Zur Irreführung über Übertragungsgeschwindigkeiten innerhalb eines Mobilfunknetzes

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11.07.2016 – 6 U 100/15

1.
Die Bezeichnung eines Mobilfunknetzes als „100 MBit/s LTE Netz“ erweckt beim angesprochenen Verkehr die Erwartung, dass zu normalen Tageszeiten und an allen Orten, die über Mobilfunk gewöhnlich gut erreichbar sind, Übertragungsraten erreicht werden, die im Durchschnitt weit über 50 Mbit/s liegen und gelegentlich 100 MBit/s nahezu erreichen; trifft dies nicht zu, ist die Werbung irreführend.

2.
Die Verjährungshemmung eines gegen die konkrete Verletzungsform gerichteten Eilantrages tritt nur für solche Beanstandungen ein, die in der Antragsschrift zur Begründung des Unterlassungsbegehrens genannt sind. Dafür reicht es im Fall eines Irreführungsvorwurfs aus, dass der maßgebliche Irreführungsgesichtspunkt hinreichend umschrieben ist.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.4.2015 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über irreführende Äußerungen in einem …-Werbespot.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Telekommunikation. Beide Parteien unterhalten Mobilfunknetze in Deutschland und verfügen über Frequenzen des Mobilfunkstandards LTE (Long Term Evolution).

Die Beklagte warb Anfang 2013 in einem bundesweit ausgestrahlten …-Werbespot phonetisch mit der Aussage: „Wechseln sie jetzt ins größte 100 MBit LTE-Netz Deutschlands“. Visuell erfolgte dazu eine Einblendung, in der auf „Das größte 100 MBit/s Netz“ hingewiesen wird. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die CD-ROM (Anlage K3) und das Story Board (Anlage K4) Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, diese Werbeaussagen seien aus mehreren Gründen irreführend. Sie hat behauptet, eine Datenübertragungsgeschwindigkeit von 100 MBit/s lasse sich im LTE-Netz der Beklagten nur theoretisch und nur in vereinzelten Ballungsgebieten erzielen. Es sei auch unrichtig, dass die Beklagte über das „größte“ LTE-Netz verfüge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit den Angaben zu werben oder werben zu lassen:

„Wechseln Sie jetzt ins größte 100 MBit LTE-Netz Deutschlands“ und/oder „Das größte LTE 100 MBit/s-Netz“, wenn dies geschieht wie in dem …-Spot, vorgelegt auf CD-ROM als Anlage K3 und dokumentiert durch das Storyboard gemäß Anlage K4 zur Klageschrift.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Beklagten. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteils des Landgerichts Frankfurt vom 28.04.2015, Az. 3/10 O 152/13 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

oder den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein rechtlich unbeachtliches sog. „Nicht-Urteil“ bzw. ein nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 310 ZPO verkündetes Urteil vor. Ein Urteil wird durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Unschädlich ist, dass das Urteil des Landgerichts nicht binnen drei Wochen nach der mündlichen Verhandlung, sondern erst nach einem Jahr verkündet wurde. Bei § 310 I S. 2 ZPO handelt es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift. Die Wirksamkeit des Urteils hängt von der Einhaltung der Regelfrist nicht ab (BGH NJW 1999, 143). Soweit der Verkündungstermin vom 19.11.2014 ohne Verkündung einer Entscheidung verstrichen ist, wurde der Verfahrensfehler durch die Nachholung der Verkündung am 28.4.2015 geheilt (vgl. BGH NJW 2004, 2019, 2020 [BGH 12.03.2004 – V ZR 37/03]). Die Mindesterfordernisse der Verlautbarung einer Entscheidung wurden bei diesem Termin, der den Parteien vorher mitgeteilt wurde, gewahrt.

