Eigenmächtiges Verladen des Frachtführer kann bei Schadenseintritt Haftung begründen

BGH, Urteil vom 28.11.2013 – I ZR 144/12

1. Wird der Frachtführer (oder eine von ihm eingesetzte Hilfsperson) vor Beendigung des gemäß § 412 Abs. 1 Satz 1 HGB allein dem Absender obliegenden Verladevorgangs ohne dessen Kenntnis und Billigung beim Verladen des Transportgutes tätig, folgt daraus nicht, dass der Frachtführer das Gut schon zu Beginn seiner eigenmächtigen Mitwirkung bei der Verladung im Sinne von § 425 Abs. 1 HGB in seine Obhut genommen hat.

2. Verlädt der Frachtführer oder eine Hilfsperson das Transportgut eigenmächtig und kommt es dabei zu einer Beschädigung des Gutes, begründet dies einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers gegen den Frachtführer gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB.

3. Die Vorschrift des § 433 HGB schließt Güterschäden unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung generell von ihrem Anwendungsbereich aus.

(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg – 12. Zivilsenat – vom 4. Juli 2012 wird auf Kosten des Streithelfers der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streithelfer der Beklagten hat auch die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand
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Die Klägerin ist führender Transportversicherer der Maschinenfabrik R. GmbH in Re. (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte in Höhe von 1.000 € in gewillkürter Prozessstandschaft und im Übrigen aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin wegen Beschädigung von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.

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Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte am 21. April 2008 mit der Beförderung einer aus acht Kisten bestehenden Sendung von Regensburg zu einem in Winnipeg/Kanada ansässigen Empfänger. Das Gut, bei dem es sich um Laststufenschalter handelte, musste bei der Streithelferin der Klägerin, die für die Versicherungsnehmerin als Lagerhalterin tätig ist, abgeholt werden. Mit der Abholung des Gutes bei der Lagerhalterin beauftragte die Beklagte ihren Streithelfer. Dessen Fahrer O. begab sich noch am Tag der Auftragserteilung mit einem Motorwagen nebst Anhänger zum Lager der Versicherungsnehmerin, um das Gut abzuholen. Sechs der acht Kisten wurden von Mitarbeitern der Lagerhalterin auf den Anhänger verladen. Da zwei Kisten nicht mehr auf den Anhänger passten, sollten diese auf den Motorwagen geladen werden. Dazu mussten der Anhänger von der Laderampe entfernt und der Motorwagen herangefahren werden. Nachdem der Fahrer dies erledigt hatte, begann er damit, die beiden restlichen Kisten, die von Mitarbeitern der Lagerhalterin auf einem elektrischen Flurfördergerät übereinandergestapelt für die Verladung bereitgestellt worden waren, auf den Motorwagen zu verbringen. Dabei kippten die Kisten vom Flurfördergerät und fielen auf die Ladefläche des Transportfahrzeugs. Mitarbeiter der Lagerhalterin waren bei diesem Teil des Ladevorgangs nicht zugegen. Sie hatten den Fahrer auch nicht angewiesen, die Verladung des restlichen Gutes auf den Motorwagen selbst vorzunehmen.

3

Die Klägerin hat behauptet, bei den Laststufenschaltern handele es sich um Gegenstände, die hohe technische Anforderungen erfüllen müssten. Eine Überprüfung der Funktionssicherheit nach dem Sturz auf die Ladefläche des Transportfahrzeugs würde höhere Kosten als eine Neuherstellung verursachen. Der Wert eines Laststufenschalters betrage 16.581 €. Ihrer Versicherungsnehmerin sei daher durch die Beschädigung von zwei Laststufenschaltern ein Schaden von 33.162 € entstanden, den sie unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts der Versicherungsnehmerin in Höhe von 1.000 € reguliert habe. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte müsse sich das eigenmächtige sowie schuldhafte Verhalten des Fahrers ihres Streithelfers zurechnen lassen und sei deshalb gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Den Selbstbehalt der Versicherungsnehmerin in Höhe von 1.000 € könne sie im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen.

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Die Klägerin hat die Beklagte daher auf Zahlung von 33.162 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.

