Grob fahrlässige Verursachung eines Unfalls mit einem Powerboot

OLG Köln, Urteil vom 12.10.2010 – 9 U 84/10

Der Führer eines Sportbootes hat sich mit der Betriebsanleitung und den darin enthaltenen Warnungen und Gefahrhinweisen vertraut zu machen. Dabei spielt es keine Rolle, wenn die Betriebsanleitung in englischer Sprache abgefasst ist und der Bootsführer die Anleitung deshalb nicht versteht; er sich dann auf andere Art und Weise darüber kundig zu machen. Im übrigen ist einem mit einem Bootsführerschein ausgestatteten und nicht gänzlich unerfahrenen Bootsführer solches Wissen ohne weiteres zu unterstellen und abzuverlangen, auch ohne dass er konkret von der Bedienungsanleitung und/oder von Beschreibungen wie in dem oben genannten Zeitschriftenartikel Kenntnis genommen haben müsste. Insoweit ergibt sich kein Unterschied zu einem Autofahrer, der etwa bei hohem Tempo das Steuer verreißt oder mit nicht angepasster Geschwindigkeit über unebenes Gelände fährt. Das Wissen um die besondere Gefährlichkeit solchen Fahrzeuggebrauchs wird jedem Autofahrer als selbstverständlich abverlangt (Rn. 44).

Wer zu einem Überholmanöver auf einer Wasserstraße ansetzt, muss seine Fahrweise und die gefahrene Geschwindigkeit (auch bei Fehlen einer Geschwindigkeitsbegrenzung oder einer Richtgeschwindigkeit) nach dem Gesamtzusammenhang der genannten Normen so einrichten, dass er nicht durch das unsachgemäße Kreuzen einer hohen Heckwelle des zu überholenden Fahrzeugs aus der Richtung geworfen wird, um Gefahren für fremde Rechtsgüter zu verhindern. (Rn. 45).

Wird ein Boot während der Fahrt nach Überfahren einer Welle zunächst vollständig aus dem Wasser katapultiert und taucht sodann vollständig in das Wasser ein, so dass der Bootsführer über Bord geht und das Boot unkontrollierbar einen Richtungswechsel vollzieht und führerlos strandet, belegt dies, dass der Bootsführer sich in gesteigertem Maße fehlverhalten hat, nämlich entweder zu schnell und/oder zu unaufmerksam gewesen ist, um das Wasser und den Wellengang beim Überholvorgang noch hinreichend beobachten und den damit verbundenen Gefahren ausweichen oder angemessen begegnen zu können. Dies erscheint als Sorgfaltsverstoß in einem gesteigertem, gröblichen Maß und begründet den Schuldvorwurf grober Fahrlässigkeit. Auch im Straßenverkehr wäre ohne weiteres von einer groben Fahrlässigkeit des Fahrzeugführers auszugehen, der mit unangepasster Geschwindigkeit und/oder unaufmerksam über eine Bodenwelle fährt und damit das KFZ zum vollständigen Abheben von der Straße bringt mit der Folge, dass er dabei die Gewalt über das Fahrzeug verliert (Rn. 46).

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.02.2010 verkündete Grund- und Teil-Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 24 O 111/09 – abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Mit der Klage macht der Kläger Ansprüche aus einer Sportboot-Kaskoversicherung geltend.

2

Er erwarb im Jahr 2004 ein neues Sportboot „Hustler 26“ mit 525 PS und schloss für das Boot bei der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.05.2004 eine Sportboot-Kaskoversicherung ab. Im Versicherungsschein vom 17. nebst Nachtrag vom 26.05.2004 (Bl. 173, 6 GA) heißt es zum Versicherungsumfang: „Vollkasko zum Neuwert (feste Taxe) mit 2.500 EUR Selbstbeteiligung“. Der Wert des Bootes war darin mit 140.000 € angegeben. Die Bedingungen für die Sportboot-Kaskoversicherung (SKB, Bl. 20 ff GA) waren in Bezug genommen. Am 28.04.2007 unternahm der Kläger bei sonnigem Wetter von Bingen aus eine Fahrt nach Schierstein. Dort traf er, wie verabredet, den Zeugen G, der ebenfalls ein Speedboot fuhr, und beide unternahmen im jeweils eigenen Boot eine gemeinsame Tour um die Rheininsel Rettbergsaue. Sie fuhren mit einer Geschwindigkeit von zumindest 80 km/h gegen die Strömung. Zwischen Rheinkilometer 503 und 504 – kurz nach Passieren eines Strandbades – wollten beide ein vorausfahrendes größeres Tank- oder Frachtschiff überholen, der Zeuge G links und der Kläger rechts. Beim Überholvorgang verunfallte das klägerische Boot, weil es eine größere Heckwelle des vorausfahrenden Schiffes kreuzte, dadurch vollständig aus dem Wasser abhob und beim Wiederaufkommen kurzfristig vollständig eintauchte. Hierbei ging der Kläger von Bord. Das Boot tauchte wieder auf und fuhr führerlos weiter, bis es auf die Rettbergsaue auffuhr, dort ein Waldstück durchpflügte und erst nach ca. 30 m zum Stehen kam. Es erlitt einen Totalschaden.

