BGH, Urteil vom 14.03.1995 – VI ZR 52/94
Zur Frage, ob der Abdruck des Bildes eines bekannten Schauspielers auf der Titelseite einer in Filialen einer Drogeriemarktkette zur kostenlosen Mitnahme ausliegenden Kundenzeitschrift als Werbung für die in der Zeitschrift angebotenen Waren zu verstehen ist, wenn dem Abdruck des Bildes im Innern des Blattes ein kurzer inhaltsarmer Beitrag folgt.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. September 1993 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts München I vom 11. Dezember 1992 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger, ein bekannter Schauspieler, begehrt von den Beklagten die Unterlassung der Verwendung seines Bildes zu Werbezwecken in der Kundenzeitschrift der Beklagten “C. Revue”; ferner erstrebt er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des Schadens, der ihm durch die Werbung mit seinem Bild entstanden ist oder noch entsteht. Verlegerin der “C. Revue” ist die Erstbeklagte, ein Werbeunternehmen. Der Zweitbeklagte ist der Inhaber der Drogeriemarktkette “S.-Märkte”. Nach dem Impressum der “C. Revue” ist er der Gründer dieser Zeitschrift, die in einer Auflage von 2,45 Millionen Exemplaren in über 2500 S.-Märkten zur kostenlosen Mitnahme ausliegt.
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Auf der Titelseite des Heftes November 1991/4. Jahrgang der “C. Revue” wurde das Bildnis des Klägers zusammen mit der Schauspielerin U. G. in Großformat abgedruckt. Über diesem Bildnis weist die Titelseite eine Kopfleiste mit dem Aufdruck “S.-Märkte” auf, im unteren Teil des Titelblatts finden sich Hinweise auf Beiträge im Innern der Zeitschrift (“Wunderwerk Haut”, “Mode und Make-up: Herbst-Winter-Trends 1991/1992″, “Profi-Tips für junge Mädchen: Das erste Make-Up”, “Schönes Haar – gesunde Umwelt”, “Bald ist Adam dran!?”), ferner unter “Tip des Monats” ein Reklamebeitrag für Reinigungsprodukte und ein Hinweis auf ein Gewinnspiel. Auf S. 16 des Heftes ist neben einem Bild der Schauspielerin U. G. mit einer weiteren Person der Beitrag “Zwei Münchner in Hamburg” abgedruckt, der mit folgendem Text eingeleitet wird:
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“U. G. und E. W. (= Kläger) sind mittlerweile zum Traumpaar des Fernsehens geworden. Für manche Zuschauer/innen ist es kaum vorstellbar, daß die beiden im Privatleben kein Paar sind. Doch im ZDF werden sie eines. Die zweite Staffel “Zwei Münchner im Hamburg” ist am 3. Oktober angelaufen. Nachdem die beiden sich über mehrere Folgen zusammengerauft haben, kann jetzt endlich geheiratet werden.”
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Der nachfolgende Text befaßt sich ausschließlich mit der Schauspielerin U. G.
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Das auf dem Titelblatt abgedruckte Bild wurde als sog. Standfoto anläßlich der Dreharbeiten zu der Fernsehserie “Zwei Münchner in Hamburg” im Auftrag einer Werbeagentur zum Zwecke der redaktionellen Nutzung ohne Entgelt aufgenommen. Der Kläger hatte einer Verwertung seines Bildes zu Werbezwecken nicht zugestimmt.
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Der Kläger sieht sich durch den Abdruck seines Bildes auf der Titelseite der “C. Revue” in seinem Recht am eigenen Bild und in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er macht geltend, daß es sich bei der “C. Revue” um einen Werbeprospekt und nicht um eine redaktionelle Zeitung handele.