2. Der auf Unterlassung gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 II Nr. 2 ZPO). Der Antrag nimmt Bezug auf die konkrete Verletzungsform (Anlagen K3, K4). Ohne Erfolg rügt die Beklagte, er habe keinen vollstreckbaren Inhalt, weil sich nicht feststellen lasse, mit welcher erzielten Durchschnittsgeschwindigkeit der Verbotsbereich verlassen werde. Der Antrag ist auf das Verbot einer konkreten Werbebehauptung gerichtet („größtes 100 MBit LTE-Netz …“ bzw. „größtes LTE 100 MBit/s Netz …“). Im Vollstreckungsverfahren muss nur überprüft werden, ob die verbotenen Aussagen wiederholt werden. Bei abweichenden Aussagen muss überprüft werden, ob in ihnen das Charakteristische (der „Kern“) der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Eine andere Frage ist, ob die verbotenen Aussagen in Zukunft nicht mehr irreführend sein werden, wenn die technischen Gegebenheiten der Erwartung entsprechen, die der Verkehr mit der Behauptung verbindet. Dieser Einwand ist nicht im Vollstreckungsverfahren zu überprüfen. Er betrifft den titulierten Anspruch selbst und müsste von der Beklagten gegebenenfalls mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. Im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage müsste anhand der Entscheidungsgründe überprüft werden, auf welche Aspekte der Irreführungsvorwurf gestützt ist und welche tatsächlichen Umstände den titulierten Anspruch zu Fall bringen.

3. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Werbeaussagen aus §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 UWG zusteht. Die Behauptung, die Beklagte verfüge über das größte „100 MBit LTE-Netz“, ist irreführend, weil eine Übertragungsgeschwindigkeit von 100 MBit/s in Wahrheit unter realistischen Bedingungen kaum zu erzielen ist.

a) Verbraucher verstehen die Angabe „100 MBit/s-Netz“ so, dass sie mit dem Angebot der Beklagten eine Übertragungsgeschwindigkeit von 100 MBit/s unter realistischen Bedingungen tatsächlich erreichen können. Sie erkennen zwar, dass es sich bei der angegebenen Übertragungsgeschwindigkeit um einen Spitzenwert handelt. Auf die in dem Werbespot eher versteckte Angabe „bis zu“ kommt es insoweit nicht an. Denn die Verbraucher wissen aus Erfahrung, dass die Übertragungsqualität bei Mobilfunknetzen je nach Standort und Tageszeit Schwankungen unterliegen kann. Die Verbraucher nehmen bei der plakativen Aussage „100 MBit/s-Netz“ jedoch an, dass der beworbene Spitzenwert nicht nur theoretisch, sondern in üblichen Anwendungssituationen erreicht wird. Sie gehen davon aus, dass sie auch im Mittel eine Download-Geschwindigkeit erwarten können, die von diesem Wert nicht sehr weit entfernt liegt. Die Werbung ist damit aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers so zu verstehen, dass unter normalen Bedingungen, also zu normalen Tageszeiten und an allen Orten, die über Mobilfunk gewöhnlich gut erreichbar sind, Übertragungsraten erreicht werden, die im Durchschnitt weit über 50 MBit/s liegen und gelegentlich 100 MBit/s nahezu erreichen. Der Senat kann den durch die Werbeaussagen vermittelten Eindruck nach eigener Sachkunde beurteilen. Die Mitglieder des Senats gehören zu den von der Werbung angesprochenen Verkehrskreisen. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses bedarf es deshalb nicht.

b) Zum Zeitpunkt der Werbung Anfang 2013 waren Downloadgeschwindigkeiten von 100 MBit/s unter gewöhnlichen Umständen nicht zu erreichen. Dies ergibt sich aus verschiedenen Untersuchungen, die vor und nach dem Ausstrahlungszeitraum veröffentlicht wurden. Auf die (bestrittenen) Eigenmessungen der Klägerin kommt es insoweit nicht an (Anlage K8). Eine Studie des Fachportals „…“ kam Ende 2012 zu dem Ergebnis, die theoretisch möglichen 100 MBit/s seien realitätsfern. Die durchschnittliche Downloadrate liege bei 6.320 KBit/s (Anlage K9). Das Magazin B veröffentlichte am …11.2012 einen Artikel, wonach eine Downloadgeschwindigkeit von rund 33 MBit/s im Mittel ermittelt wurde (Anlage K9). Auch Tests, die einige Monate nach der streitgegenständlichen Werbung durchgeführt wurden, weisen darauf hin, dass der Wert von 100 MBit/s mit der Realität nicht in Einklang zu bringen ist. Das Magazin D ermittelte in einer ausführlichen, am …9.2013 erschienen Untersuchung, dass die höchste gemessene Downloadrate im LTE-Netz der Beklagten bei 76,6 MBit/s und die höchste Uploadrate bei 30,3 MBit/s lag. Die durchschnittliche Datenrate lag in Innenstädten bei 16 Mbit/s (Anlage B11). Diese Werte entsprechen nicht den streitgegenständlichen Werbeaussagen.

