 Ss 29/11

Die Erklärung unrichtiger Tatsachen in einem Mahnantrag mit dem Willen, den Rechtspfleger zum Erlass eines Mahnbescheides gegen den Antragsgegner zu veranlassen, obwohl dem Antragsteller die Nichtexistenz der geltend gemachten Forderung bewusst ist, erfüllt den Tatbestand des versuchten Betrugs.

(Leitsatz des Gerichts)

In der Strafsache

wegen versuchten Betrugs

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch die Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxxxxxxx,
xxxxxxxxxxxxxxx und xxxxxxxxxx am 1. November 2011 einstimmig beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hildesheim wird als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Peine verurteilte den Angeklagten am 11. November 2010 wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil mit der Maßgabe verworfen, dass gegen den Angeklagten eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 € verhängt wird.

Nach den getroffenen Feststellungen beantragte der Angeklagte am 19. Januar 2010 beim zentralen Mahngericht in Uelzen drei Mahnbescheide gegen die Eltern und die Lebensgefährtin seines Schuldners, der ihm aus Warenlieferungsverträgen ca. 11.590 € schuldete und diese nach Ableistung einer eidesstattlichen Versicherung nicht abtrug. Dabei wusste der Angeklagte, dass ihm unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen seine Antragsgegner zustand. In den Mahnanträgen gab der Angeklagte als Grund der Hauptforderung jeweils ein angebliches „Schuldanerkenntnis gemäß Rechnungen für Warenlieferungen vom 11.10.2006 bis zum 27.6.2007“ an. Mit seiner Vorgehensweise beabsichtigte er, den zuständigen Rechtspfleger zum Erlass entsprechender Mahnbescheide zu veranlassen, um auf deren Grundlage anschließend Vollstreckungsbescheide zu erwirken, aus denen er seine Forderung vollstrecken wollte. Am 29. Januar 2010 wurden im automatisierten Mahnverfahren die Mahnbescheide antragsgemäß erlassen. Nach erfolgter Zustellung der Mahnbescheide erhoben die Antragsgegner am 5. Februar 2010 jeweils Widerspruch.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Revision ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Sie ist offensichtlich unbegründet und daher nach § 349 Abs. 2 StPO insgesamt zu verwerfen gewesen. Die zulässig erhobenen Verfahrens und Sachrügen decken weder zum Schuldspruch noch zum Rechtsfolgenausspruch einen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Die Kammer hat auf der Basis einer tragfähigen Beweiswürdigung die für die Annahme eines versuchten Betrugs notwendigen Feststellungen getroffen. Im Hinblick auf die von der Verteidigung geltend gemachten Einwände, dass wegen der Besonderheiten im gerichtlichen Mahnverfahren das Verhalten des Angeklagten ohnehin ungeeignet sei, die Tatbestandsmerkmale des Betrugs zu erfüllen, sieht der Senat sich zu folgenden ergänzenden Bemerkungen veranlasst:

a. Die getroffenen Feststellungen tragen zunächst die Annahme, dass der Angeklagte mit Tatentschluss bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB sowie in der Absicht der stoffgleichen und rechtswidrigen Bereicherung gehandelt hat.