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Das Landgericht hat dem Unterlassungs- und Feststellungsbegehren des Klägers stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
8
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Verwendung des Bildes des Klägers auf der Titelseite der “C. Revue” nicht durch dessen Einwilligung gedeckt, so daß dem Kläger die Klageansprüche aus dem Gesichtspunkt der Verletzung seines Rechts am eigenen Bild und seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zustünden. Die Beklagten hätten das Bild nicht redaktionell genutzt, sondern für Werbezwecke verwendet. Bei der “C. Revue”, einer Kundenzeitschrift der “S.-Märkte”, handele es sich aus der Sicht des Durchschnittslesers, an den sich die Zeitschrift wende, nach Aufmachung, Aufbau und Inhalt um eine Werbezeitschrift, in der für Produkte geworben werde, die in den Märkten des Zweitbeklagten erhältlich seien; für den Durchschnittsleser trete gegenüber der Produktwerbung der Informationsgehalt der wenigen kurzen Beiträge in den Hintergrund. Der Abdruck des Bildes des Klägers auf der Titelseite dieses Blatts erwecke beim Durchschnittsleser den Eindruck, daß der Kläger zu den Produkten des Zweitbeklagten stehe, diese empfehle und dafür sein Bildnis zur Verfügung stelle. Die Beklagten hätten damit die Werbewirksamkeit des Klägers zur Absatzförderung der Produkte des Zweitbeklagten – also zur Werbung – eingesetzt. Aus dem knappen Textbeitrag, auf den auf der Titelseite noch nicht einmal hingewiesen werde, folge nichts anderes; er trage zur sachlichen Information über die Person des Klägers nichts bei.
II.
9
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis nicht stand.
10
1. Allerdings trifft es zu, daß die Beklagten durch die Veröffentlichung des Bildes des Klägers auf der Titelseite der “C. Revue” und die Verbreitung dieses Blatts in das Recht des Klägers am eigenen Bild eingegriffen haben. Dieser Eingriff in das kraft ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (§ 22 KUG) unter Sonderschutz gestellte Selbstbestimmungsrecht des Abgebildeten stellt zugleich einen Eingriff in das nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar (vgl. Senatsurteile vom 14. April 1992 – VI ZR 285/91 – NJW 1992, 2084 und vom 12. Oktober 1993 – VI ZR 23/93 – VersR 1994, 57, 58, jeweils m.w.N.).
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Das Berufungsgericht geht weiter zu Recht davon aus, daß § 22 KUG für eine solche Verwendung eines Bildes die Einwilligung des Betroffenen verlangt. Einer solchen Einwilligung bedarf es nach § 23 Abs. 1 KUG allerdings (u.a.) dann nicht, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt; in einem solchen Fall gebührt dem Publikationsinteresse der Vorrang. Das Berufungsgericht nimmt einen solchen Sachverhalt hier an; es betrachtet den Kläger als eine relative Person der Zeitgeschichte. Dennoch gelangt es zu dem Ergebnis, daß die Verwendung des Bildes des Klägers ohne seine Einwilligung nicht zulässig gewesen sei, weil es zur Werbung eingesetzt worden sei. Diese Überlegung trifft im Ansatz gleichfalls zu. Die Verwendung eines Bildes – auch des Bildes einer Person der Zeitgeschichte – für Werbezwecke erweist sich nur dann als zulässig, wenn sie von der ausdrücklichen Einwilligung des Abgebildeten gedeckt ist (vgl. BGHZ 20, 345, 348; 81, 75, 80; Senatsurteil vom 14. April 1992 – VI ZR 285/91 – aaO; ferner Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 2. Aufl. 1986, S. 290; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl. RdNr. 7.40 f.).
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Es trifft ferner zu, daß die Frage, ob ein Bild zur Werbung eingesetzt worden ist, aus der Sicht des Durchschnittslesers zu beurteilen ist. Dabei gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß die Beklagten das Bild des Klägers durch den Abdruck auf der Titelseite der “C. Revue” zur Werbung für die Produkte des Zweitbeklagten eingesetzt haben. Diese Würdigung unterliegt, da sie eine Abgrenzung der Wirkungsräume des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die Pressefreiheit bedeutet, der Kontrolle durch den Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof nimmt diese Würdigung auf der Grundlage des Gesamtzusammenhangs und der getroffenen tatrichterlichen Feststellungen vor (vgl. etwa Senatsurteil vom 15. November 1994 – VI ZR 56/94, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
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2. Der Senat teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten das Bild des Klägers zur Werbung für die Produkte des Zweitbeklagten eingesetzt, nicht.
