Schaden eines Nothelfers durch späteren Racheakt eines Täters kann Arbeitsunfall sein

BSG, Urteil vom 18. November 2008 – B 2 U 27/07 R

Der nachfolgende Racheakt eines Täters an einem Nothelfer kann für letzteren ein Arbeitsunfall sein, wenn der Racheakt in einem besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Hilfeleistung erfolgt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Überfalls als Arbeitsunfall.

Der im Jahre 1971 geborene Kläger machte am Abend des 1. August 2003 einen sogenannten „Kneipenbummel“. In einem gegen 3.30 Uhr aufgesuchten Lokal saß er mit den Zeuginnen K und M an einem Tisch, als der spätere Täter V, der auf einem Barhocker in der Nähe des Eingangs gesessen hatte, sich zur Zeugin G begab, die von einem weiteren Gast, dem Zeugen R, gezeichnet wurde. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung und einem körperlichen Angriff von V gegen G. Nachdem sich K und M zu Gunsten von G eingemischt hatten, erhob sich auch der Kläger von seinem Platz, drängte V von den Frauen etwas weg und redete auf V ein, was letztlich dazu führte, dass jeder Beteiligte an seinen Platz zurückkehrte. Da K und M erreichen wollten, dass V sich bei G entschuldige, kam es zu einer erneuten lautstarken Auseinandersetzung, in die der Kläger schlichtend eingriff. Da V die G und den R weiter beobachtete und der Kläger befürchtete, es könne nach dem Schließen des Lokals zu Schwierigkeiten kommen, ging er schließlich zu V und bedeutete ihm, dass es für alle am Besten wäre, wenn V die Gaststätte verlassen würde. Der Kläger drängte V sodann mit leichtem Körpereinsatz nach draußen. Nach zehn bis fünfzehn Minuten kam V mit zwei längeren Küchenmessern zurück in die Gaststätte und verletzte den Kläger, der dessen Rückkehr nicht beobachtet hatte, durch Stiche schwer sowie drei weitere Gäste.

Durch Urteil des Landgerichts Braunschweig wurde V, bei dem eine Blutalkoholkonzentration von 2,7 ‰ festgestellt worden war, wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Auf Antrag des Klägers erkannte das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie nach dem Opferentschädigungsgesetz bei ihm Schädigungsfolgen insbesondere im Bereich beider Arme an und gewährte ihm eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vH unter Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins. Der beklagte Gemeindeunfallversicherungsverband lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen einer möglichen Hilfeleistung und dem körperlich schädigenden Ereignis nicht gegeben sei. Die Hilfeleistung sei im Zeitpunkt des Messerangriffs bereits abgeschlossen gewesen (Bescheid vom 27. Januar 2004, Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2004).

