Zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Darstellung eines Charakters in einem Spielfilm

Landgericht Hamburg, Urteil vom 03.06.2016 – 324 O 78/15

Zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Darstellung eines Charakters in einem Spielfilm

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar;

und beschließt:

Der Streitwert wird auf € 70.000,- festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten, Filmszenen, die die Filmfigur „F. H.“ zeigen, erneut zu verbreiten.

Der Kläger war in den Schuljahren 1982/83, 83/84 und 84/85 Schüler der H. O… Schule und Mitglied der „Heimfamilie“ des Schuldirektors G. B.. Er ist dort Opfer umfangreicher sexueller Gewalt geworden. Er teilte sich zeitweise mit T. B. ein Zimmer.

Die Beklagte zu 2 ist ein Tochterunternehmen der n. d. F… Gesellschaft (ndf) und hat den streitgegenständlichen Film „D. A.“ des Regisseurs C. R. im Auftrag der Beklagten zu 1, der Rundfunk- und Fernsehanstalt des Landes N.-W., produziert. Der Film (vgl. Anlagen K 2, B 4) thematisiert den sexuellen Missbrauch an der O… Schule.

Die im Jahr 1910 gegründete O… Schule galt lange Zeit als Vorzeigeschule der Reformpädagogik. Langjähriger Rektor an der Schule war G. B.. Am 2.05.1983 kündigte der Schulleiter in einer Rede vor dem Lehrerkollegium seinen Rückzug aus der Schule für in 2 Jahren an.

Der Kläger und T. W. informierten im Jahr 1998 den damaligen Schulleiter und weitere Mitarbeiter der O… Schule darüber, dass in den 1970er und 1980er Jahren zahlreiche Schüler durch ihre Lehrer sexuell missbraucht wurden. Im Mittelpunkt der Vorwürfe standen der Schulleiter G. B. und der Musiklehrer W. H.. Obwohl alle staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen Verjährung eingestellt wurden, gilt der Missbrauch an mindestens 132 Schülern als erwiesen. 1999 wandte sich der Kläger zusammen mit einem ehemaligen Mitschüler an die F. R., die daraufhin am …1999 den Artikel „D. L. i. a.“ veröffentlichte, der den jahrelangen Missbrauch thematisiert.

Am …2011 wurde der Dokumentarfilm „U. w. s. n. d. E.“ des Regisseurs C. R. auf 3sat ausgestrahlt. Für den Film hatte der Kläger dem Regisseur ein ca. zweistündiges Interview vor laufender Kamera gegeben. Teile des Interviews werden in dem Film gezeigt, wobei das Erscheinungsbild des Klägers nicht gezeigt wird und er unter dem Pseudonym „J. D.“ auftritt. Zum weiteren Inhalt des Dokumentarfilms wird auf die Anlage B 20 verwiesen.

Der Kläger verfasste unter dem Pseudonym „J. D.“ ein Buch mit dem Titel „W. l. s. i. n. s.? Die O… Schule und der sexuelle Missbrauch“, in dem er unter anderem die sexuellen Übergriffe schildert (vgl. Auszüge als Anlage K 4 – K 10, K 17, K 18, B2). Das Buch erschien im September 2011 und ist noch heute elektronisch abrufbar. Im November 2012 legte der Kläger anlässlich der Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises sein Pseudonym ab (vgl. Anlage B 3).

Im Herbst 2011 trat C. R. an den Kläger heran mit der Idee eines fiktionalen Spielfilms über die sexualisierte Gewalt an der O… Schule. Der Kläger lehnte eine Unterstützung für dieses Projekt ab, weil er eine fiktionalisierte Verarbeitung ablehnte.

Der Kläger plante gemeinsam mit T. B. als Regisseur und der Firma D. eine nicht-fiktionale Verfilmung seiner Missbrauchserfahrungen („S.“). Ein Trailer zu dem Film ist seit dem …2013 bei Youtube wie aus der Anlage B 1 ersichtlich abrufbar. Das Filmvorhaben wurde bislang nicht realisiert (vgl. auch Pressemeldungen hierzu als Anlagen B 34, B 35).

