ArbG Bielefeld, Urteil vom 04.04.2012 – 6 Ca 1896/11
1. Der nach § 613a Abs. 5 BGB nicht oder unzureichend informierte Arbeitnehmer, der nach dem Betriebsübergang zunächst für den Betriebserwerber tatsächlich weiterarbeitet, hat nach später erfolgtem wirksamen Widerspruch keinen Anspruch gegen den Betriebsveräußerer für die tatsächlich geleistete Arbeit aus § 611 BGB. Sein Vergütungsanspruch folgt aus dem faktischen Arbeitsverhältnis zum Betriebserwerber.
2. Der Betriebsveräußerer befindet sich grundsätzlich auch nur dann für diesen Zeitraum im Annahmeverzug, wenn ihm die Arbeitsleistung erfolglos angeboten wurde. Annahmeverzug besteht nur dann, wenn der Arbeitnehmer darlegt und beweist, dass er bei einer ordnungsgemäßen Information nach § 613a Abs. 5 BGB den Widerspruch unmittelbar erklärt und seine Arbeitsleistung angeboten hätte.
3. Der Arbeitnehmer muss sich im Falle des ausnahmsweise bestehenden Annahmeverzuges nach § 615 S. 2 BGB den gegen den Betriebserwerber im faktischen Arbeitsverhältnis erzielten Verdienst unabhängig davon anrechnen lassen, ob er ihn tatsächlich erhalten hat. Zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber besteht kein Gesamtschuldverhältnis, aus dem der Arbeitnehmer wahlweise vorgehen kann. Der Betriebserwerber kann sich im faktischen Arbeitsverhältnis nicht auf Ausschlusstatbestände, die zwischen dem Arbeitnehmer und Betriebsveräußerer vereinbart wurden (z.B. Ausschlussfristen) berufen.
4. Wegen der unzureichenden Information kann unter Umständen ein Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB gegen den Betriebsveräußerer bestehen.
(Leitsätze des Gerichts)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 218,89 € sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB auf 2.800,00 € vom 15.05. bis 07.07.2011, auf 2.115,50 € vom 08.07. – 31.08.2011 und auf 218,89 € seit dem 01.09.2011 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit im Umfang von 1.996,61 € in der Hauptsache erledigt hat.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.
5. Der Streitwert wird auf 3.728,39 € festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.
2 Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22.11.2010 ab dem 01.09.2010 als Werkstattleiter/Monteur beschäftigt. Als Arbeitsentgelt war eine Vergütung von 2.800,00 € brutto vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 (Bl. 3 – 7 d. A.) Bezug genommen.
3 Mit notariellem Vertrag vom 06.04.2011 verkaufte die Beklagte den Betrieb an eine Firma Wekin-Group S.A., deren Inhaber der Zeuge Weiner ist.
4 Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 53 – 55 R d. A. Bezug genommen.
5 Zwischen den Parteien gab es im März 2011 Gespräche im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf des Betriebes an die Firma Wekin-Group S.A. Die Einzelheiten zwischen den Parteien sind streitig.
6 Die Märzvergütung wurde zunächst nicht gezahlt. Der Kläger erbrachte sowohl im März als auch im April die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Ende April stellte er wegen der Zahlungsrückstände seine Tätigkeit ein.
7 Der Kläger ist bei der Techniker Krankenkasse krankenversichert. Durch eine Überweisung des Hauptzollamtes vom 08.07.2011 wurden die von der Beklagten bei der Techniker Krankenkasse für den Monat März 2011 abzuführende Sozialversicherungsbeiträge bezahlt. Der Kontoauszug der Techniker Krankenkasse weist zu diesem Zeitpunkt ein Saldo von 0,00 € aus.
8 Am 01.09.2011 erhielt der Kläger den sich aus einem Betrag von 2.800,00 € brutto ergebenden Nettobetrag in Höhe von 1.996,61 € für den Monat März 2011 durch die Beklagte ausgezahlt.
