ArbG Duisburg, Urteil vom 26.09.2012 – 5 Ca 949/12
1. Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder von Kollegen, die nach Inhalt und Form zu einer erheblichen Ehrverletzung des Betroffenen führen, können eine außerordentliche, verhaltensbedingte Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Dies gilt auch für Einträge in sozialen Netzwerken wie Facebook und auch dann, wenn der Eintrag nur für sogenannte Facebook-Freunde und Freundes-Freunde sichtbar ist.(Rn.29)
2. Ein Eintrag bei Facebook stellt eine Verkörperung der Erklärung dar, die nachhaltig in die Rechte der Betroffenen eingreift. Eine schriftliche Äußerung bei Facebook ist daher von der Intensität her nicht mit einer wörtlichen Äußerung unter Arbeitskollegen im privaten Kreis zu vergleichen.(Rn.32)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 16.4.2012 beendet wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Kaufmann im Einzelhandel weiter zu beschäftigen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf 9.720,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen, fristgerechten Kündigung der Beklagten aus verhaltensbedingten Gründen.
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Der am 26.04.1983 geborene, ledige Kläger ist seit dem 01.01.2008 bei der Beklagten als Kaufmann im Einzelhandel zu einem Bruttomonatsgehalt von 1.944,00 EUR beschäftigt.
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Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom 16.04.2012 kündigte die Beklagte dem Kläger außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächst möglichen Zeitpunkt. Der Kündigung war folgendes vorausgegangen:
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Der Kläger war seit dem 27.02.2012 bis einschließlich 13.04.2012 arbeitsunfähig im Zusammenhang mit einer Knieverletzung, die eines operativen Eingriffs bedurfte. Am 20.03.2012 erfuhren die Arbeitnehmerinnen C. von einem Facebook-Eintrag des Klägers auf seiner Facebook-Seite. Der Eintrag des Klägers hatte folgenden Wortlaut:
“N.
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Irgendwann mach ich mein mund auf und dann mal gucken wie doof die gucken alle manche arbeitskollegen haben nixs zu tun hinter mein rücken zu reden und lästern von bildern die ih hier rein tue bilder von januar nur weil paar kollegen von mir es haben wollten hab ihes drauf gemacht aber ein paar speckrollen die nicht mal jahre lang abnehmen können und manche die überstd brauchen meinen hinter mein rücken zu reden habt ihr keine freunde hattet ihr schlechten sex hat jemand euch ins gehirn geschissen oder so habt ihr keine andere hobbys statt zu lästern und arsch zu kriechen und auf ein klug scheißer tun als werd ihr besser ihr seit unnötig noch nicht mal irgednwas wert bin seit fünfjahren bzw mehr als fünf jahre nie krankenschein eingereicht und jetz wo ich innenminuskriss habe könnt ihr jetz lästern ihr fische denkt ihr ich bin froh darüber ihr heult doch immer wegen kleinigkeiten und drückt attest rein ihr könnt mich mal kreuzweise die jenigen wissen wen ich meine die sollen sich nur schämen wartet wenn ih ab Freitag ambulant bin und in zwei wochen raus komme!!! ”
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Diesen Eintrag des Klägers las eine Vielzahl von Facebooknutzern, wobei der Adressatenkreis der Facebookmeldung des Klägers zwischen den Parteien streitig ist. Unstreitig ist, dass auch Arbeitskollegen des Klägers sogenannte Facebookfreunde des Klägers sind und somit Zugriff auf seinen Eintrag hatten und diesen auch tatsächlich lasen.
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Dem Kommentar des Klägers auf seiner Facebookseite war vorausgegangen, dass er ein Foto, welches ihn mit Kollegen im Cafe zeigte, auf seiner Facebookseite eingestellt hatte. Ihm war daraufhin zugetragen worden, dass er im Hinblick auf dieses Foto bei seinem Arbeitgeber angeschwärzt worden sei. Dem Arbeitgeber sei gesagt worden, dass er sich während der Arbeitsunfähigkeit in Cafés aufhalte. In diesem Zusammenhang fiel auch der Name der Kollegin Frau K., welche seit längerem versucht abzunehmen. Die Fotos, die der Kläger auf Facebook einstellte, stammten aus dem Monat Januar 2012, also aus einer Zeit, in welcher er nicht arbeitsunfähig war.