In der Ausgabe X/2014 der Zeitschrift „S.“ wurde unter der Überschrift „U. L. a. R.“ der als Anlage K 3 vorgelegt Artikel veröffentlicht, der in Zusammenarbeit mit dem Kläger erstellt wurde.

Der streitgegenständliche Film „D. A.“ wurde am …2014 um 20.15 Uhr in der A. (5,05 Mio Zuschauer, Marktanteil 17 %, vgl. Anlage K 28) sowie am …2014 nach Anzeige eines Disclaimers auf E. ausgestrahlt (vgl. Filme als Anlage K 2). Die Parteien streiten darüber, inwieweit der Film die Vorgänge an der O… Schule bzw. die in diesem Zusammenhang handelnden Personen fiktiv oder autobiografisch behandelt. Insbesondere streiten sie darüber, ob der Kläger durch die Figur des „F. H.“ (im Folgenden: F.) autobiographisch portraitiert wird und seine Person für den Zuschauer erkennbar ist.

Die Filmfigur E. v. d. B. (im folgenden: E.) ist im Film Opfer sexuellen Missbrauchs. Die Parteien streiten darüber, ob die Figur eine autobiografische Darstellung von T. B. ist. T. B. wurde in der O… Schule nicht Opfer sexualisierter Gewalt.

Die Filmfiguren des Schulleiters „P.“ und des Musiklehrers „M. B.“ sind den realen Figuren G. B. und W. H. nachgebildet. Die im Film dargestellte Biologielehrerin „P. G.“ ist eine rein fiktive Figur; die Parteien streiten darüber, ob dies für den Zuschauer erkennbar ist. Eine Feier zum 100-jährigen Bestehen der O… Schule und eine damit verbundene offizielle Anhörung der Opfer an der Schule haben tatsächlich stattgefunden. Der Film wurde an der O… Schule gedreht.

Der Kläger ist der Meinung,
bei F. handele es sich für den Zuschauer erkennbar um die autobiografische Darstellung seiner Person. Sein Lebens- und Charakterbild werde kopiert. Dies gelte auch für den dargestellten Zimmerkameraden von F., E., mit der T. B. autobiographisch porträtiert werde.

Der Kläger trägt umfangreich zu seiner Erkennbarkeit in der Figur des F. vor (vgl. Klagschrift vom 17.02.2015, Seite 5 ff; Schriftsatz vom 13.08.2015, Seite 1 ff.; Schriftsatz vom 16.11.2015, 1 ff..; worauf ergänzend verwiesen wird). Diese ergebe sich schon aufgrund der optischen Übereinstimmungen (vgl. auch Foto des Klägers auf Seite 5 der Klagschrift vom 17.02.2015). Auch sei er tatsächlich erkannt worden. Selbst C. R. gebe in einem Interview (vgl. Anlage B 10) an, dass die Figuren „für Insider mühelos wiederzuerkennen“ seien. Ferner belege die Authentizität der sexuellen Übergriffe seine Erkennbarkeit. Die sexuellen Übergriffe, denen F. im Film ausgesetzt sei, seien der Realität entnommen und würden in seinem Buch „W. l. s. i. n. s.“ beschrieben. Die Duschszene im Film entspreche der in seinem Buch Seite 49 (vgl. Anlage K 4); der im Film gezeigte Duschraum sei dem sehr ähnlich, wie er im sogenannten H. Haus, in der die „Heimfamilie“ des Schulleiters mit diesem wohnte, gewesen sei (keine Kabinen, gelb/beige gekachelt; ähnliche Duschknöpfe und Armaturen). Die Szene im Bett (Film ab Min. 16, Anlage K 2) entspreche der in seinem Buch Seite 50, vgl. Anlage K 4. Die jahrelangen täglichen Übergriffe des Schuldirektors, Film Min. 79.30, entsprächen seiner Darstellung im Buch S. 50 (Anlage K 4). Die „Kussszene“ (vgl. Screenshot Blatt 8 der Klagschrift vom 17.02.2015, Film Min. 46) sei die aus seinem Buch Seite 59 (vgl. Anlage K 5). Der Übergriff auf den betrunkenen F. (Film ab Min. 56) werde im Buch auf Seite 61 (vgl. Anlage K 6) wieder gegeben. Auch habe er sich – wie die Filmfigur – als Reaktion auf die sexuellen Übergriffe die Haare kurzgeschnitten und dann einen vergleichbaren Haarschnitt wie F. gehabt (vgl. Foto Seite 10 der Klagschrift vom 17.02.2015).