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Die Beklagte und ihr Streithelfer haben demgegenüber insbesondere geltend gemacht, der Fahrer habe bei der Lagerhalterin stets beim Verladen von Transportgut geholfen. Er sei daher als deren Hilfsperson und damit für die Versicherungsnehmerin tätig geworden. Aus diesem Grund komme eine Frachtführerhaftung der Beklagten nicht in Betracht.

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Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.

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Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Streithelfer der Beklagten deren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe
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I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Übereinstimmung mit dem Landgericht aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

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Die Klägerin sei berechtigt, den nach der Schadensregulierung auf die Versicherer übergegangenen Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die Mitversicherer geltend zu machen. Gleiches gelte für den bei der Versicherungsnehmerin aufgrund ihres Selbstbehalts verbliebenen Anspruch in Höhe von 1.000 €.

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Die Beklagte sei der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Die Verladung des Gutes in das Transportfahrzeug sei Aufgabe der Mitarbeiter der Lagerhalterin gewesen. Daher habe der Fahrer des Streithelfers der Beklagten pflichtwidrig gehandelt, als er eigenmächtig mit der Verladung der restlichen beiden Kisten begonnen habe. Den bei der Verladung entstandenen Schaden habe der Fahrer auch schuldhaft verursacht. Das Verhalten des Fahrers sei nicht der Lagerhalterin und damit der Versicherungsnehmerin, sondern der Beklagten zuzurechnen. Der Versicherungsnehmerin sei durch das pflichtwidrige und schuldhafte Handeln des Fahrers des Streithelfers der Beklagten ein Schaden in Höhe von 33.162 € entstanden.

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Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf die in § 433 HGB vorgesehene Haftungsbegrenzung berufen. Die in den §§ 425 ff. HGB speziell geregelten frachtrechtlichen Haftungstatbestände kämen nur zur Anwendung, wenn der Schaden in der Zeit von der Übernahme des Gutes zur Beförderung bis zur Ablieferung entstanden sei. Im vorliegenden Fall sei der Schaden bereits vor Beginn des Obhutszeitraums der Beklagten eingetreten, so dass § 433 HGB keine Anwendung finde.

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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision sind nicht begründet. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte für den streitgegenständlichen Schaden gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, § 278 Satz 1, § 276 BGB in voller Höhe haftet.

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1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte nicht nach § 425 Abs. 1 HGB, weil die Beschädigung des Transportgutes vor Beginn ihrer Obhutszeit erfolgt sei.

14

a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin im Sinne von § 459 HGB mit der Beförderung des Gutes von Regensburg zu der in Winnipeg/Kanada ansässigen Empfängerin beauftragt worden ist. Die Revision erhebt insoweit auch keine Beanstandungen. Demgemäß richtet sich die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB).

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b) Gemäß § 425 Abs. 1 HGB haftet der Frachtführer unter anderem für den Schaden, der durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Die verschuldensunabhängige Obhutshaftung des Frachtführers beginnt danach mit der Besitzerlangung an dem zu befördernden Gut, wobei der Erwerb des mittelbaren Besitzes ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2001 – I ZR 13/99, TranspR 2001, 471, 472 = VersR 2001, 1580 zu § 429 HGB aF; Urteil vom 12. Januar 2012 – I ZR 214/10, TranspR 2012, 107 Rn. 13 = VersR 2013, 251; Koller, Transportrecht, 8. Aufl., § 425 HGB Rn. 17). Das Gut muss derart in den Verantwortungsbereich des Frachtführers oder seiner Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 428 HGB gelangt sein, dass er oder seine Gehilfen es vor Schäden bewahren können. In subjektiver Hinsicht muss die Übernahme des Besitzes vom Willen des Frachtführers oder des von ihm beauftragten Gehilfen getragen sein, wobei der Wille im natürlichen Sinn ausreicht (BGH, TranspR 2012, 107 Rn. 13; Koller aaO § 425 HGB Rn. 18; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 425 Rn. 19; MünchKomm.HGB/Herber, 2. Aufl., § 425 Rn. 39).

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Die Haftung gemäß § 425 Abs. 1 HGB erfordert zudem, dass der Frachtführer das Gut gerade zum Zweck der Beförderung, also mit dem Ziel der Ortsveränderung in Richtung auf den Bestimmungsort, übernommen hat. Ist bei der Übernahme bereits ein Beförderungsvertrag zustande gekommen, so kann die Haftungsvorschrift des § 425 Abs. 1 HGB grundsätzlich auch schon vor Beginn der eigentlichen Beförderung in Betracht kommen (BGH, TranspR 2012, 107 Rn. 14; MünchKomm.HGB/Herber aaO § 425 Rn. 40).

