Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen

BGH, Urteil vom 14.01.2002- II ZR 40/00

a) Zur Frage der Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen, die sich aus
dem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds ergeben.

b) Zur Haftung des Treuhandkommanditisten.

(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 3 bis 5 wird das Urteil des
11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg
vom 30. Dezember 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger, die Kommanditanteile an der „R.-K.“ Fonds GmbH & Co. KG
(im folgenden: R. KG) erworben hatten, begehren von den Beklagten im Wege
des Schadensersatzes, ihnen die geleisteten Beiträge zu erstatten.

Die „R.-C. mbH & Co.“ KG erwarb ein in N. am B. See gelegenes
Grundstück, um darauf eine Rehaklinik für Kinder und Jugendliche mit einer
Kapazität von 150 Betten zu errichten. Sie schloß am 16. Dezember 1993 mit
der „D. Schr.“ GmbH & Co. KG einen entsprechenden Generalunternehmervertrag
und vermietete die noch zu errichtende Klinik durch Vertrag vom
29. April 1994 an den A., Landesverband M. (im folgenden: A.). Dieser schloß
ebenfalls am 29. April 1994 mit der „Schl. Klinik Betriebsgesellschaft“ mbH i.G.
(im folgenden Betriebsgesellschaft) einen Untermietvertrag.

Die Beklagten zu 1 bis 4 erwarben durch notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag
vom 13. Oktober 1994 zu gleichen Teilen sämtliche Kommanditanteile
an der „R.-C.“ mbH & Co. KG, die später zur R. KG umfirmierte.
Gleichzeitig trat die „R.-K.-Schl.“ Fonds GmbH i.G., an der die Beklagten zu 1
bis 4 jeweils einen Anteil von 12.500,– DM hielten, als Komplementärin in die
R. KG ein. Diese beauftragte die Beklagten zu 6 u.a. damit, einen Verkaufsprospekt
zu erstellen. Dieser wurde in zweiter Auflage am 1. März 1995 herausgegeben.
Die Kläger beteiligten sich mit einem Kommanditanteil in Höhe von
84.000,– DM. Grundlage der Beteiligung war neben dem Prospekt vom 1. März
1995 ein mit der Beklagten zu 5 geschlossener Geschäftsbesorgungs- und
Treuhandvertrag, durch den die Beklagte zu 5 die Funktion einer Treuhandkommanditistin
übernahm.

Die Realisierung des Bauvorhabens verzögerte sich. Der A. kündigte am
5. August 1996 den Mietvertrag fristlos, weil der als „spätester Beginn“ vorgesehene
1. Juli 1996 nicht eingehalten worden war. Die Übergabe der Klinik
fand am 17. Dezember 1996 statt; die ersten Patienten wurden im April 1997
aufgenommen. Die Auslastung der Klinik blieb weit hinter den Erwartungen
zurück.

Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 16. Juni 1997 gegenüber der
R. KG die Anfechtung und gegenüber dem Vertriebsunternehmen den Widerruf
der abgegebenen Willenserklärungen. Sie haben beantragt, die Beklagten zu 1
bis 6 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 84.000,– DM zu zahlen, Zug
um Zug gegen Abtretung des von ihnen an der R. KG gehaltenen Kommanditanteils
in Höhe von 84.000,– DM. Hilfsweise begehren sie, an sie
84.000,– DM zu zahlen. Die Beklagten haben u.a. die Einrede der Verjährung
erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht
hat ihr im wesentlichen stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der
Beklagten zu 3 bis 6.

Das Verfahren gegen die Beklagte zu 6 ist inzwischen unterbrochen
(§ 240 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten zu 3 bis 5 führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. 1. Nach der Rechtsprechung des Senats verjähren die im Wege der
Rechtsfortbildung entwickelten Prospekthaftungsansprüche in sechs Monaten
ab Kenntnis des Prospektfehlers und spätestens drei Jahre nach dem Beitritt
zu der Gesellschaft oder dem Erwerb der Anteile (BGHZ 83, 222, 224 ff.). Dies
gilt – wie der Senat inzwischen klargestellt hat – auch für Prospekthaftungsansprüche,
die sich aus dem Beitritt zu geschlossenen Immobilienfonds ergeben
(Urt. v. 18. Dezember 2000 – II ZR 84/99, ZIP 2001, 369).

2. Die Kläger sind dem Fonds am 3. August 1995 beigetreten. Die Klage
ist im April 1998 erhoben worden. Zu diesem Zeitpunkt war die
Drei-Jahres-Frist noch nicht abgelaufen. Die Beklagten haben indes unter Beweisantritt
vorgetragen, daß die streiterheblichen Tatsachen den Klägern bereits
in der ersten Gesellschafterversammlung der R. KG am 10. Dezember
1996 bekannt geworden seien. Ist die richtig, so wären die Ansprüche seit Mitte
1997 verjährt.