Jedenfalls C. R. habe auch Kenntnis von seinem, des Klägers, Buch gehabt (vgl. E-Mailverkehr Anlage K 21.). Im Übrigen hätten C. R. und er für den Dokumentarfilm „U. w. s. n. d. e.“ (vgl. Anlage B 20) eng zusammen gearbeitet. Ob die Drehbuchautoren Kenntnis vom Buch hätten, spiele keine Rolle. Es werde bestritten, dass sich seine Missbrauchserfahrungen mit denen anderer Opfer deckten.

Auch die Übereinstimmung der biographischen Daten belege seine Erkennbarkeit. Zu dem Zeitpunkt, als der Schulleiter unter Druck geraten und ihm nahegelegt worden sei, die Schule zu verlassen, habe er zur Familie des Schulleiters gehört. Tatsächlich habe der Schulleiter auch noch während seiner Schulzeit die Schule verlassen. Er, der Kläger, habe wie F. als Minderjähriger geraucht, ein Messer bzw. eine Machete gehabt, mit dem er im Wald Äste gehackt habe und wie F. „The Jam“ (Film Min. 18.50, Anlage K 2) sowie „Angelic Upstarts“ (Film Min. 29:50, Anlage K 2) gehört. Der Schulleiter habe ihm immer wieder Geschenke gemacht, auch Turnschuhe. Er sei auch mit dem Schulleiter in den Urlaub gefahren. Er habe als Erwachsener bei einer Anhörung im Rahmen der 100-Jahrfeier vor Publikum über den Missbrauch gesprochen (vgl. Film Min. 78:50, Buch Seite 281-290, Anlage K 7). Außerdem habe er wie im Film die Missbrauchsvorfälle an die Öffentlichkeit gebracht. Er sei daher tatsächlich – wie F. – der „Aufklärer“ und zwar insbesondere auch in der Einschätzung der anderen Betroffenen (vgl. Dokumentarfilm B 20.). Der Ablauf der Aufklärung weiche allerdings vom Film ab.

Weiter belege die Authentizität der Umgebung seine Erkennbarkeit. Das Zimmer von F. / E. im Film sei genauso gestaltet wie sein Zimmer während seiner Zeit in der O… Schule (Englandfahne, Zeitungsausschnitte, graue Matratzenbezüge).

Die Erkennbarkeit ergebe sich ebenfalls durch den Zimmerkameraden E., der seinen tatsächlichen Zimmergenossen T. B. darstelle, mit dem er sich von den Osterferien bis zu den Sommerferien 1984 ein Zimmer geteilt habe (vgl. insoweit insbesondere Klagschrift vom 17.02.2015, Seite 14 ff. und Schriftsatz des Klägers vom 13.08.2015, Seite 12 ff, Bl. 153 ff. d.A.). Pressestimmen würden die Erkennbarkeit bestätigen (vgl. Anlagen K 14 – K 16, K 3).

Seine Erkennbarkeit folge auch aus der Erkennbarkeit der Figur des Schuldirektors S. P. als G. B.. Die Wohnung des Schulleiters werde originalgetreu wieder gegeben (vgl. auch Beschreibung gem. Anlage K 9; Anlage K 3, Film zB Min. 62.15). Zu den Übergriffen auf den Schüler V. vgl. Film Min 62.15, Buch S. 65 ff, Anlage K 10; zur „Partyszene“ in der Wohnung des Schulleiters vgl. Film Min. 45.18, Buch Seite 63 f., Anlage K 11; zur Aufnahme eines sehr jungen Schülers, dessen Mutter alleinerziehend ist, vgl. Film Min. 36.30, Buch S. 66, Anlage K 10. Auch habe der Schulleiter tatsächlich im Pflegeheim Bilder von Missbrauchsopfern an der Wand hängen gehabt, vgl. Anlage K 13.

