Befugnis des Vermieters zur einseitigen Änderung der Mietstruktur gilt auch für Altmietverträge

BGH, Urteil vom 21.09.2011 – VIII ZR 97/11

Mangels einer besonderen Übergangsregelung in Art. 229 § 3 EGBGB ist die Regelung des § 556a BGB, wonach der Vermieter abweichend von der getroffenen mietvertraglichen Regelung befugt ist, einseitig die Mietstruktur zu ändern, wenn die Betriebskosten ganz oder teilweise nach dem Verbrauch oder der Verursachung durch den Mieter erfasst werden, auch auf die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes am 1. September 2001 bestehenden Mietverhältnisse uneingeschränkt anwendbar (Rn.16).

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin vom 7. März 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Mit Mietvertrag vom 18. Mai 1979 mietete der Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Kläger eine Vierzimmerwohnung in B. . In dem Mietvertrag war ursprünglich eine monatliche Kaltmiete von 426,74 DM vereinbart; Nebenkosten sind bei dem monatlich zu zahlenden Betrag nicht aufgeführt.

2

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2006 teilten die Kläger dem Beklagten mit, dass sie beabsichtigten, ab dem Jahr 2007 den Wasserverbrauch über einen noch einzubauenden Kaltwasserzähler zu erfassen und verbrauchsabhängig abzurechnen. Außerdem erklärten sie, für die Kosten der Wasserversorgung ab dem 1. Januar 2007 einen Vorschussbetrag in Höhe von monatlich 43,61 €, den sie näher erläuterten, zu erheben und die Miete um diesen Betrag zu kürzen. Da der Beklagte die Duldung des Einbaus des Wasserzählers verweigerte, erhoben die Kläger eine in zweiter Instanz erfolgreiche Duldungsklage und ließen am 8. Juli 2008 zwei Kaltwasserzähler in der Wohnung des Beklagten einbauen. Mit Schreiben vom 15. Juli 2008 verlangten die Kläger wegen der eingebauten Kaltwasserzähler einen Modernisierungszuschlag und erhöhten die Miete um 3,34 € monatlich auf 517,40 €. Außerdem erklärten sie, dass die Wasserkosten ab dem 8. Juli 2008 verbrauchsabhängig abgerechnet würden. Mit Schreiben vom 26. Mai 2009 erteilten die Kläger dem Beklagten die Wasserabrechnung für die Zeit vom 8. Juli bis 31. Dezember 2008, die einen Nachzahlungsbetrag von 408,37 € ausweist, und erhöhten den Vorauszahlungsbetrag ab dem 1. Juli 2009 auf 113,72 €.

3

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Zahlung des sich aus der Abrechnung vom 26. Mai 2009 ergebenden Nachforderungsbetrages in Höhe von 408,37 €, eines weiteren Betrags in Höhe von 420,66 € für die noch nicht vollständig geleisteten Vorschüsse für die Monate Juli bis Dezember 2009 – jeweils nebst Zinsen – sowie die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete gemäß § 558 BGB.

4

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Verurteilung des Beklagten entsprechend ihren Klageanträgen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Revision hat Erfolg.

6

Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da der Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (BGH, Urteil vom 4. April 1962 – V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Den Klägern stehe weder der Nachforderungsbetrag von 408,37 € nebst Zinsen noch die erhöhten Vorschusszahlungen für Kalt- bzw. Abwasser für Juli 2009 bis Dezember 2009 in Höhe von 420,66 € zu. Da der Mietvertrag der Parteien lediglich die Vereinbarung einer Inklusivmiete hinsichtlich der Wasserkosten enthalte, könnten die Kläger nunmehr nicht die Mietstruktur einseitig umstellen und Vorauszahlungen bzw. eine Nachforderung aus der Wasserkostenabrechnung für 2008 verlangen, da diese Kosten Teil der vereinbarten Inklusivmiete seien. Für solche Altmietverträge bestehe grundsätzlich Bestandsschutz, wie der Bundesgerichtshof (VIII ZR 101/03) für derartige Berliner Altmietverträge im Hinblick auf die Frage der Möglichkeit der Erhöhung der Miete wegen gestiegener Betriebskosten entschieden habe. Wenn aber der Vermieter nicht berechtigt sei, erhöhte Betriebskosten auf den Mieter umzulegen, sei ihm dies auch nicht über den Umweg der Umstellung der Mietstruktur möglich.