3

Das Boot verfügte über eine sogenannte Quick-Stop-Vorrichtung, die im Jahr 2006 erneuert worden war. Hierbei handelt es sich um eine (wie ein Telefonkabel) geringelte Schnur, die mit ihrem einen Ende mit der Zündvorrichtung des Boots und mit dem anderen Ende mit dem Körper des Bootsführers verbunden sein und die Unterbrechung der Zündvorrichtung sicherstellen soll, wenn der Bootsführer den Bereich des Steuers verlässt, damit das Boot nicht führerlos weiterfährt. Dieser Quick-Stop wurde vom Kläger auf der Fahrt zwischen Bingen und Schierstein um den Arm gewickelt getragen. Ob und ggf. wie er ihn zum Unfallzeitpunkt trug, ist streitig. Nach dem Unfall war die Quick-Stop-Schnur verschwunden.

4

Der am Fuß verletzte Kläger wurde von einem anderen Boot aus dem Fluss geborgen und stationär in ein Krankenhaus verbracht. Am 30.04.2007 wurde er polizeilich angewiesen, keine Veränderungen am Boot vorzunehmen, da dessen Untersuchung durch den Sachverständigen G. erfolgen sollte. Zwischen dem 03.05.2007, 14.00 Uhr und dem 04.05.2007, 9.00 Uhr wurden aus dem Boot sämtliche Instrumente einschließlich des Notausschalters, an dem die Quick-Stop-Vorrichtung befestigt wird, sach- und fachgerecht ausgebaut und entfernt. Bei der kriminaltechnischen Untersuchung konnte ein Handschuhprofil gesichert werden. Bei der richterlich angeordneten Durchsuchung der Wohnung des Zeugen G am 05.05.2007 wurde im Brennkessel im Keller ein Arbeitshandschuh gefunden, der dort hatte verbrannt werden sollen und dessen Profil dem in dem Boot gesicherten entsprach.

5

Der Kläger füllte unter dem 07.05.2007 nach vorheriger telefonischer Meldung eine Schadensanzeige aus (Bl. 109 GA) und begehrte in der Folge Deckung für den erlittenen Bootsschaden, den er unter Abzug eines von ihm auf 15.000 € veranschlagten Restwertes mit 125.000 € angab. Die Beklagte schaltete den Sachverständigen St. ein, der in seinem Gutachten vom 27.06.2007 (Bl. 111 ff GA) einen Wiederbeschaffungswert von 90.000 € und einen Restwert von 12.000 € ermittelte. Mit Schreiben vom 11.04.2008 (Bl. 8 GA) verweigerte die Beklagte den Schadensausgleich, da sie sich auf eine grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalls berief.

6

Der Kläger hat behauptet, er sei nicht schneller als 80 km/h gefahren. Die Quick-Stop-Vorrichtung sei sowohl um sein Handgelenk gewickelt als auch an der Gürtelschnalle seiner Hose befestigt gewesen. Er sei bei Temperaturen um die 30° C kurzfristig in Ohnmacht gefallen, habe infolgedessen die Kontrolle über das Boot verloren und sei dabei über Bord gegangen. Das Quick-Stop-Kabel habe er dabei offenbar verloren, wobei das Kabel die Gürtelschnalle seiner Hose zerrissen habe. Weshalb sich der Antrieb nicht ausgeschaltet habe, könne er nicht erklären. Zuvor habe der Quick-Stop funktioniert.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 130.850,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2008 zu bezahlen;

9

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von Euro 2.356,68 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2008 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe sich mit dem Zeugen G ein Rennen geliefert und sei mit deutlich über 100 km/h gefahren. Er habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, weil er bei derartig hoher Geschwindigkeit mit einem ohnehin schwer zu steuernden Boot – was unstreitig ist – überholt und dabei die Heckwelle des zu überholenden Schiffes gekreuzt habe. Der Kläger habe bis unmittelbar vor dem Unfall in dem Boot gestanden, die angeblich erlittene Ohnmacht sei eine Schutzbehauptung. Den Quick-Stop könne er nicht benutzt haben. Wenn er ihn, wie behauptet, an der Gürtelschnalle seiner Hose befestigt haben sollte, so begründe bereits dies den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.

