Keine Haftung eines siebenjährigen Kindes bei Unfall mit verkehrswidrig geparktem Auto

Amtsgericht München, Urteil vom 30.7.2009 – 331 C 5627/09

Keine Haftung eines siebenjährigen Kindes bei Unfall mit verkehrswidrig geparktem Auto

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreit zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus seinem Unfall vom 18.07.2008 auf dem Bürgersteig der Franz-Marc-Straße in München, auf dem der Kläger seinen Pkw geparkt hatte.

Der 7jährigeBeklagte zu 1) befuhr mit seinem Fahrrad diesen Bürgersteig und stieß aus Unachtsamkeit mit dem parkenden Klägerfahrzeug zusammen. Dabei entstand gemäß Aufstellung BI. 2, 3 d. Akten ein Gesamtschaden von EUR 1.105,96.

Der Kläger ließ vortragen, der Beklagte zu 1) hafte aus § 823 Abs. 1 BGB, § 828 Abs. 2 BGB sei nicht anwendbar, da sich diese Vorschrift nur auf den fließenden Verkehr beziehe. Die Beklagten zu 2) und 3) hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt.

Der Kläger stellte den Antrag BI. 2 d. Akten.

Die Beklagten beantragten Klageabweisung.

Sie ließen vortragen, durch das unzulässigerweise geparkte Klägerfahrzeug sei der Bürgersteig auf eine Breite von ca. 1 m verengt worden. Der Kläger sei von der Polizei verwarnt worden. Wegen der Engstelle habe der Beklagte zu 1) mit seinem Kinderfahrrad das Gleichgewicht verloren und sei umgefallen. Die Schäden am Klägerfahrzeug seien dadurch aber nicht entstanden. Außerdem genieße der Beklagte zu 1) das Haftungsprivileg aus § 828 Abs. 2 BGB. Dies, weil das Klägerfahrzeug nicht ordnungsgemäß geparkt war. Die Beklagten zu 2) und 3) würden wegen § 832 BGB nicht haften. Sie hätten ihrer Aufsichtspflicht genügt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet und zurückzuweisen.

I. Es kann dahingestellt bleiben, ob die streitgegenständlichen Schäden am Klägerfahrzeug tatsächlich vom Beklagten zu 1) verursachten wurden oder nicht. Zur Überzeugung des Gerichts genießt der zum Unfallzeitpunkt 7jährige Beklagte zu 1) das Haftungsprivileg aus § 828 Abs. 2 BGB, so dass er für einen möglichen Schaden nicht verantwortlich ist. Zwar verweist die Klägervertreterin zu Recht darauf, dass dieses Haftungsprivileg nicht gilt, wenn das Kraftfahrzeug zum ruhenden Verkehr gehört. Zur Überzeugung des Gerichts kann dies aber nur für ordnungsgemäß abgestellten ruhenden Verkehr gelten, nicht für verkehrsbehindernden ruhenden Verkehr. Gemäß § 2 Abs. 5 StVo musste der Beklagte zu 1) mit seinem Kinderfahrrad auf dem Bürgersteig fahren. Unstreitig hat das Klägerfahrzeug ordnungswidrigerweise auf diesen Bürgersteig geparkt und so den Verkehrsraum des Beklagten zu 1) massiv beeinträchtigt. Wie der erkennende Richter aber aus eigener Erfahrung mit seinen eigenen Kindern weiß, gehören besonders EngstelIen eines ansonsten breiten Weges zu den typischen Situationen, die Kinder in diesem Alter überfordern und vielleicht zum Straucheln bringen. Die durch das ordnungswidrig abgestellte Klägerfahrzeug entstandene Engstelle des Bürgersteigs auf ca. 1 m hat zur Überzeugung des Gerichts eine für Kinder nur schwer beherrschbare Gefahrensituation herbeigeführt. Es entspricht dem Zweck des § 828 Abs. 2 BGB 7jährige Kinder vor solchen Schadensersatzansprüchen aus dem Straßenverkehr zu schützen. Das Gericht ist deshalb der Überzeugung, dass der Beklagte zu 1) für mögliche Schäden des klägerischen Fahrzeugs gemäß § 828 Abs. 2 BGB nicht verantwortlich ist, so dass gegen ihn Schadensersatzansprüche ausscheiden.

II. Das Gericht kann auch keine Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Beklagten zu 2) und 3) feststellen, so dass auch gegen sie Schadensersatzansprüche ausscheiden. Bei schulpflichtigen Kindern, wie dem Beklagten zu 1), ist beim Radfahren ständige Aufsicht nicht mehr erforderlich (Palandt, BGB, § 823, Randnr. 11). Dass der Beklagte zu 1) die Regeln des Radfahrens kannte, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass er auf dem Bürgersteig fuhr. Insbesondere waren die Beklagten zu 2) und 3) aber nicht verpflichtet, dem Beklagten zu 1) zum Absteigen vor dem klägerischen Fahrzeug anzuhalten.
Zum Erwachsenwerden gehört auch, dass man mit Gefahren und Hindernissen umgehen lernt. Die Beklagten zu 2) und 3) mussten ihr Kind deshalb nicht bei jedem Hindernis zum Absteigen veranlassen, es war durchaus veranlasst, dass sich das Kind einmal einer solchen Herausforderung stellt. Die Risiken eines rechtswidrig abgestellten Fahrzeugs hat in erster Linie der Parkende, nicht die übrigen Passanten zu tragen. Auch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten war es dem Kläger zuzumuten sein Fahrzeug ordnungsgemäß abzustellen, nicht aber einem Dritten besondere Rücksicht auf das Klägerfahrzeug zu nehmen.

III. Kostenentscheidung: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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