OLG München, Beschluss vom 10.06.2010 – 1 U 2376/10
Der Vertrag zwischen der Behandlungsseite und Patienten ist Dienstvertrag im Sinne der § 611 ff. BGB. Ein Behandlungserfolg wird nicht geschuldet. Da der Dienstvertrag folglich kein Gewährleistungsrecht kennt, führen Mängel der Behandlung nicht per se zum Wegfall oder zur Minderung des Vergütungsanspruchs. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entfällt der Vergütungsanspruch des Arztes allenfalls bei einer für den Patienten völlig unbrauchbaren Behandlung (Rn. 4).
Der Patient hat gegenüber der Behandlungsseite einen Anspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen und gegen Kostenerstattung Anspruch auf Herausgabe bzw. Bereithaltung von Kopien der Krankenunterlagen. Dieser Anspruch wird wahlweise aus einer Nebenpflicht zum Behandlungsvertrag, aus § 242 BGB, dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten sowie aus einer direkten oder entsprechenden Anwendung des § 810 BGB hergeleitet (Rn. 10).
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 19.02.2010 durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Hierzu wird binnen 3 Wochen ab Zugang Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
Gründe
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A. Klage:
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1. Das Landgericht ist, was die Klägerin in der Berufung auch nicht mehr explizit in Frage stellt, nach Anhörung des Klägers und der Drittwiderbeklagten zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger (beziehungsweise die Drittwiderbeklagte), auch soweit die Beklagte dies in Abrede gestellt hatte, die in Rechnung gestellte Behandlung in vollem Umfang erbracht hatte. Der Senat sieht keinen Anlass, dies zu beanstanden. Das Landgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die diesbezügliche Position der Beklagten dadurch erheblich an Glaubwürdigkeit verloren hat, dass es die Beklagte vermieden hat, sich darüber zu erklären, ob sie die Rechnungen des Klägers bei ihrer privaten Krankenversicherung zur Erstattung vorgelegt hat und in welchem Umfang diese ausgeglichen wurden.
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2. Soweit die Beklagte die Honorarforderung mit der Behauptung in Frage stellt, der Kläger hätte sie behandlungsfehlerhaft behandelt, hat die Berufung ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg.
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a) Der Vertrag zwischen der Behandlungsseite und dem Patienten ist Dienstvertrag im Sinne der § 611 ff. BGB. Die gemäß §§ 611 Abs. 1, 612 BGB vereinbarte Vergütung ist nach Leistung der Dienste zu entrichten (§ 614 BGB). Ein Behandlungserfolg wird nicht geschuldet. Da der Dienstvertrag folglich kein Gewährleistungsrecht kennt, führen Mängel der Behandlung nicht per se zum Wegfall oder zur Minderung des Vergütungsanspruchs. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entfällt der Vergütungsanspruch des Arztes allenfalls bei einer für den Patienten völlig unbrauchbaren Behandlung. Davon kann hier keine Rede sein (vgl. unten unter b)).
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b) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, geschweige denn, dass die Beklagte dies beweisen könnte, dass der Kläger die Beklagte fehlerhaft behandelt hat. Vielmehr ist der Gutachter Prof. Dr. Z. zu dem Ergebnis gekommen, dass keinerlei Hinweise für Behandlungsfehler bestehen.
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3. Das Landgericht hat auch, was die Beklagte in der Berufung nicht mehr in Frage stellt, zutreffend dargetan, dass der Beklagten die geltend gemachte Aufrechnungsforderung nicht zusteht.
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B. Widerklage/Drittwiderklage:
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1. Ein Schmerzensgeldanspruch steht der Klägerin nicht zu. Die fachärztliche Begutachtung der Behandlung hat, wie erwähnt, keine Anhaltspunkte für Behandlungsfehler ergeben.
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2. Der erhobene Auskunftsanspruch steht der Beklagten nicht zu.
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Der Patient hat gegenüber der Behandlungsseite einen Anspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen und gegen Kostenerstattung Anspruch auf Herausgabe bzw. Bereithaltung von Kopien der Krankenunterlagen. Der vorgenannte Anspruch wird wahlweise aus einer Nebenpflicht zum Behandlungsvertrag, aus § 242 BGB, dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten sowie aus einer direkten oder entsprechenden Anwendung des § 810 BGB hergeleitet (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., Seiten 446 bis 449). Diesen Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen macht die Beklagte jedoch nicht geltend.
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Neben dem vorgenannten Recht des Patienten zur Einsicht in die Krankenunterlagen besteht keine allgemeine umfassende Auskunftspflicht der Behandlungsseite (Martis/Winkhart, a.a.O. , Seite 450; OLG Koblenz, VersR 2004, 1323). Der Patient ist durch die Verpflichtung des Arztes zur Dokumentation der Behandlung und durch sein Recht, in die Behandlungsunterlagen Einsicht zu nehmen, hinreichend geschützt. Darüber hinaus ist der Arzt, wenn es um die Einstandspflicht des Arztes für einen (behaupteten) Behandlungsfehler geht, nicht gehalten, Auskünfte zu erteilen, auf deren Grundlage der Patient den Arzthaftungsprozess vorbereiten kann (OLG Koblenz, a.a.O.).
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Soweit die Beklagte zur Begründung ihres Standpunktes auf die Kommentierung bei Palandt-Grüneberg, 69. Aufl., Rn. 10 zu § 260 BGB Bezug genommen hat, übersieht sie, dass dort wegen der Einzelheiten auf die Kommentierung zu § 810 BGB Bezug genommen wird. Soweit insgesamt ein Auskunftsanspruch über das Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen hinaus befürwortet werden sollte, tritt der Senat dem nicht bei. Dies gilt selbst für den hier nicht einschlägigen Fall, dass der Behandlungsseite Dokumentationsmängel unterlaufen sind. Für diesen Fall ist der Patient bereits hinreichend durch die mit einem Dokumentationsmangel verbundenen Beweiserleichterungen geschützt (OLG Koblenz a.a.O.).