aa) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Klägerin habe eine Irreführung nicht ausreichend dargelegt. Die genannten Werte beruhten nur auf singulären Berichten. Es sei unklar, wie die Messungen zustande kamen. Sie seien nur punktuell erfolgt und hätten keine Aussagekraft. Die Klägerin hat mit ihren eigenen Messungen (Anlage K8) und mit den vorgelegten Tests von Portalen und Magazinen ihre primäre Darlegungslast erfüllt. Hierfür genügt es, greifbare Anhaltspunkte für eine Irreführung vorzutragen (BGH GRUR 2014, 578 Rn. 16 [BGH 19.02.2014 – I ZR 230/12] – Umweltengel für Tragetasche). Die vorgetragenen Indizien rechtfertigen die Annahme, dass die beworbenen Übertragungsgeschwindigkeiten in der Praxis kaum erreicht werden und im Mittel weit dahinter zurückbleiben.

bb) Es ist Sache der Beklagten, die Indizien zu widerlegen. Sie kann sich nicht darauf beschränken, die Aussagekraft der Indizien in Zweifel zu ziehen. Sie trifft vielmehr eine sekundäre Darlegungslast. Auf die für Alleinstellungsbehauptungen entwickelten Beweiserleichterungen kommt es insoweit nicht an. Den Werbenden trifft eine sekundäre Darlegungslast für die Richtigkeit solcher Werbebehauptungen, die innerbetriebliche Vorgänge betreffen und über die nur der Werbende Aufklärung geben kann (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, 33. Aufl., § 5 Rn. 3.24). Die angegriffenen Aussagen betreffen die Leistungsfähigkeit des eigenen Mobilfunknetzes der Beklagten. Sie hat die Verantwortung für die objektive Richtigkeit der Aussagen zu übernehmen. Die Beklagte hat die Richtigkeit der Aussagen nach Maßgabe des oben erläuterten Verkehrsverständnisses nicht belegt. Soweit sie pauschal behauptet hat, im August 2013 seien im Großraum Stadt1 Download-Geschwindigkeiten von über 140 MBit/s gemessen worden, sagt dies nichts über die Mittelwerte aus, die unter realistischen Bedingungen zu erzielen sind. Dem angebotenen Zeugenbeweis musste deshalb nicht nachgegangen werden.

cc) Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, es sei unklar, welchen konkreten „Mittelwert“ bzw. Durchschnittswert der Verkehr erwarte und wie dieser ermittelt werden solle. Der Verkehr versteht die angegriffenen Werbeaussagen so, dass er unter normalen Bedingungen, also zu normalen Tageszeiten und an allen Orten, die über Mobilfunk gewöhnlich gut erreichbar sind, Übertragungsraten erreicht, die im Durchschnitt weit über 50 MBit/s liegen und gelegentlich 100 MBit/s ganz oder nahezu erreichen. Dem steht nicht entgegen, dass ein durchschnittlich verständiger Mobilfunkkunde Erfahrungen mit Funklöchern und zeitweisen Netzüberlastungen hat und deshalb weiß, dass sich die Empfangsqualität im Mobilfunk ständig verändern kann. Dies ändert nichts an den durch die Werbung geweckten Erwartungen an eine durchschnittlich hohe, von dem beworbenen Wert nicht zu weit entfernt liegende Übertragungsrate.

