Fehlende Bezeichnung des Klägers in Klageschrift an Verwaltungsgericht kann auch noch nach Ablauf der Klagefrist ergänzt werden

BVerwG, Beschluss vom 05.05.1982 – 7 B 201.81

Zur Frage, ob bei Fehlen der Bezeichnung des Klägers in einer durch einen Prozeßbevollmächtigen eingereichten Klageschrift dieses Erfordernis gemäß § 82 II VwGO auch nach Ablauf der Klagefrist nachgeholt werden kann.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Beschwerde der beigeladenen Gemeinde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. August 1981 wird zurückgewiesen.

Die beigeladene Gemeinde trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000 DM festgesetzt.

Gründe
1
Der Kläger begehrt die Ungültigerklärung der am 22. Juni 1980 in der beigeladenen Gemeinde durchgeführten Wahlen. Seinen gemeinsam mit sieben weiteren Bürgern gegen diese Wahlen erhobenen Einspruch wies das Landratsamt mit Bescheid vom 23. Juli 1980 zurück. Am 21. August 1980 ging beim Verwaltungsgericht eine vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers unterzeichnete Klageschrift ein, der nicht zu entnehmen war, wer Kläger sein sollte. Auf Aufforderung des Vorsitzenden trug der Prozeßbevollmächtigte die Bezeichnung des Klägers innerhalb der ihm gesetzten Frist am 8. September 1980 nach. Das Verwaltungsgericht erklärte durch Zwischenurteil die Klage für zulässig. Die beigeladene Gemeinde legte Berufung ein. Sie hält die Klage für unzulässig, da die dem Einspruchsbescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung ordnungsgemäß gewesen sei und die Klägerbezeichnung nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist nicht habe nachgeholt werden können. Die Berufung wies der Verwaltungsgerichtshof zurück. Gegen die Nichtzulassung der Revision in der Berufungsentscheidung hat die beigeladene Gemeinde Beschwerde eingelegt.

