LG Berlin, Urteil vom 22.06.2010 – 10 S 10/09
Nach der ganz überwiegenden Auffassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung begründet das Zurücklassen einer EC-Karte in einem unbeaufsichtigten Pkw den Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens (Rn. 11).
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Mitte vom 25.11.2009 – 21 C 442/08 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
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(abgekürzte Fassung gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
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A. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
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B. Das Rechtsmittel der Beklagten hat darüber hinaus auch in der Sache Erfolg, weshalb das erstinstanzliche Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern war. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von 2.759,86 € zu. Ein Zahlungsanspruch ergibt sich weder aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt BGB noch aus §§ 667, 675 Abs.1 BGB. Zwar trifft es zu, dass ein Bankkunde, auf dessen Girokonto ohne seinen Auftrag oder sonstigen Rechtsgrund Belastungsbuchungen vorgenommen werden, nicht nur die Rückbuchung, sondern auch die unmittelbare Auszahlung des sich nach der Berichtigung ergebenden Guthabens von der Konto führenden Bank verlangen kann (BGHZ 121, 98, 106; Schimansky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl, § 47 Rn. 28).
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I. Diese Voraussetzungen liegen hier allerdings lediglich im Hinblick auf einen fehlenden Auftrag der Klägerin vor. Das Amtsgericht geht insoweit zu Recht davon aus, dass ein wirksamer Auftrag für die Belastungsbuchungen in Höhe von insgesamt 2.759,86 € nicht erteilt wurde, weil die Klägerin substantiiert und nachvollziehbar zu der Entwendung der EC-Karten vorgetragen hat. Insbesondere schildert die Klägerin nachvollziehbar und belegt dies durch Urkunden, dass sie umgehend nach dem Diebstahl eine Anzeige bei der spanischen Polizei erstattete, anschließend das Konsulat besuchte, um sich neue Ausweispapiere ausstellen zu lassen und schließlich auch die Schlösser ihres Apartments austauschen ließ. Dies ist ausreichend um den für die Bank sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern, dass die Abhebung durch den Kunden selbst oder mit seinem Einverständnis erfolgt ist (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl/Caspar, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlungen, 23. Aufl. 2008, Kartenzahlungen Rn. 37). Ein Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin ist damit bereits nach § 676h BGB in der bis zum 31.10.2009 geltenden Fassung ausgeschlossen.
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II. Der Beklagten steht aber gegen die Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung zu, den sie in das Kontokorrent einstellen und mit dem sie das Girokonto der Klägerin belasten durfte (vgl. BGHZ 84, 371, 376; BGHZ 160, 308 Tz. 19). Da die Beklagte dies getan hat, bedurfte es entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und Klägerin nicht mehr einer gesonderten Aufrechnungserklärung gegen die Klageforderung. Ebenfalls entgegen der Auffassung des Amtsgerichts haftet die Klägerin für die durch die missbräuchliche Verwendung ihrer EC-Karte entstandenen Schäden, weil diese auf einer grob fahrlässigen Verletzung der Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten beruhen. Eine solche Pflichtverletzung der Klägerin ist sowohl im Hinblick auf die Entwendung der EC-Karten (dazu 1.) als auch auf die Aufbewahrung der PIN (dazu 2.) zu bejahen. Da beide Pflichtverletzungen unabhängig voneinander zu einem Schadensersatzanspruch der Beklagten führen, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Klägerin auch in Bezug auf die Kartensperrung grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
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1. a. Erstinstanzlich hat die Kläger vorgetragen, dass sie die EC-Karten in ihrer verschlossenen Handtasche im verschlossenen Handschuhfach des verschlossenen Pkws zurückließ und dann nach wenigen Minuten zu ihrem Auto zurückkehrte. Dieses Verhalten stellt eine Verletzung der in Ziffer II.6.2 der „Bedingungen für die xxxx Card“ (nachfolgend: AGB) geregelten Pflichten der Klägerin dar (vgl. Anlage B 1, Bd. 1, BI. 53). Hierin heißt es ausdrücklich:
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„Die Karte ist mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren, um zu verhindern, dass sie abhanden kommt und missbräuchlich verwendet wird. Sie darf insbesondere nicht unbeaufsichtigt im Kraftfahrzeug aufbewahrt werden (…).“
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Bei dieser Regelung handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Diese sind auch Bestandteil der zwischen den Parteien bestehenden Kontoführungsverträge geworden. Die Voraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 305 Abs. 2 BGB liegen vor. Es ist unstreitig, dass die Klägerin bei Abschluss der Verträge ausdrücklich auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen worden ist (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dies ergibt sich bereits aus der Unterschrift der Klägerin unter den als Anlage B 3 und B 4 vorgelegten Kontoeröffnungsanträgen. Darüber hinaus bestand für die Klägerin auch die Möglichkeit, in zumutbarer Weise von den allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen (305 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Hierfür reicht es bei einem entsprechenden ausdrücklichen Hinweis aus, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Einsicht bereit gehalten werden (BGH NJW-RR 2007, 32 ff. m. w. N.). Ein entsprechender ausdrücklicher Hinweis auf die Einsichtnahmemöglichkeit befindet sich in den von der Klägerin unterzeichneten Unterlagen (Anlagen B 3 und B 4). Soweit die Klägerin bestritten hat, dass die Geschäftsbedingungen bei der Beklagten eingesehen werden können, handelt es sich erkennbar um ein unbeachtliches Bestreiten „ins Blaue hinein“.
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Die Klausel hält auch einer Inhaltskontrolle nach den § 305 ff. BGB stand. Es liegt weder ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB noch eine überraschende Klausel im Sinne von 305 c BGB vor. Für eine weitere Inhaltskontrolle fehlt es bereits an den hierfür erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, denn es kann nicht erkannt werden, dass durch diese Klausel eine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung vereinbart wurde. Schließlich werden in Ziffer II.6.2 der AGB lediglich bestimmte Sorgfaltspflichten des Karteninhabers konkretisiert, die sich ohnehin als vertragliche Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben.
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Die der Klägerin zur Last fallende Sorgfaltspflichtverletzung ist darüber hinaus auch als grob fahrlässig zu qualifizieren. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste, wobei auch subjektive Umstände zu berücksichtigen sind (Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Auflage 2010, § 278 Rn. 5 m. w. N.).
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Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall – entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung – erfüllt. Nach der ganz überwiegenden Auffassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung begründet das Zurücklassen einer EC-Karte in einem unbeaufsichtigten Pkw den Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens (OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 555; OLG Düsseldorf MDR 2008, 95; LG Hamburg, NJW-RR 2002, 264; AG Nürnberg WM 2002, 1060; AG Spandau WM 2001, 856; AG Hamburg, Urteil vom 29.06.2005, 7c C 156/04). Die Aufbewahrung einer Zahlungskarte im Pkw kann sich nur im Einzelfall nicht als grob fahrlässig darstellen, wenn keine sicherere Verhaltensalternative offen steht und es somit an der Vermeidbarkeit eingetretenen Erfolges fehlt (OLG Frankfurt WM 2002, 1055 [Strandbesuch]). Im Hinblick auf zahlreiche Einbruchsdiebstähle in Kraftfahrzeugen muss es als Allgemeinwissen angesehen werden, dass Wertgegenstände, Geld oder Bankkarten nicht unbeaufsichtigt in einem Fahrzeug zurückgelassen werden dürfen. Dies gilt auch dann, wenn die Wertgegenstände, wie im vorliegenden Fall, von außen nicht sichtbar sind, weil sie im Handschuhfach verschlossen werden. Zwar mag hierdurch das Risiko eines Einbruchdiebstahls verringert werden. Ausschließen kann es dieses Risiko jedoch nicht. Es stellt eine ganz nahe liegende Überlegung dar, dass ein Täter, der sich bereits Zutritt zum Fahrzeug verschafft hat, auch von einem verschlossenen Handschuhfach nicht Halt machen wird. Vielmehr dürfte gerade ein verschlossenes Handschuhfach das Interesse des jeweiligen Täters erwecken.