14
a) Die “C. Revue” ist ein Presseerzeugnis, das unter dem Schutz der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG steht. Zwar dient diese Zeitschrift der Werbung für die Produkte des Zweitbeklagten. Sie weist aber auch einen – wenn auch bescheidenen – redaktionellen Teil auf. Es mag sein, daß die redaktionellen Beiträge nur einen geringen informatorischen Gehalt haben. Das mag insbesondere, wie das Berufungsgericht meint, für den Beitrag zutreffen, der sich auf S. 16 des hier zur Erörterung stehenden Heftes der “C. Revue” mit dem Kläger und seiner Partnerin befaßt. Dies rechtfertigt es aber nicht, den redaktionellen Teil der Zeitschrift und insbesondere den hier in Rede stehenden redaktionellen Beitrag bei der Beurteilung der Rechtsposition der Beklagten außer Betracht zu lassen und aus der angenommenen Unbeachtlichkeit dieses Beitrags den Schluß zu ziehen, daß sich das Bild des Klägers nur auf die Werbung im Innern des Blattes beziehen könne. Die Garantie der Pressefreiheit läßt es nicht zu, das Eingreifen dieses Grundrechts von der Qualität des jeweiligen Presseerzeugnisses oder redaktionellen Beitrags abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 34, 269, 283).
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b) Allerdings wird das Bild des Klägers als Blickfang für eine Zeitschrift eingesetzt, die in erster Linie der Produktwerbung dient. Die “C. Revue” folgt damit indes nur einer Praxis, die auch bei anderen Blättern zu beobachten ist. Dies erlaubt jedoch noch nicht den Schluß, daß die abgebildete Person als Werbeträger für die Produkte eingesetzt wird, für die im Innern des Blattes geworben wird. Der unbefangene Durchschnittsleser bringt das Bild des Klägers und seiner Partnerin zunächst mit dem Textbeitrag im Innern des Blattes in Verbindung. Allerdings ist auch einem solchen Leser bewußt, daß es sich hier um eine primär zur Werbung bestimmte Publikation handelt. Die Grenze des Einsatzes eines solchen Bildes zur Werbung für einzelne Produkte ist jedoch erst dann überschritten, wenn der Leser durch die Abbildung dazu geführt wird, zwischen dem Abgebildeten und den im Heftinnern angebotenen Produkten oder Leistungen eine gedankliche Beziehung herzustellen, wenn in den Augen des Lesers die Vorstellung entsteht, daß der Abgebildete zu diesen Produkten steht, sie empfiehlt und als Anreiz für den Kauf dieser Waren sein Bild zur Verfügung stellt. Ein solcher gedanklicher Bezug wird beispielsweise durch ein unmittelbares Nebeneinanderstellen von Ware und abgebildeter Person hergestellt; in einem solchen Fall kann sich das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die abgebildete Ware übertragen (vgl. BGHZ 20, 345, 352).
