Zur Inhaberschaft des Unternehmenskennzeichenrechts an einer Gaststätte

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 07.07.2016 – 6 U 19/16

Inhaber des Unternehmenskennzeichenrechts an der Bezeichnung einer verpachteten Gaststätte ist grundsätzlich der Verpächter; bei einem Verkauf des Pachtgrundstücks geht daher das Unternehmenskennzeichenrecht auf den Erwerber über.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegner wird das am 23.12.2015 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 6.10.2015 wird aufgehoben; der Antrag auf ihren Erlass wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Eilverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe
I.

Die Parteien streiten über eine Gaststättenbezeichnung.

In den Gaststättenräumen in der Straße1 in Stadt1 wurde über mehrere Jahrzehnte durch wechselnde Inhaber ein Apfelweinlokal unter der Bezeichnung „A“ betrieben. Der Antragsteller war von Oktober 2004 bis Oktober 2015 Pächter des …lokals. Auch er führte es unter der Bezeichnung „A“. Im Jahr 2008 veräußerte der bisherige Eigentümer die Immobilie an eine Gemeinschaft von Bruchteilseigentümern, die in den Pachtvertrag eintrat (Antragsgegnerin zu 1). Zu den Bruchteilseigentümern gehört der Antragsgegner zu 2, der ab dem 1.12.2015 auch Pächter der Liegenschaft werden sollte.

Am 2.5.2009 meldete der Antragsteller die nationale Wortmarke „A“ unter anderem für Dienstleistungen der Klasse 43, darunter den „Betrieb einer Bar“ und die „Verpflegung von Gästen in Restaurants“ an. Die Marke wurde am 25.8.2009 eingetragen (Reg. Nr. …). Der Antragsteller eröffnete im Mai 2011 ein weiteres …lokal in Stadtteil1 unter dem Namen „A1“. Zudem erbringt er unter der Bezeichnung „A“ Cateringdienstleistungen und ist mit Ständen auf Festen vertreten.

Der Antragsteller gab die Räumlichkeiten Straße 1 einvernehmlich zum 31.10.2015 an die Eigentümer heraus. Bereits am 7.9.2015 brachten die Antragsgegner an der Gaststätte ein Hinweisschild an, wonach das „A“ wegen Renovierung und Pächterwechsel bis November geschlossen bleibe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt verwiesen.

Das Landgericht hat den Antragsgegnern mit einstweiliger Verfügung vom 6.10.2015 untersagt, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „A“ für den Betrieb einer Gaststätte in Stadt1, Straße 1, zu verwenden. Auf den Widerspruch der Antragsgegner hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 23.12.2015 aufrechterhalten. Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Antragsgegner. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Antragsgegner beantragen,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.12.2015 aufzuheben;

hilfsweise:

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Verfügungsantrag gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 ist unzulässig. Es fehlt an der Parteifähigkeit. Unstreitig handelt es sich bei der Antragsgegnerin nicht um eine nach § 10 VI WEG teilrechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), sondern um eine Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB. Bruchteilsgemeinschaften sind nicht rechts- und parteifähig (Zöller/Vollkommer, 31. Aufl., § 50 Rn. 27a). Unerheblich ist, ob die Miteigentümer notwendige Streitgenossen sind. Davon ging das Landgericht aus. Dies ändert nichts daran, dass im Streitfall die Eigentümergemeinschaft als solche, nicht die einzelnen Miteigentümer verklagt wurden. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob die fehlende Zustellung an die einzelnen Bruchteilseigentümer nach § 189 ZPO geheilt wurde. Der Verfügungsantrag lässt sich nicht in dem Sinne auslegen, dass die Miteigentümer persönlich verklagt werden sollten. Sonst wäre schon nicht verständlich, wieso der Antragsgegner zu 2 auch gesondert in Anspruch genommen werden sollte. Vielmehr kann der Antrag nur in dem Sinne verstanden werden, dass es sich bei der Antragsgegnerin um eine WEG oder eine sonstige rechtsfähige Personengesamtheit handeln soll. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Angabe „Eigentümergemeinschaft“ in der vorprozessualen Korrespondenz der Antragsgegner mehrdeutig ist und auf eine WEG schließen ließ.

2. Der Verfügungsantrag gegenüber dem Antragsgegner zu 2 ist zulässig. Die einstweilige Verfügung wurde ihm gegenüber auch wirksam vollzogen (§ 929 Abs. 2, 936 ZPO). Unerheblich ist insoweit, dass es zwei Personen namens B gibt, nämlich Vater und Sohn. Der Verfügungsantrag und -beschluss ist ausdrücklich gegen „Herrn B jun.“ gerichtet, also gegen den Sohn. Die Bezeichnung ist eindeutig. Die Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers datiert vom 8.10.2015. Die Vollziehungsfrist wurde damit gewahrt. Der Beschluss musste nicht an die Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu 2 zugestellt werden. Mit Schreiben vom 4.8.2015 (Anlage AS9) haben sich die Prozessbevollmächtigten zwar für die „Eigentümergemeinschaft“, nicht jedoch für den Antragsgegner zu 2 legitimiert. Die Legitimation bezog sich außerdem nicht ausdrücklich auf ein Gerichtsverfahren. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners fehlt es auch nicht an dem Beglaubigungsvermerk auf der zugestellten Abschrift der Antragsschrift.