9 Mit einem am 29.07.2011 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 02.08.2011 zugestellten Schriftsatz hat der Kläger Klage auf Zahlung von 5.600,00 € brutto Vergütung für die Monate März und April 2011 nebst Zinsen erhoben. Im Kammertermin vom 07.12.2011 hat er den Rechtsstreit in Höhe von 1.996,61 € in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
10 Nachdem die Beklagte sich mit Schriftsatz vom 19.09.2011 gegen die Zahlung der Aprilvergütung mit dem Einwand verteidigte, dass das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs ab dem 01.04.2011 mit der Wekin-Group S. A. bestehe, widersprach der Kläger schriftlich mit Schreiben vom 23.09.2011.
11 In der Folgezeit wurde ein Arbeitsverhältnis durch die Beklagte fristgerecht gekündigt. Der Kläger griff diese Kündigung nicht an. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte schulde ihm die März- und Aprilvergütung in Höhe von 5.600,00 € brutto abzgl. des am 01.09.2011 gezahlten Nettobetrages in Höhe von 1.996,61 €.
12 Für den Monat März ergebe sich dies aus § 611 BGB.
13 Die Beklagte sei auch zur Zahlung der Vergütung für den Monat April in voller Höhe verpflichtet. Der Kläger bestreitet, dass es zu einem Betriebsübergang im Monat April 2011 gekommen ist. Selbst wenn ein Betriebsübergang eingetreten wäre, so habe er einem solchen wirksam widersprochen. Daher sei die Beklagte durchgehend Arbeitgeberin gewesen und wegen der geleisteten Arbeit zur Vergütungszahlung verpflichtet.
14 Sie sei ihm auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zur Zahlung verpflichtet, da sie nicht in der gebotenen Form und mit dem gebotenen Inhalt gemäß § 613 a Abs. 5 BGB eine Belehrung über den Betriebsübergang vorgenommen habe. Dies habe dazu geführt, dass er seine möglicherweise im April 2011 gegenüber der Wekin-Group S. A. erworbenen Vergütungsansprüche nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 8 des Arbeitsvertrages geltend gemacht habe. Zum anderen hätte er auch bei Kenntnis des Betriebsübergangs diesem sofort widersprochen, da er für den Inhaber der Firma Wekin-Group S. A. Herrn Weiner auf keinen Fall hätte arbeiten wollen. Auch insoweit wäre die Beklagte Arbeitgeberin geblieben.
15 Der Kläger beantragt,
16 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.600,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.800,00 € brutto seit dem 15.04.2011 und seit dem 15.05.2011 zu zahlen;
17 2. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit im Umfang von 1.996,61 € in der Hauptsache erledigt hat.
18 Die Beklagte beantragt,
19 die Klage abzuweisen.
20 Sie hält die Ausübung des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang für verwirkt.
21 Die Beklagte habe den Kläger bereits im März 2011 darauf hingewiesen, dass die Firma Wekin-Group S. A. mit dem Inhaber Herrn Weiner ab dem 01.04.2011 den Betrieb übernehme.
22 Die Kammer hatte Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Weiner.
23 Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll vom 15.02.2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
24 Die Klage ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
A.
25 Die Klage ist zulässig.
I.
26 Hinsichtlich der Zahlungsanträge sind Zulässigkeitsbedenken nicht ersichtlich.
II.
27 Die Klage ist auch bezüglich des Feststellungsantrags zulässig.
28 Der Kläger hat einen solchen zwar nicht ausdrücklich gestellt.
29 Aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte sich der Erledigungserklärung des Klägers hinsichtlich der Nettovergütung für den Monat März 2011 nicht anschloss, handelt es sich jedoch um eine sogenannte einseitige Erledigungserklärung, welche in dem Fall, dass sie vom Kläger abgegeben wurde, nach der Klageänderungstheorie (vgl. hierzu Zöller-Vollkommer ZPO, 24. Aufl., § 91 a Rdnr. 34) auch ohne ausdrückliche Formulierung zu einem nach § 264 Nr.2 ZPO jederzeit zulässigem Feststellungsantrag hinsichtlich der Erledigung führt. Ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs.1 ZPO ist unzweifelhaft wegen der Bedeutung der Entscheidung für die Kostenlast gegeben.
B.
30 Die Klage ist teilweise begründet.
I.
