ArbG Köln, Urteil vom 03.12.2009 – 10 Ca 6717/09
Betriebsbedingte Kündigung erfordert Mitteilung der Kriterien der Sozialauswahl
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30.06.2009 aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Industriemechaniker zu beschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Der 26jährige, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 15. Juni 2006 als Industriemechaniker/Schichtschlosser zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 2.350,30 Euro (Entgeltgruppe 7) beschäftigt.
Die Beklagte beschäftigt ca. 1.400 Arbeitnehmer. Sie entschloss sich aufgrund eines erheblichen Umsatzrückgangs zu einem Personalabbau. Ein von ihr beauftragtes Expertenbüro ermittelte einen Personalüberhang von 105 Arbeitnehmern. Es sollten 45 Arbeitsplätze in der Verwaltung und 60 gewerbliche Arbeitsplätze in der Instandhaltung entfallen.
Die Beklagte verständigte sich mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich mit Namensliste und einen Sozialplan, wegen deren Inhalt auf die Anlagen zu dem Schriftsatz vom 1. Oktober 2009 Bezug genommen wird.
Die soziale Auswahl führte die Beklagte nach ihren Angaben zunächst innerhalb der jeweiligen organisatorischen Einheit (Kostenstelle/Abteilung) durch. Der Kläger wurde der Kostenstelle 133312 bzw. dem Bereich „Instandhaltung Bearbeitung mechanisch“ zugeordnet. Aus diesem Bereich wurden fünf Arbeitnehmer gekündigt.
Zur Durchführung der konkreten sozialen Auswahl erstellte die Beklagte drei Listen mit der Bezeichnung „A, B und C“. Die Liste A enthält die Aufzählung der Arbeitnehmer, die wegen „bestimmter Besonderheiten“ nicht mit anderen Mitarbeitern vergleichbar sein sollen. Der Liste B gehören Arbeitnehmer an, die die Beklagte zwar mit anderen Mitarbeitern hinsichtlich ihrer Aufgabenwahrnehmung als vergleichbar angesehen hat, die aber nach ihrer Auffassung wegen „geringer Sozialpunktzahl“ in den Kreis der zu kündigenden Mitarbeiter hineinfallen sollen. In der Liste C sind Mitarbeiter aufgeführt, die nach Einschätzung der Beklagten zwar vergleichsweise hohe Sozialpunkte aufweisen, aber dennoch „wegen niedriger Qualifizierung mit Mitarbeitern der gleichen Ebene weder horizontal noch fachlich“ als vergleichbar anzusehen sein sollen. Den Kläger ordnete die Beklagte der Liste B zu.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 30. Juni 2009 zum 31. Juli 2009. Die gegen die Wirksamkeit der Kündigung gerichtete Klage ist am 16. Juli 2009 bei Gericht eingegangen.
Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei unwirksam. Es sei schon zweifelhaft, ob eine Betriebsänderung gegeben sei. Jedenfalls sei ein Interessenausgleich mit Namensliste nicht formgemäß zustande gekommen. Die Beklagte habe tariflichen Sonderkündigungsschutz nicht ausreichend beachtet. Sie habe den Betriebsrat nicht ausreichend angehört und das Verfahren zur Massenentlassung nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Er rügt die soziale Auswahl. Die Beklagte habe ihm nicht ausreichend Auskunft erteilt. Mit ihm vergleichbare und weniger schutzwürdige Arbeitnehmer würden weiterbeschäftigt.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30.06.2009 nicht aufgelöst worden ist;
2. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1, die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Industriemechaniker zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Kündigung sei wirksam. Sie sei von der Wirtschaftskrise als Unternehmen der Automobilzulieferindustrie besonders betroffen. Sie habe sich entschlossen, Arbeitnehmer aus der Abteilung Instandhaltung in die Abteilung Fertigung zu integrieren. Die vorzunehmenden Maßnahmen habe sie mit dem Betriebsrat ausführlich beraten. Dieser habe den geplanten Umstrukturierungen zugestimmt. Der Interessenausgleich mit Namensliste sei wirksam vereinbart worden. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Auch das Verfahren zur Massenentlassung sei ordnungsgemäß erfolgt. Gleiches gelte für die soziale Auswahl. Sie sei abteilungsbezogen durchgeführt worden, weil die jeweiligen Mitarbeiter nicht ohne eine langwierige Einarbeitung in einer anderen Abteilung eingesetzt werden könnten. Zudem liege bei vielen von dem Arbeitsplatzwegfall betroffenen Mitarbeitern ein hoher Spezialisierungsgrad vor. Die Spezialisierung gelte sowohl in der abteilungs- auch in der unternehmensweiten Betrachtung. Daher habe sie die in der Liste A aufgeführten Mitarbeiter aus der sozialen Auswahl ausgenommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Die Kündigung vom 30. Juni 2009 ist unwirksam. Die Beklagte hat die soziale Auswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt (§ 1 Abs. 3 KSchG). Ob noch weitere Unwirksamkeitsgründe gegeben sind, kann dahin stehen. Der Kläger kann seine vorläufige Weiterbeschäftigung verlangen.