Das angerufene Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. Januar 2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 24. Juli 2007) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit ausgeübt. Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 13a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) wegen eines Unglücksfalls, einer gemeinen Gefahr oder Not scheide aus, da der Streit zwischen V und G, der den Kläger zum Eingreifen veranlasst habe, keine solche Situation gewesen sei. Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 13a Alt 2 SGB VII „erhebliche gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit“ eines anderen seien zum Zeitpunkt des Angriffs des V auf den Kläger nicht mehr erfüllt gewesen. Denn selbst wenn eine solche Gefahr für den Angriff des V auf G und während der späteren verbalen Auseinandersetzung angenommen werde, sei die Rettungshandlung des Klägers zum Zeitpunkt des Angriffs des V auf den Kläger abgeschlossen gewesen. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 13a SGB VII bestehe nur, solange ein Unglücksfall mit seinen unmittelbaren Schadensfolgen noch nicht abgeschlossen sei und noch ein weiterer Schaden drohe. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 13c Alt 2 SGB VII „Einsetzen zum Schutz einer widerrechtlich angegriffenen Person“ sei ebenfalls nicht erfüllt. Zum Zeitpunkt der Rückkehr des V in das Lokal seien die früheren Angriffe abgeschlossen gewesen, eine Hilfeleistung des Klägers habe nicht vorgelegen – er habe die Rückkehr des V nicht bemerkt. Eine Rachehandlung des widerrechtlich Angreifenden nach Abschluss des Angriffs auf die dritte Person gegen den Nothelfer sei unversichert. Der gegenteiligen Auffassung des Bayerischen LSG (Breithaupt 1965, 194 ff) könne nicht gefolgt werden, zumal dieses auf einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang verzichte und damit der Versicherungsschutz ohne erkennbare Grenze ausgedehnt werde.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht geltend, bei dem Vorfall zwischen V und G habe es sich nicht um eine gewöhnliche Streiterei gehandelt, sondern um eine Gewalttat, bei der G nicht unerheblich verletzt worden sei, und für G sei dies ein Unglücksfall iS des § 2 Abs 1 Nr 13a SGB VII gewesen. Das LSG sei zu Unrecht aufgrund einer falschen Beweiswürdigung davon ausgegangen, dass der Vorfall keine gemeine Gefahr gewesen sei. Ausweislich der Aussagen der Zeugen J., O., L. habe nicht nur für G eine Gefahrensituation bestanden. Auch nach dem Hinausdrängen des V habe die Gefahrensituation fortbestanden. Dies sei auch von den genannten Zeugen in ihren Vernehmungen bestätigt worden. Aufgrund des bekannten aggressiven und unberechenbaren Verhaltens des V sei der Kellner von den Gästen aufgefordert worden, das Lokal abzuschließen, weil diese Angst vor einem Racheakt des V gehabt hätten. Es habe somit eine Gefahr für die Allgemeinheit und damit eine gemeine Gefahr bestanden. Dies habe das LSG unzureichend gewürdigt und hierauf beruhe sein Urteil. Auch die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Nr 13a Alt 2 SGB VII – eine erhebliche gegenwärtige Gefahr – hätte noch vorgelegen, weil der Kläger den V „als tickende Zeitbombe“ angesehen habe und deshalb im Lokal geblieben sei. Er habe ebenso wie die genannten Zeugen nach deren Aussage mit einer Rückkehr des V gerechnet und G vor ihm schützen wollen, wie er auch im Erörterungstermin vor dem SG erklärt habe. Die Gefahrensituation habe also fortbestanden. Ebenso hätten die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 13c SGB VII vorgelegen, weil aus den aufgezeigten Gründen mit einer Fortsetzung der Angriffe des V zu rechnen gewesen sei, wie sich aus den Angaben des Klägers und den Aussagen der Zeugen ergebe. Im Übrigen sei der Auffassung des Bayerischen LSG zu folgen und ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der Helfertätigkeit und dem Racheakt zu bejahen, zumal zwischen beiden nur wenige Minuten gelegen hätten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juli 2007 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 27. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Ereignis vom 2. August 2003 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es habe kein Unglücksfall vorgelegen, weil es sich um eine sich entwickelnde Auseinandersetzung gehandelt habe und nicht um ein plötzlich eintretendes Ereignis. Eine gemeine Gefahr oder Not scheide aus, weil von der Aggression des V während seines ersten Aufenthaltes in der Gaststätte nur G betroffen gewesen sei. Aus den verschiedenen Zeugenaussagen und den Angaben des Klägers gegenüber dem Beklagten ergebe sich nichts anderes. Der Kläger selbst sei von einem erfolgreichen Abschluss der „Aktion“ ausgegangen. Er habe sich wieder an seinen Tisch gesetzt und es sei ruhig und friedlich weitergegangen. Die Hilfeleistung des Klägers nach § 2 Abs 1 Nr 13c Alt 2 SGB VII sei abgeschlossen gewesen.

Gründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht in seinem angefochtenen Urteil vom 24. Juli 2007 die vom Kläger geltend gemachte Anerkennung des Messerangriffs des V auf ihn am frühen Morgen des 2. August 2003 als Arbeitsunfall abgelehnt.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall ist § 8 Abs 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer dem Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern ua für die Gewährung einer Verletztenrente (Bundessozialgericht vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 RBSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14 = SGb 2006, 166 ff mit Anm Ricke, jeweils RdNr 5, noch ohne den Begriff „Unfallkausalität“; BSG vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RBSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 = SGb 2007, 242 ff mit Anm Keller, jeweils RdNr 10; BSG vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RBSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18; BSG vom 12. Dezember 2006 – B 2 U 1/06 RBSGE 98, 20 = SozR 4-2700 § 8 Nr 21 jeweils RdNr 10) .