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Der Kläger kehrte am 16.04.2012 nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit in den Betrieb zurück. An diesem Tag fand ein Gespräch mit dem Hausleiter Herrn T. sowie zwei Mitgliedern des Betriebsrates statt, in welchem der Kläger mit den Vorwürfen bezüglich des Facebookeintrags konfrontiert wurde. Der Kläger räumte in diesem Gespräch ein, dass die Äußerung auf Facebook von ihm stamme. Die Beklagte sprach sodann mit Schreiben vom 16.04.2012, welches durch den Hausleiter Herrn T. unterzeichnet wurde, die Kündigung aus.
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Der Kläger wies mit Schreiben vom 02.05.2012 die Kündigung unter Verweis auf die §§ 174, 180 BGB zurück und rügte gleichzeitig, dass die Unterschrift nicht den Anforderungen der Rechtsprechung genüge. Der Kläger bestreitet das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB, rügt die Nichteinhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB und die soziale Rechtfertigung der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Er bestreitet zudem die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung.
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Der Kläger trägt vor, dass der Eintrag in seinem Facebook-Account stets nur für seine Freunde und Freundes-Freunde zugänglich gewesen sei. Eine Veröffentlichung in dem Sinne, dass jeder Nutzer von Facebook die Äußerungen lesen könne, sei zu keiner Zeit erfolgt. Der Kläger verweist desweiteren auf den Hintergrund der Eintragung und beruft sich darauf, dass er im Affekt gehandelt habe, nach dem er erzürnt darüber gewesen sei, dass ihn Kollegen angeschwärzt hätten. Er trägt weiter vor, dass mit der Bezeichnung “Speckrolle” keine bestimmte Arbeitnehmerin gemeint gewesen sei. Es sei auch nicht richtig, dass er in der Besprechung am 16.04.2012 zugegeben habe, dass damit Frau N. gemeint sei. Er habe allein angegeben, dass Frau N. ihm als diejenige Arbeitnehmerin genannt worden sei, die ihn bezüglich der bei Facebook eingestellten Fotos angeschwärzt habe. Der Kläger trägt weiter vor, dass am 16.04.2012 keine Anhörung statt gefunden habe. Vielmehr habe er sich wie bei einem Verhör gefühlt. Man habe versucht, ihn zu einem Aufhebungsvertrag zu drängen. Es sei erheblicher Druck auf ihn ausgeübt worden. Er selbst habe in diesem Gespräch keinesfalls Drohungen ausgesprochen.
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Der Kläger beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 16.04.2012 beendet wird;
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2. die Beklagte im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Kaufmann im Einzelhandel weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger denunzierende Äußerungen auf Facebook getätigt habe, die zu einer sofortigen fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB ohne vorherige Abmahnung berechtigten. Die Beklagte trägt vor, dass der Eintrag des Klägers zumindest anfangs als öffentlich gekennzeichnet gewesen sei. Daher hätten nicht nur die Freunde des Klägers auf Facebook und die sogenannten Freundes-Freunde, sondern jegliche Facebooknutzer den Eintrag lesen können. Die despektierlichen Äußerungen seien klar der Mitarbeiterin Frau N. zuzuordnen. Dies habe der Kläger in der Anhörung am 16.04.2012 auch eingestanden. Dort habe er zugegeben, dass Frau N. gemeint sei
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Die Beklagte trägt weiter vor, dass der Hausleiter Herr T. zum Ausspruch von Kündigungen bevollmächtigt gewesen sei und dass dies durch Aushang am schwarzen Brett den Mitarbeitern bekannt gemacht worden sei. Im Übrigen habe der Kläger die Kündigung nicht unverzüglich im Sinne von § 174 BGB zurückgewiesen.
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Der Betriebsrat sei am 16.04.2012 schriftlich angehört worden (vgl. Bl. 47-48 der Akten). Darüber hinaus habe Herr T. in der Betriebsratssitzung die Gründe der Kündigung noch mündlich dargelegt. Der Betriebsrat habe der Kündigung nicht widersprochen.
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Am 16.04.2012 habe eine echte Anhörung des Klägers stattgefunden. Von einem Verhör könne keine Rede sein. Der Kläger habe am Ende des Gesprächs die Drohung “warten sie mal ab, das hat ein Nachspiel” geäußert.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
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Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag hinreichend bestimmt. Zwar enthält der Weiterbeschäftigungsantrag die Klausel “zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen”. Da zwischen den Parteien die arbeitsvertraglichen Bedingungen nicht streitig sind, ist der Weiterbeschäftigungsantrag dennoch trotz der abstrakten Formulierung bestimmt im Sinne des § 253 ZPO. Die unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen sind dahingehend auszulegen, dass der Kläger als Kaufmann im Einzelhandel mit einem Bruttoentgelt von 1.944,– € weiter zu beschäftigen ist. Mit diesem Verständnis ist der Weiterbeschäftigungsantrag zulässig.