31 Die Klage ist im Umfang von 218,89 € begründet.
32 Dem Kläger standen entgegen die Beklagte als Vergütung für den Monat März 2011 ursprünglich 2.800,00 € brutto zu. Dies ergibt sich aus § 611 BGB i. V. m. dem geschlossenen Arbeitsvertrag.
33 Unbestritten hat der Kläger im Monat März 2011 seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht, sodass die Beklagte verpflichtet war, die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung hierfür zu zahlen.
34 1. Dieser Anspruch ist im Umfang von 1.996,61 € sowie weiterer 584,50 € gemäß § 362 BGB durch Erfüllung erloschen.
35 Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte an den Kläger den Nettobetrag in Höhe von 1.996,61 € am 01.09.2011 gezahlt hat.
36 2. Die Klage ist jedoch im Umfang von 584,50 € als unbegründet abzuweisen.
37 Die Beklagte hat nämlich hinsichtlich des Sozialversicherungsbeitrages durch Vorlage des Beitragskontos der Techniker Krankenkasse zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass durch die Überweisung seitens des Hauptzollamtes vom 08.07.2011 die bei der Techniker Krankenkasse bestehende Beitragsschuld für den Monat März 2011 vollständig beglichen worden ist. Gemäß § 28 e SGB IV ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung an den Sozialversicherungsträger abzuführen. Daher führt die Zahlung an die Techniker Krankenkasse vorliegend auch zur Erfüllung der Bruttoforderung gegenüber dem Kläger.
38 3. Der Kläger hat jedoch weiterhin noch einen Anspruch in Höhe von 218,89 €. Dies ist der Betrag, den die Beklagte als Lohnsteuer an das Finanzamt für den Kläger für den Monat März 2011 hätte abführen müssen. Sie hat nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass sie insoweit ihre Verpflichtung gemäß § 362 BGB erfüllt hat.
39 Die von der Beklagten vorgelegten Überweisungsbeträge vermögen diesen Nachweis nicht zu führen. Zum einen ist aus diesen nicht erkennbar, von welchem Konto Abbuchungen vorgenommen wurden. Zum anderen sind Zahlungen an das Finanzamt gegangen, welche die Lohnsteuerschuld des Klägers bei weitem übersteigt. Dies legt nahe, dass diese Zahlungen auch Lohnsteuern aus anderen Arbeitsverhältnissen befriedigen sollten. Das die Steuerschulden des Klägers in diesen Beträgen enthalten waren, ließ sich den Belegen nicht konkret entnehmen. Diese Unsicherheiten gehen zu Lasten der für die Erfüllung darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten.
II.
40 Die Vergütungsansprüche des Klägers für den Monat April waren im vollem Umfang abzuweisen.
41 1. Ein Anspruch des Klägers für den Monat April 2011 folgt nicht aus § 611 BGB.
42 Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme war die Kammer davon überzeugt, dass es mit Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages zwischen dem Zeugen Weiner und der Beklagten zu einem Betriebsübergang gekommen ist, da der Zeuge Weiner die tatsächliche Leitungsmacht über das gesamte Anlagevermögen und die bestehenden Arbeitsverhältnisse von der Beklagten übertragen erhielt.
43 Damit ist grundsätzlich zunächst das Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet worden.
44 a) Der Kläger hat zwar dem Betriebsübergang durch Schreiben vom 23.09.2011 wirksam widersprochen. Hieraus folgen gleichwohl keine Vergütungsansprüche aus § 611 BGB für die Folgezeit.
45 aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Widerspruch des Klägers nicht verwirkt.
46 Die Verwirkung ist ein Unterfall des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB.
47 Zur Annahme der Verwirkung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowohl ein Zeitmoment als auch ein Umstandsmoment erforderlich.
48 Voraussetzung ist somit zunächst, dass der Rechtsinhaber sein Recht über geraume Zeit nicht geltend macht. Darüber hinaus müssen über den reinen Zeitablauf hinaus Umstände vorliegen, die das Vertrauen der verpflichteten Partei begründen, der Rechtsinhaber werde von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen.
49 Für die Voraussetzungen der Verwirkung des Widerspruchsrechts ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet.