Allerdings haben die Beklagten am 28. Oktober/3. November 1997 Erklärungen
abgegeben, wonach sie auf die Einrede der Verjährung verzichten.
Diese Erklärungen stehen aber unter dem Vorbehalt, daß die Verjährung nicht
schon im Zeitpunkt ihrer Abgabe eingetreten ist. Das wäre der Fall, wenn der
Vortrag der Beklagten über die Kenntnis der Kläger zuträfe. Insoweit fehlen die
erforderlichen Feststellungen.

3. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben nicht,
daß die Beklagten zu 3 bis 5 als Gründungsmitglieder oder das Management
bildende Initiatoren des Fonds, die besonderen Einfluß ausüben und Mitverantwortung
tragen, auftraten. Eine Haftung der Beklagten als Prospektverantwortliche
aus Verschulden bei Vertragsschluß (vgl. dazu BGHZ 79, 337, 341 f.;
Sen.Urt. v. 10. Oktober 1994 – II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1852) ist deshalb
beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht ersichtlich.

II. Die Revision der Beklagten zu 5 muß aus einem weiteren Grund Erfolg
haben.

Die Beklagte zu 5 hat als Treuhandkommanditistin zwar noch keine Garantenstellung
für die Richtigkeit zugleich aller übrigen, die nicht steuerlichen
Gesichtspunkte betreffenden Angaben des Prospekts übernommen. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. dazu nur BGHZ 84,
141, 144; BGH, Urt. v. 1. Dezember 1994 – III ZR 93/93, NJW 1995, 1025) traf
sie aber als Treuhandkommanditistin, welche die Interessen der Anleger als
ihre Treugeber wahrzunehmen hatte, die Verpflichtung, diese über alle wesentlichen
Punkte, insbesondere auch die regelwidrigen Umstände der Anlage,
aufzuklären, die ihr bekannt waren oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein
mußten und die für die von den Anlegern zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen
von Bedeutung waren. Zu diesen subjektiven Voraussetzungen
sind dem Berufungsurteil, das sich mit dem Hinweis auf die Funktion der Beklagten
zu 5 als Treuhandkommanditistin begnügt, keine Feststellungen zu
entnehmen.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts bieten von dem zugrunde
gelegten Sachverhalt her auch keinen sicheren Anhaltspunkt dafür, daß sich
die Beklagte zu 5 bei dem Abschluß des Treuhandvertrages und damit auch
der Erfüllung ihrer Aufklärungspflicht von der Gesellschaft hat vertreten lassen
und deshalb für deren Unterlassen nach § 278 BGB einzustehen hätte.

Diese Feststellungen werden nach der Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht nachzuholen sein. Sollte das Berufungsgericht zu der
Überzeugung gelangen, daß die Beklagte zu 5 in haftungsbegründender Weise
gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, könnte sich die Beklagte zu 5 als unmittelbare
Vertragspartnerin der Anleger allerdings nicht auf die kurze Verjährungsfrist
berufen, die nur für die auf typisiertem Vertrauen beruhenden Ansprüche
aus Prospekthaftung gilt.

III. Die weiteren Rügen der Revision geben zu folgenden Bemerkungen
Anlaß:

1. Das Berufungsgericht gelangt in einer für die Revision nicht angreifbaren
Weise zu dem Ergebnis, der maßgebende Prospekt enthalte unrichtige
Angaben.

a) Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen,
die an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit
und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben
anknüpfen, hat der Prospekt, der im allgemeinen die Grundlage für den Beitrittsentschluß
des mit ihm geworbenen Interessenten bildet, diesem ein zutreffendes
Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung zu vermitteln. Dazu
gehört, daß sämtliche Umstände, die für die Entschließung der mit dem Prospekt
angesprochenen Anlageinteressenten von Bedeutung sind oder sein
können, richtig und vollständig dargestellt werden. Ändern sich diese Umstände
nach der Herausgabe des Prospekts, so haben die Verantwortlichen davon
durch Prospektberichtigung oder durch entsprechende Hinweise bei Abschluß
des Vertrages Mitteilung zu machen (BGHZ 123, 106, 109 f.).

b) Das Berufungsgericht geht davon aus, daß durch falsche Angaben
der Eindruck eines öffentlich-rechtlichen und gemeinnützigen Charakters und
damit der Anschein der Seriosität und Absicherung des Vorhabens erzeugt
wurde. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision gehen fehl.