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c) Vor diesem Hintergrund begegnet die Annahme des Berufungsgerichts, die Beschädigung des Transportgutes habe sich außerhalb des Haftungszeitraums gemäß § 425 Abs. 1 HGB ereignet, keinen rechtlichen Bedenken.

18

aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend – und von der Revision auch unbeanstandet – davon ausgegangen, dass die Verladung des Transportgutes nicht der Beklagten, sondern mangels anderer vertraglicher Vereinbarungen gemäß § 412 Abs. 1 Satz 1 HGB der Versicherungsnehmerin als Absenderin oblag. Da sich das Gut nicht am Sitz der Versicherungsnehmerin, sondern in der Obhut der von ihr beauftragten Lagerhalterin befand, hatte diese für die Verladung der aus acht Kisten bestehenden Sendung auf das Transportfahrzeug zu sorgen. Dementsprechend wurden die ersten sechs Kisten auch von Mitarbeitern der Lagerhalterin auf den vom Fahrer bereitgestellten Anhänger verladen. Dass der Fahrer dabei in irgendeiner Weise unterstützend tätig war, haben die Vorinstanzen nicht festgestellt und ergibt sich auch nicht aus dem Parteivortrag oder den Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen. Die Mitarbeiter der Lagerhalterin hatten den Fahrer auch nicht aufgefordert oder angewiesen, beim Verladen des Gutes behilflich zu sein oder das Verladen selbst vorzunehmen. Die Verladung des Gutes oblag daher allein der Lagerhalterin der Versicherungsnehmerin, als der Fahrer des Streithelfers der Beklagten „auf eigene Faust“ und ohne Wissen der Mitarbeiter der Lagerhalterin mit dem Verbringen der beiden letzten Kisten auf den von ihm an die Laderampe gefahrenen Motorwagen begann. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass das eigenmächtige Verladen eines Teils des Transportgutes durch den Fahrer keine Übernahme des Gutes im Sinne von § 425 Abs. 1 HGB seitens des Streithelfers der Beklagten (Unterfrachtführer) darstellte.

19

bb) Die Revision hält der Beurteilung des Berufungsgerichts ohne Erfolg entgegen, dem Frachtführer müsse – wenn ihm das eigenmächtige Verladen des Gutes durch eine Hilfsperson (Fahrer) zugerechnet werde – auch zugutekommen, dass die Hilfsperson durch den eigenmächtigen Zugriff auf das Transportgut als Obhutsgehilfe des Frachtführers tätig werde. Die Übernahme in die Obhut setze keine vertragliche Pflicht zur Übernahme voraus, sondern erfordere lediglich einen natürlichen Willen zur Obhutsübernahme, der bei einem eigenmächtig die Verladung vornehmenden Fahrer des Frachtführers mit der Folge gegeben sei, dass die Verladetätigkeit des Fahrers in die Obhutszeit gemäß § 425 Abs. 1 HGB falle.

20

cc) Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Die Revision berücksichtigt nicht genügend, dass es für die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Frachtführerhaftung gemäß § 425 Abs. 1 HGB beginnt, maßgeblich auf die zwischen den Parteien des Beförderungsvertrags getroffenen Vereinbarungen ankommt. Obliegt das Verladen des Gutes dem Absender, so übernimmt der Frachtführer das Gut grundsätzlich erst nach Abschluss der Verladetätigkeit des Absenders oder der von ihm eingesetzten Hilfspersonen (vgl. OLG Celle, NJW 1974, 1095, 1096 zu § 29 KVO; Koller aaO § 425 HGB Rn. 19; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn aaO § 425 Rn. 18; Oetker/Paschke, HGB, 3. Aufl., § 425 Rn. 8). Die Frage, ob das Verladen bereits mit dem Abstellen des Transportgutes auf dem Transportfahrzeug (so MünchKomm.HGB/Herber aaO § 425 Rn. 37) oder erst mit dem Verschließen des Transportfahrzeugs beendet ist (dafür Koller aaO § 425 HGB Rn. 19; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 425 Rn. 18; Oetker/Paschke aaO § 425 Rn. 8), braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden, weil die Mitarbeiter der Lagerhalterin erst sechs der insgesamt acht Kisten verladen hatten, als der Fahrer des Streithelfers der Beklagten mit dem Verbringen der letzten beiden Kisten auf den Motorwagen begann. Die Verladetätigkeit der Lagerhalterin war daher nach beiden Auffassungen noch nicht vollständig beendet.