3. Es besteht ein Verfügungsgrund. Eine „gesteigerte Dringlichkeit“ ist hierfür bei markenrechtlichen Unterlassungsansprüchen entgegen der Ansicht der Antragsgegner nicht erforderlich. Der Antragsteller hat sich auch nicht selbst in Widerspruch zur Eilbedürftigkeit gesetzt. Unstreitig erfuhr der Antragsteller durch das Anwaltsschreiben vom 7.6.2011 davon, dass die Antragsgegner das Objekt unter anderem wegen der Möglichkeit erworben haben, die Traditionswirtschaft nach Beendigung des Pachtvertrages unverändert fortzuführen (Anlage AS6). Aus dieser vagen Ankündigung konnte der Antragsteller keine Erstbegehungsgefahr für eine konkrete Kennzeichenverletzung ableiten. Erst als der Antragsteller am 7.9.2015 feststellte, dass das aus der Anlage AS11 ersichtliche Schild angebracht wurde, war die vermeintliche Kennzeichenverletzung gegeben. Der Antragsteller hat die Antragsgegner binnen angemessener Frist abgemahnt und am 5.10.2015 den Verfügungsantrag bei Gericht eingereicht.

4. Es fehlt allerdings an einem Verfügungsanspruch. Der Antragsteller kann von dem Antragsgegner zu 2 nicht gemäß § 14 V, II Nr. 1 MarkenG verlangen, die Benutzung der Bezeichnung „A“ für den Betrieb einer Gastronomie zu unterlassen.

a) Die Wortmarke „A“ mit Priorität vom 6.5.2009 steht in Kraft. Es liegt ein Fall der Doppelidentität vor. Der Antragsgegner zu 2 hat eine identische Bezeichnung für einen Teil der eingetragenen Dienstleistungen benutzt. Es fehlt auch nicht an der markenmäßigen Benutzung. Gegenstand des Verfügungsantrags sind ein Schild, aus dem hervorging, dass das „A“ mit dem Antragsgegner zu 2 als Pächter bald wieder öffnen werde (Anlage AS11), sowie weitere Hinweisschilder am Lokal (Anlage AS17). Zwar gewährt die Marke nach dem MarkenG in seiner noch gültigen Fassung kein Recht gegen einen rein unternehmenskennzeichenmäßigen Gebrauch des Zeichens. Eine rein firmenmäßige Benutzung liegt jedoch nicht vor. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, lässt sich bei Dienstleistungsmarken der markenmäßige Gebrauch von dem unternehmenskennzeichenmäßigen Gebrauch kaum abgrenzen. Wird unter einer Geschäftsbezeichnung ein Lokal betrieben, werden unter der Bezeichnung automatisch auch die genannten Dienstleistungen erbracht, für die die Klagemarke Schutz genießt.

b) Der Antragsgegner zu 2 kann sich jedoch auf ein prioritätsälteres Unternehmenskennzeichenrecht an der Bezeichnung berufen, das der Verfügungsmarke jedenfalls im örtlichen Geltungsbereich der Etablissementbezeichnung in Stadt1 entgegenhalten werden kann (§ 6 III MarkenG). Der Antragsgegner und die anderen Miteigentümer haben die Liegenschaft mit der Gaststätte von dem Voreigentümer C erworben. Dabei ist auch das Unternehmenskennzeichenrecht A auf sie übergegangen.