13

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Grund- und Teil-Urteil vom 11.02.2010 nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen G und des Sachverständigen G. sowie persönlicher Anhörung des Klägers der Klage durch das angefochtene Grund- und Teilurteil dem Grunde nach und mit einem Teilbetrag von 72.500 € stattgegeben; wegen geltend gemachter Bergungskosten in Höhe von 5.850 € hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt das Landgericht im wesentlichen aus:

14

Der Kläger habe Anspruch auf Deckung aus dem Versicherungsvertrag, da die Beklagte nicht bewiesen habe, dass er den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Die Fahrweise des Klägers sei nicht als grob fahrlässiges Verhalten zu werten. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung existiere auf dem Rhein ebenso wenig wie eine Richtgeschwindigkeit. Der Kläger habe das Boot drei Jahre lang ohne Auffälligkeiten besessen, was dagegen spreche, dass er ein „Wasserrowdy“ sei. Die Beklagte habe bereits bei Vertragsschluss gewusst, dass mit dem Boot erhebliche Geschwindigkeiten zu erzielen seien. Dass der Kläger mit mehr als 80 km/h unterwegs gewesen sei, sei nicht bewiesen. Der Zeuge G seinerseits habe das vorausfahrende Schiff problemlos überholt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Boot wissentlich ohne funktionierenden Quick-Stop gesteuert habe. Ohne Quick-Stop-Vorrichtung könne das Boot nach den Ausführungen des Sachverständigen G. nicht gestartet werden. Für eine Überbrückung durch einen technischen Eingriff gebe es keinen Anhaltspunkt. Der Kläger habe an diesem Tag das Band unstreitig bei einer früheren Fahrt um den Arm getragen; dies mache keinen Sinn, wenn es eine Überbrückung gegeben habe. Der Sachverständige habe es als möglich erachtet, dass es während der Fahrt zu einem Defekt des Quick-Stops gekommen sein könne, etwa durch Nässe (infolge Untertauchens des Boots) oder Korrosion. Ein neues Gutachten habe nicht eingeholt werden müssen, weil das Gutachten des Sachverständigen G. nicht ungenügend gewesen sei. Es sei nicht streitig, dass die Schnur nach dem Unfall verschwunden gewesen sei. Dann müsse sie, so sie denn angebracht gewesen sei, auch ausgelöst haben, und es spiele dann keine Rolle, wo der Kläger sie befestigt habe. Es gebe keinen Anhaltspunkt für ein Tragen der Schnur nur zur Tarnung auf der Fahrt nach Schierstein. Dann müsse der Kläger sie auch auf der Weiterfahrt getragen haben, weil sonst das Boot nicht angesprungen wäre. Ob der Kläger durch die möglicherweise wahrheitswidrige Behauptung der Ohnmacht eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit begangen habe, könne dahinstehen, da die Beklagte sich nicht auf eine Obliegenheitsverletzung berufe. Dass der Kläger eine Beweisvereitelung durch den Ausbau der Bordinstrumente begangen habe, habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Dagegen spreche bereits, dass der Kläger schon am 30.04.2007 angewiesen worden sei, keine Veränderungen am Boot vorzunehmen, der Ausbau aber Tage später erfolgt sei. Der sachgerechte Ausbau spreche nicht für eine Beteiligung des Klägers, auch ein Dieb mit Interesse an einer Weiterveräußerung könne nachvollziehbar so verfahren sein. Der Handschuhfund im Ofen des Zeugen G besage ebenfalls nichts Zwingendes; es handele sich um Massenprodukte, und der Zeuge habe unwiderlegt geschildert, dass von seinen Mitarbeitern regelmäßig Handschuhe nach Gebrauch verbrannt würden.

15

Der Höhe nach sei die Klage zumindest in Höhe von 72.500 € begründet. Die Reparaturkosten betrügen auch nach dem Vortrag der Beklagten zumindest 90.000 €. Ziehe man hiervon den (klägerseits angesetzten) Restwert von 15.000 € und den Selbstbehalt von 2.500 € ab, so ergebe sich dieser Mindestbetrag.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

17

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie übergangenes Beweiserbieten und fehlerhafte Rechtsanwendung rügt und im wesentlichen ausführt:

18

Das Grundurteil sei unzulässig, da nicht auszuschließen sei, dass sich im Rahmen der Beweisaufnahme zur Schadenshöhe bislang noch nicht erörterte Umstände ergeben könnten, die Rückschlüsse etwa auf ein arglistiges Verhalten oder sonstige Leistungsausschlussgründe zuließen.

