BGH: Sturz auf den Boden stellt einen Unfall dar

BGH, Urteil vom 06.07.2011 – IV ZR 29/09

Verletzt sich der Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung bei einem Sturz dadurch, dass er auf den Boden prallt, liegt darin ein von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis. Insoweit ist nur das Geschehen in den Blick zu nehmen, das die Gesundheitsbeschädigung unmittelbar herbeiführt (Rn.14) (Rn.15).

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Januar 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


Von Rechts wegen

Tatbestand

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Der Kläger fordert weitere Invaliditätsleistungen aus zwei bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherungen wegen einer Schulterverletzung, die er sich am 3. März 2000 beim Skifahren zugezogen hat.

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Den beiden in den Jahren 1998 und 2004 geschlossenen Verträgen liegen zum einen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 1961 (AUB 61) und zum anderen Allgemeine Bedingungen für die Unfallrentenversicherung 1998 (AURB 98) zugrunde. Danach liegt ein versicherter Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet (§ 2 (1) AUB 61; § 1 III AURB 98). In dem 1998 geschlossenen Vertrag ist eine Invaliditäts-Grundsumme von 68.000 DM mit einer Progressionsstaffel vereinbart, die bis zur vierfachen Grundsumme ansteigt. Der Vertrag aus dem Jahre 2004 sieht für eine Invalidität zwischen 33% und 66% eine monatliche Rente von 923 € vor.

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Vorgerichtlich hat die Beklagte unter Zugrundelegung einer Invalidität von 4/10 Armwert (das entspricht einer Gesamtinvalidität von 28% und einem progressiven Invaliditätsgrad von 37%) aus dem 1998 geschlossenen Versicherungsvertrag als Einmalzahlung eine Invaliditätsleistung von 12.864,10 € erbracht. Rentenleistungen aus dem zweiten Versicherungsvertrag hat sie abgelehnt.

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Nach der Behauptung des Klägers hat sich bei ihm eine bereits vorhandene Vorschädigung der Rotatorenmanschette verschlimmert, als er nach einer gefährlichen Annäherung eines anderen Skifahrers bei dem Vorfall vom 3. März 2000 zu Fall kam und auf die linke Schulter stürzte. Der linke Arm sei seither zu 50% invalide (Gesamtinvalidität demnach 35%).

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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

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Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in VersR 2009, 1252 veröffentlicht ist, hat angenommen, die Klage scheitere schon daran, dass kein Versicherungsfall vorliege; einen bedingungsgemäßen Unfall habe der Kläger nicht bewiesen. Grundsätzlich müsse dafür die Außenwelt, mithin Personen oder Sachen, in Form eines Zusammenstoßes auf den Körper des Versicherten einwirken. Eigenbewegungen, welche zu einer Gesundheitsbeschädigung führten, könnten demgegenüber nur dann als Unfall angesehen werden, wenn die entscheidende Ursache der Verletzung von einem irregulären Zustand der Außenwelt, etwa besonderen Hindernissen, Bodenunebenheiten oder einer besonderen Bodenbeschaffenheit herrühre. Beruhe die Verletzung hingegen lediglich auf einer ungeschickten Eigenbewegung, ohne dass ein solches äußeres Ereignis mitwirke, liege kein bedingungsgemäßer Unfall vor.

8

Nach diesen Maßstäben habe der Kläger den Beweis für einen bedingungsgemäßen Unfall nicht erbracht. Zwar habe er behauptet, beim Befahren eines steilen Hanges habe sich ein von rechts kommender Skifahrer derart angenähert, dass es zu einer Kollision gekommen wäre, wenn er, der Kläger, nicht nach links ausgewichen wäre, wobei er sodann in einen Schneehaufen gefahren und gestürzt sei. Das stellte aber nur dann einen bedingungsgemäßen Unfall dar, wenn zu der Eigenbewegung des Ausweichens als äußere Einwirkung noch die Schneewehe als Ursache des Sturzes hinzugetreten wäre. Einen solchen Geschehensablauf habe die Beweisaufnahme nicht bestätigt.

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Auch eine bewusste Ausweichbewegung des Klägers, die das äußere Schadenereignis psychisch hätte vermitteln können, sei nicht bewiesen.

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Nach allem könne offen bleiben, ob die Invalidität des Klägers rechtzeitig ärztlich festgestellt worden sei, welchen Grad sie unter Berücksichtigung der Vorschädigung erreiche und ob der Kläger den Versicherungsfall rechtzeitig angezeigt habe.