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Auch das für den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit erforderliche subjektive Element ist gegeben. Dass sich die Klägerin des Risikos eines Einbruchdiebstahls grundsätzlich bewusst war, zeigen gerade die von ihr getroffenen Vorsichtsmaßnahmen. Darüber hinaus hat die Beklagte in ihren AGB auf die besondere Gefahrenlage im Kraftfahrzeugen ausdrücklich hingewiesen. Das Fehlen einer sichereren Verhaltensalternative kann nicht festgestellt werden. Schließlich wäre es der Klägerin ohne Weiteres möglich gewesen, ihre EC-Karte bei dem Besuch des Ladenlokals mitzunehmen, ohne dass sich hierdurch die Gefahr eines Diebstahls erhöht hätte.
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Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts folgt eine andere rechtliche Beurteilung auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung der Vorschriften des nationalen Rechts im Lichte der Richtlinie 2007/64/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (Zahlungsdiensterichtlinie). Dabei erscheint bereits zweifelhaft, ob der Zahlungsdiensterichtlinie tatsächlich bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist zum 1. November 2009 (Art. 94 Abs. 1 Zahlungsdiensterichtlinie) eine Vorwirkung zukommt, die sich nicht nur auf das Verhältnis Staat-Bürger, sondern darüber hinaus auch unmittelbar auf das Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten untereinander erstreckt, wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung angenommen hat. Nach dem derzeitigen Diskussionstand kann eine horizontale Drittwirkung einer Richtlinie vor Ablauf der Umsetzungsfrist keineswegs als gesichert angesehen werden (vgl. Hobe, Europarecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 30 ff.; Karpenstein, Praxis des EG-Rechts, 1. Aufl. 2006, Rn. 68 ff.; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 7. Auf. 2010, Rn. 388 ff.).
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Letztlich kann die Frage aber auf sich beruhen. Denn für die Fragestellung, was unter grober Fahrlässigkeit zu verstehen ist, sind der Richtlinie ohnehin keine verbindlichen Vorgaben zu entnehmen. Vielmehr heißt es hierzu im Erwägungsgrund 33 der Richtlinie wörtlich:
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„Zur Feststellung einer möglichen Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzers sollten alle Umstände berücksichtigt werden. Ob und in welchem Maße fahrlässig gehandelt wurde, sollte nach einzelstaatlichem Recht beurteilt werden.“
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Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass in Art. 61 Abs. 2 Zahlungsdiensterichtlinie ausdrücklich eine Haftung des Karteninhabers bei grob fahrlässigen Pflichtverstößen vorsieht, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Richtlinie einer Fortführung der bisherigen Rechtsprechung zur groben Fahrlässigkeit bei der Verwahrung von EC-Karten entgegenstehen könnte.
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b. Soweit die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung die Entwendung der EC-Karten abweichend von ihrem erstinstanzlichen Vortrag geschildert hat, vermag dies an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Zum einen ist die Klägerin mit diesem neuen Tatsachenvortrag, den die Beklagte in zulässiger Weise gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreitet, in der Berufungsinstanz ausgeschlossen (§ 531 Abs. 2 ZPO). Zum anderen wäre das Verhalten der Klägerin auch unter Zugrundelegung des neuen Vortrags als grob fahrlässig zu qualifizieren. Denn die Klägerin musste nach Lage der Dinge damit rechnen, dass sie beim Verstauen des Portemonnaie im Handschuhfach beobachtet wird, so dass auch die kurze Zeit, welche sie zum Wegbringen des Einkaufswagens benötigte, für einen Blitzeinbruch in das Fahrzeug ausreichend sein konnte. Vor diesem Hintergrund kann auch auf sich beruhen, ob nicht möglicherweise die in dem Vernehmungsprotokoll der Guardia Civil vom 22. September 2008 festgehaltene Sachverhaltsschilderung der Klägerin zutrifft, wonach sie das Fahrzeug unverschlossen zurückgelassen hat, wofür spricht, dass an dem Pkw keinerlei Einbruchsspuren festgestellt werden konnten.