19

Der Kläger habe den Versicherungsfall grob fahrlässig unter Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen der RheinSchPV (= Rheinschiffahrtspolizeiverordnung), welche das Landgericht übersehen habe, herbeigeführt. Er habe mit einer nicht angepassten Geschwindigkeit von zumindest 80 km/h, tatsächlich aber über 100 km/h, zum Überholen angesetzt und dabei die Heckwelle des vorausfahrenden Schiffes gekreuzt. Vor einem „Wellenspringen“ mit dem Boot insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten werde aber in der Betriebsanleitung ausdrücklich gewarnt. Das Geschehen habe sich im Bereich einer Halbinsel mit verengter Fahrrinne sowie in der Nähe des konkreten Gefahrenpunkts, nämlich eines gut besuchten Strandbades ereignet. Der Kläger habe sich ein Wettrennen mit dem Zeugen G geliefert; insoweit habe das Landgericht Beweisangebote der Beklagten durch konkret benannte Zeugen übergangen. Der Kläger habe damit gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht, die Pflicht zur Einhaltung einer angepassten Geschwindigkeit und die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Überholen verstoßen (§§ 1.04, 1.06 und 6.09 RheinSchPV). Auch betreffend das Quick-Stop-System habe das Landgericht Beweisangebote der Beklagten zu Unrecht übergangen. Wenn eine solche Vorrichtung an Bord vorhanden und aktiviert gewesen wäre, hätte sie zwingend auslösen müssen. Da der Quick-Stop nicht ausgelöst habe, sei zwangsläufig zu folgern, dass er nicht vorhanden gewesen sei. Der vom Landgericht für denkbar erachtete Defekt durch Feuchtigkeitseintritt sei konstruktionsbedingt ausgeschlossen. Der Kläger habe den Ausbau der Bordinstrumente veranlasst und dadurch eine Beweisvereitelung begangen. Die von ihm behauptete Ohnmacht habe es nicht gegeben; auch insoweit habe das Landgericht Beweisangebote übergangen, wonach der Kläger bis unmittelbar vor dem Unfall am Steuer stehend beobachtet worden sei. Objektive Anzeichen für eine erlittene Ohnmacht bestünden nicht.

20

Die Beklagte beantragt,

21

unter Abänderung des angefochtenen Grund- und Teilurteils vom 11.02.2010 (24 O 111/09) die Klage abzuweisen.

22

Der Kläger beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Mainz 3353 Js 13562/07 waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

26

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage insgesamt.

27

1. Das vom Landgericht gem. § 304 ZPO erlassene Grundurteil ist allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits als unzulässig anzusehen.

28

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof ist insbesondere im Bereich des Versicherungsrechts ein Grundurteil dann unzulässig, wenn die Tatsachen für Grund und Höhe annähernd dieselben sind oder in einem so engen Zusammenhang stehen, dass die Herausnahme einer Grundentscheidung unzweckmäßig und verwirrend wäre; dies ist etwa der Fall, wenn sich im Betragsverfahren bislang nicht erörterte Umstände ergeben könnten, die Rückschluss auf ein etwaiges arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers und dessen Motivation zulassen (vgl. BGH VersR 1992, 1465; BGH Beschluss v. 20.06.2007, IV ZR 228/06).

29

Ein solch enger Zusammenhang zwischen den Tatsachen, die für Grund und Höhe des Anspruchs gleichermaßen entscheidend sind, ist vorliegend nicht vorhanden. Es geht hier nicht um einen (vermeintlich) vorgetäuschten Versicherungsfall und/oder um falsche oder überhöhte Angaben zum Schaden. Der Unfall des Klägers als solcher und in seiner Folge ein erheblicher Schaden an dem Boot sind unstreitige Umstände. Dass der Kläger den Unfall nur vorgetäuscht oder den Schaden aufgebauscht hätte, steht nicht zur Debatte. Uneins sind die Parteien hinsichtlich des Anspruchsgrundes in erster Linie über die Frage einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Unfalls und hinsichtlich der Anspruchshöhe über die Auslegung der vereinbarten festen Taxe und die genaue Höhe der Reparaturkosten. Das Landgericht hat parallel zu dem Grund- und Teilurteil einen Beweisbeschluss verkündet (Bl. 264 GA), in welchem es die Klärung der Höhe der Reparaturkosten durch Einholung eines Gutachten eines Sachverständigen angeordnet hat. Dass hieraus irgendwelche Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die weiteren Rückschluss auf eine grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalls zuließen, ist nicht ersichtlich.

30

2. Die Klage – soweit hinsichtlich der Bergungskosten nicht bereits rechtskräftig durch das Landgericht abgewiesen – ist jedoch unbegründet.

31

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. §§ 1, 49 VVG a.F. wegen des erlittenen Bootsschadens. Das VVG ist in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden, da Vertragsschluss und Versicherungsfall vor der Novellierung lagen.