Diese aufgezeigten Voraussetzungen für den Regelfall sind vorliegend nicht vollständig erfüllt (dazu 1.). Aber auch die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, wenn der Versicherte – unabhängig von der zur Zeit des Ereignisses ausgeübten Verrichtung – einer spezifischen, durch eine versicherte Tätigkeit verursachte und ihr zuzurechnenden Gefahr erliegt, sind nicht gegeben (dazu 2.).

1. Die aufgezeigten, in der Regel zu erfüllenden Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind vorliegend insofern erfüllt, als nach den für den Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ) und von keinem Beteiligten angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG der Kläger am frühen Morgen des 2. August 2003 einen Unfall iS des SGB VII erlitten hat, als er von V angegriffen und durch mehrere Messerstiche verletzt wurde.

Als versicherte Tätigkeiten nach §§ 2, 3, 6 SGB VII, denen dieses Geschehen zugerechnet werden könnte, kommen nur in Betracht nach § 2 Abs 1 Nr 13a SGB VII „Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,“ und nach § 2 Abs 1 Nr 13c Alt 2 SGB VII „Personen, die sich zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,“ aufgrund der vorherigen Hilfeleistung des Klägers zu Gunsten der G, als diese von V körperlich angegriffen wurde.

Keine dieser Alternativen ist vorliegend nach den oben aufgezeigten Regelvoraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls hinsichtlich des Messerangriffs des V gegenüber dem Kläger gegeben. Hinsichtlich der Alternative „Personen, die bei einer gemeinen Gefahr oder Not Hilfe leisten,“ war, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, schon der Grundtatbestand einer versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 13a SGB VII nicht erfüllt (dazu a). Die weiteren, sich hier überschneidenden Alternativen „Personen, die bei Unglücksfällen … Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten“ (§ 2 Abs 1 Nr 13a SGB VII) oder die „sich zum Schutze eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen“ (§ 2 Abs 1 Nr 13a Alt 2 SGB VII) waren zum Zeitpunkt des Angriffs des V auf den Kläger nicht mehr gegeben (dazu b). Aus dem Revisionsvorbringen des Klägers ergibt sich nichts anderes (dazu c).

a) Eine gemeine Gefahr oder gemeine Not setzt eine Situation voraus, die die Allgemeinheit bzw Öffentlichkeit – also beliebige Personen oder Sachen – betrifft. Typische Beispiele sind Unwetter, Feuer, Ausfall der Wasserversorgung, aber auch Verkehrshindernisse (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 116: Quer zur Fahrbahn liegengebliebenes Kfz; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19: Auf der Standspur der Autobahn liegengebliebenes Kfz; Kruschinsky in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band 3 Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2008, § 2 RdNr 648, 651; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2008, § 2 SGB VII, Anm 25.4 f) .

Diese Voraussetzungen sind vorliegend schon deswegen zu keinem Zeitpunkt erfüllt gewesen, weil das gesamte Geschehen sich in einer Gaststätte ereignete und nicht die Allgemeinheit oder Öffentlichkeit betroffen war, sondern der Angriff des V sich zunächst nur gegen G richtete. Selbst wenn nachfolgend mehrere Personen in der Gaststätte gefährdet gewesen sein sollten bzw dann bei dem Messerangriff des V betroffen waren, war dies – entgegen der Ansicht der Revision – bei aller Gefährlichkeit noch keine gemeine Gefahr oder Not für die Allgemeinheit oder Öffentlichkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 13a SGB VII.

b) Die Voraussetzungen der weiteren Alternativen Hilfeleistung bei Unglücksfällen, Rettung aus erheblicher gegenwärtiger Gesundheitsgefahr (§ 2 Abs 1 Nr 13a SGB VII) oder persönlicher Einsatz zum Schutze eines widerrechtlich Angegriffenen (§ 2 Abs 1 Nr 13c Alt 2 SGB VII) waren zum Zeitpunkt des Angriffs des V auf den Kläger nicht (mehr) gegeben. Dass diese Alternativen der Nr 13a und Nr 13c des § 2 Abs 1 SGB VII sich vorliegend überschneiden, folgt daraus, dass der rechtswidrige körperliche Angriff des V gegen G gleichzeitig eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für diese war.