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Demgegenüber bestehen im vorliegenden Fall zwischen dem Bild des Klägers auf der Titelseite und einzelnen Produkten, denen die Werbung auf der Titelseite und im Innern des Heftes gilt, keine erkennbaren Beziehungen. Es kann sich allenfalls die Frage stellen, ob das Bild des Klägers auf der Titelseite aus der Sicht des Durchschnittslesers den Eindruck erweckt, daß er zu allen im Heftinnern angebotenen Produkten und Leistungen stehe und sie empfehle. Davon geht das Berufungsgericht aus. Dieser Wertung vermag der Senat nicht zu folgen. Dem unbefangenen Durchschnittsleser ist geläufig, daß eine bestimmte Gruppe von Publikumszeitschriften gleichfalls die Bilder beliebter oder bekannter Persönlichkeiten auf den Titelseiten ihrer Blätter abzudrucken pflegt, um hierdurch die Aufmerksamkeit der Leser auf ihre Blätter zu lenken. Ein Hinweis auf die Waren- oder Dienstleistungen, für die im Innern der Blätter geworben wird, wird hierin nicht erblickt. Vielmehr versteht der unbefangene Leser ein solches Bild als Blickfang. Er verbindet damit lediglich die Erwartung, im Innern des Blattes einen redaktionellen Beitrag über die abgebildete Persönlichkeit zu finden. Im vorliegenden Fall liegen die Dinge nicht anders. Der unbefangene Betrachter dieses Heftes der “C. Revue” erwartet, daß sich im Innern des Heftes ein Beitrag über den Kläger und seine Partnerin, eine gleichfalls bekannte Schauspielerin, findet. Ein solcher Beitrag ist auf S. 16 des Heftes abgedruckt. Dem läßt sich nicht mit dem Berufungsgericht entgegenhalten, daß dieser knappe Bericht zur sachlichen Information über die Person des Klägers nichts beitrage. Abgesehen davon, daß dies nicht zutrifft, läßt es – wie oben ausgeführt – die Garantie der Pressefreiheit nicht zu, als Ergebnis einer negativen Bewertung journalistischer Arbeit diesen Beitrag im Rahmen der rechtlichen Würdigung unbeachtet zu lassen, mag er auch einen nur geringen Informationswert aufweisen und von bescheidenerer journalistischer Qualität sein als redaktionelle Beiträge in Publikumszeitschriften. Entscheidend ist, daß dieses Heft der “C. Revue” das übliche und vom Durchschnittsleser erwartete Zusammenspiel des Bildes auf dem Titelblatt mit einem redaktionellen Beitrag bietet, das eine gedankliche Verknüpfung des Bildes mit einzelnen oder allen im Heftinnern angebotenen Waren erst gar nicht entstehen läßt. Die erkennbare und greifbare Bedeutung des Bildes auf dem Titelblatt erschöpft sich in dem Bezug zu dem dazugehörigen redaktionellen Beitrag.
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Daran ändert auch nichts die Besonderheit, daß die “C. Revue” von ihrer Aufmachung her dazu bestimmt ist, in erster Linie Werbeträger für die Produkte nur eines Unternehmens zu sein. In dem hier zur Erörterung stehenden Heft der “C. Revue” findet sich auch Werbung für die Produkte und Leistungen anderer Anbieter. Im übrigen ergeben sich zwischen der “C. Revue” und anderen Zeitschriften unter dem hier interessierenden Blickwinkel, nach dem es darauf ankommt, ob in den Augen des Durchschnittslesers über die Verbindung von Titelbild und redaktionellem Beitrag hinaus ein Bezug zwischen dem Titelbild und den angebotenen Waren besteht, keine entscheidenden qualitativen Unterschiede. Die “C. Revue” ähnelt mit ihrem Wechselspiel von Titelblatt, redaktionellen Beiträgen und Werbeanzeigen vielen gängigen Publikumszeitschriften. Dem Durchschnittsleser ist bekannt, daß auch Werbezeitschriften dann, wenn sie das Bild einer beliebten prominenten Persönlichkeit auf dem Titelblatt veröffentlichen, ohne einen erkennbaren Bezug zu bestimmten Waren- oder Dienstleistungen zum Ausdruck zu bringen, lediglich den Zweck verfolgen, die Attraktivität ihres Blattes zu steigern. Das Bild dient hier ebenso als Blickfang wie bei einer Publikumszeitschrift. Eine Aussage zu den im Heftinnern angebotenen Produkten oder Dienstleistungen ist hiermit dann, wenn dem Titelbild im Heftinnern ein redaktioneller Beitrag folgt, ebenso wenig verbunden wie dies bei einer Abbildung auf dem Titelbild einer Publikumszeitschrift der Fall ist.
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Dies bedeutet, daß die Verwendung des Bildes des Klägers auf der Titelseite der “C. Revue” nicht seiner Einwilligung bedurft hat. Die Klage ist damit unbegründet.