I. Die Kündigung ist nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt.
Es kann dahin stehen, ob die Wirksamkeit der Kündigung nur nach Maßgabe des § 1 Abs. 5 KSchG überprüft werden kann. In diesem Fall würde das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse für die Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) gemäß § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG vermutet. Die soziale Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) könnte gemäß § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Selbst wenn hiervon zugunsten der Beklagten ausgegangen wird, erweist sich die Kündigung als unwirksam. Denn die Beklagte hat dem Kläger auf sein Verlangen keine ordnungsgemäße Auskunft über die Gründe erteilt, die zur sozialen Auswahl geführt haben (§ 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz KSchG). Dies führt bereits unabhängig vom Eingreifen des § 1 Abs. 5 KSchG zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die soziale Auswahl ist darüber hinaus grob fehlerhaft. Die Beklagte hat den auswahlrelevanten Personenkreis evident falsch bestimmt.
1. Die soziale Auswahl ist nach § 1 Abs. 3 KSchG betriebsbezogen durchzuführen. Aus der Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl folgt, dass sie nicht auf Betriebsteile oder Betriebsabteilungen beschränkt werden kann. Es sind daher alle vergleichbaren Arbeitnehmer in die Auswahlentscheidung einzubeziehen, die in demselben Betrieb wie der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer beschäftigt werden (BAG 31. Mai 2007 – 2 AZR 276/06 – ZIP 2007, 2433; 28. Oktober 2004 – 8 AZR 391/03 – BAGE 112, 273; 3. Juni 2004 – 2 AZR 577/03 – AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 41).
Eine Sozialauswahl hat allerdings nur zwischen Arbeitnehmern zu erfolgen, die vergleichbare Tätigkeiten ausüben. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Der von der Kündigung bedrohte Arbeitnehmer muss die Funktion des anderen Arbeitnehmers ausüben können. Dies setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Ausübung seines Direktionsrechts einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann; eine Vergleichbarkeit scheidet somit in allen Fällen aus, in denen eine anderweitige Beschäftigung nur auf Grund einer Änderung der Arbeitsbedingungen durch Vertrag oder Änderungskündigung in Betracht kommt (BAG 2. März 2006 – 2 AZR 23/05 – NZA 2006, 1350; 27. September 2001 – 2 AZR 246/00 – EzA § 2 KSchG Nr. 41; 17. September 1998 – 2 AZR 725/97 – AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 36).
Hat sich der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG auf einen Interessenausgleich mit Namensliste geeinigt, kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 5 S. 2 KSchG). Die Zurücknahme des Prüfungsmaßstabes gilt nicht nur für die Gewichtung der einzelnen Kriterien, sondern auch für die Frage, welche Arbeitnehmer als vergleichbar anzusehen sind (BAG 2. Dezember 1999 – 2 AZR 757/98 – NZA 2000, 531; 7. Mai 1998 – 2 AZR 536/97 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 94; APS-Kiel § 1 KSchG Rn.785 i). Grob fehlerhaft ist eine soziale Auswahl, wenn ein evidenter Fehler vorliegt (BAG 28. August 2003 – 2 AZR 368/02 – NZA 2004, 432).
Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und objektive Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt, zunächst dem Arbeitnehmer. In ständiger Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht im Rahmen der Beweisführungslast von einer abgestuften Darlegungslast aus. Es ist danach zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er über die hierzu erforderlichen Informationen verfügt. Soweit der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, zur sozialen Auswahl Stellung zu nehmen und er deswegen den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordert, die ihn zu der Auswahl veranlasst haben, hat der Arbeitgeber als Folge seiner materiellen Auskunftspflicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz KSchG substantiiert auch im Prozess vorzutragen. Diese aus der Mitteilungspflicht herzuleitende Vortragslast ist allerdings auf die subjektiven, vom Arbeitgeber tatsächlich angestellten Überlegungen beschränkt. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die vollständige Auflistung der Sozialdaten aller objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer (BAG 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 18).
