AG Detmold, Urteil vom 01.03.2018 – 7 C 429/17
Vermieter muss Überwachungskamera im Eingangsbereich vor dem Wohnhaus entfernen
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Bereich des Grundstücks, auf dem sich das Mietshaus befindet, namentlich C-Straße, D, während der Wohnzeit des Beklagten in der vorgenannten Immobilie Überwachungskameras oder sonstige zur Aufzeichnung von Bildmaterial qualifizierte Geräte so aufzustellen und auszurichten, dass sich die Möglichkeit ergibt, den unmittelbaren Aufenthaltsbereich des Klägers und somit seine Person und ihm nahestehende Personen ganz oder teilweise zu filmen.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten ein durch das Gericht festzusetzendes Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Der Beklagte wird verurteilt, die im Bereich des Gartentores des Hauses C-Straße, D, angebrachte Kamera, die den Eingangsbereich zum Grundstück erfasst und überwacht, zu beseitigen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger teilweise anzurechnende vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 147,56 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.11.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites werden zu 25 % dem Kläger und zu 75 % dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,00 EUR
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000,00 EUR (Unterlassungsanspruch: 1.000,00 EUR und Beseitigungsanspruch 1.000,00 EUR) festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger ist Mieter einer Wohnung im Hause C-Straße in D, dessen Vermieter der Beklagte ist.
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Der Beklagte installierte Überwachungskameras oder zumindest Attrappen solcher auf seinem Grundstück, um die Zuwegung zu überwachen. Zumindest eine Überwachungskamera ist noch heute im Bereich des Gartentores angebracht.
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Nachdem der Kläger die Entfernung der Überwachungskameras verlangt hatte, antwortete der Beklagte mit Schreiben vom 29.08.2017, dass die Kamera vor dem Eingang schon bei Einzug des Klägers installiert gewesen sei und dort aus Sicherheitsgründen weiter verweilen werde.
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Mit Schreiben vom 05.09.2017 verlangte der Kläger von dem Beklagten vergeblich die Entfernung zweier auf dem Grundstück installierter Kameras, nämlich eine Kamera vor dem Hause und eine seitlich.
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Der Kläger meint, dass selbst dann, wenn es sich bei der Kamera nur um eine Attrappe handele, sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt sei, da zumindest ein Überwachungsdruck bestehe. Bei Einzug habe er eine Kamera nicht bemerkt, da er stark sehbehindert sei.
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Der Kläger beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im Bereich des Grundstücks, auf dem sich das streitgegenständliche Mietshaus befindet, nämlich C-Straße, D, Überwachungskameras oder sonstige zur Aufzeichnung von Ton und Bildmaterial qualifizierte Geräte oder Attrappen so aufzustellen und auszurichten, dass sich die Möglichkeit ergibt, den unmittelbaren Aufenthaltsbereich des Klägers und somit seine Person und ihm nahestehende Personen ganz oder teilweise zu filmen bzw. diesen Eindruck zu vermitteln,
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2. dem Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Ziffer 1 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 2.000,00 EUR und für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht bei eingetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monate aufzuerlegen,
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3. den Beklagten zu verurteilen, die im Bereich des Gartentores angebrachte Kamera, die den Eingangsbereich zum Grundstück erfasst und überwacht, zu beseitigen,
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4. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 211,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.11.2017 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, dass es aus Sicherheitsgründen, insbesondere im Hinblick auf das auf seinem Grundstück gelagerte Baumaterial, notwendig ist, eine Überwachungskamera zu installieren. Es sei bereits Baumaterial gestohlen worden. Die Kamera am Eingang sei bereits bei Einzug des Beklagten installiert worden. Aufgrund einer von ihm – dem Kläger – erfolgten Kündigung sei das Mietverhältnis zum 31.10.2017 beendet worden. Der Kläger wohne in dem Hause nicht mehr rechtmäßig.
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Darüber hinaus hat der Beklagte auf Befragen des Gerichtes in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er nicht bereit sei, gegenüber der Klägerseite anzugeben, ob es sich bei der installierten Kamera um eine funktionstüchtige Aufnahmevorrichtung oder nur eine Attrappe handele.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
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1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Entfernung der im Bereich des Gartentores und auf den Eingangsbereich gerichteten Kamera gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB.
18
Der Kläger ist durch die Anbringung der Kamera in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
19
Eine Videoüberwachung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein; dieses Recht umfasst die Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. (BGH, Urteil vom 16.03.2010, VI ZR 176/09).