32

Zwar ist der Versicherungsfall eingetreten, da sich unstreitig ein Unfall mit dem Boot ereignet hat, bei dem es erheblich beschädigt wurde. Die Beklagte ist aber gem. § 61 VVG a.F. (gleichlautend Ziff. 11.2 der SKB) von der Leistung frei geworden. Es ist bereits aufgrund einer wertenden Gesamtschau der als unstreitig festgestellten Tatsachen von einer grob fahrlässig verursachten Herbeiführung des Unfalls durch den Kläger auszugehen. Aufgrund der nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen ist damit eine andere als die vom Landgericht getroffene Entscheidung gerechtfertigt (§ 513 ZPO). Dem vom Kläger behaupteten Ohnmachtsanfall kommt demgegenüber keine Bedeutung zu.

33

a) Der Kläger hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt.

34

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Maße außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste. Im Rahmen des § 61 VVG a.F. ist Voraussetzung der Annahme grober Fahrlässigkeit, dass ein Verhalten des Versicherungsnehmers gegeben ist, von dem er wusste oder wissen musste, dass es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalles oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern. Dabei muss die Wahrscheinlichkeit des Schadens (und zwar gerade die des eingetretenen Schadens) offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalles ein anderes als das tatsächlich geübte Verhalten in Betracht zu ziehen. Das Verhalten des Versicherungsnehmers ist dabei in seiner Gesamtheit zu betrachten, so dass das Zusammentreffen von – für sich genommen – tolerierbaren Umständen den qualifizierten Vorwurf begründen kann. Einzelne, für sich genommen nicht grob fahrlässige Fehlhandlungen können in ihrer Gesamtheit den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründen (vgl. Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 28 Rn. 121 und § 81 Rn. 15, 17 m.w.N.).

35

Insbesondere Letzteres hat das Landgericht bei seiner Würdigung nicht hinreichend berücksichtigt. Es wird im angegriffenen Urteil einerseits ausgeführt, es gebe weder eine Geschwindigkeitsbegrenzung noch eine Richtgeschwindigkeit und es sei auch das Überholen für sich genommen nicht grob fahrlässig gewesen. Dem Umstand des Kreuzens einer Heckwelle des vorausfahrenden größeren Schiffs wird in dem Zusammenhang keine Beachtung geschenkt. An einer Gesamtwürdigung des Geschehens (Überholen bei relativ hoher Geschwindigkeit und bei gleichzeitigem Kreuzen einer Heckwelle) fehlt es.

36

Bei dem vom Kläger gefahrenen Sportboot handelt es sich um ein sogenanntes Powerboot, mit dem vergleichsweise hohe Geschwindigkeiten erzielt werden können und das hohe Anforderungen an seine Beherrschung durch den Bootsführer stellt. So enthält die englischsprachige Betriebsanleitung für das Boot folgende Warnungen:

37

„Fahren über Wellen und Brandungen ist ein natürlicher Teil des Bootfahrens.

38

Wenn diese Aktivität mit Geschwindigkeit vorgenommen wird, um den Bootskörper teilweise oder komplett aus dem Wasser zu bringen, entstehen gewisse Gefahren, besonders wenn das Boot wieder auf dem Wasser aufschlägt.

39

Die Hauptgefahr liegt darin, dass das Boot die Richtung wechselt. Beim Springen kann sich das Boot drehen. Solch ein scharfer Richtungswechsel kann dazu führen, dass Personen über Bord gehen können.

40

Wenn Sie Ihrem Boot gestatten, von einer Welle abzuheben […] und der Bug Ihres Bootes schräg genug im Wasser aufkommt, dann kann es unter Wasser geraten und zu einem U-Boot werden. […]

41

Warnung – Vermeiden Sie Wellenspringen wann immer es möglich ist.“

42

(zitiert nach der polizeilich veranlassten Übersetzung aus der Betriebsanleitung, Bl. 73 f der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Mainz 3353 Js 13562/07)

43

In einem bei den Akten befindlichen Zeitschriftenartikel/Testbericht über den vom Kläger gesteuerten Bootstyp wird darauf hingewiesen, dass das Boot nur von erfahrenen Führern gesteuert werden sollte, insbesondere seien im Bereich der Höchstgeschwindigkeit (welche mit ca. 130 km/h stromabwärts angegeben wird) abrupte oder extreme Kursänderungen oder eng verlaufende Kurvenfahrten zu meiden; es bedürfe „viel Aufmerksamkeit, Können und Erfahrung, das Wasser richtig zu lesen, um nicht überrascht zu werden.“ (vgl. Bl. 74 EA und Bl. 75 ff GA). Dies verdeutlicht bereits für den Laien, dass das Boot bei höheren Geschwindigkeiten nur schwer und mit großer Aufmerksamkeit zu handhaben ist und insbesondere ein dabei vollzogener Richtungswechsel (wie er regelmäßig mit einem Überholen verbunden ist) wie auch das Kreuzen von Wellen zu schwerwiegenden Folgen führen können.