aa. Der Vorsatz des Angeklagten war zunächst auf die Täuschung des zuständigen Rechtspflegers über eine Tatsache gerichtet. Zwar stellt die Behauptung, Inhaber einer in Wahrheit nicht bestehenden Forderung zu sein, in erster Linie eine im Rahmen des § 263 StGB irrelevante Rechtsbehauptung dar. Sie beinhaltet jedoch auch eine Täuschung über Tatsachen, wenn sich aus dem Erklärungswert der Äußerung ein objektivierbarer Tatsachenkern ergibt, über dessen Vorhandensein oder Fehlen beim Getäuschten unrichtige Vorstellungen erweckt werden (vgl. Schönke/Schröder – Cramer/Perron, 28. Aufl., § 263 Rn. 9). Soweit in Teilen der Literatur die Ansicht vertreten wird, nach diesem Maßstab enthielte die Individualisierung des Anspruchs in einem Mahnantrag keine Täuschung über Tatsachen, weil aus den im Antrag enthaltenen kargen Angaben keine Behauptungen bezüglich tatsächlicher Umstände herausgelesen werden können (vgl. Kretschmer, GA 2004, 458 (469)), ist diese Auffassung zu eng. Der Behauptung „Schuldanerkenntnis gemäß Rechnungen für Warenlieferungen vom 11. Oktober 2006 bis zum 27. Juni 2007“ lässt sich ohne Weiteres der objektivierbare Tatsachenkern entnehmen, dass die im Antrag als Schuldner bezeichneten Personen erklärt haben, für die Forderungen aus den bezeichneten Rechnungen einstehen zu wollen. Damit ist erkennbar, welcher tatsächliche Ablauf hinter der Rechtsbehauptung des Antragstellers stehen soll. Der Hinweis der Revision auf eine vermeintlich dem entgegenstehende Entscheidung des OLG Stuttgart in NJW 1979, 2573 geht fehl. Dieser Entscheidung lag eine Täuschung nur über den Rechtscharakter einer tatsächlich aber entstandenen Forderung zugrunde. Vorliegend ging der Angeklagte aber zutreffend davon aus, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Antragsgegner zu haben.

bb. Die Feststellungen tragen auch die Annahme, der Angeklagte habe mit Tatentschluss bezüglich eines Irrtums des den Mahnantrag bearbeitenden Rechtspflegers gehandelt.

(1) Ob bei einem mit einem Mahnantrag befassten Rechtspfleger durch falsche Angaben eine Fehlvorstellung über Tatsachen hervorgerufen werden kann, wird in Rechtsprechung und Lehre kontrovers beurteilt. Dies findet seine Ursache in § 691 Abs. 1 ZPO, der den Rechtspfleger dem Wortlaut nach nur dazu verpflichtet, vor Erlass des Mahnbescheids die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen und besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Mahnverfahrens zu prüfen. Eine Überprüfung der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen wird hingegen nicht verlangt. Soweit ein Irrtum des zuständigen Rechtspflegers gleichwohl bejaht wird, wird dies auf die Erwägung gestützt, der Rechtspfleger dürfte, wenn ihm die Nichtexistenz einer geltend gemachten Forderung bekannt sei, den beantragten Mahnbescheid nicht erlassen. Anderenfalls mache er sich unter Umständen zum Mittäter (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1991, 586. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 69. Aufl., § 691 ZPO, Rn. 7). Erlasse er den Bescheid dennoch, könne hieraus gefolgert werden, dass er die ihm gemachten Angaben unter dem Hintergrund der Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO mangels gegenteiliger Anhaltspunkte als wahr unterstelle (vgl. schon zur früheren Rechtslage BGHSt 24, 257 (260). offen gelassen in BGHR § 263 Abs. 1 StGB Täuschung 19). Der Rechtspfleger habe zumindest die Vorstellung, dass der Anspruch möglicherweise bestehe. Dies reiche zur Bejahung eines Irrtums aus, da Zweifel am Wahrheitsgehalt der vorgespiegelten Tatsachen unschädlich seien, solange sie das Opfer im Ergebnis zu der erstrebten Verfügung motiviere (vgl. Münker, Der Computerbetrug im automatisierten Mahnverfahren, 2000, S. 160 ff, 175 ff). Die Kammer hat sich dieser Auffassung im angefochtenen Urteil angeschlossen. Dem gegenüber vertritt der Großteil der Literatur die Ansicht, dass für den Erlass eines Mahnbescheides die Überzeugung des Rechtspflegers von der Wahrheit der behaupteten Tatsachen nicht erforderlich sei. Voraussetzung sei nur seine fehlende Überzeugung von der Unwahrheit. Aus dem Umstand heraus, dass der Rechtspfleger bei Kenntnis der Nichtexistenz der geltend gemachten Forderung den Erlass eines Mahnbescheids ablehnen würde, folge aber nicht, dass er sich überhaupt Gedanken über das Bestehen der Forderung mache. Allein die fehlende Überzeugung von der Unwahrheit vermöge einen Irrtum im Sinne des Betrugstatbestandes nicht zu begründen (vgl. LKTiedemann, 11. Aufl., § 263 StGB Rn. 90, Schönke / Schröder – Cramer / Perron a.a.O., Rn. 52. MK – Hefendehl § 263 StGB, Rn. 215. Kretschmer a.a.O., S. 470. Groß NJW 1973, 600 (603). Dastner ZRP 1976, 36 (37). für die alte Rechtslage (Mahnbescheid nur nach Schlüssigkeitsprüfung) auch RGSt 42, 410 und Giehring GA 73, 1 (7 ff.)).