Der Versicherungsschutz nach diesen Vorschriften dauert nur so lange, wie zB der Unglücksfall mit seinen unmittelbaren Schadensfolgen nicht abgeschlossen ist und ein weiterer Schaden droht (so schon BSGE 35, 140, 144 = SozR Nr 39 zu § 539 RVO; BSGE 57, 134, 135 = SozR 2200 § 539 Nr 103). Diese Voraussetzung trägt der besonderen Struktur der Versicherungstatbestände nach § 2 Abs 1 Nr 13a und 13c SGB VII Rechnung, die zeitlich relativ eng begrenzt sind und bei denen zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls oftmals praktisch nicht unterschieden werden kann. Der Versicherungsschutz besteht nur, solange der Unglücksfall, die Gefahr oder der Angriff andauert und zu dessen bzw deren Abwehr gehandelt wird. Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt des Messerangriffs des V auf den Kläger nicht mehr erfüllt. Der in dem zuvor erfolgten körperlichen Angriff des V auf G liegende Unglücksfall und die damit verbundene erhebliche gegenwärtige Gefahr für deren Gesundheit nach Nr 13a sowie der widerrechtliche Angriff des V auf G nach Nr 13c Alt 2 waren zum Zeitpunkt des Messerangriffs schon längst abgeschlossen.

Dies ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, nach denen das Geschehen sich in mehreren Abschnitten ereignete. Nach diesen Feststellungen war der körperliche Angriff des V auf G durch die Einmischung der Zeuginnen K und M sowie das Eingreifen des Klägers beendet worden. V hatte wieder auf seinem Barhocker Platz genommen und auch die anderen Beteiligten waren auf ihre Plätze zurückgekehrt. Zur nächsten – rein verbalen – Auseinandersetzung kam es, weil K und M erreichen wollten, dass V sich bei G entschuldige. Auch in diese Auseinandersetzung griff der Kläger schlichtend ein. Erst anschließend ging der Kläger zu V und „bedeutete“ ihm, dass es für alle am besten wäre, wenn er – V – die Gaststätte verlassen würde. Der Kläger drängte sodann V mit leichtem Körpereinsatz nach draußen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war jeder Angriff des V auf G beendet, zumal die bis zu diesem Zeitpunkt letzte körperliche Gewaltanwendung nicht von V, sondern – nach den von keinem Beteiligten bestrittenen Feststellungen des LSG – von dem Kläger ausging. Erst ca zehn bis fünfzehn Minuten später kam dann V mit den Küchenmessern zurück und stach auf den Kläger ein.

c) Diese tatsächlichen Feststellungen des LSG werden durch das Revisionsvorbringen des Klägers nicht in Frage gestellt. Soweit der Kläger ausführt, eine gemeine Gefahr bzw eine gegenwärtige erhebliche Gefahr iS des § 2 Abs 1 Nr 13a Alt 2 SGB VII habe fortbestanden, weil er V als „tickende Zeitbombe“ angesehen und ebenso wie die anderen Gäste nach ihren Zeugenaussagen mit einem drohenden Schaden gerechnet habe, vermag dies der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn dieses Vorbringen verkennt zum Teil die oben dargestellten rechtlichen Inhalte dieser Begriffe, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Des Weiteren beinhaltet es einen von den Feststellungen des LSG abweichenden und damit für das BSG aufgrund seiner Bindung an die Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht verwertbaren Tatsachenvortrag und zum anderen Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG, die aber nicht durchgreifen.