9

Die Anwendung des § 556a Abs. 2 BGB scheitere daran, dass die Mietvertragsparteien die gesonderte Tragung von Wasser/Abwasserkosten nicht vereinbart hätten. Es fehle an entsprechenden Anknüpfungspunkten im Mietvertrag, welche Betriebskosten in der Inklusivmiete enthalten seien. Zwar werde auch die Meinung vertreten, dass der Vermieter, wenn er die Möglichkeit einer verbrauchsabhängigen Abrechnung habe, von einer Bruttokaltmiete auf eine Nettokaltmiete „umsteigen“ könne. Dies gelte jedoch nicht für Altmietverträge, die insoweit unter Bestandsschutz stünden.

10

Das Mieterhöhungsverlangen sei bereits aus formalen Gründen unwirksam, weil es hinsichtlich der Wasserkosten von einer Teilinklusivmiete mit Vorauszahlungen für Wasserkosten und damit einer unzutreffenden Mietstruktur ausgehe.

II.

11

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

12

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Kläger nicht berechtigt seien, einseitig die Mietstruktur zu ändern und die Kaltwasserkosten verbrauchsabhängig auf den Beklagten umzulegen (§ 556a Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 BGB). Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass dem Vermieter durch § 556a Abs. 2 Satz 1 BGB die gesetzliche Befugnis eingeräumt wird, unter bestimmten Voraussetzungen einseitig die Mietstruktur zu ändern und – wie hier – von einer Bruttokaltmiete zu einer Nettokaltmiete mit verbrauchsabhängiger Abrechnung der gesondert erfassten Kaltwasserkosten überzugehen. Auch die Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens hat das Berufungsgericht zu Unrecht verneint.

13

1. Gemäß § 556a Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Vermieter durch einseitige Erklärung in Textform bestimmen, dass die Betriebskosten zukünftig abweichend von der getroffenen Vereinbarung ganz oder teilweise nach dem erfassten Verbrauch oder der erfassten Verursachung umgelegt werden. Von dieser Befugnis haben die Kläger mit ihrem Schreiben vom 29. Dezember 2006 Gebrauch gemacht. Seit dem – gerichtlich durchgesetzten – Einbau der Kaltwasserzähler in der vom Beklagten gemieteten Wohnung am 8. Juli 2008 sind die Kaltwasserkosten von den Klägern daher gemäß § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB verbrauchsabhängig auf den Beklagten umzulegen. Dies haben die Kläger mit Abrechnung vom 26. Mai 2009 auch getan.

14

a) Die Regelung in § 556a Abs. 2 Satz 1 BGB ermöglicht dem Vermieter die Umstellung auf eine verbrauchsabhängige Abrechnung oder eine, die der unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. LG Augsburg, WuM 2004, 148; LG Itzehoe, ZMR 2011, 214, 217; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 10. Aufl., § 556a BGB Rn. 129; Eisenschmid in Eisenschmid/Wall, Betriebskostenkommentar, 3. Aufl., Rn. 2322 und 2332; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 6. Aufl., § 556a Rn. 9; Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl., § 556a Rn. 7; Staudinger/Weitemeyer, BGB, Neubearb. 2011, § 556a Rn. 37), der auch das Berufungsgericht im Ansatz zustimmt, besteht damit gemäß § 556a Abs. 2 BGB ein Recht des Vermieters auf Änderung der mietvertraglich vereinbarten Mietstruktur für diejenigen Betriebskosten, die verbrauchs- oder verursachungsabhängig erfasst werden, auch wenn zuvor eine Brutto- oder Inklusivmiete oder eine Betriebskostenpauschale vereinbart war.