Der Senat hält entgegen den in der Literatur vertretenen Bedenken und trotz des Wegfalls der Schlüssigkeitsprüfung im Mahnverfahren eine – wenn auch nur – eingeschränkte Prüfungspflicht des Rechtspflegers für gegeben und ist der Auffassung, dass zu dessen Vorstellungsbild im Einzelfall auch das sachgedankliche Mitbewusstsein zählt, dass die Angaben eines Antragstellers in tatsächlicher Hinsicht der Wahrheit entsprechen. Zwar scheint diese Auffassung dem Charakter des Mahnverfahrens entgegenzustehen. Mit den §§ 688 ff ZPO hat der Gesetzgeber nämlich die Möglichkeit eröffnet, schnell, unkompliziert und mit wenig bürokratischem Aufwand einen Zahlungstitel zu erlangen, ohne dass die tatsächlichen Grundlagen zur Überzeugung irgendeines Spruchkörpers dargelegt worden sein müssten. Eben hierin liegt der Zweck des Mahnverfahrens. Der Rechtspfleger wird durch die §§ 688 ff ZPO davon entbunden, sich über die Wahrheit oder Unwahrheit der Tatsachen Gedanken zu machen, zumal auch nicht ersichtlich ist, wie der Rechtspfleger die im Antrag enthaltenen Tatsachenbehauptungen auf ihre Unwahrheit überprüfen soll (vgl. schon Giehring, a.a.O., S. 8). Gleichwohl ist nach der insoweit einschlägigen Rechtsprechung der Zivilgerichte eine Prüfungspflicht des Rechtspflegers auch nicht kategorisch ausgeschlossen. Diese erkennt etwa dann eine Verpflichtung des Rechtspflegers an, den Erlass eines Mahnbescheids abzulehnen, wenn die behauptete Forderung offensichtlich unbegründet oder gerichtlich undurchsetzbar ist (vgl. HansOLG MDR 1982, 502. OLG Karlsruhe, RPfl 1987, 422. AG Göttingen, Nds.Rpfl. 1996, 291. Zöller Vollkommer, 28. Aufl., § 691 ZPO, Rn. 1. Musielak – Voit, 8. Aufl., § 691 ZPO Rn. 2. Holch, NJW 1991, 3177 (3181). vgl. auch BTDrs. 11/5462, S. 31). Auch wenn sich dies vorrangig auf Fälle bezieht, bei denen sich aus dem geltend gemachten Anspruch bereits die Rechtswidrigkeit oder Undurchsetzbarkeit der Forderung ergibt (beispielsweise die Beantragung eines Mahnbescheides für überhöhte gesetzliche Zinsen (LG Krefeld, MDR 1986, 418), für Mehrwertsteuer auf Verzugszinsen (vgl. Schneider, DGVZ 1983, 113 (114)), für Forderungen aus einem Partnerschaftsvermittlungsvertrag (OLG Stuttgart NJW 1994, 330. LG Essen, NJWRR 1990, 1208)), ergibt sich bereits hieraus, dass der Rechtspfleger nicht auf die Funktion einer nur die formalen Gesichtspunkte überprüfenden Institution beschränkt ist. So wird dem Rechtspfleger etwa auch bei der Frage der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten bei Verstößen gegen Treu und Glauben oder in offensichtlich unrichtiger Höhe ein Beanstandungsrecht zugestanden (vgl. OLG Karlsruhe, RPfl 1987, 422. AG Delmenhorst, JurBüro 2003, 485), obwohl es sich dabei um Konstellationen handelt, bei denen die tatsächlich dem geltend gemachten Anspruch zugrundeliegenden Umstände im Vordergrund stehen. Eine grundlegende Kompetenzbeschneidung des Rechtspflegers mit Wiedererweiterung im Bedarfsfall, soweit es dem Gerechtigkeitsempfinden entspricht, ist jedoch mit Aufgabe, Funktion und Unabhängigkeit des Rechtspflegers nicht vereinbar (vgl. Münker, a.a.O., S. 163). Wenigstens dort, wo Missstände erkannt werden, muss daher ein Rechtspfleger einschreiten können (vgl. HansOLG MDR 1982, 502). Insoweit handelt es sich dann auch nicht wie die Revision vorträgt – um ein Spiel bzw. eine „Streiteröffnung mit offenem Visier“, sondern um den bewussten Missbrauch des Mahnverfahrens zur Übertölpelung des angeblichen Schuldners, bei der der Antragsteller darauf hofft, dass jener aus welchen Gründen auch immer gerade keinen Rechtsbehelf einlegen und ihm so im Zusammenspiel mit dem als Werkzeug benutzten Rechtspfleger beim Mahngericht zu einem Vollstreckungstitel verhelfen wird. Einen bewusst unwahren Vortrag braucht der Rechtspfleger nicht zu beachten (so auch Münker, a.a.O. S. 186). Eine andere Sichtweise ließe sich nur schwer mit der Eigenschaft des Rechtspflegers als staatliche Institution, die an Recht und Gesetz gebunden ist, vereinbaren. Es kann nicht Aufgabe eines gerichtlichen Verfahrens sein, nicht bestehenden Ansprüchen zur Durchsetzung zu verhelfen. Der beschränkte Prüfungsumfang des Rechtspflegers wirkt sich nur insoweit aus, dass er unter dem Eindruck der Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO in Fällen, in denen er über Bestehen oder Nichtbestehen eines geltend gemachten Anspruchs im Unklaren ist, aufgrund der gesetzlichen Vorgaben der §§ 688 ff ZPO im Zweifel den beantragten Mahnbescheid zu erlassen hat. Der Gesetzgeber hat für diese Fälle Unsicherheiten über Wahrheit oder Unwahrheit der behaupteten Tatsachen bewusst in Kauf genommen und zu ihrer Beseitigung den Anspruchsgegner in die Pflicht genommen, dem er den Widerspruch gem. § 694 ZPO zur Verfügung gestellt hat. Geht der Rechtspfleger aber vom Nichtbestehen der geltend gemachten Forderung aus, würde er sich bei fehlender Kompetenz zur Prüfung verbunden mit dem Umstand, einen Mahnbescheid gegen seine Überzeugung erlassen zu müssen, sehenden Auges in der Rolle eines Handlangers des Antragstellers wiederfinden und eine staatlich legitimierte Rechtsposition schaffen, die im Wege des Schadensersatzes nach § 826 BGB an den Antragsgegner wieder herauszugeben wäre. Besteht demnach für den Rechtspfleger eine – wenn auch nur eingeschränkte – Prüfungskompetenz, einen Mahnantrag immer dahingehend zu überprüfen, ob er nicht offensichtlich unbegründet ist, begründet dies gleichzeitig eine Prüfungspflicht und damit auch ein Interesse des Rechtspflegers, nicht mit Hilfe unrichtiger Angaben als Werkzeug missbraucht zu werden. Da den Feststellungen des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, dass der Angeklagte gerade eine solche Fehlvorstellung beim Rechtspfleger begründen wollte, handelte er mit Tatentschluss bezüglich eines Irrtums.