Eine Rüge der Beweiswürdigung des LSG und damit ein Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ist im Revisionsverfahren vor dem BSG nur eingeschränkt zulässig, weil die Revision nur auf die Verletzung einer Rechtsnorm gestützt werden kann (§ 162 SGG) und das BSG an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden ist (§ 163 SGG). Dies bedeutet, dass eine vom LSG abweichende Beweiswürdigung nicht zulässig ist, sondern ausschließlich die Geltendmachung eines Überschreitens der Grenzen der freien Beweiswürdigung durch das LSG. Eine solche kann seitens des LSG erfolgen durch eine Nichtbeachtung des Gesamtergebnisses des Verfahrens, einen Verstoß gegen Denkgesetze oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze. Das Vorliegen eines solchen Verstoßes gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung muss im Einzelnen von dem Beteiligten, der sich darauf beruft, dargelegt werden (stRspr vgl nur BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr 8; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr 16; BSG SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2; jeweils mit weiteren Nachweisen; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2005, IX, RdNr 286) .

Das Vorliegen eines solchen Verstoßes gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung hat der Kläger jedoch bezüglich der Voraussetzungen der gegenwärtigen erheblichen Gefahr iS des § 2 Abs 1 Nr 13a SGB VII nicht vorgebracht. Er hat sich nur auf seine eigenen Angaben und allgemein auf die Angaben von Zeugen bezogen. Er hat keinen der möglichen Verstöße konkret bezeichnet, sondern nur allgemein die „falsche Beweiswürdigung“ des LSG gerügt.

2. Wenn der Versicherte einer spezifischen, durch eine versicherte Tätigkeit verursachten und ihr zuzurechnenden Gefahr erliegt, kann von den oben dargestellten Regelvoraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls die von dem Versicherten zur Zeit des Ereignisses ausgeübte Verrichtung dahingestellt bleiben (dazu a). Aber auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt kann der Angriff des V auf den Kläger nicht als möglicher Racheakt für die zuvor erfolgte Hilfeleistung des Klägers zu Gunsten der G als von der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst angesehen werden (dazu b).

a) Ein Arbeitsunfall setzt entsprechend der gesetzlichen Definition in § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII einen Unfall infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit voraus. Dies erfordert im Regelfall, dass die grundsätzlich nach einem der Versicherungstatbestände der §§ 2, 3, 6 SGB VII versicherte Person zur Zeit des Unfallereignisses eine Verrichtung ausübt, die im sachlichen Zusammenhang mit dieser grundsätzlich versicherten Tätigkeit steht (s oben mwN). Denn nicht alle Verrichtungen, die zB ein grundsätzlich nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII als Beschäftigter versicherter Arbeitnehmer im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte oder während einer Geschäftsreise ausübt, sind versichert, weil nur Unfälle „infolge“ der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen sog Betriebsbann nur in der Schifffahrt (§ 10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt (BSG vom 30. Januar 2007 – B 2 U 8/06 R; P. Becker, Der Arbeitsunfall, SGb 2007, 721, 722) .

Dieser Zwischenschritt einer im sachlichen Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats entbehrlich in den Fällen der sog besonderen Betriebsgefahr, wenn zB der grundsätzlich versicherte Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz verbleibt, dort frühstückt und durch die Explosion eines Kessels geschädigt wird (vgl schon BSG vom 22. Januar 1976 – 2 RU 101/75SozR 2200 § 548 Nr 15; BSG vom 19. Januar 1995 – 2 RU 3/94SozR 2200 § 548 Nr 22; P. Becker, SGb 2007, 721, 723; ebenso Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2008, § 8 RdNr 22). Die Begründung hierfür folgt aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, die Beschäftigten gegen die Gefahren des Betriebes zu versichern, denen sie wegen ihrer Beschäftigung dort ausgesetzt sind, und die Unternehmen von möglichen Schadensersatzansprüchen ihrer Beschäftigten freizustellen (vgl nur BSG vom 26. Juni 2007 – B 2 U 17/06 R – vorgesehen für BSGE und SozR, jeweils RdNr 16 ff) .