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2. Darüber hinaus fällt der Klägerin im Zusammenhang mit der Aufbewahrung der zu den beiden EC-Karten jeweils gehörenden PIN-Nummern eine weitere grob fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung zur Last, welche einen Schadensersatzanspruch der Beklagten in Höhe der Klageforderung begründet.
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a. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung und sicheren Aufbewahrung der PIN ergibt sich sowohl aus Ziffer II.6.3 der AGB (Anlage B 1) als auch aus einer vertraglichen Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Grundsätzlich ist die Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen für das Vorliegen einer entsprechenden Pflichtverletzung beweisbelastet. Diesen Beweis hat die Beklagte hier nicht geführt. Es fehlt bereits an einem ausreichend substantiierten Vortrag der Beklagten dazu, wann und wo Dritte durch ein fehlerhaftes Verhalten der Klägerin Kenntnis von deren PIN erlangt haben sollen.
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Allerdings kommen einer Bank nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter bestimmten Voraussetzungen die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins zugute. Danach spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Karteninhaber die PIN auf der Karte notiert oder aber die PIN gemeinsam mit der Karte verwahrt hat, wenn zeitnah nach einem Diebstahl einer EC-Karte unter Verwendung der Karte und der Eingabe der richtigen PIN an einem Geldautomaten einer Bank Bargeld abgehoben wird (BGHZ 160, 308 = NJW 2004, 3623 ff.). Von dieser Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis ist in einer erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung auch das Bundesverfassungsgericht ausgegangen (BVerfG, WM 2010, 208, 209 f.). Es hat allerdings klargestellt, dass im Einzelfall geprüft werden muss, ob der für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderliche typische Geschehensablauf tatsächlich vorliegt.
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Die vom BGH aufgestellten Voraussetzungen für ein Eingreifen der Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins sind vorliegend erfüllt. Beide Karten wurde zeitnah nach einem Diebstahl unter Verwendung der richtigen PIN zur Abhebung von Geldbeträgen an einem Geldautomaten gebraucht. Nach der Rechtsprechung des BGH spricht somit ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin ihre PIN-Nummern auf den Karten notiert oder aber die PIN-Nummern gemeinsam mit den Karten verwahrt hat.
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Die Regeln des Anscheinsbeweises sind vorliegend auch nicht deshalb unanwendbar, weil ein anderer typischer Geschehensablauf denkbar ist, für den die Klägerin nicht die Haftung zu übernehmen hätte. Spricht ein Anscheinsbeweis für einen bestimmten Ursachenverlauf, kann der Beweisgegner diesen entkräften, indem er Tatsachen darlegt und gegebenenfalls beweist, welche die ernsthafte, ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit einer anderen Ursache nahe legen (BGH NJW 1991, 230, 231 m. w. N.; BGH VersR 1995, 723, 724). Als eine solche andere Ursache kommt im Falle der missbräuchlichen Verwendung von EC-Karten die Möglichkeit des Ausspähens der persönlichen Geheimzahl durch einen Dritten in Betracht, wenn die EC-Karte in einem näheren zeitlichen Zusammenhang mit der Eingabe der PIN durch den Karteninhaber an einer Geldausgabeautomaten oder einem POS-Terminal entwendet worden ist (BGHZ 160, 308 = BGH NJW 2004, 3623 ff.).