50 Vorliegend lässt sich nach Auffassung der Kammer schon das Zeitmoment nicht feststellen. Nach Auffassung der Kammer setzt das Zeitmoment voraus, dass der Berechtigte trotz Kenntnis seines Rechtes über geraume Zeit hiervon keinen Gebrauch macht.
51 Vorliegend konnte die Kammer nicht feststellen, dass der Kläger vor dem Zugang des Schriftsatzes der Beklagten vom 19.09.2011 Kenntnis vom Betriebsübergang hatte.
52 Unstreitig gab es zwar im März 2011 zwischen den Parteien Gespräche, die den Betriebsübergang zum Inhalt hatten.
53 Die Beklagte hat jedoch ihren Vortrag, sie habe dem Kläger mitgeteilt, der Zeuge Weiner übernehme den Betrieb zum 01.04.2011 nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen.
54 Der Kläger hat diesen Vortrag dahingehend bestritten, dass die Beklagte ihm gegenüber lediglich geäußert habe, dass der Zeuge Weiner beabsichtige, den Betrieb zum 01.04. zu übernehmen. Dieser habe im zeitlichen Zusammenhang jedoch erklärt, dass es zu einer Übernahme nur komme, wenn bestimmte von der Beklagten noch abzuarbeitende Punkte erfüllt seien. Mithin hat der Kläger bestritten, von der Beklagten über den definitiven Übergang zum 01.04.2011 an den Zeugen Weiner Kenntnis gesetzt worden zu sein.
55 Ihren gegenteiligen Vortrag hat die Beklagte nicht bewiesen. Trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Kammertermin ist sie im Termin vom 15.02.2012 ferngeblieben, sodass die Kammer den von ihr angebotenen Beweis durch eigene Parteivernehmung nicht erheben konnte.
56 Den ebenfalls von ihr angebotenen Beweis durch Parteivernehmung des Klägers hat die Kammer durch persönliche Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO nachgegangen. Diese Anhörung hat jedoch den Vortrag der Beklagten gerade nicht bestätigt.
57 Soweit der unterbevollmächtigte Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung im Rahmen der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Weinert diesen zu diesen Vorgängen befragen wollte, hat die Kammer diese Fragen an den Zeugen nicht zugelassen, da sie nicht vom von der Kammer erlassenen Beweisbeschluss umfasst waren. Sie stellten nach Auffassung der Kammer auch einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar, da die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen hat, wann und bei welcher Gelegenheit der Zeuge Weiner gegenüber dem Kläger bereits im März 2011 erklärt haben soll, dass er zum 01.04. den Betrieb definitiv übernehme. Der Vortrag der Beklagten war hierzu geradewohl ins Blaue hinein erfolgt. Deshalb war eine Beweiserhebung über diesen Vortrag nicht zulässig.
58 Geht man somit davon aus, dass der Kläger erstmals mit Schriftsatz der Beklagten vom 19.09.2011 über den tatsächlich stattgefundenen Betriebsübergang zum 01.04.2011 in Kenntnis gesetzt wurde, so kann bei einer Widerspruchserklärung mit Schreiben vom 23.09.2011 nicht von der Erfüllung eines Zeitmomentes ausgegangen werden.
59 Folge des rechtmäßig ausgesprochenen Widerspruchs ist, dass das Arbeitsverhältnis rückwirkend wieder auf die Beklagte übergegangen ist.
60 bb) Obwohl somit durchgehend im Monat April 2011 ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand und der Kläger tatsächlich seine Arbeitsleistung im Monat April vollständig erbracht hat, steht ihm kein Vergütungsanspruch gemäß § 611 BGB zu. Er hat nämlich seine Arbeitsleistung nicht für die Beklagte erbracht.
61 Die Erbringung der Arbeitsleistung stellt die Erfüllung der Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag dar. Insoweit ist es erheblich, wem gegenüber der Arbeitnehmer seine Arbeitsverpflichtung erfüllt.
62 Der mit einer Leistung verfolgte Erfüllungszweck ist jedoch nach dem objektiven Empfängerhorizont, hier der Beklagten und der Fa. W. Group S.A., zu bestimmen, so dass es nicht auf die subjektive Willensrichtung des Leistenden ankommt.