dd) Wie dieser Mittelwert im Einzelnen zu ermitteln ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Es genügt, dass nach keiner der wechselseitig vorgelegten Untersuchungen von Magazinen und Verbraucherportalen die vom Verkehr erwarteten Mittelwerte annähernd erreicht werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die vorgelegten Studien allesamt von falschen Messungen oder einer unzureichenden Datengrundlage ausgehen. Die Beklagte hat auch keine Untersuchungen auf breiterer Datenbasis vorgelegt, die zu günstigeren Ergebnissen führen.

c) Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss die Irreführung auch noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein. Dies ist der Fall.

aa) Die Beklagte hat mehrere neuere Tests vorgelegt, aus denen sie als Testsiegerin für ihr LTE-Netz hervorgeht (Anlagen BB7, BB8). Nach einem Test des Magazins D konnten 2015 in bestimmten Innenstädten Übertragungsraten von 59,8 MBit/s oder 41,7 MBit/s im Mittel erreicht werden (Anlage BB7, Bl. 442 d.A.). Dies ist nicht ausreichend. Nicht ausreichend ist auch der nicht näher erläuterte Hinweis, in Testsamples seien durchschnittlich über 100 Mbit/s erreicht worden (Bl. 442 d.A.). Das gleiche gilt für den Test des Portals E vom 3.7.2015. Danach konnten in Stadt2 im Downstream „bis zu“ 108,2 MBit/s und im Upload 15-21 bzw. rund 40 MBit/s gemessen werden (Anlage BB8). Diese punktuell gemessenen Spitzenwerte sagen über die durchschnittliche Übertragungsgeschwindigkeit in der Fläche nichts aus.

bb) Nichts anderes ergibt sich auch aus den neuesten, mit Schriftsatz vom 28.6.2015 vorgelegten Tests. Nach dem Mobilfunknetztest des Magazins D 2015/16 konnten im Netz der Beklagten an unterschiedlichen Orten im Bundesgebiet Spitzenwerte von 246,31 MBit/s gemessen werden (Anlagen BB9, BB10). Die Mittelwerte blieben jedoch weiterhin sehr weit von den in der Werbung versprochenen 100 MBit/s entfernt. Nach dem Test liegt die mittlere Downloadrate in Kleinstädten bei 45,6 MBit/s, in Großstädten bei 51,5 MBit/s. Die mittlere Uploadrate liegt in Kleinstädten nur bei 24,8 MBit/s, in Großstädten bei 24,6 MBit/s. Auch nach dem B-Mobilfunknetztest 2015/16 konnten nur mittlere Downloadraten zwischen 49,57 und 53,86 MBit/s, und auch dies nur in Großstädten, also unter besonders günstigen Bedingungen, erreicht werden (Anlage BB11). In dem Test des Magazins F …/2015 wurden zwar in einigen Großstädten mittlere Geschwindigkeiten von deutlich über 50 MBit/s gemessen (z.B. 58,9 MBit/s in Stadt3 und 85,9 MBit/s in Stadt4). In den meisten untersuchten Städten lagen die Raten aber deutlich unter 50 MBit/s (Anlage BB12).

cc) Der pauschale Vortrag der Beklagten, sie erreiche nachweislich Durchschnittsgeschwindigkeiten von (weit) über 50 MBit/s, ist unbeachtlich. Dem angebotenen Sachverständigenbeweis war nicht nachzugehen. Der bestrittenen Behauptung fehlt es an der Substanz. Die von der Beklagten selbst vorgelegten Tests belegen, dass abgesehen von vereinzelten Orten keine Übertragungsraten von durchschnittlich weit über 50 MBit/s erreicht werden.

d) Es fehlt auch nicht an der wettbewerblichen Relevanz der Irreführung. Nicht maßgeblich ist insoweit, ob die Beklagte jedenfalls über das größte und leistungsfähigste LTE-Netz verfügt und bessere Werte bei keinem Mitbewerber erreicht werden. Es ist nicht auszuschließen, dass Verbraucher, die bislang Mobilfunkangebote im GSM- oder UMTS-Netz in Anspruch nehmen, gerade durch das Versprechen von Übertragungsraten bis zu 100 MBit/s zu einem Tarifwechsel ins LTE-Netz der Beklagten veranlasst werden.

4. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Anspruch nicht verjährt ist. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Abmahnung am 22.2.2013 Kenntnis von der angegriffenen Werbung. Die Verjährungsfrist wurde gemäß § 204 I Nr. 9 BGB mit Zustellung des – gegen dieselbe konkrete Verletzungsform gerichteten – Eilantrags in der Sache 6 U 101/13 am 14.3.2013 gehemmt. Entgegen der Ansicht der Beklagten bezog sich der Eilantrag nicht auf einen anderen Streitgegenstand.

a) Der Streitgegenstand eines auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Unterlassungsantrags umfasst alle Rechtsverletzungen, die in der konkreten Verletzungsform verwirklicht sind. Beanstandet der Kläger eine Werbung unter mehreren Gesichtspunkten, überlässt er es dem Gericht zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Verbot gestützt wird (BGH GRUR 2013, 401 Rn. 24 – Biomineralwasser). Wegen der Dispositionsmaxime darf ein gerichtliches Verbot allerdings nur auf solche Beanstandungen gestützt werden, die vom Kläger im Verfahren erhoben werden. Im Fall einer Irreführungsgefahr darf es nur mit einer Irreführung begründet werden, auf die sich der Kläger konkret berufen hat (Senat, GRUR-RR 2013, 302 – Zählrate). Daraus folgt nach Auffassung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 24.5.2016 – 6 U 171/14) zugleich, dass die Verjährungshemmung eines gegen die konkrete Verletzungsform gerichteten Eilantrages (§ 204 I Nr. 9 ZPO) nur für solche Beanstandungen eintritt, die in der Antragsschrift zur Begründung des Unterlassungsbegehrens genannt sind. Auch danach ist die Verjährung im vorliegenden Fall jedoch wirksam gehemmt worden.

b) Der Eilantrag war auf verschiedene Irreführungsgesichtspunkte gestützt. Die Klägerin rügte dabei auch, dass eine Übertragungsgeschwindigkeit von 100 MBit/s unter realistischen Bedingungen nicht erreicht wird. Ausdrücklich heißt es auf S. 4 der Antragsschrift:

„Eine Datenübertragungsgeschwindigkeit von 100 Mbit/s lässt sich im LTE-Netz der Antragsgegnerin nur in vereinzelten Ballungsgebieten erzielen und das auch nur theoretisch … Es handelt sich um eine theoretisch zu erreichende Geschwindigkeit, die der Kunde beim tatsächlichen Surfen in der Praxis jedoch nicht erreichen kann …“

Damit ist die vom Landgericht und vom Senat aufgegriffene Irreführung hinreichend umschrieben. Ob die Klägerin den Irreführungstatbestand hinreichend begründet hat, insbesondere hinreichende Anhaltspunkte für die angebliche Verkehrserwartung und die damit angeblich nicht übereinstimmenden tatsächlichen Gegebenheiten mitgeteilt hat, ist keine Frage des Streitgegenstands, sondern der ausreichenden Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht. Bei der Verjährungsfrage weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von dem in der BGH-Entscheidung „Biomineralwasser“ definierten Streitgegenstandsbegriff ab. Die nach Ansicht der Klägerin für den gesamten Telekommunikationsmarkt bedeutsamen Feststellungen zur Verkehrsauffassung betreffen keine Rechtsfrage, sondern sind das Ergebnis einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls.

Für den vom Beklagtenvertreter beantragten Schriftsatznachlass auf die vom Klägervertreter in der Senatsverhandlung vom 11.7.2016 überreichte Anlage besteht keine Notwendigkeit, da diese Anlage die Frage der örtlichen Verfügbarkeit und damit einen anderen, für die Entscheidung nicht erheblichen Irreführungsgesichtspunkt betrifft.

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