aa) Der Prospekt enthält falsche Angaben zum Betreiber der Anlage.
Herausgestellt wurde der A. als langfristiger Mieter des Objekts. Damit verknüpft
die Verkehrsanschauung die Erwartung, der kompetente Mieter werde
die Klinik selber betreiben. Soweit auf Seite 4 des Prospektes die Möglichkeit
einer Untervermietung durch den A. erwähnt wird, ist darauf hinzuweisen, daß
zum Zeitpunkt des Erscheinens des Prospekts ein solcher Untermietvertrag
bereits geschlossen worden war. Diese unvollständige und falsche Aussage
kann nicht durch einen versteckten Hinweis im Dokumententeil kompensiert
werden; der Anlageinteressent braucht in diesem Teil keine wesentlich neuen
Angaben zu erwarten.

bb) Ohne Rechtsfehler stellt das Berufungsgericht fest, daß der Prospekt
in Bezug auf das finanzierende Kreditinstitut falsch ist. Soweit die Revision
in diesem Zusammenhang eine Verletzung des § 138 ZPO rügt, verkennt
sie, daß die Tatsache, daß das Prospekt nicht öffentlich-rechtlich, sondern von
der Sü. B.bank finanziert wurde, in das Verfahren eingeführt war. Unzulässiger
neuer Tatsachenvortrag ist es hingegen, wenn sich die Revision auf das landgerichtliche
Urteil in einem Parallelrechtsstreit beruft, aus dem sich ein Grundsatzangebot
der S. L.bank ergeben soll. Die Revision legt nicht dar, daß diese
angebliche Tatsache im Berufungsverfahren nicht bekannt war.

cc) Der Prospekt war auch fehlerhaft, was die „Einbindung“ des Sozialministeriums
des Landes M. angeht. Der Tatrichter hat den Begriff „Einbindung“
ohne Rechtsfehler dahin ausgelegt, mit diesem sei mehr gemeint als
bloße Information über den Stand der Planung. Der Begriff erweckt den Eindruck,
das Projekt werde von Seiten des Landes befürwortet und gefördert. Die
damit verbundene Sicherstellung der kassenärztlichen Zulassung ist für eine
solche Spezialklinik wirtschaftlich überlebenswichtig.

2. Die in dem Prospekt enthaltene Beschränkung der Haftung auf Vorsatz
und grobe Fahrlässigkeit ist wegen Verstoßes gegen § 9 ABGB unwirksam.
Da der Prospekt die einzige Grundlage für den späteren Vertragsschluß
ist, ist es für den Anleger regelmäßig ohne Bedeutung, ob sich die Rechte und
Pflichten aus der Beteiligung an dem Immobilienfonds geändert haben. Der
Schaden ist infolge des durch den Prospekt veranlaßten Beitritts zu den Immobilienfonds
entstanden. Die Aufklärungspflicht der Prospektverantwortlichen
und daraus sich ergebende Prospekthaftung ist daher für den Schutz des Investors
von grundlegender Bedeutung. Auch ein Haftungsausschluß für leichte
Fahrlässigkeit widerspricht der Aufgabe des Prospekts, die potentiellen Anleger
verläßlich, umfassend und wahrheitsgemäß zu informieren (Seibel/Graf von
Westphalen, BB 1998, 169, 173).

3. Die Fehlerhaftigkeit des Prospekts ist kausal für die Anlageentscheidung
der Anleger. Es entspricht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
der Lebenserfahrung, daß ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung
ursächlich geworden ist. Daß gerade dieser Prospektfehler zum Scheitern des
Projekts geführt hat, ist nicht erforderlich (Sen.Urt. v. 29. Mai 2000
II ZR 280/98, ZIP 2000, 1297, 1298 m.w.N.).

4. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Schaden betrage
84.000,– DM, ist richtig, zumindest aber hinnehmbar.

a) Im Rahmen der Schadensberechnung sind vorteilhafte Umstände, die
mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen,
zu berücksichtigen, soweit ihre Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes
entspricht und weder den Geschädigten unzumutbar belastet
noch den Schädiger unbillig entlastet (BGHZ 109, 380, 392 m.w.N.). Es soll ein
gerechter Ausgleich zwischen den bei dem Schadensfall widerstreitenden Interessen
herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht besser gestellt
werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht
alle durch das Schadensereignis begründeten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch
anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem
jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt (BGHZ 136, 52, 54
m.w.N.; Sen.Urt. v. 2. April 2001 – II ZR 331/99).

b) Steuervorteile sind auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn die
Schadensersatzleistung für den Kläger ebenfalls zu versteuern ist. Da eine KG
Einnahmen aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG erzielt, gilt gleiches auch
für die Kommanditisten, so daß alle Einnahmen der Anleger aus ihrer Kommanditeinlage
der Steuer unterfallen (vgl. auch BGHZ 74, 103, 114 ff.).
IV. Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es
die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

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