63 Legt man dies zugrunde, so ist festzustellen, dass ein objektiver Dritter in der Situation der maßgeblichen Personen in Kenntnis der Übertragung des Betriebes auf die Fa. Wekin-Group S. A. die Erbringung der Arbeitsleistung des Klägers nur als eine Erfüllung der Arbeitsleistung aus dem auf die Wekin-Group S. A. übergegangenen Arbeitsverhältnisse verstehen kann.
64 Hat der Kläger damit nicht in Erfüllung seiner Arbeitspflicht aus dem mit der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnis die Arbeitsleistung erbracht, scheitert ein Vergütungsanspruch nach § 611 BGB i. V. m. dem geschlossenen Arbeitsvertrag aus.
65 2. Ein Anspruch auf Vergütung für den Monat April 2011 steht dem Kläger auch nicht gemäß § 615 S. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu.
66 a) Zwischen den Parteien bestand zwar wie soeben dargestellt im April 2011 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat für diesen Zeitraum gegenüber der Beklagten jedoch seine Arbeitsleistung nicht angeboten.
67 Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urt. v. 13.07.2006, 8 AZR 382/05, AP Nr. 1 zu § 613 a BGB Widerspruch) ist im laufenden Arbeitsverhältnis eine Entbehrlichkeit eines Angebotes gemäß § 296 BGB grundsätzlich nicht anzunehmen. Der Arbeitnehmer ist daher verpflichtet, die Arbeitsleistung tatsächlich oder ggfls. wörtlich anzubieten.
68 Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG a. a. O.) kann zwar im bestehenden Arbeitsverhältnis ausnahmsweise das tatsächliche oder wörtliche Angebot gemäß § 162 BGB entbehrlich sein, wenn die unterbliebene oder fehlerhafte Unterrichtung zur verspäteten Ausübung des Widerspruchs und zum Unterlassen eines Angebotes geführt hat. Die nicht ordnungsgemäße Unterrichtung zur verspäteten Ausübung des Widerspruchs und zum Unterlassen eines Angebotes kann nämlich ein treuwidriges Verhalten des Veräußerers gemäß § 162 BGB beinhalten. Führt gerade dieses treuwidrige Verhalten zur verspäteten Ausübung des Widerspruchs und zum Unterlassen des Angebotes gegenüber dem Veräußerer, so kann hieraus die Entbehrlichkeit eines tatsächlichen Arbeitsangebotes folgen. In diesem Fall muss jedoch der Arbeitnehmer die Kausalität der treuwidrigen Handlung (fehlerhafte oder fehlende Unterrichtung) für den Bedingungseintritt (Unterlassen des Angebotes bzw. Ausübung des Widerspruches) darlegen und beweisen.
69 Da der Kläger unstreitig seine Arbeitsleistung gegenüber der Beklagten im Monat April 2011 weder tatsächlich noch wörtlich angeboten hat, wäre ein Annahmeverzugslohnanspruch nur begründet, wenn Umstände vorliegen, die es nachvollziehbar erscheinen lassen, dass die fehlende Unterrichtung vom Betriebsübergang ihn davon abgehalten hat, einem solchen zu widersprechen bzw. seine Arbeitsleistung der Beklagten gegenüber anzubieten. Es hätten somit Umstände vorliegen müssen, die es hinreichend nachvollziehbar erscheinen lassen, dass der Kläger bei Kenntnis des Betriebsübergangs diesem unmittelbar und sofort widersprochen hätte.
70 Der Kläger hat dies zwar behauptet und sich zur Begründung darauf berufen, dass ihm der Zeuge Weiner aus seiner vorherigen Tätigkeit im Betrieb der Beklagten als Freigänger einer Justizvollzugsanstalt bekannt war. Ebenso habe der Zeuge Weiner einen eigentlich dem Betrieb der Beklagten erteilten Auftrag auf eigene Rechnung bei der Firma HUGA selbst durchgeführt.
71 Dies ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht ausreichend, um die oben geschuldete Schlussfolgerung ziehen zu können.