2
Die Beschwerde ist unbegründet. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu.

3
Die Beschwerde meint, in einem Revisionsverfahren lasse sich die rechtsgrundsätzliche Frage klären, ob eine innerhalb der Klagefrist eingereichte Klage zulässig ist, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Kläger erst nach Ablauf der Klagefrist, aber innerhalb der richterlichen Frist nach § 82 Abs. 2 VwGO bezeichnet wird. In dieser allgemeinen Form würde sich diese Frage in einem Revisionsverfahren jedoch nicht stellen. Die Beschwerde verkennt, daß die in diesem Rechtsstreit eingereichte Klageschrift eine durch Datum und Aktenzeichen näher konkretisierte Bezugnahme auf das vorherige Einspruchsverfahren gegen die Gemeinde- und Ortschaftsratswahl enthielt und daß sich hieraus sowie aus dem der Klage beigefügten Einspruchsbescheid wie auch der Einspruchsbegründung ergab, daß als Kläger nur die an dem Einspruch Beteiligten in Betracht kommen konnten, und zwar entweder alle Einsprechenden oder nur ein Teil von ihnen. Unter diesen Umständen könnte die in einem Revisionsverfahren zu klärende Frage allenfalls dahin gehen, ob dann, wenn der Kreis der in Betracht kommenden Kläger in der Klageschrift schon eingegrenzt ist, die weitere Individualisierung und Konkretisierung, wer nun aus diesem Kreis als Kläger in Betracht kommt, auch noch nach Ablauf der Klagefrist auf Grund einer richterlichen Verfügung gemäß § 82 Abs. 2 VwGO möglich ist. So begrenzt ist die Frage jedoch, ohne daß es hierzu der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf, zu bejahen. Nach § 82 Abs. 1 VwGO muß die Klage den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand bezeichnen. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht in vollem Umfang, so hat nach § 82 Abs. 2 VwGO der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Hieraus folgt, daß eine Klageschrift, die die in § 82 Abs. 1 VwGO genannten zwingenden Voraussetzungen nicht vollständig enthält, auch nach Ablauf der Klagefrist mit der Folge ergänzt werden kann, daß die Klage wegen des ursprünglichen Formmangels nicht mehr als unzulässig abgewiesen werden darf. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht in entsprechender Anwendung des § 82 Abs. 2 VwGO ausgesprochen, daß auch nach Ablauf der Berufungsfrist die Berufungsschrift noch durch einen bestimmten Antrag, der nach § 124 Abs. 3 VwGO notwendiger Inhalt der Berufungsschrift ist, ergänzt werden kann (vgl.Beschlüsse vom 3. Oktober 1961 – BVerwG 6 B 23.61 – [BVerwGE 13, 94 = Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 2], vom 31. Januar 1962 – BVerwG 6 B 31.61 – [Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 4], vom 20. März 1962 – BVerwG 2 B 58.61 – [Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 5] undBeschluß vom 13. Februar 1979 – BVerwG 7 B 26.78 – [Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 11]); in derartigen Fällen setzt das mit der Berufung angefochtene Urteil den Rahmen, der durch den Berufungsantrag nicht überschritten werden kann. Entsprechendes muß auch für die anderen in § 82 Abs. 1 VwGO aufgeführten Mindesterfordernisse – die Bezeichnung des Klägers und des Beklagten – gelten; ist daher in der Klageschrift der Kreis der in Betracht kommenden Kläger derart eingegrenzt, daß nur noch zu klären ist, ob diese Personen insgesamt oder nur einige von ihnen Kläger sein sollen, so kann diese Klärung auch noch nach Ablauf der Klagefrist geschehen. Die von der Beschwerde erwähnte Rechtsprechung zur Zivilprozeßordnung, wonach Rechtsmittelschriften innerhalb der Rechtsmittelfrist hinreichend zum Ausdruck bringen müssen, für wen das Rechtsmittel eingelegt wurde (vgl. BGHZ 65, 114 [115]), steht dem nicht entgegen, da die Zivilprozeßordnung eine dem § 82 Abs. 2 VwGOähnliche Regelung nicht enthält. Eine vergleichbare Vorschrift stellt allerdings § 65 der Finanzgerichtsordnung für das Verfahren vor den Finanzgerichten dar. Daß der Bundesfinanzhof in seiner Rechtsprechung zur Anwendung dieser Vorschrift von der hier zu § 82 Abs. 2 VwGO vertretenen Ansicht abweicht, wird von der Beschwerde nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Im übrigen wird durch die richterliche Frist des § 82 Abs. 2 VwGO nicht die gesetzliche Frist zur Erhebung der Klage verlängert; die richterliche Ergänzungsfrist ist auch keine Ausschlußfrist (vgl. dazu BFHE 104, 309 und 108, 6). Angesichts der vorstehenden Darlegungen ist weiter der Einwand der Beschwerde zurückzuweisen, die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs führte dazu, daß eine Klageschrift keine der in § 82 Abs. 1 VwGO genannten Mindestanforderungen erfüllen müsse, eine zulässige Klage also auch vorliegen könne, wenn in der Klageschrift weder der Kläger noch der Beklagte noch der Streitgegenstand bezeichnet worden ist. Dies trifft auch deshalb nicht zu, weil nach dem eindeutigen Wortlaut des § 82 Abs. 2 VwGO eine Ergänzung nur dann in Betracht kommt, wenn die Klageschrift nicht in vollem Umfang den in Absatz 1 der Vorschrift genannten Anforderungen entspricht, was nicht der Fall ist, wenn es an sämtlichen Erfordernissen fehlt (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluß vom 16. Januar 1964 – BVerwG 2 B 4.63).

4
Die nachträgliche Ergänzung der Klage hinsichtlich der Bezeichnung des Klägers wird schließlich nicht dadurch ausgeschlossen, daß, wie die Beschwerde meint, nach § 82 Abs. 2 VwGO der Kläger zu der erforderlichen Ergänzung aufzufordern ist; in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Klage durch einen Rechtsanwalt erhoben ist, ist die richterliche Aufforderung an den Prozeßbevollmächtigten zu richten. Auf die in der Beschwerdeschrift genannten weiteren Fragen kommt es nicht an.

5
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000 DM festgesetzt.

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