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Die Voraussetzungen für eine Erschütterung des Anscheinsbeweises liegen hier jedoch nicht vor. Zwar ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Einsatz einer der beiden Karten an einem POS-Terminal und der nachfolgenden Entwendung zu bejahen. Allerdings erscheint ein Ausspähen der PIN-Nummer durch den späteren Dieb bereits deshalb nicht plausibel, weil die Klägerin nach dem Zahlungsvorgang im Hotel nach ihrem eigenen Vortrag ihren Pkw bestiegen und mit diesem eine Fahrstrecke von 10 bis 20 Minuten zurückgelegt hat. Eine Verfolgung erscheint unter diesen Umständen wenig wahrscheinlich. Entscheidend gegen diesen alternativen Geschehensablauf spricht aber, dass die Klägerin lediglich eine der beiden Karten bei dem Zahlungsvorgang verwendet hat, während die späteren Abhebungen mit beiden EC-Karten erfolgt sind. Da für beide Karten unterschiedliche PIN-Nummern vergeben waren, wie die Klägerin auf Befragen in der mündlichen Berufungsverhandlung nochmals klargestellt hat, kommt ein Ausspähen der PIN-Nummern als alternative Schadensursache schon deshalb nicht in Betracht.
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Die Tatsache, dass die Klägerin neben einer Kreditkarte zwei verschiedene EC-Karten mit zwei unterschiedlichen PIN-Nummern mit sich führte, erhöht im Übrigen – unabhängig von dem für die Beklagte sprechenden Anscheinsbeweis – auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Wahrscheinlichkeit, dass die PIN-Nummern tatsächlich notiert worden sind. Denn dieser Umstand machte es für die Klägerin nicht nur erforderlich, sich mindestens zwei verschiedene PIN-Nummern gleichzeitig zu merken, vielmehr musste sie darüber hinaus auch im Gedächtnis behalten, welche der Nummern mit welcher Karte zu verwenden war.
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b. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind keine überzeugenden Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, von der Rechtsprechung des BGH zum Anscheinsbeweis bei der missbräuchlichen Verwendung entwendeter EC-Karten abzuweichen.
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aa. Soweit das Amtsgericht in diesem Zusammenhang auf die in den letzten Jahren zunehmenden Phishing- und Skimming-Fälle verweist, vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil es sich nicht um vergleichbare Sachverhalte handelt. Unter Phishing werden kriminelle Versuche verstanden, Internet-Nutzer mittels fingierter E-Mails zur Eingabe zur Eingabe persönlicher Daten auf einer gefälschten Internet-Seite zu veranlassen, um auf diese Weise an dessen PIN- und TAN-Nummern zu gelangen.
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Beim so genannten Skimming werden Geldautomaten oder POS-Terminals durch den Einbau von Lesegeräten derart manipuliert, dass die auf der Karte gespeicherten Daten ausgelesen werden können. Gleichzeitig erfolgt ein Ausspähen der PIN, wenn diese vom Karteninhaber am Geldautomaten oder POS-Terminal eingegeben wird, etwa durch Einbau einer Kamera. Die ausgelesenen Magnetstreifendaten werden sodann auf einen Kartenrohling übertragen. Die auf diese Weise erzeugte Kartendublette wird anschließend zusammen mit der ausgespähten PIN zur Bargeldbeschaffung eingesetzt.
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Die beschriebenen kriminellen Praktiken vermögen den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Anscheinsbeweis bereits deshalb nicht zu entkräften, weil dieser zwingend voraussetzt, dass die Originalkarte für die missbräuchliche Verfügungen eingesetzt wurde, was weder beim Phishing noch beim Skimming der Fall ist.
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bb. Schließlich rechtfertigen auch die Bestimmungen der Zahlungsdiensterichtlinie entgegen dem erstinstanzlichen Urteil keine abweichende Beurteilung der Rechtslage. Wie schon an anderer Stellte ausgeführt, erscheint es bereits ausgesprochen zweifelhaft, ob die Richtlinie vor ihrer Umsetzung in das nationale Recht und vor Ablauf der Umsetzungsfrist im Sinne einer horizontalen Drittwirkung der Beklagten entgegengehalten werden kann. Letztlich kann diese Frage aber auch im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen, weil die Bestimmungen der Richtlinie der weiteren Anwendung des von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Anscheinsbeweis nicht entgegenstehen (Palandt/Sprau, a. a. O., § 675w Rn. 4; Grundmann, WM 2009, 1157, 1163; Lohmann/Koch, WM 2008, 57, 63; Willershausen, jurisPR-BKR 4/2010 Anm. 6).