72 Angesichts der Tatsache, dass der Kläger auf ein Einkommen zum Bestreiten seines Lebensunterhalts angewiesen ist, ist nicht als hinreichend wahrscheinlich davon auszugehen, dass er einen Betriebsübergang auf die Firma Wekin-Group S. A., deren Inhaber der Zeuge Weiner ist, widersprochen hätte. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Zeuge Weiner auch zuvor als Betriebsleiter für die Beklagte tätig war. Das es in Ausübung dieser Betriebsleitertätigkeit im Zusammenhang der Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion gegenüber dem Kläger zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist es eher wahrscheinlich, dass der Kläger zunächst einmal auch in Kenntnis des Betriebsübergangs für den Zeugen Weiner weiter tätig geworden wäre. Der jetzige Vortrag erscheint allein interessengeleitet.
73 b) Selbst wenn man dies mit dem Kläger anders bewerten wollte, wäre dennoch ein Zahlungsanspruch nicht gegeben, da er sich gemäß § 615 S. 2 BGB einen gegen die Firma Wekin-Group S. A. erworbenen Anspruch in gleicher Höhe auf seinen Annahmeverzugslohnanspruch gegen die Beklagte anrechnen lassen müsste.
74 aa) Erbringt nämlich nach einem eingetretenen Betriebsübergang der Arbeitnehmer für den Betriebserwerber tatsächlich Arbeitsleistung und wird dieser erbrachten Leistung durch einen nachfolgend wirksam ausgesprochenen Widerspruch des Arbeitnehmers die rechtliche Grundlage entzogen, weil das Arbeitsverhältnis rückwirkend wieder zum Betriebsveräußerer besteht, befand sich der Arbeitnehmer zum Betriebserwerber in der Zwischenzeit, in der er tatsächliche Leistungen erbrachte, in einem sogenannten faktischen Arbeitsverhältnis.
75 Folge des faktischen Arbeitsverhältnisses ist, dass er gegen den Empfänger der Arbeitsleistung gemäß § 612 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf die übliche Vergütung hat.
76 Dies stellt einen Anspruch dar, den der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben hat und den er sich deshalb gemäß § 615 S. 2 BGB auf seinen Annahmeverzugslohnanspruch gegen den Betriebsveräußerer anrechnen lassen muss.
77 bb) Nach Auffassung der Kammer ist für die Anrechnung auch das Erwerben eines Anspruches maßgeblich, nicht jedoch der Umstand, ob dem Arbeitnehmer tatsächlich Leistungen zugeflossen sind.
78 aaa) Anderenfalls könnte nämlich der Arbeitnehmer zunächst seine Annahmeverzugslohnansprüche gegen den Betriebsveräußerer verfolgen und nach Befriedigung den Betriebserwerber wegen den Ansprüchen aus dem faktischen Arbeitsverhältnis ein zweites Mal in Anspruch nehmen. Entgegen der vom Kläger in der Kammerverhandlung geäußerten Auffassung, sah die Kammer nicht die Möglichkeit, dass der Betriebserwerber in dieser Konstellation die rechtliche Möglichkeit hat, eine Leistung des Betriebsveräußerers unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges als Einwendung gegen den Leistungsanspruch aus dem faktischen Arbeitsverhältnis einzubringen. Insbesondere war nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber ein Gesamtschuldverhältnis im Hinblick auf diese Vergütungsansprüche vorliegen sollte. Im Rahmen des Betriebsübergangs ergibt sich eine Gesamtschuldnerschaft zwischen Betriebsveräußerer und Erwerber lediglich gemäß § 613 a Abs. 2 S. 1 BGB. Ein solcher Fall liegt vorliegend jedoch ersichtlich nicht vor, da es mit der Aprilvergütung um Ansprüche geht, die nicht vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind, sondern erst mit Erbringung der Arbeitsleistung nach dem Betriebsübergang entstanden. Nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 421 S. 1 BGB ist nach Auffassung der Kammer kein Gesamtschuldverhältnis gegeben. Es handelt sich vorliegend nicht um eine Leistung, die der Kläger verlangen könnte, sondern zum einen um einen Anspruch aus Annahmeverzug wegen nicht gegenüber der Beklagten erbrachter Arbeit und zum anderen wegen tatsächlich erbrachter Arbeit aus einem faktischen Arbeitsverhältnis mit der Firma Wekin-Group S. A..