II.
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Die Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis wurde weder durch die außerordentliche, fristlose Kündigung noch durch die hilfsweise ordentliche, fristgerechte Kündigung beendet. Auch dem Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers war stattzugeben.
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1. Das Arbeitsverhältnis wird nicht fristlos durch die außerordentliche, fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB beendet. Die außerordentliche Kündigung scheitert bereits daran, dass die Einhaltung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht dargelegt ist.
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Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
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Die Beklagte hat dargelegt, dass sie am 20.03.2012 erstmals Kenntnis von den Umständen erlangt hat, die aus ihrer Sicht eine außerordentlich, fristlose Kündigung rechtfertigen. Die Beklagte wartete mit einer Anhörung des Klägers bis zum 16.04.2012 ab und sprach erst nach dieser Anhörung am 16.04.2012 die Kündigung aus. Zwar billigt die Rechtsprechung dem Arbeitgeber zu, auch weitere Aufklärungsmaßnahmen zu betreiben, die dann ggf. die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB hemmen. Die Beklagte hat jedoch mit der Durchführung von weiteren Aufklärungsmaßnahmen, zu welcher die Anhörung zu rechnen ist, vor Ablauf der 2-Wochen-Frist nicht einmal begonnen. Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht darauf berufen, dass eine Anhörung des Klägers und weitere Aufklärungsmaßnahmen nicht vor Ablauf der 2-Wochen-Frist möglich gewesen seien, da dieser arbeitsunfähig war. Eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hemmt jedenfalls nicht in jedem Fall die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB (LAG Köln v. 25.1.2001 – 6 Sa 1310/00, BB 2001, 1748; Mennemeyer, Dreymüller, NZA 2005, 382). Angesichts der Tatsache, dass der Kläger mit einer Knieverletzung im Krankenhaus gelegen hat, ist nicht ersichtlich, warum nicht eine telefonische Anhörung des Klägers oder eine schriftliche Anhörung des Klägers innerhalb der 2-Wochen-Frist erfolgte.
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Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, wie lange der Eintrag des Klägers auf seiner Facebookseite veröffentlicht war. Wenn der Eintrag dort länger eingestellt war, dürfte von einem Dauertatbestand auszugehen sein, mit der Folge, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit jedem Tag des Eintrags neu zu laufen beginnt. Darauf hat sich die Beklagte aber nicht berufen. Sie hat lediglich dargelegt, dass der Eintrag am 20.3.2012 gelesen wurde.
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2. Das Arbeitsverhältnis wurde auch nicht durch die hilfsweise erklärte ordentliche, fristgerechte Kündigung beendet. Im Ergebnis fehlt es an einem hinreichenden verhaltensbedingten Kündigungsgrund im Sinne des § 1 KSchG, welcher ohne vorherige Abmahnung zur Kündigung berechtigt.
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a) Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Erforderlich ist ein Verhalten des Arbeitnehmers, durch welches eine Vertragspflicht erheblich- in der Regel schuldhaft- verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien billigenswert und angemessen erscheint (BAG vom 10.09.2009 – 2 AZR 257/08, NZA 2010, 220; BAG vom 10.12.2009 – 2 AZR 55/09, NZA – RR 2010, 383; Ascheid/Preis/T., Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012, § 1 KSchG, Rn. 265). Die verhaltensbedingte Kündigung ist in drei Stufen zu prüfen. Es muss zunächst ein regelmäßig schuldhaftes vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers festzustellen sein. Dieses muss zu konkreten Störungen des Arbeitsverhältnisses führen, die auch in Zukunft zu befürchten sind (Prognoseprinzip). In der dritten Stufe ist schließlich eine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Prognoseprinzip ist Ausfluss des Gedankens, dass Zweck der Kündigung nicht die Sanktion einer Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen ist. Aufgrund des Prognoseprinzips ist bei Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung in der Regel erforderlich, dass zuvor eine Abmahnung wegen eines vergleichbaren Verhaltens ausgesprochen wurde. In diesem Fall kann der Arbeitgeber sich darauf berufen, dass der Arbeitnehmer trotz bereits erfolgter Abmahnung die Pflichtverletzung erneut begangen hat, woraus die negative Prognose ohne weiteres folgt. Ausnahmsweise kann aber auch ohne vorherige Abmahnung eine negative Prognose gegeben sein, wenn die Pflichtverletzung an sich derart evident ist, dass auch ohne Abmahnung für den Arbeitnehmer ohne weiteres ersichtlich war, dass der Arbeitgeber ein derartiges Verhalten nicht hinnehmen würde (BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 103/08, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59; BAG vom 12.05.2010 – 2 AZR 845/08, NZA 2010, 1348). In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen, die nach Inhalt und Form zu einer erheblichen Ehrverletzung des Betroffenen führt, eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen kann (BAG vom 10.12.2009 – 2 AZR 534/08, AP BGB § 626 Nr. 226; BAG vom 12.01.2006 – 2 AZR 21/05, NZA 2006, 917; Ascheid/Preis/T.-Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012, § 1 KSchG, Rn. 294, m.w.N.). Bei der Bewertung von Äußerungen ist allerdings stets das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zu beachten, wobei der Grundrechtsschutz unabhängig davon besteht, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG vom 16.10.1998 – 1 BvR 2296/96, NZA 1999, 191). Eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit. Formalbeleidigungen und Schmähungen sowie bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen fallen allerdings nicht mehr in den Schutzbereich des Artikel 5 Abs. 1 GG, da das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet ist. Die Meinungsfreiheit wird insbesondere durch das Grundrecht der persönlichen Ehre gemäß Artikel 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden (BAG vom 10.12.2009 – 2 AZR 534/08, AP BGB § 626 Nr. 226).
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Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist von der objektiven Sicht eines ruhig und verständig urteilenden Arbeitgebers auszugehen. Nur ein Verhalten, das einen solchen Arbeitgeber zur einer Kündigung bestimmen könnte, kann einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen (BAG vom 02.02.2006 – 2 AZR 222/05, AP KSchG 1969 § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 52). Im Falle von ehrverletzenden Äußerungen sind im Rahmen der Interessenabwägung auch Kriterien zu berücksichtigen wie z.B. die Frage, ob ein bestimmter Umgangston betriebsüblich ist, der psychische Zustand eines Arbeitnehmers und die Gesprächssituation sowie Ort und Zeitpunkt des Geschehens (Ascheid/Preiß/T.-Dörner/Vossen, § 1 KSchG, Rn. 296).
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b) Unter Zugrundlegung dieser Grundsätze erscheint die Äußerung des Klägers bei Abwägung aller Umstände nicht geeignet, ohne vorherige Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 KSchG zu rechtfertigen.
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Die Äußerungen des Klägers sind ohne Zweifel despektierlich. Dies gilt insbesondere für die Bezeichnung als “Speckrollen” sowie für die Äußerungen “hattet ihr schlechten Sex” und “hat jemand euch ins Gehirn geschissen”. Auch die Vorwürfe “in den Arsch zu kriechen” und “auf ein Klugscheißer tun” sind ehrverletzende Äußerungen, die ihrer Form nach nicht mehr in den grundrechtlich geschützten Anwendungsbereich der Meinungsfreiheit des Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz einzuordnen sind. Die Kammer verkennt auch nicht, dass eine Kommentareinstellung bei Facebook einen anderen Charakter aufweist als eine wörtliche Äußerung, die aufgrund ihrer Flüchtigkeit nicht derart einschneidende Wirkungen für die betroffenen Mitarbeiter hat. Die Einstellung bei Facebook stellt eine Verkörperung der beleidigenden Äußerung dar, die für andere, soweit sie nicht gelöscht wird, immer wieder nachlesbar ist und somit nachhaltig in Rechte der Betroffenen eingreift. Dabei ist auch die besondere gesellschaftliche Bedeutung und Verbreitung zu bedenken, die soziale Netzwerke inzwischen genießen. Auch bergen die Einträge bei Facebook das Risiko, dass Folgeeinträge, beispielsweise in Form von Kommentaren oder durch eigene Einträge erfolgen, die wiederum die betroffene Person erneut oder in anderer Form beleidigen bis hin zur Gefahr des sogenannten Internetmobbings. Nach Auffassung der Kammer ist aus diesem Grund eine schriftliche Äußerung bei Facebook, auch wenn sie jederzeit gelöscht werden kann, von der Intensität her nicht mit einer wörtlichen Äußerung unter Arbeitskollegen im privaten Kreis zu vergleichen (s. auch ArbG Dessau v. 21.03.2012 – 1 Ca 148/11, BeckRS 2012, 69099; ebenfalls zu beleidigenden Äußerungen – hier allerdings eines Auszubildenden – bei Facebook ArbG Bochum v. 29.03.2012 – 3 Ca 1283/11, BeckRS 2012, 70844/LAG Hamm v. 10.10.2012, noch nicht veröffentlicht). Dies gilt auch ungeachtet der Frage, ob die Äußerung des Klägers nur für seine Facebook-Freunde und Freundesfreunde oder für sämtlich Facebook-Nutzer zugänglich war. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Äußerung nur Freunden und Freundesfreunden zugänglich war, stellt dies bereits einen großen Empfängerkreis dar, dem auch Arbeitskollegen angehörten. Dieser Empfängerkreis konnte den Eintrag immer wieder lesen.