aa) Ein Unternehmenskennzeichen kann grundsätzlich nicht ohne den zugehörigen Geschäftsbetrieb übertragen werden. Denn schutzfähig im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkenG ist nur die Bezeichnung eines Unternehmens, das sich auch am geschäftlichen Verkehr beteiligt. Für eine Übertragung müssen deshalb diejenigen Werte auf den Erwerber zu übertragen werden, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten den Schluss rechtfertigen, die mit dem Zeichen verbundene Geschäftstradition werde vom Erwerber fortgesetzt (BGH GRUR 2002, 327 Rn. 62 [BPatG 21.11.2001 – 20 W (pat) 17/00] – FROMMIA). Für Etablissementbezeichnungen gelten jedoch Besonderheiten. Sie kennzeichnen nicht nur einen Geschäftsbetrieb, der an beliebigen Orten fortgesetzt werden kann, sondern markieren in besonderer Weise auch den Ort der Geschäftsausübung. Für den Fall der Verpachtung eines mit einer Etablissementbezeichnung versehenen Geschäftslokals ist in der Rechtsprechung daher anerkannt, dass die Rechte an der Etablissementbezeichnung dem Verpächter „zuwachsen“ (vgl. BGH GRUR 1959, 87 – Fischl; OLG Hamm WRP 1982, 534 – Eulenspiegel; BPatG, Urt. v. 17.4.2014 – 30 W (pat) 32/12 – LIQUIDROM, insoweit nicht beanstandet durch BGH GRUR 2016, 378 Rn. 18 [BGH 15.10.2015 – I ZB 44/14] – LIQUIDROM; ebenso Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., Rdz. 65 zu § 5). Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Antragstellervertreters lässt sich nichts anderes aus der Entscheidung „Dorf Münsterland II“ ableiten (BGH GRUR 2004, 868 [BGH 09.06.2004 – I ZR 31/02]). Dort ging es um den Übergang einer zum Geschäftsbetrieb gehörenden Marke nach § 27 II MarkenG. Die Bestimmung findet auf Unternehmenskennzeichen keine Anwendung (Ingerl/Rohnke, 3. Aufl., § 27 MarkenG, Rn. 5). Eine andere Beurteilung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Eigentümer mit dem Betreiber der Gaststätte keinen Pachtvertrag über den Gaststättenbetrieb, sondern einen reinen Mietvertrag über die Räumlichkeiten geschlossen hat; in diesem Fall ist Inhaber des Unternehmenskennzeichenrechts an der Etablissementbezeichnung der Mieter (vgl. LG Stuttgart GRUR-RR 2006, 333; Ströbele/Hacker a.a.O.).

bb) Demnach war im Streitfall ursprünglich der Verpächter C als Inhaber der Etablissementbezeichnung anzusehen. Unstreitig hieß das Lokal in der Straße 1 schon zu dem Zeitpunkt „A“, als es der Antragsteller von dem Voreigentümer Herrn C gepachtet hat. Der Antragsteller hat nicht nur die Räume gemietet, sondern das …lokal als solches inklusive Einrichtung und Kundenstamm gepachtet (vgl. § 1 des Pachtvertrages vom 24.10.2004, Anlage AS1). Unter § 1 Abs. 3 des Pachtvertrages heißt es, der Pächter sei auch berechtigt, die „seitherige Bezeichnung des Lokales“ weiterzuführen. Wenn er eine neue Bezeichnung wähle, bedürfe dies der vorherigen Zustimmung des Verpächters. Dies spricht dafür, dass der Verpächter C als Inhaber der Etablissementbezeichnung anzusehen war und dem Antragsteller nur ein Nutzungsrecht eingeräumt hat. Es kann nicht angenommen werden, dass er den Geschäftsbetrieb samt Bezeichnung auf den Pächter übertragen wollte. Unstreitig sind die Antragsgegner in den Pachtvertrag als Verpächter eingetreten, als sie im Jahr 2008 die Liegenschaft erworben haben. Sie sind daher als Inhaber der Etablissementbezeichnung anzusehen, auch wenn sie nur das Grundstück erworben haben. Darauf, ob sie zusätzlich den Geschäftsbetrieb des …lokals erworben haben, kommt es nicht an. Die Rechtsstellung des Antragstellers als Pächter und Inhaber eines Nutzungsrechts an der Bezeichnung bis zum Ende des Pachtvertrages hat sich nicht verändert. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Voreigentümer den Geschäftsbetrieb separat an den Antragsteller oder an Dritte veräußert hätte. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.

cc) Das Unternehmenskennzeichenrecht ist auch nicht erloschen. Der Schutz des Unternehmenskennzeichens entfällt, wenn der Betrieb des gekennzeichneten Unternehmens – nicht nur vorrübergehend – aufgegeben wird. Im Fall einer nur vorübergehende Unterbrechung kommt es darauf an, ob aus Sicht des maßgeblichen Verkehrs das spätere Unternehmen noch als Fortsetzung des ursprünglichen Geschäftsbetriebs anzusehen ist (BGH GRUR 2002, 967, [BGH 28.02.2002 – I ZR 177/99] Rn. 33 – Hotel Adlon). Im Streitfall stand das Lokal zwischen dem Ende des Pachtvertrages September/Oktober 2015 und der Neueröffnung im Dezember 2015 leer. Unter Berücksichtigung der jahrzehntelangen Nutzung der Bezeichnung für das Lokal ist davon auszugehen, dass der Verkehr die Neueröffnung durch den Antragsgegner zu 2 als Fortsetzung des ursprünglichen Geschäftsbetriebs ansieht. Ohnehin waren auch in der meisten Zeit des Leerstands Schilder mit dem Namen „A“ am Geschäftslokal angebracht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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