79 Entscheidend ist jedoch, dass die Verpflichtungen des zwischenzeitlichen Betriebserwerbers (faktischer Arbeitgeber) und des Betriebsveräußerers (rechtlicher Arbeitgeber) nicht gleichstufig sind. Dies wäre für ein Gesamtschuldverhältnis jedoch notwendig (vgl. BGH NJW 2007, 1208; Palandt-Grüneberg ‚BGB, 67. Aufl. § 421 Rdnr. 7 f. m.w.N.).
80 Der Gesetzgeber hat jedoch durch § 615 S.2 BGB eine eindeutige Entscheidung dahingehend getroffen, dass die Ansprüche gegen den Dienstherrn aus § 615 S.1 BGB und gegen den Dritten aus anderer Verwendung der Arbeitskraft nicht gleichstufig sind. Ansonsten hätte nämlich § 615 S.2 BGB eine Anordnung der Gesamtschuldnerschaft erhalten. Dadurch, dass jedoch eine Anrechnung auf die Ansprüche nach § 615 S.1 BGB erfolgen soll, ergibt sich, dass die Ansprüche gegen den Dritten vorrangig sind und den sich im Annahmeverzug befindlichen Dienstherr entlasten sollen, ohne dass es später noch zu einem Gesamtschuldnerausgleich kommt. Der Empfänger der tatsächlichen Dienstleistung ist zur Entlohnung verpflichtet und nicht der im Annahmeverzug befindliche Dienstherr. Auf keinen Fall steht es im Belieben des Dienstverpflichteten, von wem er seine Vergütung erhält.
81 Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Kläger sich auf einen etwaigen Annahmeverzugslohnanspruch in Höhe von 2.000,00 € brutto für den Monat April den gleichwertig gegenüber der Firma Wekin-Group S. A. aus dem faktischen Arbeitsverhältnis erworbenen Vergütungsanspruch in gleicher Höhe anrechnen lassen muss.
82 bbb) Diesen Überlegungen steht auch nicht der (etwaige) Verfall der Ansprüche des Klägers gegen die Firma Wekin-Group S. A. aufgrund § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages entgegen.
83 Insoweit kann zunächst offen bleiben, ob diese offensichtlich als AGB getroffene Vereinbarung trotz des fehlenden Ausschlusses hinsichtlich Ansprüche aus vorsätzlichem Handeln der anderen Vertragspartei wirksam ist (vgl. hierzu LAG Hamm, Urt. v. 11.10.2011, 14 Sa 543/11 zitiert nach Juris).
84 § 8 des Arbeitsvertrages findet nämlich im faktischen Arbeitsverhältnis zur Firma Wekin-Group S. A. keine Anwendung.
85 Aufgrund der Tatsache, dass durch den wirksamen Widerspruch des Klägers das Arbeitsverhältnis rückwirkend als durchgängig bestehend mit der Beklagten angesehen wird, fehlt es an einer vertraglichen Grundlage in der Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und der Firma Wekin-Group S. A., deren Bestandteil die Bedingung des schriftlichen Arbeitsvertrages sind. Ebensowenig wie der Kläger sich hinsichtlich seiner Vergütungsansprüche im faktischen Arbeitsverhältnis auf etwaige vertragliche Vereinbarungen berufen könnte, sondern auf die übliche Vergütung gemäß § 612 Abs. 1 BGB angewiesen ist, ist es dem faktischen Arbeitgeber verwehrt, sich auf anspruchsausschließende Tatbestände aus dem fehlerhaften Vertragsverhältnis zu berufen.
86 ccc) Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist die Kammer davon ausgegangen, dass es sich bei der Vergütung von 2.000,00 € brutto um die üblicherweise für die Tätigkeit des Klägers gezahlte Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 1 BGB handelt.
87 b) Damit ist ein Anspruch aus § 615 S.1 BGB vollständig durch Anrechnung gemäß 3 615 S.2 BGB erloschen.
88 3. Die Forderung für den Monat April 2011 steht dem Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu.