(2) Zu diesem Ergebnis gelangt man im Übrigen selbst dann, wenn man der Gegenmeinung folgt. Denn die Kammer hat rechtsfehlerfrei die Feststellung getroffen, dass der Angeklagte zumindest davon ausging, dass sich beim zuständigen Rechtspfleger eine Fehlvorstellung entwickelt. Dies reicht gleichsam zur Bejahung eines – wenn auch untauglichen , aber gleichwohl strafbaren Versuchs aus (vgl. schon OLG Düsseldorf a.a.O.). Insbesondere würde es sich in dieser Konstellation auch nicht um ein strafloses Wahndelikt handeln, bei dem der Angeklagte die tatsächliche Lage zutreffend erfasst hat, aber fälschlich annimmt, sein Verhalten verstoße gegen ein strafrechtliches Verbot. Zwar würde sich sein Irrtum als Folge eines fehlerhaften Verständnisses der gesetzlichen Vorgaben der §§ 688 ff ZPO darstellen, weil er eine – unterstellt – nicht vorgesehene Prüfungspflicht des Rechtspflegers annimmt. Ein solcher Rechtsirrtum im Vorfeld des Straftatbestandes führt nach Teilen der Lehre zur Annahme eines straflosen Wahndeliktes (vgl. LKHillenkamp, 12. Aufl., § 22 Rn. 225 f. Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl. S. 721 ff. Burkhardt, JZ 1981, 681 (683). ders., wistra 1982, 178 (179). differenzierend Herzberg, Jus 1980, 469 (472). Roxin, Strafrecht AT II, § 29 Rn. 409). Indem sich der Angeklagte aber vorgestellt hat, der Rechtspfleger werde die Tatsachengrundlage des Anspruchs prüfen, hat er Inhalt und Umfang des Betrugstatbestandes nicht verkannt. Er hat nicht etwa angenommen, dass ein Irrtum gem. § 263 Abs. 1 StGB auch dann gegeben sei, wenn den Rechtspfleger keine Prüfungspflicht hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen treffe. Vielmehr hat er verstanden, dass ein Irrtum des Rechtspflegers nur in Frage kommt, soweit diesen zivilprozessual eine Pflicht zur Kontrolle der gemachten Angaben trifft, und sich eine entsprechende Situation vorgestellt. Damit hat der Täter irrtümlich Umstände angenommen, die bei ihrem tatsächlichen Vorliegen den § 263 Abs. 1 StGB ausfüllten, und diese folgerichtig – unter den Betrugstatbestand subsumiert. Der für Wahndelikte typische Subsumtionsirrtum läge nach alledem nicht vor.