44

Der Führer eines Sportbootes hat sich mit der Betriebsanleitung und den darin enthaltenen Warnungen und Gefahrhinweisen vertraut zu machen. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Betriebsanleitung in vorliegendem Falle in englischer Sprache abgefasst war; wenn der Kläger dies nicht verstanden haben sollte, so hätte er sich auf andere Art und Weise darüber kundig machen müssen. Im übrigen ist einem mit einem Bootsführerschein ausgestatteten und nicht gänzlich unerfahrenen Bootsführer solches Wissen ohne weiteres zu unterstellen und abzuverlangen, auch ohne dass er konkret von der Bedienungsanleitung und/oder von Beschreibungen wie in dem oben genannten Zeitschriftenartikel Kenntnis genommen haben müsste. Insoweit ergibt sich kein Unterschied zu einem Autofahrer, der etwa bei hohem Tempo das Steuer verreißt oder mit nicht angepasster Geschwindigkeit über unebenes Gelände fährt. Das Wissen um die besondere Gefährlichkeit solchen Fahrzeuggebrauchs wird jedem Autofahrer als selbstverständlich abverlangt.

45

Neben der in § 1.04 RheinSchPV normierten allgemeinen Sorgfaltspflicht statuiert § 1.06 RheinSchPV die Pflicht zur Einhaltung einer den Gegebenheiten der Wasserstraße und der Anlagen angepassten Geschwindigkeit. § 6.09 Abs. 1 RheinSchPV bestimmt, dass nur überholt werden darf, wenn sich der Überholende vergewissert hat, dass dieses Manöver ohne Gefahr ausgeführt werden kann. Wer zu einem Überholmanöver auf einer Wasserstraße ansetzt, muss seine Fahrweise und die gefahrene Geschwindigkeit (auch bei Fehlen einer Geschwindigkeitsbegrenzung oder einer Richtgeschwindigkeit) nach dem Gesamtzusammenhang der genannten Normen so einrichten, dass er nicht durch das unsachgemäße Kreuzen einer hohen Heckwelle des zu überholenden Fahrzeugs aus der Richtung geworfen wird, um Gefahren für die in § 1.04 RheinSchPV genannten Rechtsgüter zu verhindern. In dieser Vorschrift sind als Schutzgüter neben Menschenleben auch ausdrücklich Uferanlagen und Umweltbelange genannt.

46

Gerade der konkrete Ablauf des vorliegenden Unfallgeschehens, dass nämlich das Boot zunächst vollständig aus dem Wasser katapultiert wurde, sodann vollständig in das Wasser eintauchte, dabei der Kläger selbst über Bord ging und das Boot unkontrollierbar einen Richtungswechsel vollzog und führerlos strandete, belegt, dass der Kläger sich vorliegend in gesteigertem Maße fehlverhalten hat. Der tatsächliche Ablauf des konkreten Unfallgeschehens entspricht genau dem Szenario, vor dem in der Betriebsanleitung als schlimmstmögliche Folge des sog. Wellenspringens gewarnt wird; dabei beinhaltet das konkrete Geschehen kumulativ alle Elemente, die in der Warnung angesprochen sind. Der Kläger ist nach allem entweder zu schnell und/oder zu unaufmerksam gewesen, um das Wasser und den Wellengang beim Überholvorgang noch hinreichend beobachten und den damit verbundenen Gefahren ausweichen oder angemessen begegnen zu können (wenn er es nicht sogar auf ein Wellenspringen angelegt hatte). Dies erscheint als Sorgfaltsverstoß in einem gesteigertem, gröblichen Maß und begründet den Schuldvorwurf grober Fahrlässigkeit. Auch im Straßenverkehr wäre ohne weiteres von einer groben Fahrlässigkeit des Fahrzeugführers auszugehen, der mit unangepasster Geschwindigkeit und/oder unaufmerksam über eine Bodenwelle fährt und damit das KFZ zum vollständigen Abheben von der Straße bringt mit der Folge, dass er dabei die Gewalt über das Fahrzeug verliert.