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Entscheidend war für die Kammer jedoch im Ergebnis, dass die Äußerungen des Klägers nicht ohne Anlass, sondern im Affekt gemacht wurden. Schließlich war auch zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass sich aus den Einträgen selbst eine Bezugnahme auf eine bestimmte Kollegin, insbesondere Frau N., nicht ergibt. Anlass der Äußerung war, dass der Kläger die Mitteilung erhielt, Kollegen hätten gegenüber seinem Arbeitgeber behauptet, er halte sich während der Arbeitsunfähigkeit in Cafés auf. Tatsächlich entspricht es nicht den Tatsachen, dass sich der Kläger während der Arbeitsunfähigkeit in Cafés aufhielt. Die vom Kläger eingestellten Bilder, die ihn mit Kollegen in einem Cafe zeigen, stammen aus dem Monat Januar. Der Kläger hatte also aus seiner Sicht einen begründeten Anlass, auf die Kollegin oder den Kollegen ärgerlich zu sein, die ihn bei der Arbeitgeberin angeschwärzt hatten. Dass dies der Hintergrund für seinen Facebookeintrag war, macht der Eingangssatz des Kommentares deutlich, in dem es unter anderem heißt
“….manche arbeitskollegen haben nixs zu tun hinter mein rücken zu reden und lästern von bildern die ih hier rein tue bilder von Januar nur weil paar Kollegen von mir es haben wollten hab ihes drauf gemacht”
. Die Äußerungen des Klägers erfolgten daher im Affekt, als emotionale Reaktion auf ein Verhalten eines oder mehrerer Kollegen und wurden nicht ohne Rücksicht auf einen konkreten Anlass nur zu Verunglimpfung einer Person gemacht. Der Eintrag des Klägers ist ohne Zweifel unangemessen, er zeigt aber auch deutlich seine Betroffenheit wegen des erhobenen Vorwurfs, er habe eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht bzw. er verhalte sich unangemessen während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit. Es kann daher ohne vorherige Abmahnung nicht die Prognose aufgestellt werden, dass der Kläger derartige Äußerungen erneut tätigen wird. Zusammenfassend gesagt, stellt das Einstellen des Kommentars auf Facebook durch den Kläger zwar eine arbeitsvertragliche, schuldhafte Pflichtverletzung dar, die aber durch eine Abmahnung und nicht eine sofortige verhaltensbedingte Kündigung geahndet werden kann, da aufgrund der Umstände des Eintrags eher von einem Einzelfall auszugehen ist.
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Auch das Verhalten des Klägers im Personalgespräch am 16.4.2012 stellt keinen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger in diesem Gespräch gesagt hat, die Angelegenheit habe noch ein Nachspiel, liegt darin keine Bedrohung, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt. Es kann dem Kläger nicht unterstellt werden, dass er mit dieser Äußerung rechtswidrige Handlungen androhte. Vielmehr ist zu seinen Gunsten eher davon auszugehen, dass er damit meinte, er werde sich juristischen Rat holen und einen Anwalt kontaktieren, um sich gegen die angedrohte Kündigung zu wehren. Für eine andere Bewertung hat die Beklagte jedenfalls keine Indizien vorgetragen.
III.
35
Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, hat der Kläger entsprechend des Beschlusses des Großen Senats vom 27.02.1985 (GS 1/84, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.
B.
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Die Beklagte trägt, da sie im Rechtsstreit unterlag, die Kosten des Rechtsstreits, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 3 GKG, 3 ff ZPO. Der Kündigungsschutzantrag wurde mit 3, der Weiterbeschäftigungsantrag mit 2 Bruttomonatsgehältern zu je 1.944,00 € bewertet.