cc. Den Feststellungen ist schließlich zu entnehmen, dass der Angeklagte auch Tatentschluss bezüglich einer Vermögensverfügung samt dazugehörendem Vermögensschaden gehabt hat. Indem die Kammer in ihrer rechtlichen Würdigung dabei allerdings auf den „Erlass des Mahnbescheids als Grundlage für einen später beabsichtigten Vollstreckungsbescheid“ abstellt, könnte sie möglicherweise nicht hinreichend bedacht haben, dass der Erlass des Mahnbescheids selbst noch nicht einmal eine Vermögensgefährdung im Sinne des Betrugstatbestandes begründet. Denn die Gefahr eines Vermögensschadens durch Vollstreckung droht erst mit Erlass und Zustellung des Vollstreckungsbescheides wirklich konkret (vgl. BGHSt a.a.O., S. 261. Giehring, a.a.O. S. 23. Schönke/Schröder – Cramer/Perron a.a.O., Rn. 74. Münker, a.a.O., S. 101). Allein der auf den Erlass des Vollstreckungsbescheids gerichtete Wille des Angeklagten vermag den Tatentschluss zur Vermögensverfügung zu begründen. Dieser ist den Urteilsgründen indessen ebenso zu entnehmen wie die Feststellung, dass der Angeklagte den Erlass des Vollstreckungsbescheides aufgrund der falschen Angaben im Mahnverfahren erwirken wollte. Der in Teilen der Lehre vertretenen Ansicht, dass der Vollstreckungsbescheid nicht kausal im Sinne des Betrugstatbestandes durch die falschen Angaben im Mahnverfahren veranlasst werden kann, weil diese letztlich nicht ursächlich für die den Schaden auslösende Entscheidung sind, vielmehr das Parteiverhalten des Antragsgegners in Form der Nichterhebung eines Widerspruchs nach §§ 699 Abs. 1 Satz 1, 694 ZPO bzw. die Einhaltung der formellen Anforderungen der Vorschriften zum Mahnverfahren die Grundlage für den Erlass eines Vollstreckungsbescheides bilden (vgl. Schönke/Schröder – Cramer/Perron a.a.O., Rn. 73. Kretschmer a.a.O., S. 470. Giehring, a.a.O., S. 24. MKHefendehl, a.a.O., Rn. 215. vgl. auch RGSt 42, 410 (411)), folgt der Senat nicht. Die Ursächlichkeit der Täuschungshandlung für den Erlass des späteren Vollstreckungsbescheids wird hierdurch nämlich nicht in Frage gestellt (vgl. BGHSt a.a.O., S. 261). Ohne die Täuschung des Rechtspflegers im Mahnverfahren hätte der Angeklagte sein eigentliches Ziel, einen Titel gegen die Antragsgegner zu erhalten, nie erreichen können. Sobald der Mahnbescheid erlassen ist, ist aus Sicht des Täters die hauptsächliche Hürde überwunden. Aus seiner Sicht setzt er eine Ursachenreihe in Gang, die nach seiner Vorstellung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll (vgl. Münker, a.a.O., S. 111). Diese Auffassung wird durch einen Vergleich mit der h.M. zum Prozessbetrug im streitigen Verfahren gestützt, bei der nicht erst die Bezugnahme auf den Schriftsatz in der mündlichen Verhandlung, sondern bereits der Schriftsatz selbst als Überschreitung der Versuchsschwelle angesehen wird (vgl. Fischer, 58. Aufl., § 263 StGB Rn. 199 m.w.N.).