47

Demgegenüber kommt dem Umstand, dass der Zeuge G das Schiff ohne Zwischenfall zu überholen vermochte, keine Bedeutung zu, selbst wenn er seinerseits eine Heckwelle mit entsprechender oder gar höherer Geschwindigkeit – nach seiner Aussage fuhr er sogar um die 100 km/h (Bl. 19 EA) – gekreuzt hätte. Dafür, dass er mit seinem Boot dabei nicht kenterte, mag es neben schlichtem Glück verschiedene andere Ursachen geben; u.a. ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein anderes Boot mit einem anderen, möglicherweise erfahreneren Bootsführer handelte, welcher an gänzlich anderer Stelle und möglicherweise in einem günstigeren Winkel die Heckwelle gekreuzt haben mag. Ebenfalls spielt es keine Rolle, dass der Kläger das Boot „drei Jahre lang ohne Auffälligkeiten besessen“ hat und deswegen nicht als „Wasserrowdy“ anzusehen ist, wie das Landgericht ausgeführt hat. Dies lässt für sein Fehlverhalten in der konkreten Situation keine Rückschlüsse zu; ein „Rowdytum“ ist auch keine Voraussetzung eines grob fahrlässigen Verhaltens. Schließlich ist der Umstand unbeachtlich, dass der Beklagten bei Abschluss des Versicherungsvertrages bekannt war, dass es sich um ein Powerboot handelte, mit dem sehr hohe Geschwindigkeiten gefahren werden können. Die Beklagte hat damit nicht etwa in Abweichung des § 61 VVG a.F. bzw. Ziff. 11.2 der SKB in die Deckungsübernahme für grob fahrlässiges Fehlverhalten des Bootsführers eingewilligt.

48

b) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, eine plötzliche und unvorhersehbare Ohnmacht erlitten zu haben. Nach der Überzeugung des Senats handelt es sich hierbei um eine bloße Schutzbehauptung.

49

Zwar liegt die Darlegungs- und Beweislast für eine grobe Fahrlässigkeit beim Versicherer (Prölss in: Prölss/Martin, a.a.O., § 81 Rn. 30) und ließe eine unverschuldet und unvorhergesehen erlittene Ohnmacht eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers entfallen. Beruft sich aber der Versicherungsnehmer wie hier zu seiner Entlastung auf Tatsachen aus dem eigenen subjektiven Erlebensbereich, so ist der beweisbelastete Versicherer praktisch nicht in der Lage, den vollen Negativbeweis zu führen, dass beispielsweise eine Ohnmacht oder ein Augenblicksversagen tatsächlich erfunden sind. Es ist insoweit aus Gründen einer sekundären Darlegungslast Sache des Versicherungsnehmers, ihn entlastende Tatsachen vorzutragen. Das entspricht dem allgemeinen prozessualen Grundsatz, wonach auch die nicht beweisbelastete Partei ausnahmsweise eine Substantiierungslast treffen kann. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher überprüfen kann, während sie der anderen Partei bekannt sind und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind. Dem Versicherungsnehmer ist es daher im Rahmen der nur ihm möglichen Substantiierung zuzumuten, plausibel und so genau und detailliert wie möglich vorzutragen, wie es zu dem objektiven Pflichtenverstoß gekommen ist (vgl. BGH VersR 2003, 364; VersR 2008, 242; Prölss/Martin, § 81 Rn. 33 und Vorauflage, § 61 Rn. 24).

50

Der Kläger beschränkt sich in seinem schriftsätzlichen Vortrag auf die bloße Behauptung einer „spontan“ erlittenen Ohnmacht unter Hinweis auf den herrschenden Sonnenschein bei hohen Temperaturen um die (behauptet) 30° C. Angaben zu Verweilzeiten in der Sonne, zu einer etwaigen Kopfbedeckung, etwaigen Voranzeichen (Schwindel, Schwäche, Übelkeit, Erbrechen), einem etwaigen begleitenden Sonnenbrand, zu entsprechenden Anamnesen/Diagnosen/Maßnahmen im Rahmen der sich anschließenden ärztlichen Behandlung usw. fehlen. Im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ergänzend lediglich angegeben, den ganzen Tag nichts gegessen und wenig getrunken zu haben; allerdings habe er sich gut und frisch gefühlt.