Solche spezifischen Gefahren, die unabhängig von der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung und der dabei zugrunde liegenden Handlungstendenz des Verletzten der versicherten Tätigkeit aufgrund ihrer besonderen Beziehung zu dieser Gefahr zuzurechnen sind, können jedoch nicht nur besondere Ereignisse wie Explosionen oder Feuersbrünste sein, zumal diese auch von Menschen verursacht werden können, sondern ebenso ein Überfall oder ein Racheakt aufgrund einer früheren versicherten Tätigkeit.

Ein Überfall ist als Arbeitsunfall anzuerkennen, wenn der Überfall während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit – sei es auf der Betriebsstätte oder auf einem versicherten Weg – erfolgt (BSGE 6, 164, 167; BSGE 10, 56, 60 = SozR Nr 15 zu § 543 RVO aF; BSGE 50, 100, 104 = SozR 2200 § 548 Nr 50). Eine Ausnahme wird nur gemacht, wenn der Überfall in keiner sachlichen Verbindung mit der versicherten Tätigkeit des Verletzten steht, sondern zB aufgrund einer persönlichen Feindschaft erfolgt und keine der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verhältnisse den Überfall wesentlich begünstigt haben (BSGE 17, 75 = SozR Nr 37 zu § 543 RVO aF; BSGE 78, 65 = SozR 3-2200 § 548 Nr 28). Ebenso anerkannt wird ein Überfall außerhalb der Arbeitsstätte und der Arbeitszeit bei einem betriebsbezogenen Tatmotiv, dem der Versicherte entgegentritt (BSGE 26, 45 = SozR Nr 76 zu § 542 RVO aF). Dem hat sich die Literatur angeschlossen (Krasney in Brackmann, aaO, § 8 RdNr 171 „Überfall“; Keller in Hauck/Noftz, aaO, § 8 RdNr 153; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, aaO, § 8 Anm 7.44; Ricke in Kasseler Kommentar des Sozialversicherungsrechts, Stand April 2008, § 8 RdNr 119 f; Schmidt, SGB VII, 3. Aufl 2008, § 8 RdNr 96 f; Ziegler in SGB VII, Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl 2007, § 8 RdNr 136 f). Auf das „Entgegentreten“ in dem zuletzt geschilderten Fall kann es jedoch nicht ankommen. Auch wenn der zu Hause wegen der Geschäftsgelder überfallene Versicherte gar keinen Willen entwickeln und keine Handlungstendenz entfalten kann, weil er von dem Räuber sofort niedergeschlagen wird, damit dieser in Ruhe die Geschäftsgelder rauben kann, ist ein Arbeitsunfall zu bejahen. Denn die Gewalt, die den Überfallenen trifft, ist der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.

Von der möglichen Anerkennung eines Racheaktes als Arbeitsunfall ist der Senat schon in der Entscheidung vom 31. Januar 1961 (2 RU 251/58BSGE 13, 290 = SozR Nr 34 zu § 542 RVO aF) ausgegangen, in der ein Arbeitsunfall nur abgelehnt wurde, weil der sich einige Tage später ereignende Racheakt nicht durch eine Handlung im Rahmen der versicherten Tätigkeit, sondern durch eine Handlung im Privathaushalt des Versicherten verursacht worden war. In der Entscheidung vom 25. August 1961 (2 RU 259/58 – SozR Nr 44 zu § 542 RVO aF), auf die sich auch das Bayerische LSG (Breithaupt 1965, 194 ff) bezogen hat, hat der Senat einen Arbeitsunfall bei einem Angriff bejaht, den der Täter wesentlich aus einem Beweggrund ausführte, der im Zusammenhang mit dem Unternehmen des Verletzten stand, obwohl dieser zur Zeit des Angriffs keine versicherte Tätigkeit ausübte. Soweit der Senat in der Entscheidung vom 19. Dezember 2000 (B 2 U 37/99 RBSGE 87, 224 = SozR 3-2200 § 548 Nr 41) einen Arbeitsunfall bei einem Überfall auf einen Konkurrenten während eines nicht versicherten Weges verneint hat, weil der Überfallene zu diesem Zeitpunkt keiner versicherten Tätigkeit nachging und keine entsprechende Handlungstendenz hatte, kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob an dieser Auffassung festgehalten wird (kritisch: Ricke, in Kasseler Kommentar, aaO, SGB VII § 8 RdNr 119b: „Verabsolutierung der Handlungstendenz“) .