b. Mit dem Beantragen der Mahnbescheide hat der Angeklagte daher auch bereits die Schwelle zum Versuch überschritten, weil die Erwirkung des Mahnbescheids nicht bloße Vorbereitungshandlung für einen in der Erwirkung des Vollstreckungsbescheids liegenden Betrug ist (vgl. BGHSt 24, 257 (261). vgl. auch LKTiedemann, a.a.O., Rn. 279).

c. Tragen die Feststellungen damit die Annahme eines versuchten Betrugs, weil der Angeklagte von einer Täuschung eines Rechtspflegers ausging, bedurfte es auch keines Rückgriffs auf den Straftatbestand des Computerbetrugs in Form der Tatbestandsverwirklichung der Verwendung unrichtiger Daten nach § 263a Abs. 1 Var. 2 StGB (vgl. hierzu Münker, a.a.O., S. 70 ff. kritisch, weil es an der Verwendung unrichtiger Daten fehlen soll, Kretschmer a.a.O., S. 470), der im Fall eines rein automatisierten Mahnverfahrens und bei entsprechendem Vorsatz des Täters zu erörtern wäre. Ob eine Anwendung des § 263a StGB auch unter der oben erwähnten Prämisse, ein Rechtspfleger unterliege bei entsprechend nichtautomatisierter Bearbeitung eines Mahnantrags keinem betrugsrelevanten Irrtum, noch in Betracht kommt (bejahend Haft, NStZ 1987, 6 (8). Möhrenschläger wistra 1986, 128 (132)), oder dieser Tatbestand mangels Irrtumsäquivalenz ausscheidet (vgl. Schönke/SchröderCramer/Perron, a.a.O., § 263a StGB, Rn. 6. Lackner/Kühl, 27. Aufl., § 263a StGB Rn. 20), war für die Entscheidung des Senats ebenso unmaßgeblich wie die Frage nach einer möglichen Wahlfeststellung zwischen einem untauglichen Versuch eines Betrugs und einem untauglichen Versuch eines Computerbetrugs (vgl. hierzu BGH NJW 2008, 1395).

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