BGH, Versäumnisurteil vom 06.11.2013 – VIII ZR 353/12
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Online-Shops eines Möbelhauses, das auf Wunsch des Kunden auch den Aufbau der gekauften Möbel beim Kunden anbietet, hält die Regelung
“§ 4 Versand; Gefahrübergang; Versicherung
(1) Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich.”
der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB nicht stand.(Rn.10)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 10. Februar 2012 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger ist ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragener Verbraucherverband. Die Beklagte betreibt als Möbelhändlerin auch einen Online-Shop. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Online-Shop (im Folgenden: AGB Online-Shop) ist unter anderem geregelt:
“§ 4 Versand; Gefahrübergang; Versicherung
(1) Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich.”
2
Auf der Website des Online-Shops (Stand: 4. Oktober 2011) heißt es unter “Möbel online kaufen – Häufig gestellte Fragen” unter anderem:
“Ist eine Montage der bestellten Ware möglich? Gerne können Sie die Montage Ihrer Möbel hinzu buchen. Nehmen Sie hierzu Kontakt mit unserem Kundenservice auf (…).”
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Der Kläger hält mehrere Klauseln der AGB Online-Shop – unter anderem die Regelung in deren § 4 Abs. 1 – für unwirksam und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel gegenüber Verbrauchern in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – hinsichtlich § 4 Abs. 1 AGB Online-Shop abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 – V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).
I.
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Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
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§ 4 Abs. 1 AGB Online-Shop sei entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht zu beanstanden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Klausel keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB darstelle und damit bereits nicht der Inhaltskontrolle unterliege. Denn die Beklagte gehe gegenüber ihren Kunden eine Schickschuld und keine Bringschuld ein.
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Der Bundesgerichtshof habe in seinem Urteil vom 16. Juli 2003 (VIII ZR 302/02) der Ansicht, beim Versandhandel liege eine Bringschuld vor, eine Absage erteilt. Es bestehe kein Anlass, von dieser dogmatisch überzeugenden Lösung abzugehen. Der Umstand, dass vorliegend der Möbelhandel betroffen sei, rechtfertige es nicht, andere Grundsätze als beim Versandhandel allgemein anzunehmen.
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Die Annahme, aus den Umständen ergebe sich, dass Erfüllungsort nach der Natur des Schuldverhältnisses der Wohnsitz des Käufers (bzw. der Lieferort) und nicht der Sitz des Verkäufers sei, möge im Möbelhandel dann berechtigt sein, wenn wie bei Einbauküchen Verträge nach individueller Beratung, die auf die örtlichen Gegebenheiten beim Kunden abgestimmt seien, geschlossen würden und die Küchen dann von der Händlerin nicht nur geliefert, sondern auch durch deren Mitarbeiter aufgebaut würden und dies – wie bei Einbauküchen – der Üblichkeit entspreche. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten verkaufe die Beklagte aber in ihrem Online-Shop keine Küchen und müsse die Montage der im Online-Shop verkauften Möbel gesondert hinzu gebucht werden. Mithin liege entgegen der Auffassung des Klägers auch keine Erfüllungsort-Klausel vor, welche ohne sachlichen Grund von dem sich aus § 269 BGB ergebenden Erfüllungsort abweichen würde. Entgegen der Auffassung des Klägers habe sich hieran durch Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, insbesondere durch § 474 Abs. 2 BGB, nichts geändert.
II.
9
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Regelung in § 4 Abs. 1 AGB Online-Shop, nach der die Beklagte nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen schuldet und für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich ist, hält der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht stand. Die Klausel ist nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen.
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§ 4 Abs. 1 AGB Online-Shop bezieht sich auch auf Kaufverträge, in denen sich die Beklagte zur Montage der Möbel beim Kunden verpflichtet. Die Regelung benachteiligt den Kunden eines solchen Vertrages unangemessen, weil sie ohne sachlichen Grund von der gesetzlichen Regelung über den Leistungsort (§ 269 Abs. 1 BGB) abweicht und dadurch den Gefahrübergang (§ 446 BGB) zum Nachteil des Kunden verändert (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Hinzu kommt, dass die Klausel die Haftung der Beklagten für ein Verschulden des Transportunternehmens entgegen §§ 278, 280 Abs. 1 BGB ausschließt; insoweit verstößt die Regelung auch gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB.
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1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Verkäufer bei Geschäften im Versandhandel in der Regel keine Bringschuld, sondern nur eine Schickschuld übernimmt.
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Nach der Rechtsprechung des Senats begründet der Umstand, dass es im Versandhandel typischerweise Aufgabe des Verkäufers ist, die Versendung der Kaufsache – auf eigene oder fremde Kosten – zu veranlassen, für sich allein nicht die Annahme, der Empfangsort solle auch Leistungsort (Erfüllungsort) für die Lieferpflicht des Verkäufers sein (arg. § 269 Abs. 3 BGB; Senatsurteil vom 16. Juli 2003 – VIII ZR 302/02, NJW 2003, 3341 unter II 3 b). Aus § 447 BGB ergibt sich nichts anderes. Da der nach § 269 BGB zu bestimmende Leistungsort von § 447 Abs. 1 BGB nicht berührt wird, hat auch die Regelung des § 474 Abs. 2 BGB, nach der die Anwendung des § 447 Abs. 1 BGB auf den Verbrauchsgüterkauf – zwingend (§ 475 Abs. 1 BGB) – ausgeschlossen ist, keine Auswirkungen auf den Leistungsort (Senatsurteil vom 16. Juli 2003 – VIII ZR 302/02, aaO unter II 3 d).
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2. Die Vermutung, dass im Zweifel auch im Versandhandel der Sitz des Verkäufers Erfüllungsort für die Verkäuferpflichten ist, greift aber nur ein, wenn ein (anderer) Ort für die Leistung weder von den Beteiligten bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist (§ 269 Abs. 1 BGB; Senatsurteil vom 16. Juli 2003 – VIII ZR 302/02, aaO). Letzteres ist hier der Fall.
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Das Berufungsgericht hat, wie die Revision mit Recht beanstandet, verkannt, dass sich die Regelung in § 4 Abs. 1 AGB Online-Shop auch auf Kaufverträge bezieht, in denen sich die Beklagte zur Montage der vom Kunden online bestellten Möbel verpflichtet. Aus der Natur eines solchen Vertrages ergibt sich, dass Leistungsort im Sinne des § 269 Abs. 1 BGB der Ort ist, an dem die Beklagte die gekauften Möbel aufzubauen hat. Es handelt sich hierbei – abweichend vom Regelfall des Versandhandels – nicht um eine Schickschuld, sondern um eine Bringschuld der Beklagten.
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a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (st. Rspr.; Senatsurteil vom 12. Dezember 2012 – VIII ZR 14/12, NJW 2013, 926 Rn. 13 mwN).
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b) Nach diesen Grundsätzen ist § 4 Abs. 1 AGB Online-Shop dahin auszulegen, dass sich die Regelung auch auf Kaufverträge bezieht, in denen sich die Beklagte zur Montage der bestellten Möbel beim Kunden verpflichtet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dieser Auslegung nicht entgegen, dass die Montage der im Online-Shop verkauften Möbel gesondert hinzu gebucht werden muss.
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Nach § 1 AGB Online-Shop sind die Verkaufsbedingungen der Beklagten nicht nur für alle Kaufverträge, Lieferungen und Dienstleistungen aufgrund von Bestellungen über den Online-Shop maßgebend (Absatz 1), sondern auch für alle zwischen dem Verkäufer und der Beklagten “im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag getroffenen Vereinbarungen” (Absatz 2). Um eine im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag getroffene Vereinbarung handelt es sich auch bei der Zusatzvereinbarung über die von der Beklagten auf der Website ihres Online-Shops angebotene Montage der bestellten Möbel beim Kunden.
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Schon aus § 1 Abs. 2 AGB Online-Shop ergibt sich deshalb für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Beklagten, dass die Verkaufsbedingungen – damit auch § 4 Abs. 1 AGB Online-Shop – auch für Kaufverträge gelten, mit denen sich die Beklagte nicht nur zur Lieferung, sondern auch zur Montage der Möbel beim Kunden verpflichtet. Dass die entsprechende Zusatzvereinbarung einer telefonischen oder anderweitigen Kontaktaufnahme mit dem Kundenservice der Beklagten bedarf, ändert daran nichts. Vielmehr verweist die Beklagte auf der Website des Online-Shops am Ende der Seite “Möbel online kaufen – Häufig gestellte Fragen” auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Online-Shop. Auch dieser Hinweis legt das Verständnis nahe, dass sich § 4 Abs. 1 AGB Online-Shop auch auf Kaufverträge mit hinzu gebuchter Montageverpflichtung der Beklagten bezieht.
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c) Bei einem Möbelkaufvertrag mit der Verpflichtung des Verkäufers zur Montage der bestellten Möbel beim Kunden liegt, wie auch das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nach der Natur des Schuldverhältnisses eine Bringschuld vor. Denn bei solchen Verträgen, bei denen Lieferung und Montage der Kaufsache untrennbar miteinander verbunden sind, kann die Montage der gekauften Möbel als vertraglich geschuldete Leistung des Verkäufers nur beim Kunden erbracht und auch nur dort festgestellt werden, ob die Kaufsache vertragsgemäß geliefert und aufgebaut wurde. Dies rechtfertigt die Annahme einer Bringschuld (vgl. OLG Oldenburg, NJW-RR 1992, 1527 zur Lieferung und Montage von Möbeln, insbesondere Einbauküchen).
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3. Da sich § 4 Abs. 1 AGB Online-Shop, wie ausgeführt, auch auf Kaufverträge bezieht, die eine Bringschuld der Beklagten zum Gegenstand haben, weicht die Klausel, nach der die Beklagte nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen schuldet, zum Nachteil des Kunden vom Leistungsort des § 269 BGB und der Regelung des § 446 BGB ab, nach der die Gefahr nicht schon mit der Übergabe an das Transportunternehmen, sondern erst mit der Übergabe an den Käufer auf diesen übergeht. Darin liegt eine im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB unangemessene Benachteiligung des Kunden, weil ein sachlicher Grund für die Abweichung nicht gegeben ist.
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Soweit die Klausel darüber hinaus bestimmt, dass die Beklagte für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich ist, schließt sie bei vereinbarter Bringschuld entgegen §§ 278, 280 Abs. 1 BGB – ebenfalls in sachlich nicht gerechtfertigter Weise – die Verantwortung der Beklagten für den Transport der Kaufsache aus; auch insoweit ist § 4 Abs. 1 AGB Online-Shop wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners der Beklagten unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB). Darüber hinaus verstößt der Haftungsausschluss gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB.
III.
22
Da die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Da auch die Regelung in § 4 Abs. 1 AGB Online-Shop unwirksam ist, ist die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts insgesamt zurückzuweisen.