AG Bremen, Urteil vom 22.12.2010 – 19 C 162/10
Von einer professionellen Autovermietung darf der Mieter einen Hinweis auf eine fehlende Winterbereifung des Mietfahrzeugs erwarten (Rn. 16).
Der fehlende Hinweis auf die Winterbereifung führt bei einem Unfall zu einer Mithaftung des Autovermieters in Höhe von 25%.
Zum Erlöschen des dem Grunde nach bestehenden Haftungsanspruches des Autovermieters durch das zugunsten des Mieters bestehende Quotenvorrecht (Rn. 20).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung abwenden, wenn sie Sicherheit im Verhältnis von sieben zu sechs des vollstreckbaren Betrages leistet, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von sieben zu sechs des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die K1ägerin begehrt Schadensersatz aus einem Mietvertrag über ein Kraftfahrzeug.
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Die Parteien schlossen für den Zeitraum vom 23.12.2009 bis zum 2.1.2010 einen Mietvertrag über einen VW Scirocco mit dem amtlichen Kennzeichen … . Die Parteien vereinbarten gemäß Ziff III des Mietvertrages in Verbindung mit Nr. l0 b) der Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin eine Freistellung der Beklagten für Schäden am Mietfahrzeug nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 850,00 € zuzüglich einer Kostenpauschale in Höhe von 29,50 €. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu der Akte gereichten Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin Bezug genommen. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgte am 23.12.2009 in Bremen. Das Fahrzeug war mit Sommerreifen ausgerüstet, worauf die Klägerin den Beklagten nicht hinwies. Der Beklagte fuhr anschließend mit dem Fahrzeug nach Norwegen. Dort ereignete sich ein Unfall ohne Fremdbeteiligung, bei dem das Mietfahrzeug an der rechten Frontseite beschädigt wurde. Es entstand ein Gesamtsachschaden in Höhe von 3.718,32 €. Der Beklagte informierte die Klägerin über den Unfall und veranlasste einen Austausch des Fahrzeugs.
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Am 24.2.2010 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung zum 10.3.2010 wegen des entstandenen Schadens an dem Mietfahrzeug zur Zahlung der vereinbarten Selbstbeteiligung sowie der Kostenpauschale auf. Der Beklagte wies dies mit Schreiben vom 27.2.20 10 zurück. Die Klägerin setzte daraufhin fruchtlos eine Nachfrist zur Zahlung bis zum 12.3.2010.
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Die Klägerin behauptet, der Unfall hätte sich in gleicher Weise ereignet, auch wenn der PKW mit Winterreifen ausgestattet gewesen wäre.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie € 879,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.3.2010 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte behauptet, dass er unmittelbar vor dem Unfall mit einer den Straßen- und Witterungsverhältnissen angepassten Geschwindigkeit gefahren sei. Trotz permanenten Bremseinsatz und eingeschlagener Lenkung sei das Fahrzeug auf einer komplett schneebedeckten Fahrbahn in einer leicht abschüssigen langgezogenen Linkskurve geradeaus in die Leitplanke gerutscht. Der Unfall sei allein darauf zurückzuführen, dass das Mietfahrzeug keine Winterreifen aufgezogen hatte.
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Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich ihrer Anlagen verwiesen.
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Das Gericht hat die Zeugin Z in der Verhandlung vom 1.12.2010 vernommen, wobei insoweit auf Sitzungsniederschrift Bl. 63 ff d.A. verwiesen wird.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Absatz 1, 546 Absatz 1, 249 Absatz 1 BGB. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nur dem Grunde nach gegeben, jedoch durch einen Mitverschuldensanteil der Klägerin wegen des fehlenden Hinweises auf Ausstattung des Fahrzeuges nur mit Sommerreifen in Höhe von 25 % (929,58 €) sowie die Anwendung des Gedankens des sog. Quotenvorrechts vollständig untergegangen.
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Angesichts der am 23.12.2009 vorherrschenden winterlichen Straßenverhältnisse wäre auch schon nach § 2 Absatz 3 a StVO a. F die Ausstattung des Mietfahrzeugs mit Winterreifen für einen vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne des § 535 Absatz 1 S. 2 BGB notwendig gewesen. Jedenfalls durfte der Beklagte von einer professionellen Autovermietung wie der Klägerin einen Hinweis auf die fehlende Winterbereifung des Mietfahrzeugs erwarten. Insoweit kann auf den mit den Parteien schon im ersten Termin erörterten Beschluss des OLG Hamm vom 23.7.2007 (bei BeckRS 2007, 10199) verwiesen werden.
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Die Klägerin beruft sich wegen der alleinigen Haftung des Beklagten darauf, dass sich der Unfall in gleicher Weise auch bei Ausstattung des Fahrzeuges mit Winterreifen ereignet hätte. Insbesondere würden Winterreifen bei total vereister Fahrbahn auch nicht haften. Insoweit hat die Klägerin allerdings die Darstellung des Beklagten, dass es sich „nur“ um eine schneebedeckte Fahrbahn gehandelt habe, nicht substantiiert bestritten.
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Nach der Beweisaufnahme steht aber zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die fehlende Ausstattung des Mietfahrzeugs mit Winterreifen bzw. die fehlende Aufklärung des Beklagten darüber, für den Unfall und damit den eingetretenen Schaden zumindest mit ursächlich war. Die Zeugin – Ehefrau des Beklagten – hat seine Angaben zum Unfallablauf bestätigt. Sie hat insoweit glaubhaft bekundet, dass der Beklagte außerhalb einer Ortschaft unmittelbar vor dem Unfall nicht schneller als 30 km/h fuhr. In einer langgestreckten Linkskurve sie das Fahrzeug gleichwohl ins rutschen gekommen und nach rechts von der Fahrbahn abgekommen. Anhaltspunkte, am Wahrheitsgehalt der Zeugenaussage zu zweifeln, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Aussage der Zeugin sich von der Nähe zum Beklagten hat leiten lassen.
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Damit ist davon ausgehen, dass sich der Unfall langgestreckten Kurve auf schneebedeckter Fahrbahn mit nur geringem Gefälle ereignet hat. Es handelte sich damit um Straßenverhältnisse, die sich mit einem mit Winterreifen ausgestatteten PKW regelmäßig gut befahren lassen, bei denen aber sich Sommerreifen weniger bewähren. Die fehlende Ausstattung des Mietwagens mit Winterreifen ist daher jedenfalls mitursächlich gewesen, was die eingangs genannte Haftungsverteilung begründet.
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Die Leistung der Kaskoversicherung in Höhe von 2.838,82 € kommt vorliegend nach dem sog. Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers dem Beklagten zugute. Dieses Befriedigungsvorrecht des Versicherungsnehmers kommt grundsätzlich bei einem Verkehrsunfall zum Tragen, wenn eine Mithaftung des Geschädigten besteht, zum Beispiel wegen Mitverschulden oder wegen Anrechnung der Betriebsgefahr, und er gleichzeitig eine Kaskoversicherung unterhält. Damit in diesem Fall dem Versicherungsnehmer der Abschluss der Kaskoversicherung zu Gute kommt, bekommt er vorrangig seinen vollen Schaden aus der Versicherungsleistung des eigenen Kaskoversicherers und dem zahlungspflichtigen Gegner ersetzt. Diese Grundsätze müssen auch hier zur Anwendung kommen, weil die Intention der Vollkaskoversicherung im Bereich des Mietwagengeschäfts dahin geht, den Versicherungsnehmer· den Mieter des Kraftfahrzeugs – von Schäden im Zusammenhang mit dem Gebrauch der Mietsache freizustellen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 1 I, 711 ZPO.