Gibt der Arbeitgeber keine oder keine vollständige Auskunft über seine subjektiven Erwägungen ab, so kann der Arbeitnehmer bei fehlender eigener Kenntnis seiner aus § 1 Abs. 3 KSchG in Verbindung mit § 138 Abs. 1 ZPO herzuleitenden Substantiierungspflicht, die Namen sozial stärkerer Arbeitnehmer zu nennen, nicht genügen. In diesen Fällen ist der der fehlenden Kenntnis des Arbeitnehmers entsprechende Vortrag, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend. Dieser der Kenntnis des Arbeitnehmers entsprechende Vortrag, der Arbeitgeber habe soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend beachtet, ist zugleich unstreitig, wenn der Arbeitgeber bei seiner die Auskunft verweigernden Haltung verbleibt, denn er hat damit nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend bestritten (BAG 21. Juli 1988 – 2 AZR 75/88 – EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 26; 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 18).
Die gleichen Erwägungen gelten dann, wenn dem Vortrag des Arbeitgebers zu entnehmen ist, dass er die Sozialauswahl nicht unter Berücksichtigung des Vortrages des Arbeitnehmers auf vergleichbare Arbeitnehmer erstreckt hat und wenn er es unterlässt, seinen Vortrag im Prozess zu ergänzen (BAG 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88- AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 18).
Die aus § 1 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbs. KSchG folgende subjektiv determinierte materielle Mitteilungspflicht des Arbeitgebers wird bei dieser Fallgestaltung ergänzt durch die prozessuale Erklärungspflicht nach § 138 ZPO. Ergibt sich aus der Mitteilung des Arbeitgebers, dass er Tatsachen, die gemäß § 1 Abs. 3 KSchG objektiv erheblich sein können, in seine subjektiven Erwägungen nicht einbezogen hat, und behauptet der gekündigte Arbeitnehmer bei fehlender eigener Kenntnis, gerade aus diesen Tatsachen ergebe sich die Unrichtigkeit der sozialen Auswahl, so ist es eine Obliegenheit des Arbeitgebers, seinen Vortrag hinsichtlich dieser Tatsachen zu ergänzen. Anderenfalls ist der dem Kenntnisstand des Arbeitnehmers entsprechende und ihm konkreter nicht mögliche Vortrag, soziale Gesichtspunkte seien nicht ausreichend berücksichtigt, als unstreitig anzusehen. Insoweit greift der Grundsatz, dass die ZPO keine unerfüllbaren Anforderungen an die Vortragslast einer Partei hinsichtlich solcher Tatsachen stellt, die in der Sphäre und im Erkenntnisbereich des Gegners liegen und dem Vertragspflichtigen selbst verschlossen sind (BAG 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 18; vgl. auch 10. Februar 1999 – 2 AZR 716/98 – NZA 1999, 702).
Auch wenn ein Arbeitnehmer in eine Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG aufgenommen worden ist, kann er im Kündigungsschutzprozess gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG verlangen, dass der Arbeitgeber die Gründe angibt, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben; dazu gehören gegebenenfalls auch betriebliche Interessen, die den Arbeitgeber zur Ausklammerung an sich vergleichbarer Arbeitnehmer aus der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG veranlassten. Kommt der Arbeitgeber dem Verlangen des Arbeitnehmers nicht nach, ist die streitige Kündigung ohne weiteres als sozialwidrig anzusehen; auf den Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl kommt es dann nicht an (BAG 10. Februar 1999 – 2 AZR 716/98 – NZA 1999, 702).
§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglicht es dem Arbeitgeber, bestimmte Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gilt Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des „Leistungsträgers“ abzuwägen: je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein (BAG 7. Dezember 2006 – 2 AZR 748/05 – AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 88; 5. Dezember 2002 – 2 AZR 697/01 – AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 60; 12. April 2002 – 2 AZR 706/00 – NZA 2003, 42).
2. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Kündigung vom 30. Juni 2009 als unwirksam, weil die Beklagte dem in der Klageschrift geäußerten Auskunftsverlangen des Klägers nach § 1 Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz KSchG nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Auch der Kammer erschließt sich trotz intensiver Befragung der Beklagten in der Kammerverhandlung nicht, wie sie die soziale Auswahl durchgeführt hat. Die soziale Auswahl ist darüber hinaus grob fehlerhaft. Die Beklagte hat den auswahlrelevanten Personenkreis in mehrfacher Hinsicht unrichtig bestimmt. Die diesbezüglichen Fehler sind evident.
Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Beklagte die soziale Auswahl nach ihren Angaben nur innerhalb der jeweiligen organisatorischen Einheit (Kostenstelle/Abteilung) durchgeführt hat. Dies entspricht nicht der gesetzlichen Regelung, die von einer Betriebsbezogenheit der sozialen Auswahl ausgeht. Eine Begründung, warum die Beklagte Mitarbeiter mit gleicher Berufsbezeichnung und Eingruppierung nicht als vergleichbar ansieht, lässt sich weder ihren schriftsätzlichen Ausführungen noch den zu den Gerichtsakten gereichten Anlagen entnehmen. Sie hat dem Kläger darüber hinaus keine Auskunft darüber gegeben, warum sie ihn mit den Schichtschlossern bzw. Industriemechanikern, die in einer anderen Abteilung als der Kläger tätig und tariflich in die selbe Vergütungsgruppe eingruppiert worden sind, nicht als vergleichbar angesehen hat.
Hinzu kommt, dass die von der Beklagten vorgenommene Unterteilung der Arbeitnehmer in die Gruppen A, B und C nicht gesetzeskonform ist. Sie hat die Gründe für diese Unterteilung weder im Prozess dargelegt noch den Kläger darüber unterrichtet.
In die Liste A hat die Beklagte Arbeitnehmer aufgenommen, die wegen „bestimmter Besonderheiten“ nicht mit anderen Mitarbeitern vergleichbar sein sollen. Damit hat sie zahlreiche Arbeitnehmer von vornherein nicht in die soziale Auswahl einbezogen, ohne dass sie erläutert hat, worin diese Besonderheiten gerade im Verhältnis zum Kläger bestehen sollen. Der Verweis auf Anlagen zu dem Schriftsatz vermag den Auskunftsanspruch des Klägers nicht zu erfüllen. Darüber hinaus ist nicht deutlich geworden, ob die Beklagte die in der Liste A aufgeführten Mitarbeiter tatsächlich als nicht vergleichbar (warum?) ansieht oder ob sie sich auf die Leistungsträgerregel des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will. Sollte dem so sein, fehlen jegliche Angaben der Beklagten, dass und ggf. wie sie die zu berücksichtigenden Belange miteinander abgewogen hat.
Da der Kläger der Liste B zugeordnet worden ist, kommt es für ihn nicht darauf an, dass auch die Liste C nicht gesetzeskonform ist. Das Gericht beschränkt sich auf den Hinweis, dass die Beklagte die dort aufgeführten Mitarbeiter offensichtlich gar nicht mit anderen Arbeitnehmern als vergleichbar angesehen hat. In die Liste C sind nach ihren Angaben Mitarbeiter aufgenommen worden, die zwar vergleichsweise hohe Sozialpunkte aufweisen, aber dennoch wegen niedriger Qualifizierung mit Mitarbeitern der gleichen Ebene weder horizontal noch fachlich vergleichbar sein sollen. Eine Darlegung der Beklagten, wie sie die soziale Auswahl unter den nach ihrer Auffassung gering qualifizierten Mitarbeitern durchgeführt hat, ist nicht erfolgt.
Da die Beklagte dem Auskunftsverlangen des Klägers nach alledem nicht ausreichend nachgekommen ist und sie den auswahlrelevanten Personenkreis evident falsch bestimmt hat, war bei der Entscheidungsfindung des Gerichts davon auszugehen, dass die Kündigung des Klägers gegen § 1 Abs. 3 KSchG verstößt. Der Vortrag des Klägers, die Beklagte habe soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend beachtet, ist als unstreitig anzusehen. Ein substantiiertes Bestreiten der Beklagten ist nicht erfolgt.
II. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Beschäftigung als Industriemechaniker bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.
1. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, seinen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn er dies verlangt. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ist aus §§ 611, 613 BGB i.V. mit § 242 BGB abzuleiten. Die Generalklausel des § 242 BGB wird dabei durch die Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG ausgefüllt (BAG – Großer Senat 27. Februar 1985 – GS 1/84 – NZA 1985, 702, 703).
Da der allgemeine Beschäftigungsanspruch aus einer sich aus Treu und Glauben ergebenden Pflicht des Arbeitgebers herzuleiten ist, muss er allerdings dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Der Arbeitgeber ist nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, die Interessen des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf eigene überwiegende und schutzwerte Interessen zu fördern. Deshalb bedarf es, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers ablehnt, einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Feststellung, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung schutzwürdig ist und überwiegt (BAG aaO).
Liegt ein die Instanz abschließendes Urteil vor, das die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers das Interesse des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers. Etwas anders gilt nur dann, wenn zur Ungewissheit des Prozessausgangs zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (BAG, aaO).
2. Danach ist die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet, weil derartige „zusätzliche Umstände“ nicht vorliegen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung hat ihre gesetzliche Grundlage in §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 42 Abs. 4 S. 1 GKG und § 3 ZPO.