51

Die vermeintliche spontane Ohnmacht lässt sich in das übrige Geschehen nicht plausibel einfügen. Der Kläger wäre aus derselben überraschend schnell erwacht, denn er ist unmittelbar nach dem Vorfall schwimmend aus dem Rhein geborgen worden. Es gibt keinerlei Anzeichen (und der Kläger selbst trägt solche auch nicht vor), dass er etwa unmittelbar nach dem Unfall desorientiert gewesen sei, sich unmittelbar auf eine Ohnmacht berufen und etwa gefragt habe, was geschehen sei – solcherlei hat auch der Zeuge G im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Landgericht nicht bekundet (vgl. Bl. 208 GA). Es gibt auch keine Anzeichen und keinen Vortrag dafür, dass der Kläger gegenüber den Rettungskräften oder im Krankenhaus gegenüber den ihn behandelnden Ärzten eine Ohnmacht angegeben und etwa um medizinische Abklärung gebeten hätte. Vielmehr hat der Kläger bei seiner landgerichtlichen Anhörung (Bl. 204 GA) zugegeben, er habe die Ursache seines gesundheitlichen Zusammenbruchs im Nachhinein nicht medizinisch überprüfen lassen. Dass eine mit einem Absacken des Kreislaufs verbundene Ohnmacht unmittelbar anschließend objektivierbare medizinische Befunde (z.B. auffällige Blässe, Benommenheit, niedriger Blutdruck) ergeben hätte, ist aber nicht fernliegend. Naheliegend wäre es, nach einer angeblich erlittenen Ohnmacht diese gegenüber Rettungskräften und Ärzten zu erwähnen. Erstmals am Abend des Unfalltages hat der Kläger sich gegenüber ihn zum Zwecke eines Alkoholtests im Krankenhaus aufsuchenden Polizeibeamten (in Anwesenheit des Zeugen G und des Herrn W.) auf mangelnde Erinnerung berufen, ohne allerdings eine Ohnmacht als solche zu benennen (Bl. 59 EA). Auffallend ist nach allem, dass ein nur kurzes, passgenau ausgestanztes Zeitfenster von einer spontanen und vorzeichenlosen Ohnmacht betroffen sein soll, in dem sich allerdings der Unfall und ein etwaiges Fehlverhalten des Klägers ereignet hat, während vorher und nachher Anzeichen und Folgen einer Ohnmacht nicht objektivierbar sind oder vorgetragen werden. Demgegenüber hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor dem Landgericht (Bl. 202 GA) angegeben, er sei mit dem Boot komplett unter Wasser gewesen und das Geschehen habe ihn traumatisiert; diese als persönliches Erleben beschriebene Äußerung widerspricht ebenfalls einer Bewusstlosigkeit.

52

Dass der Zeuge G den Kläger gesehen haben soll, wie dieser zusammensackte, ist unerheblich. Zunächst hat er dies im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung als Zeuge von vornherein nur einschränkend dahingehend geäußert, er habe „den Eindruck“ gehabt, der Kläger sei zusammengesackt (vgl. Bl. 20 EA). Eine reale Wahrnehmung hat er damit nicht beschrieben. Auch bestehen an der Wahrnehmungsfähigkeit des Zeugen in der konkreten Situation Zweifel, da er nach eigener Aussage mit ca. 100 km/h dem Kläger vorausfuhr und selbst im Überholvorgang begriffen war, als er „den Eindruck“ bekommen haben will, der Kläger sacke zusammen. Zudem hat er an anderer Stelle im Ermittlungsverfahren (Bl. 4 EA) dem widersprechend ausgeführt, ihm sei durch das Frachtschiff die Sicht auf den Kläger verdeckt gewesen. Zwanglos ist die Äußerung des Zeugen auch damit erklärbar, dass er – insbesondere vor dem Hintergrund der nach seinen Bekundungen beim Kläger wahrgenommenen Blässe – eine durch ein Fahrmanöver bedingte Abwärtsbewegung des Klägers (etwa ein In-Die-Knie-Gehen) gesehen hat und dies bei ihm – rückblickend – den Eindruck eines Zusammensackens hervorgerufen haben mag. Im übrigen ist hinsichtlich der körperlichen Konstitution des Klägers folgendes zu Bedenken:

53

Soweit der Kläger im Rahmen der Anhörung vor dem Senat geltend gemacht hat, er habe sich gut und frisch gefühlt, widerspricht dies den Angaben bzw. Aussagen der Zeugen G und W. im Ermittlungsverfahren (Bl. 19, 41, 59 EA), wonach der Kläger „blass“ bzw. „nicht ganz frisch“ gewirkt und „an diesem Tag keinen guten Eindruck“ gemacht haben soll. Solcherlei sollte allerdings mit subjektivem Erleben und Fühlen korrespondieren, welches der Kläger jedoch verneint. Dann aber gilt: Sollte der Kläger an dem Unfalltag tatsächlich körperlich angeschlagen gewesen sein und dies auch selbst bemerkt haben, so bestand für ihn beim Führen des Bootes umso mehr Anlass zur Vor- und Umsicht und wäre eine grobe Fahrlässigkeit erst recht zu bejahen.

54

3. Da nach vorstehenden Ausführungen der Hauptanspruch nicht besteht, ist auch der Nebenanspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren als Verzugsschaden nicht begründet.

55

4. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 05.10.2010 hat dem Senat bei der Entscheidung vorgelegen, bot jedoch keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung oder zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

56

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

57

6. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

58

Streitwert für das Berufungsverfahren: 125.000 €

Dieser Beitrag wurde unter Versicherungsrecht abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.