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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

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1. Unter Zugrundelegung seines Vorbringens hat der Kläger einen bedingungsgemäßen Unfall erlitten. Das Berufungsgericht hat nicht bedacht, dass die Schulterverletzung erst infolge des Sturzes beim linksseitigen Aufprall des Klägers auf die Skipiste eingetreten ist und deshalb ein Zusammenprall des Körpers mit dem Boden unmittelbare Ursache der Gesundheitsbeschädigung war.

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a) Nach den hier vereinbarten Unfallversicherungsbedingungen und auch der gesetzlichen Definition in § 178 Abs. 2 VVG liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis eine unfreiwillige Gesundheitsbeschädigung erleidet. Dafür, dass der Sturz hier nicht plötzlich geschehen oder der Kläger freiwillig zu Schaden gekommen wäre, ist nichts ersichtlich.

14

b) Für die Frage, ob die Einwirkung „von außen“ erfolgt, ist allein das Ereignis in den Blick zu nehmen, das die Gesundheitsbeschädigung unmittelbar herbeiführt. Nicht entscheidend sind demgegenüber die Ursachen, auf denen dieses Ereignis seinerseits beruht (vgl. BGHZ 23, 76, 80; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 178 Rn. 3; Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung 1 Rn. 7). Jedenfalls dann, wenn – wie hier – eine Verletzung erst als unmittelbare Folge eines Aufpralls des Körpers auf einen anderen Gegenstand – hier die Skipiste – eintritt, liegt darin der von den Bedingungen vorausgesetzte, schadensursächliche Kontakt des Körpers des Versicherten zur Außenwelt und deshalb ein von außen wirkendes Ereignis vor (Knappmann aaO Rn. 4; Knappmann, VersR 2009, 1652; Grimm, Unfallversicherung 4. Aufl. § 1 Rn. 28; Jannsen aaO; Marlow/Tschersich, r+s 2009, 441, 442; Kloth,jurisPR-VersR 6/2009 Anm. 4; Rüffer in HK-VVG, § 178 Rn. 4; vgl. auch OLG Koblenz NVersZ 2000, 379, 380; OLG Saarbrücken VersR 2004, 1544, 1545). Es macht insoweit keinen Unterschied, ob der Körper des Versicherten mit einer beweglichen oder unbeweglichen Sache kollidiert.

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c) Ob auch eine Eigenbewegung des Versicherten im Zusammenspiel mit äußeren Einflüssen als ein von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis im Sinne dieses Unfallbegriffs angesehen werden kann (vgl. dazu OLG Hamm VersR 1995, 1181; OLG Saarbrücken VersR 2005, 1276, 1277; Rüffer in HK-VVG aaO), ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nur zu prüfen, wenn schon diese Eigenbewegung – und nicht erst eine durch sie verursachte Kollision – zur Gesundheitsbeschädigung führt (Knappmann, VersR 2009, 1652). So lag der Senatsentscheidung vom 28. Januar 2009 (IV ZR 6/08, r+s 2009, 161 Rn. 11) ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Versicherte sich nach einem Fehltritt noch im Fallen infolge einer Drehbewegung unter der von ihm mitgeführten 40 kg schweren Last eine Verletzung der Wirbelsäule zugezogen hatte.

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2. Die Sache bedarf, da das Berufungsgericht die weiteren Einwände der Beklagten bisher nicht geprüft hat, neuer Verhandlung und Entscheidung.

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Der Senat weist darauf hin, dass die Frage, ob – wie § 8 II (1) AUB 61 dies für den älteren Versicherungsvertrag voraussetzt – die Invalidität des Klägers binnen 15 Monaten seit dem Unfalltag ärztlich festgestellt worden ist, weiterer Klärung bedarf. Zwar hat die Beklagte die in Beantwortung ihrer Fragen erteilte ärztliche Bescheinigung des A. -K. -Krankenhauses des Landkreises H. vom 14. Mai 2001 zum Anlass genommen, eine Invalidität des Klägers anzuerkennen. Der Inhalt dieser ärztlichen Bescheinigung, die lediglich knapp gefasste Antworten gibt, kann jedoch ohne Kenntnis der zugrunde liegenden Fragen nicht nachvollzogen werden.

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