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Die weitere Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises wird weder in der Zahlungsdiensterichtlinie noch in den mittlerweile zur ihrer Umsetzung eingeführten Bestimmungen des deutschen Rechts (§§ 675c BGB ff.) ausdrücklich angesprochen. Hinsichtlich der Richtlinie ist dies darauf zurückzuführen, dass sich der europäische Normgeber bewusst dafür entschieden hat, die mit der Beweislastverteilung zusammen hängenden Fragen dem Recht der Mitgliedsstaaten zu überlassen. In dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (BT-Drucks. 16/11643) heißt es hierzu wörtlich:
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„Der Inhalt von Artikel 59 der Zahlungsdiensterichtlinie hat sich gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag vom Dezember 2005 (KOM (2005) 603 endg.; Artikel 48) deutlich gewandelt. Dieser sah noch eine sehr detaillierte Beweislastverteilung vor, welche jedoch weder auf die Zustimmung der Mehrheit der Mitgliedstaaten noch des Europäischen Parlaments stieß. Ergebnis der Verhandlungen waren schließlich die Mindestanforderungen, wie sie in Artikel 59 ihren Niederschlag gefunden haben, die nur noch Teile des Kommissionsvorschlages enthalten und ansonsten die bestehenden nationalen Beweislastverteilungsgrundsätze unberührt lassen sollen. Denn gerade den Mitgliedstaaten war es während der Verhandlungen ein Anliegen, unnötige Konflikte mit den jeweiligen nationalen Beweisgrundsätzen zu vermeiden (siehe Ratsgruppen-Arbeitsdokument Nr. 3 vom Mai 2006; Nachfolge-Dokument 8623/06 ADD 2 REV 1 vom 30. Juni 2006 erwähnt dies nicht mehr ausdrücklich).“
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Unabhängig hiervon ist auch dem Erwägungsgrund 33 der Richtlinie eindeutig zu entnehmen, dass bei der Beurteilung, ob der Karteninhaber grob fahrlässig gehandelt hat, die Beweislastgrundsätze des jeweiligen Mitgliedstaats heranzuziehen sind. Ferner besagt Art. 59 Abs. 2 der Zahlungsdiensterichtlinie, dass es für den Nachweis, der Karteninhaber habe entweder selbst autorisiert oder seine Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, nicht notwendigerweise (sic!) genügt, die technisch ordnungsgemäße Kartenverwendung unter Eingabe der richtigen PIN nachzuweisen. Auch aus dieser Formulierung wird deutlich, dass die Richtlinie nationalen Beweislastregeln wie dem Anscheinsbeweis nach deutschem Recht nicht entgegensteht, sofern dem Karteninhaber nicht die Möglichkeit genommen wird, die aus der technisch ordnungsgemäßen Verwendung der Zahlungskarte resultierende tatsächliche Vermutung zu erschüttern (Caspar, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 676h Rn. 34).
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C. Für die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs gemäß Art. 267 AEUV (Art. 234 EGV) bietet der Rechtsstreit kein Anlass. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof steht bereits entgegen, dass die Richtlinie, auf die sich die Klägerin beruft, zu dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt weder in das nationale Recht umgesetzt noch die Umsetzungsfrist bereits abgelaufen war. Insoweit ist nicht ersichtlich, welche Auslegungsfrage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt werden sollte.
34
D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen ebenfalls nicht vor, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Wie bereits dargelegt, konnte sich die Kammer bei ihrer Entscheidung auf eine gefestigte Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte stützen.
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E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO