Zur Frage des Vorliegens einer faktischen Geschäftsführertätigkeit im Zusammenhang mit nicht ordnungsgemäßer Verwendung von Baugeld

KG, Urteil vom 31.01.2017 – 21 U 188/14

1. Der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG wegen der nicht ordnungsgemäßen Verwendung von Baugeld richtet sich auch gegen den faktischen Geschäftsführer einer GmbH.

2. Faktischer Geschäftsführer ist aber nur, wer durch sein Handeln im Außenverhältnis die Gesellschaft nachhaltig prägt und nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft selbst maßgeblich in die Hand genommen hat. Lediglich sporadisches Auftreten im Außenverhältnis oder die Möglichkeit des Einwirkens auf den satzungsmäßigen Geschäftsführer reichen hingegen nicht aus.

3. Ob sich ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG wegen täterschaftlichen Verstoßes gegen das BauFordSiG auch gegen eine Person richten kann, die weder satzungsmäßiger noch faktischer Geschäftsführer der GmbH ist, bleibt offen. In jedem Fall obliegt dem Anspruchsteller die Darlegung einer entsprechenden Tathandlung und des Vorsatzes. Auf die Vermutung des § 1 Abs. 4 BauFordSiG kann sich der Antragsteller insoweit nicht berufen, diese erstreckt sich nur auf das satzungsmäßige oder faktische Organ des Empfängers.

4. Zur Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Beihilfe zu einem Verstoß gegen § 1 BauFordSiG, hat der Anspruchsteller die Förderung der Haupttat durch den Gehilfen und dessen Vorsatz darzulegen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 4) gegen das Teilurteil des Landgerichts Berlin vom 29. Januar 2014 wird es in seiner Ziff. 1 dahin abgeändert, dass der Klageantrag Ziff. 1 aus der Klageschrift vom 22. August 2013 abgewiesen wird, soweit er sich gegen die Beklagte zu 4) richtet.

2. Auf die Berufung der Beklagten zu 4) gegen das Teilurteil des Landgerichts Berlin vom 22. Oktober 2014 wird es in seiner Ziff. 2 dahin abgeändert, dass der Feststellungsantrag der Klägerin, wonach ihre Klageforderung gegen die Beklagte zu 4) auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe, abgewiesen wird.

3. Die außergerichtlichen Kosten, die der Beklagten zu 4) in der ersten und zweiten Instanz entstanden sind, hat die Klägerin zu tragen. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 4) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen der nicht ordnungsgemäßen Verwendung von Baugeld in Anspruch.

Die Beklagten zu 1) und zu 2) waren über diverse Gesellschaften, die jedenfalls teilweise in der Unternehmensgruppe der m###### geführt wurden, mit dem Vertrieb von Bauleistungen und Immobilien befasst. Die Beklagte zu 3) war oder ist Ehefrau des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 4) war oder ist Ehefrau des Beklagten zu 1).

Die Beklagten zu 1) und 2) waren Gesellschafter und Geschäftsführer einer R### M### GmbH. Im Februar 2011 wollten die Beklagten diese Gesellschaft in G## GmbH umfirmieren (im Folgenden: GM GmbH) und ihren Sitz in die L#### , # ## verlegen. Dort sollte sie keine dauerhaften Büroräume unterhalten, sondern nur mit einem dort ansässigen Anbieter, der L####### (im Folgenden: L GmbH), einen Servicevertrag über Telefon- und Postdienstleistungen, insbesondere den Unterhalt eines Briefkastens und eines Türschildes abschließen. Außerdem wollten die Beklagten zu 1) und 2) ihre Geschäftsanteile an der GmbH an eine Frau ## M### übertragen, die diese fortan treuhänderisch für sie halten sollte. Frau M### , die zu dieser Zeit als Hauswirtschafterin und Reinigungskraft für die Beklagten zu 2) und 3) tätig war (Anlage K 53), sollte außerdem zur Geschäftsführerin der GM GmbH bestellt werden.

Die Beklagte zu 4) verhandelte im Februar und März 2011 mit der L GmbH per Mail über den Abschluss des erwähnten Servicevertrags für die GM GmbH (Anlagen K 41 bis 45). Außerdem bat sie im Februar 2011 bei einem Berliner Notar um einen Termin für die Beurkundung von Umfirmierung, Anteilsübertragung, Geschäftsführerbestellung und der Treuhandvereinbarung betreffend die GM GmbH (Anlagen K 39 und 40). Diese Maßnahmen wurden sodann auch umgesetzt (vgl. Anlage K 17).

Im Verlauf des Jahres 2011 beauftragten diverse Bauherren, u.a. die Eheleute S## (vgl. Anlage K 20), eine Frau K### (vgl. Anlage K 1) und die Eheleute W# (vgl. Anlage K 1) die GM GmbH mit der Errichtung eines Hauses bzw. einer Doppelhaushälfte.

Mit Verträgen vom 7. Dezember 2011 beauftragte ein Herr F# , der für die GM GmbH als Bauleiter tätig war, die Klägerin mit der Errichtung von Keller, Kellerwänden, Treppe und Kellerdecke für die Bauvorhaben K### und W# . Er vereinbarte mit der Klägerin eine Pauschalvergütung von jeweils 24.900,- Euro (brutto) pro Keller. Die Klägerin führte diese Leistungen aus. Die GM GmbH erhielt von den Auftraggebern K### und W# insgesamt 43.601,50 Euro, zahlte an die Klägerin allerdings nur 4.069,31 Euro.

Wegen ihrer offenen Werklohnansprüche erhob die Klägerin Klage gegen die GM GmbH vor dem Landgericht München I. Mit Versäumnisurteil vom 31. Juli 2012 verurteilte das Gericht die Beklagte zur Zahlung von 39.532,19 Euro nebst Zinsen an die Klägerin (Anlage K 15).

Bereits zuvor hatte sich der Beklagte zu 1) wieder zum Geschäftsführer der GM GmbH bestellen lassen und stellte am 10. Mai 2012 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Das Amtsgericht München wies diesen Antrag am 22. Februar 2013 mangels Masse ab (Anlage K 16).

Die Klägerin ist der Ansicht, bei den Zahlungen von insgesamt 43.601,50 Euro, die die GM GmbH von den Bauherren K### und W# erhalten habe, habe es sich in vollem Umfang um Baugeld i.S.v. § 1 Abs. 3 BauFordSiG gehandelt, dass von der GM GmbH nicht gemäß § 1 Abs. 1 BauFordSiG verwendet worden sei. Bei der formell zur Geschäftsführerin der GM GmbH bestellten ## M### habe es sich lediglich um eine Strohfrau gehandelt. Deshalb hafte neben den übrigen Beklagten auch die Beklagte zu 4) als faktische Geschäftsführerin der GM GmbH aus § 823 Abs. 2 BGB für den Schaden, der der Klägerin durch die nicht ordnungsgemäße Verwendung des Baugelds entstanden sei.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt,

1. die Beklagte zu 4) als Gesamtschuldnerin neben den übrigen Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 39.532,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen (Schriftsatz des Klägervertreters vom 22. August 2013), sowie

2. festzustellen, dass diese Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiert (Schriftsatz des Klägervertreters vom 18. Juni 2013 i.V.m. Terminsprotokoll vom 29. Januar 2014 und Terminsprotokoll vom 22. Oktober 2014).

Die Beklagte zu 4) hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt insbesondere in Abrede, faktische Geschäftsführerin der GM GmbH gewesen zu sein oder sonst auf die Gesellschaft einen Einfluss gehabt zu haben, der ihre Haftung aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1 BauFordSiG rechtfertigte.

Das Landgericht Berlin hat die Beklagte zu 4) mit Teilurteil vom 29. Januar 2014 zur Zahlung gemäß dem Klageantrag Ziff. 1 verurteilt. Mit Teilurteil vom 22. Oktober 2014 hat es die Haftung der Beklagten zu 4) gemäß dem Klageantrag Ziff. 2 festgestellt.

Wegen der Begründung dieser Entscheidungen und der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die beiden Urteile verwiesen.

Gegen diese beiden Teilurteile wendet sich die Beklagte zu 4) mit ihren Berufungen, zu deren Begründung sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft.

Sie beantragt nunmehr,

die Urteile des Landgerichts Berlin vom 29. Januar 2014 und vom 22. Oktober 2014 aufzuheben und die Klageanträge abzuweisen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 4) richten.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 4) zurückzuweisen.

Über die Klagen gegen die übrigen Beklagten hat das Landgericht Berlin ebenfalls in den beiden genannten Urteilen – insoweit teilweise aufgrund von Säumnis im Termin – sowie durch Schlussurteil vom 5. August 2015 entschieden.

II.

1. Gegenstand dieser Entscheidung sind die Berufungen der Beklagten zu 4) gegen das Teilurteil vom 29. Januar 2014 (21 U # ) und gegen das Teilurteil vom 22. Oktober 2014 (21 U # ). Hierüber kann der Senat nur durch Teilurteil entscheiden, denn mit der Berufung der Beklagten zu 3) vom 1. Dezember 2014 (Bl. 3 /IV d.A.) ist noch ein weiteres Rechtsmittel gegen das Teilurteil vom 22. Oktober 2014 anhängig. Insoweit ist der Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO unterbrochen und also noch anhängig (vgl. Schriftsatz der Beklagtenvertreterin zu 3) vom 19. März 2015).

Die Entscheidung über die Rechtsmittel der Beklagten zu 4) durch Teilurteil ist rechtlich möglich. Die Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte zu 4) einerseits und die Beklagte zu 3) andererseits bilden keinen einheitlichen Anspruch, sondern sind voneinander unabhängig (vgl. § 425 Abs. 1 BGB). Aus diesem Grund droht auch kein Widerspruch des vorliegenden Teilurteils zu einem etwaigen Schlussurteil betreffend die Beklagte zu 3). Außerdem ist eine Entscheidung durch Teilurteil auch rechtlich geboten. Weder der Klägerin noch der Beklagten zu 4) ist zuzumuten, so lange auf die Entscheidung über die Rechtsmittel der Beklagten zu 4) zu warten, bis das Berufungsverfahren der Beklagten zu 3) fortgeführt wird.

2. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 4) gegen das Teilurteil des Landgerichts vom 29. Januar 2014 hat Erfolg. Soweit das Landgericht neben den übrigen Beklagten auch die Beklagte zu 4) zur Zahlung von 39.352,19 Euro nebst Zinsen verurteilt hat, wird es dahin abgeändert, dass die Klage gegen die Beklagte zu 4) abgewiesen wird. Denn der geltend gemachte Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 4) besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

a) Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 4) aus §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 1 i.V.m. § 1 BauFordSiG wegen eines täterschaftlichen Verstoßes gegen das BauFordSiG.

aa) Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Geldbeträge in Höhe von 43.601,50 Euro, die die GM GmbH von den Bauherren K### und W# erhalten hat, in voller Höhe als Baugeld gemäß § 1 Abs. 3 S.1 Nr. 1 oder Nr. 2 BauFordSiG anzusehen sind.

Weiter kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die GM GmbH dieses Baugeld nicht ordnungsgemäß gemäß § 1 Abs. 1 S.1 BauFordSiG verwendet hat, es also weder zur Befriedigung der Bauunternehmer dieser Bauvorhaben eingesetzt (BGH, Urteil vom 19.8.2010, VII ZR 169/09) noch es zu diesem Zweck von ihrem sonstigen Vermögen separiert hat (Kniffka / Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 2014, Teil 10, Rz 238 ff m.w.N.).

bb) Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, dass ihr aus diesem Grund ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 4) zusteht, die Beklagte zu 4) also passivlegitimiert ist.

(1) Verwendet der Empfänger von Baugeld dieses nicht ordnungsgemäß gemäß § 1 Abs. 1 und 2 BauFordSiG, so ist er gemäß § 823 Abs. 2 BGB verpflichtet, seinen Auftragnehmern einen hieraus resultierenden Schaden zu ersetzen (BGH, Urteil vom 20.12.2012, VII ZR 187/11, Rz 39; Urteil vom 19.8.2010, VII ZR 169/09, Rz 10 f; Kniffka / Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 2014, Teil 10, Rz 203). Ist der Baugeldempfänger eine natürliche Person, so richtet sich diese Haftung gegen ihn. Handelt es sich bei dem Baugeldempfänger um eine Kapitalgesellschaft, etwa eine GmbH, so richtet sich der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 BauFordSiG gegen ihren Geschäftsführer, der also einer direkten Außenhaftung gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2012, VII ZR 187/11, Rz 39; Urteil vom 19.8.2010, VII ZR 169/09, Rz 10 m.w.N.).

Werden die Geschäfte einer GmbH faktisch durch eine Person geführt, die nicht im Handelsregister als ihr Geschäftsführer eingetragen ist, dann ist auch dieser faktische Geschäftsführer wegen des Verstoßes gegen das BauFordSiG schadensersatzpflichtig gemäß § 823 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 9.9.2009, 11 U 148/08). Eine Person ist aber nicht schon dann faktischer Geschäftsführer einer GmbH, wenn sie auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer gesellschaftsintern einwirkt. Erforderlich ist auch ein nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln (BGH, Urteil vom 25.2.2002, II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 ff). Dabei muss dieses Handeln im Außenverhältnis die Gesellschaft nachhaltig prägen, sodass die Person nach dem Gesamterscheinungsbild ihres Auftretens die Geschicke der Gesellschaft selbst maßgeblich in die Hand genommen hat (BGH, Urteil vom 27.6.2005, II ZR 113/03; Urteil vom 11.7.2005, II ZR 235/03).

(2) Aus dem Vorbringen der Parteien ergibt sich nicht, dass die Beklagte zu 4) in diesem Sinne faktische Geschäftsführerin der Baugeldempfängerin, der GM GmbH, gewesen wäre.

An dieser Stelle kann weiter zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Beklagte zu 4) für das Bankkonto der GM GmbH verfügungsbefugt war. Auch dann lässt sich in der Gesamtschau nicht feststellen, dass die Beklagte zu 4) durch eigenes Auftreten nach außen die Geschicke der GM GmbH maßgeblich in die Hand genommen hat. Es mag sein, dass die Beklagte zu 4) im Februar und März 2011 daran an der „Umstrukturierung“ der GM GmbH mitgewirkt hat, die offenbar die folgenden Maßnahmen umfasste:

* Übertragung der Geschäftsanteile der Beklagten zu 1) und 2) an ## M### ,
* Abschluss eines Treuhandvertrages zwischen den Beklagten zu 1) und 2) und ## M### ,
* Bestellung von ## M### zur Geschäftsführerin,
* Sitzverlegung nach M# ,
* Anmietung einer Briefkastenanschrift in M# .

Dieses Mitwirken mag auch als Handeln der Beklagten zu 4) für die GM GmbH im Außenverhältnis verstanden werden, weil sie gegenüber dem Notar und der L GmbH, also gegenüber Dritten, tätig wurde. Allerdings liegt hierin kein Auftreten, das die Gesellschaft maßgeblich geprägt hätte. Vielmehr waren die Tätigkeiten, die die Beklagte zu 4) für die GM GmbH nach außen entfaltet hat, nur von untergeordneter Bedeutung. Ihre Terminsabstimmung mit dem Notar war nur die Vorbereitung für die in diesem Termin zu beurkundenden Rechtshandlungen, die aber von den Beklagten zu 1) und 2) vorzunehmen waren und deren rechtlicher Schwerpunkt obendrein im Innenverhältnis der GmbH lag und nicht in den Außenbeziehungen der Gesellschaft. Die Verhandlungen mit der L GmbH, die offenbar in einen Servicevertrag mit einer monatlichen Vergütung von 95,- Euro netto mündeten, mögen etwas gewichtiger gewesen sein, als diese Vergütungshöhe auf den ersten Blick suggeriert, da es hierbei um die Anmietung eines Scheinsitzes und also – wie bei der Einschaltung der Strohfrau M### – um Verschleierung der eigentlichen Verhältnisse der GM GmbH ging, in die die Beklagte zu 4) also eingebunden war.

Gleichwohl war dieses Auftreten der Beklagten zu 4) für die GM GmbH in der Gesamtschau von untergeordneter Bedeutung. Die GM GmbH wurde im Verlauf ihrer Geschäftstätigkeit von mehreren Bauherren mit der Errichtung von Häusen oder Doppelhäusern beauftragt und führte in diesem Auftrag dann auch Bauleistungen aus. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin unter Verweis auf die Anlagen K 1 und K 21 handelte es sich offenbar insgesamt um sechs Bauherren, neben den bereits erwähnten Bauherren K### , W# und S## auch die Auftraggeber K# , H### und E### . Daraus folgt, dass die GM GmbH eine Reihe von Verträgen abgeschlossen haben muss, nämlich zum einen die Verträge mit den genannten Bauherren, zum anderen die Verträge mit den Bauunternehmern, die sodann mit den erforderlichen Bauleistungen beauftragt werden mussten – im Fall der Bauherren K### und W# die Klägerin. Über den Abschluss dieser Verträge hinaus hatte die GM GmbH die beauftragten Baumaßnahmen sodann zu koordinieren und zu überwachen, was im Verlauf des Jahres 2011 auch geschah, wobei es bekanntlich zu zahlreichen Mängelrügen kam (vgl. etwa den Mailverkehr Anlage K 21). Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass im Zuge der Abwicklung dieser Bauvorhaben der GM GmbH in irgendeiner Weise die Beklagte zu 4) im Außenverhältnis gehandelt hätte. Vielmehr scheinen vor allem die Herren F# , H## und H## als Bauleiter für die GM GmbH aufgetreten zu sein, daneben scheinen die Bauarbeiten von den Beklagten zu 1) und 2) gesteuert worden zu sein (vgl. Anlagen K 21, 23, 24, 25). Die Klägerin trägt zudem vor, dass auch sie selbst von Herrn F# beauftragt worden sei, der sich dabei telefonisch mit dem Beklagten zu 2) abgestimmt habe (Terminsprotokoll vom 29. Januar 2014, S. 2). Dass die Beklagte zu 4) in irgendeiner Weise diesen Kernbereich der Geschäftstätigkeit der GM GmbH im Außenverhältnis mitgestaltet hätte, ist nicht erkennbar. Die zugunsten der Klägerin als wahr unterstellte Behauptung, sie habe über eine Bankvollmacht für das Konto der GM GmbH verfügt, ändert hieran nichts. Ein die Gesellschaft im Außenverhältnis prägendes Handeln liegt frühestens dann vor, wenn die Beklagte zu 4) diese Bankvollmacht auch ausgeübt hat (vgl. BGH, Urteil vom 27.6.2005, II ZR 113/03, Rz 11), was schon nicht vorgetragen ist. Genaugenommen müsste weiter auszuschließen sein, dass die Beklagte zu 4) etwaige Zahlungen nicht nur in Anweisung anderer Personen, sondern eigenverantwortlich ausgeführt ist, wofür sich erst recht keine Anhaltspunkte aus dem Parteivortrag ergeben.

Unerheblich ist schließlich auch, dass es für die Stellung als faktischer Geschäftsführer einer GmbH nicht erforderlich ist, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt (BGH, Urteil vom 27.6.2005, II ZR 113/03, Rz 8), während die Beklagte zu 4) die Geschäfte der GM GmbH aber durchaus mehr geprägt haben könnte als die im Register eingetragene Geschäftsführerin ## M### , bei der es sich um eine reine Strohfrau gehandelt haben dürfte. Das Kriterium der „nicht vollständigen Verdrängung“ der satzungsmäßigen Geschäftsführung dient nur zur Bestimmung der Schwelle, von der an eine weitere Person aufgrung ihres nachhaltig prägenden Auftretens im Außenverhältnis neben dem satzungsmäßigen Vertreter als faktischer Geschäftsführer gelten kann. Tritt eine Person im Außenverhältnis gerade nicht prägend für die Gesellschaft auf, dann wird sie nicht allein deshalb zu ihrem faktischen Geschäftsführer, weil es der satzungsmäßige Geschäftsführer noch weniger tut. Vielmehr sind diejenigen Personen faktische Geschäftsführer, die anstelle der beiden genannten für die Gesellschaft nach außen auftreten. Im Falle der GM GmbH sind dies nach den insoweit rechtskräftigen Urteilen des Landgerichts jedenfalls die Beklagten zu 1) und 2). Für die Beklagte zu 4) hingegen lässt sich dies nicht feststellen.

cc)Es kann offenbleiben, ob es eine Haftung aus §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 1 wegen eines täterschaftlichen Verstoßes gegen § 1 BauFordSiG auch durch eine Person geben kann, die weder satzungsmäßiger noch faktischer Geschäftsführer der GmbH ist, die das Baugeld empfangen und nicht ordnungsgemäß verwendet hat. Dem Senat erscheint dies nicht von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr ist durchaus möglich, dass eine Person die Geschäftsführung einer Gesellschaft nicht nachhaltig geprägt hat, gleichwohl aber die Zweckentfremdung von vereinnahmtem Baugeld maßgeblich verantwortet hat und deshalb in Bezug auf eine konkrete Tathandlung als Täter i.S.v. § 830 Abs. 1 BGB zu gelten hat ohne faktischer Geschäftsführer der GmbH zu sein (dahin Kniffka / Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 2014, Teil 10, Rz 237; offen: BGH, Urteil vom 20.12.2012,VII ZR 187/11, Rz 39 f).

Da ein solcher Dritter aber weder selbst Baugeldempfänger ist noch dessen satzungsmäßiger oder faktischer Geschäftsführer, kann die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach § 1 Abs. 4 BauFordSiG ihm gegenüber nicht gelten. Daher obliegt es dem Anspruchsteller darzulegen, dass der in Anspruch genommene eine Tathandlung vorgenommen hat, aufgrund derer er als Täter des Verstoßes gegen § 1 BauFordSiG anzusehen ist, ohne satzungsmäßiger oder faktischer Geschäftsführer der Baugeldempfängerin zu sein.

Derartiges ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht. Dies ist auch nicht oben unter a) aa) zugunsten der Klägerin unterstellt worden, woran der Senat dann auch hier gebunden wäre. Oben hat der Senat lediglich unterstellt, dass die GM GmbH empfangenes Baugeld nicht ordnungsgemäß verwendet hat, nicht aber welche konkrete natürliche Person hierfür letztlich verantwortlich war. Bleibt diese Person im Unklaren während nur das Ergebnis der nicht ordnungsgemäßen Verwendung feststeht, haften nur der satzungsmäßige oder faktische Geschäftsführer der GmbH, wobei es sich aufgrund der unklaren Tathandlung letztlich um ein Unterlassungsdelikt handelt. Die täterschaftliche Haftung einer Person, die weder satzungsmäßiger noch faktischer Geschäftsführer der GmbH ist, setzt aber – wenn es sie überhaupt geben kann – ihren eigenen Tatbeitrag von täterschaftlichem Gewicht voraus, den der Senat nicht unterstellen kann und der auch nicht vorgetragen ist.

dd) Eines gesonderten Hinweises der Klägerin auf die Ausführungen unter aa) und bb) bedurfte es nicht. Der Senat hat diesen Punkt mit den Parteien im Termin erörtert (vgl. Terminsprotokoll vom 1. November 2016, S. 2 f), außerdem waren sich den Parteien im gesamten Verlauf des Rechtsstreits klar, dass die Stellung der Beklagten als faktische Geschäftsführer der GM GmbH von zentraler Bedeutung für seinen Ausgang war.

b) Die Klägerin hat auch keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 4) aus §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 i.V.m. § 1 BauFordSiG wegen Beihilfe zu einem Verstoß gegen das BauFordSiG.

Auch hier können die oben angesprochenen Anspruchsvoraussetzungen (vgl. a) aa)) zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Selbst wenn damit zugleich ein Verstoß gegen § 1 BauFordSiG als Haupttat durch Unterlassen feststehen sollte, zu der die Beklagte zu 4) sodann Beihilfe geleistet haben könnte, wäre eine Gehilfenhaftung der Beklagten zu 4) erst dann gegeben, wenn sie diese Haupttat in irgend einer Form vorsätzlich gefördert hätte. Dies ergibt sich aus dem Parteivorbringen nicht. Es ist nicht erkennbar, auf welche konkrete Weise es die fehlerhafte Verwendung der im November und Dezember 2011 vereinnahmten Baugelder gefördert haben soll, wenn die Beklagte Monate zuvor, nämlich im Februar und März 2011 im Zusammenhang mit der „Umstrukturierung“ der GM GmbH mit dem Notar oder der L GmbH kommunizierte. Auch die zugunsten der Klägerin unterstellte Inhaberschaft einer Bankvollmacht tut nichts zur Sache, solange nicht auch andere Personen über eine solche verfügt haben können, von der unklaren Wissenslage der Beklagten zu 4) einmal abgesehen. Damit fehlt es aber an einer vorsätzlichen Hilfeleistung der Beklagten zu 4), die eine etwaige Gehilfenhaftung begründen könnte. Das bloße Unterlassen einer ordnungsgemäßen Separierung von Baugeld vermag allein beim satzungsmäßigen oder faktischen Geschäftsführer eine täterschaftliche Haftung begründen (und zwar für ein Unterlassungsdelikt), nicht aber eine Gehilfenhaftung durch Unterlassen bei einer nachgeordneten Person.

c) Bereits aus den unter a) und b) ausgeführten Gründen kommt auch kein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 4) aus §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 1 BGB i.V.m. § 266 StGB (Täterschaft) bzw. aus §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB (Beihilfe) in Betracht.

3. Die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten zu 4) gegen das Teilurteil des Landgerichts vom 22. Oktober 2014 hat ebenfalls Erfolg. Das Urteil ist dahin abzuändern, dass der Feststellungsantrag der Klägerin, wonach ihre Klageforderung gegen die Beklagte zu 4) auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der Beklagten zu 4) beruhe, abgewiesen wird.

Da kein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 4) besteht, kann er auch nicht auf einem bestimmten Rechtsgrund beruhen.

4. Die der Beklagten zu 4) im Rahmen dieses Rechtsstreits außergerichtlich entstandenen Kosten sind durch die Klägerin zu tragen, da die Beklagte zu 4) mit diesem Urteil vollständig obsiegt hat. Im Übrigen kann eine Kostenentscheidung erst nach dem vollständigen Abschluss der zweiten Instanz getroffen werden.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

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