89 a) Bei der Verpflichtung zur Unterrichtung über den Betriebsübergang und seine Grundlagen nach § 613 a Abs. 5 BGB handelt es sich nicht nur um eine Obliegenheit, sondern um eine echte Vertragspflicht, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzpflichten gemäß § 280 Abs. 1 BGB auslösen kann (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 67. Aufl. § 613a Rdnr. 47).
90 Eine solche Vertragspflichtverletzung hat die Beklagte vorliegend unstreitig begangen. Sie hat diese auch zu vertreten, da sie sich trotz der für diesen Punkt gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB eingetretenen Beweislastumkehr nicht exkulpiert hat.
91 b) Soweit der Kläger seinen Anspruch darauf stützt, dass er wegen der fehlenden Information über den Betriebsübergang sein Widerspruchsrecht nicht unmittelbar ausgeübt hat und daher keinen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte erworben hat, fehlt es an der hinreichenden Darlegung der Kausalität.
92 Wie oben bereits dargelegt, ist die Kammer gerade nicht davon ausgegangen, dass bei einer ordnungsgemäßen Information über den Betriebsübergang zwingend seitens des Klägers der sofortige Widerspruch erklärt worden wäre.
93 Darüber hinaus wäre ein solcher Anspruch zumindest derzeit mangels eingetretenen Schadens unbegründet.
94 Wie ebenfalls oben dargelegt, steht dem Kläger aus dem faktischen Arbeitsverhältnis zur Wekin-Group S. A. ein Vergütungsanspruch in Höhe der Aprilvergütung zu. Erst wenn dieser endgültig nicht oder nicht vollständig zu realisieren ist, wäre ein Schaden beim Kläger eingetreten. Dies ist derzeit jedoch noch nicht ersichtlich, da der Kläger keinerlei Anstalten unternommen hat, gegen die Firma Wekin-Group S. A. seine Ansprüche zu verfolgen.
95 Diese Ansprüche sind wie ebenfalls bereits oben erörtert auch nicht durch die arbeitsvertraglich mit der Beklagten vereinbarten Ausschlussfrist gemäß § 8 des Arbeitsvertrages ausgeschlossen.
96 c) Ebenso ist der Schadensersatzanspruch derzeit unbegründet, wenn man darauf abstellen wollte, dass durch die unterbliebene Information der Kläger davon abgehalten wurde, innerhalb der Frist des § 8 Abs. 1 des Arbeitsverhältnisses gegenüber der Firma Wekin-Group S. A. seine Ansprüche geltend zu machen.
97 Auch hier gilt, dass diese Ausschlussfrist gegenüber der Firma Wekin-Group S.A. keine Anwendung findet und damit der Kläger zunächst bei dieser Befriedigung suchen muss.
III.
98 Die Klage ist begründet, als dass der Kläger die Feststellung begehrt hat, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache im Umfang des für März gezahlten Nettoentgeltes in Höhe von 1.996,61 € erledigt ist.
99 Der Rechtsstreit hat sich in der Hauptsache insoweit erst nach Rechtshängigkeit durch Erfüllung gemäß § 362 BGB erledigt.
100 Die Klage war insoweit bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet.
101 Einwendungen gegen den Anspruch des Klägers auf die Märzvergütung sind seitens der Beklagten nicht erhoben worden. Daher stand demgemäß § 611 BGB i. V. m. dem geschlossenen Arbeitsvertrag unstreitig der Nettobetrag in Höhe von 1.996,61 € zu.
102 Dem Vortrag des Klägers, dass die Beklagte den Nettobetrag erst am 01.09.2011 gezahlt hat, ist die Beklagte nicht entgegen getreten. Damit ist das erledigende Ereignis, nämlich die Erfüllung, auf jeden Fall nach Rechtshängigkeit durch Einreichung der Klage bei Gericht am 29.07.2011 eingetreten.
C.
103 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO. Die Quotelung entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien an diesem Rechtsstreit.
D.
104 Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er wurde mit dem Nominalwert der streitig entschiedenen Zahlungsansprüche sowie dem Wert der Gebührendifferenz, die aus der Reduzierung des Streitgegenstandes um den erledigten Teil entsteht, bewertet