21

Die Revision zeigt nicht auf, dass die Parteien des Beförderungsvertrags nach dessen Abschluss nachträglich eine von § 412 Abs. 1 Satz 1 HGB abweichende Vereinbarung getroffen hatten. Das bloße Tätigwerden des Fahrers reicht für eine Bejahung einer derartigen Vereinbarung schon deshalb nicht aus, weil der Fahrer ohne Wissen und Wollen der Lagerhalterin mit dem Verladen der letzten beiden Kisten auf den Motorwagen begonnen hat (vgl. Koller aaO § 412 HGB Rn. 11; Reuschle in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 412 Rn. 24).

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Werden Hilfspersonen des Frachtführers vor Beendigung des vom Absender gemäß § 412 Abs. 1 Satz 1 HGB geschuldeten Verladevorgangs beim Verladen tätig, folgt daraus nicht ohne weiteres, dass der Frachtführer das Gut schon zu Beginn der eigenmächtigen Mitwirkung bei der Verladung im Sinne von § 425 Abs. 1 HGB in seine Obhut genommen hat. Dagegen spricht insbesondere, dass sich das Gut trotz der Mitwirkung des Frachtführers oder einer seiner Hilfspersonen noch in der Einflusssphäre des Absenders befindet (Koller aaO § 425 HGB Rn. 19). Die gegenteilige Auffassung der Revision hätte zudem zur Folge, dass der Absender eine einseitig vom Frachtführer veranlasste Haftungsbegrenzung nach § 431 HGB gegen sich gelten lassen müsste, ohne dies voraussehen zu können. Bei einer vertraglich vereinbarten Übertragung der Verladepflicht auf den Frachtführer weiß der Absender, dass die grundsätzlich begrenzte Obhutshaftung des Frachtführers schon zu dem Zeitpunkt einsetzt, in dem der Frachtführer mit der Verladetätigkeit beginnt. Darin liegt der maßgebliche Unterschied zur Fallgestaltung im Streitfall, der gegen die von der Revision vertretenen Ansicht spricht und die Beurteilung des Berufungsgerichts rechtfertigt.

23

2. Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte schulde gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, § 278 Satz 1, § 276 BGB Schadensersatz für die streitgegenständliche Beschädigung des Transportgutes.

24

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Frachtführer wegen einer Schutzpflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, § 278 Satz 1 BGB grundsätzlich haftbar gemacht werden kann, wenn eine von ihm eingesetzte Hilfsperson ohne Wissen und Wollen des verladepflichtigen Absenders „auf eigene Faust“ die Verladung des Transportgutes vornimmt und ihr dabei ein Fehler unterläuft, der zu einem Schaden am Gut des Absenders führt (vgl. Koller aaO § 412 HGB Rn. 14; Heymann/Schlüter, HGB, 2. Aufl., § 412 Rn. 12; Reuschle in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 412 Rn. 19). Das wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

25

b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren mit Recht angenommen, dass der Fahrer des Streithelfers der Beklagten objektiv pflichtwidrig im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB gehandelt hat, als er die beiden auf einem Flurfördergerät von Mitarbeitern der Lagerhalterin zum Verbringen auf das Transportfahrzeug bereitgestellten Kisten verladen hat. Die Verladetätigkeit oblag zu diesem Zeitpunkt der Lagerhalterin, deren Mitarbeiter auch die ersten sechs Kisten auf das Transportfahrzeug verladen hatten. Nach den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Fahrer ohne Wissen und Wollen der Lagerhalterin eigenmächtig mit dem Verladen der restlichen beiden Kisten begonnen. Dazu war er nicht berechtigt, so dass sein Handeln einen objektiven Pflichtenverstoß begründet.

26

c) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht ein Verschulden des Fahrers (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) bejaht. Dies liegt nicht nur in der eigenmächtig ausgeführten Verladetätigkeit mit einem unbekannten Ladegerät – nach seinen eigenen Bekundungen hatte der Fahrer vor dem streitgegenständlichen Schadensereignis noch nie ein elektrisches Flurfördergerät benutzt -, sondern auch in der fehlerhaften Art und Weise, in der das Gut auf das Transportfahrzeug verladen wurde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte der Fahrer mit dem beladenen Flurfördergerät nicht – wie geschehen – vorwärts auf das Transportfahrzeug fahren dürfen, weil bei einem solchen Vorgehen ein Herunterfallen der Kisten von den Gabeln des Ladegeräts nicht zuverlässig verhindert werden konnte.

27

d) Das pflichtwidrige und schuldhafte Verhalten des Fahrers ist entgegen der Ansicht der Revision nicht der Lagerhalterin – und damit der Versicherungsnehmerin als Absenderin , sondern gemäß § 278 Satz 1 BGB der Beklagten zuzurechnen.

28

aa) Die Revision macht geltend, das Landgericht, dem sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, habe nicht festgestellt, dass der Fahrer des Streithelfers der Beklagten ohne jede Veranlassung der Lagerhalterin tätig geworden sei. Es habe vielmehr gewürdigt, dass der Fahrer – ebenso wie der Streithelfer selbst und ein weiterer Fahrer – bestätigt hätten, beim Verladen von Transportgut immer geholfen zu haben. Abweichende Feststellungen habe das Landgericht nicht getroffen. Daher sei davon auszugehen, dass der Fahrer beim Verladen des Gutes zwar habe helfen sollen, jedoch nach der Überzeugung des Landgerichts über den Aufgabenbereich hinausgegangen sei, den er nach dem Willen der Lagerhalterin habe ausüben sollen. Indem das Landgericht ohne weitere Erläuterung auf § 278 BGB Bezug genommen habe, habe es seiner vom Berufungsgericht gebilligten Entscheidung die unzutreffende rechtliche Erwägung zugrunde gelegt, dass weisungswidriges Verhalten einer Hilfsperson, die ein Absender zur Erfüllung seiner Pflicht zur Verladung einschalte, dem Frachtführer zuzurechnen sei, wenn der Frachtführer dieselbe Hilfsperson als Fahrer mit der Durchführung der Beförderung beauftragt habe. Die Doppelfunktion des Fahrers erfordere eine Differenzierung nach Aufgabenbereichen. Wenn ein Fahrer mit Wissen und Wollen des Absenders diesem beim Verladen behilflich sei, werde er mit Wissen und Wollen des Absenders in dessen Pflichtenkreis tätig. Überschreite er dabei eigenmächtig seine Befugnisse, geschehe dies bei Gelegenheit der Verladetätigkeit für den Absender und nicht bei Gelegenheit des Transports für den Frachtführer. Für die Zurechnung zum Absender sei es daher unerheblich, ob der Fahrer des Streithelfers der Beklagten den ihm zugedachten Aufgabenbereich bei der Verladetätigkeit eigenmächtig überschritten habe.

29

bb) Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Sie geht zu Unrecht davon aus, dass der Fahrer im konkreten Fall mit Wissen und Wollen der Lagerhalterin tätig geworden ist. Das Berufungsgericht hat gerade das Gegenteil festgestellt. Die Revision kann ihre Ansicht nicht mit Erfolg darauf stützen, dass der Fahrer O., der Streithelfer selbst und ein weiterer Fahrer des Streithelfers bei ihren Vernehmungen durch das Landgericht ausgesagt haben, sie hätten den Mitarbeitern der Lagerhalterin auch sonst stets beim Verladen von Transportgut geholfen. Es ist schon nicht ersichtlich, worin die Hilfeleistung konkret bestanden hat. Der Darstellung der Revision steht vor allem entgegen, dass der Fahrer selbst bekundet hat, vor dem streitgegenständlichen Schadensfall noch nie ein elektrisches Flurfördergerät bei der Lagerhalterin bedient zu haben. Danach konnte und durfte der Fahrer nicht annehmen, die Lagerhalterin sei damit einverstanden, dass er die Verladung des restlichen Gutes ohne Mitwirkung eines ihrer Bediensteten mit dem ihm unbekannten Ladegerät eigenständig vornimmt. Unter den gegebenen Umständen hat das Berufungsgericht das pflichtwidrige und schuldhafte Tätigwerden des Fahrers O. mit Recht gemäß § 278 Satz 1 BGB der Beklagten zugerechnet.

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Zwischen dem die Haftung auslösenden Handeln des Fahrers und seiner Stellung als Erfüllungsgehilfe der Beklagten besteht auch ein innerer Zusammenhang, da sich der Fahrer nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Absicht eingeschaltet hat, seine Wartezeit zu verkürzen (vgl. auch Koller aaO § 412 HGB Rn. 14).

31

3. Die Revision wendet sich schließlich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte schulde für den eingetretenen Schaden vollen Ersatz, da sie sich nicht auf die Haftungsbegrenzung gemäß § 433 HGB berufen könne.

32

a) Nach § 433 HGB ist die Haftung des Frachtführers auf das Dreifache des Betrags begrenzt, der bei Verlust des Gutes zu zahlen wäre, wenn der Frachtführer wegen der Verletzung einer mit der Ausführung der Beförderung des Gutes zusammenhängenden vertraglichen Pflicht für Schäden haftet, die nicht durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder durch Überschreitung der Lieferfrist entstehen, und wenn es sich um andere Schäden als Sach- oder Personenschäden handelt. Von der Vorschrift werden nach ihrem Wortlaut mithin nur solche Schäden erfasst, die nicht durch Verlust oder Beschädigung des Gutes entstanden sind. Zudem gilt die Bestimmung nur für andere als Sach- oder Personenschäden.

33

b) Im Schrifttum wird allerdings die Auffassung vertreten, dass nur solche Güterschäden nicht dem Anwendungsbereich des § 433 HGB unterfallen, die innerhalb des Haftungszeitraums des § 425 Abs. 1 HGB, also während der Obhutszeit des Frachtführers, entstanden sind. Dagegen soll § 433 HGB auch bei Güterschäden zur Anwendung kommen, wenn die Ursache für deren Entstehung ausschließlich außerhalb des Obhutszeitraums des § 425 Abs. 1 HGB gesetzt worden ist (vgl. Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 433 Rn. 4; Koller aaO § 433 HGB Rn. 4; Fremuth in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 433 HGB Rn. 12).

34

c) Dieser Auffassung vermag der Senat nicht beizutreten. Sie ist mit dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 433 HGB nicht in Einklang zu bringen. Anders als § 425 Abs. 1 HGB, der ausdrücklich nur für den Obhutszeitraum des Frachtführers eine spezielle abschließende Regelung enthält und dadurch außerhalb dieses Zeitraums eine ergänzende Anwendung von § 280 Abs. 1 BGB zulässt, schließt § 433 HGB Güterschäden unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung generell vom Geltungsbereich der Vorschrift aus (vgl. Hackert, Die Reichweite der Haftungsbegrenzung bei sonstigen Vermögensschäden gemäß § 433 HGB [2000], S. 124).

35

Durch den Wortlaut von § 433 HGB wird zudem klargestellt, dass nur solche Schäden erfasst sind, die unabhängig von einem Substanzschaden an den Gütern eingetreten sind, die also keine Folgeschäden von Güter- oder Verspätungsschäden darstellen (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts, BT-Drucks. 13/8445, S. 69).

36

Der Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 433 HGB kann überdies entnommen werden, dass die Verletzung absoluter deliktsrechtlich geschützter Rechtsgüter, zu denen gemäß § 823 Abs. 1 BGB auch das Eigentum gehört, grundsätzlich keiner Haftungsbegrenzung unterfallen soll, wenn diese lediglich aus Anlass der Vertragserfüllung zu Schaden kommen (vgl. Andresen/Valder, Speditions-, Fracht- und Lagerrecht, Lfg. 1/06, § 433 HGB Rn. 13).

37

d) Im vorliegenden Fall geht es um einen Sachschaden, der durch Beschädigung des Transportgutes entstanden ist. Es handelt sich mithin nicht um einen Schaden, der von der Haftungsbegrenzung gemäß § 433 HGB erfasst wird. Auf die Frage, ob § 433 HGB lediglich bei einer Haftung des Frachtführers nach § 425 Abs. 1 HGB oder auch bei einer Haftung gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen einer Schutzpflichtverletzung anwendbar ist, kommt es daher im Streitfall nicht an.

38

Gegen die vom Berufungsgericht festgestellte Schadenshöhe von 33.162 € hat die Revision nichts erinnert.

39

III. Danach ist die Revision des Streithelfers der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.</>

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