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Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Kamera zumindest teilweise die Zuwegung zum Hauseingang erfasst. Soweit der Beklagte ein besonderes Sicherungsbedürfnis seinerseits damit begründet, dass Baumaterial auf seinem Grundstück gestohlen worden sei, reicht es zu dieser Gefahr aus, eine Kamera zu installieren, die allein den Lagerungsort überwacht. Demnach steht fest, dass in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen wird.
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Soweit der Beklagte einwendet, dass der Kläger nicht nachweisen könne, dass es sich um eine funktionstüchtige Kamera und nicht nur um eine Attrappe handele, ist dies vorliegend unerheblich. Der Bundesgerichtshof hat in der oben genannten Entscheidung ausgeführt, dass ein Unterlassungsanspruch auch dann bestehen kann, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten müssen (Überwachungsdruck). Vorliegend ist der Beklagte nicht bereit, gegenüber dem Kläger zu versichern, ob es sich bei der installierten Kamera lediglich um eine Attrappe oder um ein zur Bildaufzeichnung geeignetes Gerät handelt. Allein hierdurch entsteht ein Überwachungsdruck auf den Kläger. Der Beklagte hätte es in der Hand gehabt, diesen durch eine aufrichtige Erklärung gegenüber dem Kläger zu beseitigen. Letztendlich kann die Frage, ob ein Überwachungsdruck bereits durch eine Kameraattrappe einen Beseitigungsanspruch begründet, dahingestellt bleiben, da es gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, dass es sich um eine funktionstüchtige Kamera handelt. Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich nämlich jede Partei über die von den Gegnern behaupteten Tatsachen zu erklären. Dies hat der Beklagte aber ausdrücklich nicht getan. Er hat nämlich auf die ausdrückliche Frage des Gerichtes, ob es sich um eine echte Kamera oder Kameraattrappe handele, angegeben, dass er zu einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Kläger nicht bereit sei.
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Gegen den Beseitigungsanspruch spricht auch nicht der Umstand, dass die Kamera im Bereich des Gartentores bereits bei Einzug des Klägers installiert gewesen sein soll. Es ist nachvollziehbar, dass der stark sehbehinderte Kläger, der dem Gericht mit seinem weißen Blindenhund aus dem Stadtbild bekannt ist, diese bei seinem Einzug nicht gesehen hat. Aber selbst dann, wenn die Kamera für den Kläger sichtbar gewesen sein sollte, hätte es einer besonderen Aufklärung durch den Beklagten als Vermieter bedurft.
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Schließlich ist der Einwand des Beklagten, dass das Mietverhältnis bereits durch seine Kündigung zum 31.10.2017 beendigt worden sei, belanglos. Solange der Kläger in dem Wohnhaus des Beklagten wohnt, sei es berechtigt oder unberechtigt, hat er dessen Persönlichkeitsrecht zu akzeptieren.
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2. Darüber hinaus ist das Begehren des Klägers, dass es der Beklagte unterlässt, zukünftig im Bereich des Grundstücks Überwachungskameras oder entsprechende zu Bildaufzeichnung geeignete Anlagen zu errichten, gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB berechtigt.
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Aufgrund der unter Ziffer 1) festgestellten Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Klägers durch die Installation einer Überwachungskamera durch den Beklagten ist davon auszugehen, dass eine Wiederholungsgefahr bzw. die Gefahr der Fortsetzung der Schädigung besteht. Der Beklagte hat sich nämlich vehement geweigert, zum einen die Kamera zu entfernen und zum anderen anzugeben, ob es sich um eine echte Überwachungskamera oder lediglich um eine Kameraattrappe handelt.
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Allerdings ist im Hinblick auf die oben angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Unterlassungsbegehren nur im Hinblick auf funktionstüchtige Überwachungskameras auszusprechen. Die Zulässigkeit der Installation einer bloßen Kameraattrappe hängt nämlich von nicht vorhersehbaren Umständen in der Zukunft ab. Diesbezüglich liegt ein hälftiges Teilunterliegen des Klägers vor.
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3. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruches werden gemäß § 890 ZPO bereits im Urteil die in Betracht kommenden Zwangsmittel gegen den Beklagten angedroht.
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4. Aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes hat der Beklagte auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers i.H.v. 147,56 EUR brutto gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu tragen. Dabei geht das Gericht entgegen dem Kläger nur von einem Gegenstandswert von 1.000,00 EUR aus, da Gegenstand des vorgerichtlichen Anspruchsschreibens des Klägers lediglich ein Beseitigungsanspruch war. Wenn der Beklagte hierauf besonnen reagiert hätte, wären ihm erhebliche Mehrkosten erspart geblieben. Der Zinsanspruch hinsichtlich der Nebenforderung richtet sich nach §§ 288, 291 BGB.
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Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 ZPO.
30
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11 ZPO, 709, 711 ZPO.