15

b) Dieses Verständnis der Regelung in § 556a Abs. 2 BGB entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der mit dieser Vorschrift nicht nur den sparsamen und kostenbewussten Umgang mit Energie fördern, sondern auch mehr Kostengerechtigkeit schaffen will. Dies kann je nach Höhe der bisherigen Miete und der Verbrauchskosten eine Kostenerhöhung zulasten des Mieters mit sich bringen, jedoch ist bei niedrigerem Verbrauch auch eine Kostenminderung denkbar. Andererseits soll die Regelung der Vermieterseite bei solchen Alt-Brutto- oder Teilinklusivmietverträgen, die durch steigende Betriebskosten nicht mehr wirtschaftlich sind, mehr Kostengerechtigkeit bringen (BT-Drucks. 14/4553, S. 51; Staudinger/Weitemeyer, aaO Rn. 3). Die einseitige Änderungsbefugnis des Vermieters gilt auch dann, wenn die Parteien bislang – wie hier – keine oder nur eine teilweise gesonderte Umlage der Betriebskosten vereinbart haben. Dies entspricht der Regelung aus § 4 Abs. 5 Nr. 1 MHG aF, wonach der Vermieter auch nach der zuvor geltenden Rechtslage befugt war, einen verbrauchsabhängigen Abrechnungsmaßstab einzuführen, allerdings nur hinsichtlich der Kosten der Wasserversorgung und der Müllbeseitigung.

16

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind Altmietverträge hiervon nicht ausgenommen.

17

aa) Die Vorschrift des § 556a BGB ist durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) neu in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden. Sie ist nach Art. 11 Mietrechtsreformgesetz seit dem 1. September 2001 anwendbar. Nach den allgemeinen Grundsätzen bedeutet dies, dass die Vorschrift des § 556a BGB auch auf die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Mietverhältnisse anzuwenden ist, soweit in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 EGBGB keine anderweitige Regelung getroffen ist (BT-Drucks. 14/4553, S. 75; Staudinger/Weitemeyer, aaO Rn. 5, § 549 Rn. 10 f.). Da der Gesetzgeber zu § 556a Abs. 2 BGB – anders als in Art. 229 § 3 Abs. 4 EGBGB zu § 560 BGB – keine besondere Übergangsvorschrift geschaffen hat, verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen. Die Vorschrift des § 556a Abs. 2 BGB ist somit seit Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes am 1. September 2001 uneingeschränkt anwendbar.

18

bb) Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Senats zu einer Erhöhung der Miete wegen gestiegener Betriebskosten (Senatsurteil vom 21. Januar 2004 – VIII ZR 101/03, GE 2004, 229 ff.). Danach ist ein Vermieter bei einem Altmietvertrag, der als Miete nur einen bestimmten Betrag vorsieht, nicht berechtigt, die Miete wegen gestiegener Betriebskosten zu erhöhen. Darum geht es im Streitfall jedoch nicht. Die Kläger haben keine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten erklärt, sondern mit Schreiben vom 29. Dezember 2006 unter Herabsetzung der Miete die Mietstruktur geändert und für die Kaltwasserkosten eine verbrauchsabhängige Abrechnung eingeführt. Dies wäre den Klägern als Vermietern im Übrigen bereits nach der alten Rechtslage gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 1 MHG aF möglich gewesen. Daran hat sich durch die Neuregelung des § 556a Abs. 2 BGB nichts geändert.

19

2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann daher ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten auf Zahlung des Nachforderungsbetrags in Höhe von 408,37 € aus der Abrechnung vom 26. Mai 2009 nebst Zinsen nicht verwehrt werden.

20

Hinsichtlich der geltend gemachten Vorschusszahlungen für 2009 in Höhe von insgesamt 420,66 € ist durch den Zeitablauf Abrechnungsreife eingetreten. Für diesen Zeitraum können die Kläger Wasserkosten nicht mehr als Vorschuss, sondern nur aufgrund einer Abrechnung verlangen (vgl. Senatsurteile vom 30. März 2011 – VIII ZR 133/10, NJW 2011, 1957 Rn. 14, und vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 258/09, NZM 2010, 736 Rn. 22 mwN). Insoweit wird den Klägern Gelegenheit zur Klageumstellung zu gewähren sein (§ 264 Nr. 3, § 139 Abs. 2 ZPO).

21

Anders als das Berufungsgericht meint, steht dem Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete nicht entgegen, dass das Mieterhöhungsverlangen vom 28. Dezember 2009 aus formalen Gründen bereits deshalb unwirksam wäre, weil es von einer unzutreffenden Mietstruktur ausginge. Die Mietstruktur betrifft im Übrigen nicht die Wirksamkeit, sondern die inhaltliche Richtigkeit eines Mieterhöhungsverlangens (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 2010 – VIII ZR 321/09, NJW 2010, 2945 Rn. 10 ff.).

III.

22

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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