Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 13.01.2009 – 3 U 203/07
Wird von einer Autobahnbrücke ein Stein vor einen LKW geworfen, stellt dies ein unabwendbares Ereignis im Sinne von Art. 17 Abs. 2 CMR dar.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. November 2007 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 83 O 56/07 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage auf Ersatz des Schadens, der bei dem Verkehrsunfall am 03.03.2006 auf der A 63/630 in der Nähe von Q/C auf Grund der Beschädigung einer Sendung Achsschenkel auf dem Transport von D/T nach L. entstanden ist, zu Recht abgewiesen, weil der Schadenseintritt für die Beklagte ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 2 CMR war.
Unvermeidbarkeit im Sinne des Artikel 17 Abs. 2 CMR ist nur anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der äußersten ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können. Dies setzt bei Verkehrsunfällen voraus, dass sich der Frachtführer völlig verkehrsgerecht verhalten, das heißt der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG a. F. dargestellt hat; ein solches unabwendbares Ereignis liegt immer schon dann nicht vor, wenn ein – sei es auch nur geringfügiges – Verschulden des Fahrers für den Unfall ursächlich gewesen oder ein solcher Ursachenzusammenhang zumindest nicht auszuschließen ist (vgl. BGH Transportrecht 2003, 303).
Der Senat hat sich durch eine erneute Vernehmung des Zeugen O., der für den Subunternehmer der Beklagten den Transport durchgeführt hat, davon überzeugt, dass nach den vorgenannten Grundsätzen der Schadenseintritt für den Zeugen unvermeidbar war. Der Zeuge konnte nach seiner Darstellung nur durch eine abrupte Ausweichbewegung nach links vermeiden, dass der von der Brücke geworfene Stein das Führerhaus seines LKW in dem Bereich traf, in dem er selbst saß. Dass der mit fast 24 t beladene LKW auf Grund dessen ins Schleudern geriet und gegen die linke und rechte Betonleitplanke prallte, war unvermeidbare Folge des Ausweichmanövers.
Der Senat hatte ebenso wie das Landgericht keinen Zweifel an der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen. Dieser hat glaubhaft geschildert, dass er das Kerngeschehen zutreffend erinnert: Als er sich einer Autobahnbrücke näherte, sah er, wie sich eine Gestalt über das Geländer beugte und einen Gegenstand, den sie in den Händen hielt, fallen ließ. In dem Moment hat der Zeuge das Fahrzeug nach links gerissen, weil der Gegenstand sonst ihn getroffen hätte. Der Senat ist nach der Zeugenaussage ebenso wie das Landgericht davon überzeugt, dass in der von dem Zeugen am 08.03.2006 unterschriebenen Schadensschilderung der Hergang nicht zutreffend wiedergegeben wurde. Der Zeuge hatte den Text nicht selbst verfasst, erinnert sich auch nicht daran, wer ihn aufgesetzt hatte und wie er selbst den Hergang damals geschildert hat. Der Senat nimmt dem Zeugen ab, dass er auch Tage nach dem Unfall unter dem Eindruck der für ihn lebensgefährlichen Situation den Schadensbericht nicht kritisch auf seine inhaltliche Richtigkeit geprüft hat. Bei seiner Vernehmung machte der Zeuge einen sehr besonnenen Eindruck, er war um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht und schilderte die Dinge spontan und unbefangen so, wie er sie in Erinnerung hatte, räumte auch Erinnerungslücken ein.
Ist der Senat somit davon überzeugt, dass das Lenkmanöver des Zeugen nicht aus einem Schock resultierte, der durch einen vorangegangenen Einschlag des Steins ins Führerhaus des LKW hervorgerufen war, sondern dass der Zeuge versucht hat, einer Gefahr auszuweichen, die für ihn nicht früher vorhersehbar war, so entsprach dieses Verhalten den hohen Anforderungen, die ein besonders sorgfältiger Frachtführer zu beachten hat, um von der Haftung befreit zu sein. Bei dieser Sachlage wäre dem Fahrer sogar eine falsche Reaktion im ersten Schrecken zuzubilligen (vgl. BGH VersR 1987, 158), falls er – die Ladung weniger gefährdend – nach rechts hätte ausweichen können.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein besonders sorgfältiger Fahrer mit einer Geschwindigkeit von weniger als 75 – 80 km/h gefahren wäre. Der Zeuge fuhr auch unter Berücksichtigung des sehr starken Regens mit einer erlaubten und den Verkehrs- und Straßenverhältnissen (es herrschte wenig Verkehr) angepassten Geschwindigkeit. Das Schleudern des LKW war allein auf das unvorhersehbare abrupte Ausweichmanöver zurückzuführen, nicht jedoch auf die Fahrgeschwindigkeit.
Das Gericht war nicht etwa an den ursprünglichen Vortrag der Streithelferin unter Hinweis auf die Tachoscheibe gebunden, der Fahrer sei zum Zeitpunkt des Unfalls ca. 95 km/h gefahren. Denn die Beklagte und die Streithelferin haben sich in ihren Stellungnahmen zur erstinstanzlichen Beweisaufnahme unzweifelhaft die gesamte Aussage des Zeugen O. zu eigen gemacht, also auch die, er sei 75 – 80 km/h gefahren. Nur diese Angabe stimmt mit der Aufzeichnung auf der Tachoscheibe für die Zeit unmittelbar vor 21.00 Uhr, als sich der Unfall ereignete, überein.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.