Übertragen auf ähnliche Fallgestaltungen wie vorliegend bedeutet dies: Der Angriff eines Täters auf einen (Not-)Helfer ist für diesen ein Arbeitsunfall, wenn dieser Angriff durch die Hilfeleistung und den persönlichen Einsatz des Helfers zu Gunsten eines Opfers, als dieses von dem Täter körperlich angegriffen wurde, verursacht wurde und dieser Hilfeleistung zuzurechnen ist. Dies führt entgegen den Bedenken des LSG nicht zu einer Ausdehnung des Versicherungsschutzes ohne erkennbare Grenze. Denn ähnlich wie bei einer Vor- oder Nachbereitungshandlung kommt Versicherungsschutz nur in Betracht, wenn der Angriff einen besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit – also der Hilfeleistung bei dem ersten Angriff des Täters – aufweist (vgl BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 5 = SGb 2005, 171 mit Anm Jung). Gegen eine Beschränkung des Versicherungsschutzes allein auf die Zeit der Hilfeleistung unter Ausschluss eines durch die Hilfeleistung verursachten und ihr zuzurechnenden Racheaktes spricht der mit den Versicherungstatbeständen des § 2 Abs 1 Nr 13a, 13c SGB VII verfolgte Zweck des Gesetzgebers, das Eintreten für andere in solchen Gefahrensituationen unfallversicherungsrechtlich abzusichern, der auch in dem durch den bei diesen Versicherungstatbeständen ausnahmsweise zugebilligten Sachschadensersatz nach § 13 SGB VII deutlich wird.

b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar ist das von der Beklagten in ihrem Bescheid und vom LSG herausgestellte Zeitelement ein Gesichtspunkt bei einer derartigen Ursachen- und Zurechnungsbeurteilung (vgl nur BSG vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RBSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 = SGb 2007, 242 mit Anm Keller, jeweils RdNr 16). Und ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Racheakt spricht eher für und ein längerer zeitlicher Abstand eher gegen einen Zusammenhang. Ein Zeitabstand wie die vom LSG festgestellten ca zehn bis fünfzehn Minuten mag für einen Zusammenhang sprechen. Dagegen spricht jedoch, dass diese Angabe sich auf den Zeitabstand zwischen dem Hinausgedrängtenwerden des V und seiner Rückkehr mit den Messern bezieht und auch das weitere Geschehen zwischen der Hilfeleistung und dem Messerangriff beachtet werden muss.

Dieses weitere Geschehen spricht aber gegen den erforderlichen engen Zusammenhang zwischen der Hilfeleistung des Klägers und dem Angriff des V auf ihn. Denn die versicherte Hilfeleistung des Klägers zu Gunsten der G war zunächst beendet. Dann kam es aufgrund der Aufforderung von K und M an V, sich zu entschuldigen, zum nächsten nur verbalen Konflikt. Dieser war auch beendet, als schließlich der Kläger zu V ging und diesem bedeutete, dass es für alle am Besten wäre, wenn V die Gaststätte verlassen würde. Dann drängte der Kläger den V mit leichtem Körpereinsatz nach draußen. Die letzte Gewaltausübung vor dem Überfall ging also – wie schon ausgeführt von dem Kläger gegenüber dem V aus. Auch die zuvor erfolgte Aufforderung des Klägers an V, die Gaststätte zu verlassen, ist hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit fraglich, da beide dort nur Gäste waren und Bitten des Inhabers des Hausrechts an den Kläger, entsprechend tätig zu werden, nicht festgestellt oder vorgebracht wurden. Im Übrigen richtete sich der Messerangriff des V nicht nur gegen den Kläger, sondern ebenfalls gegen weitere Personen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

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