Die weiteren Übereinstimmungen von Film und Realität bestätigten ebenfalls die Erkennbarkeit. So gleiche die Schulleiterin aus dem Jahr 2010, unter der der Skandal öffentlich wurde, optisch der Filmfigur. Die Plakate, die im Film gezeigt wurden, habe es tatsächlich gegeben (vgl. Fotos in der Klagschrift vom 27.02.2015, Seite 30). Auch der Tod eines Mitschülers, der unter ungeklärten Umständen mit dem Motorrad verunglückte, entspreche der Realität. Der Musiklehrer M. B. alias W. H., sei auch in der Realität besessen von seiner Musikanlage gewesen sei und habe Schüler zum „Mittagsschlaf“ gezwungen (vgl. Film Min 10:55, Anlage K 17). Die Beziehung eines Lehrers (H. T.) zu einer älteren Schülerin (U. H.) habe es ebenso tatsächlich gegeben (vgl. Film Min. 15) wie die Geschäfte mit Drogenhändlern, das dargestellte Fotolabor (Film Min. 42.30) und den Widerstand bei der Veröffentlichung in der F. R. im Jahr 1999. Das bei der Anhörung im Film genannte Zitat „U. w. s. n. d. e.“ stamme aus einem Schreiben von ihm, dem Kläger, und T. W. an die O… Schule (vgl. Anlage K 18).

Der Regisseur C. R. habe zudem als Tutor an der O… Schule und aufgrund des Films „U. w. s. n. d. e.“ (vgl. Anlage B 20) über Insiderwissen verfügt und das Manuskript seines Buches gekannt (vgl. Anlage K 19). Er habe im Herbst 2011 gegenüber C. R. erklärt, dass er in dem geplanten Spielfilm nicht erkannt werden wolle.

Eine deutliche Abweichung von der Realität stelle indessen die fiktive Figur der P. G. dar. Es sei für den Zuschauer nicht erkennbar, dass diese Figur fiktiv sei. Vielmehr sei er in seinem Bekanntenkreis sinngemäß darauf angesprochen worden, dass es zum Glück ja die Lehrerin gegeben habe, die den Schülern beigestanden habe. Tatsächlich habe es keine Person gegeben, die den Schülern Glauben schenkte oder die sich für ihn eingesetzt habe, um ihn zu schützen. Die Realität sei damit viel brutaler gewesen, als es der Film darstelle. Vielmehr sei gerade er es gewesen, der mit dem Brief aus Juni 1998 den ersten Anstoß für die Veröffentlichung der Vorwürfe gegeben habe. Auch der Regisseur R. halte ihn für die „wichtigste Person in dieser ganzen Geschichte“, vgl. Anlage K 21. Auch werde wahrheitswidrig behauptet, die Filmfigur E., in der T. B. erkennbar sei, sei ein Missbrauchsopfer.

Der Kläger ist daher der Meinung, ihm stehe wegen der Verletzung seines Rechts am eigenen Bild sowie seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein wie beantragter Unterlassungsanspruch zu. Es liege ein Bildnis seiner Person durch den Schauspieler F. vor, weil er in ihm erkennbar werde. Eine Ausnahme nach § 23 Abs. 1 KUG komme nicht in Betracht. Es liege kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vor. Insoweit komme es nicht darauf an, dass ein öffentliches Interesse an der Auseinandersetzung mit den Vorfällen in der Schule bestehe. Maßgeblich sei allein, ob er es dulden müsse, dass sein Alter Ego ihm wie aus dem Gesicht geschnitten sei und Missbrauchsszenen mit einem optischen Doppelgänger umgesetzt würden, die er selbst lediglich zu Papier gebracht habe. Am Aussehen eines einzelnen Opfers bestehe aber kein öffentliches Interesse. An einem öffentlichen Informationswert fehle es auch wegen der wahrheitswidrigen Figur der Biologielehrerin. Da er im Übrigen wahrheitsgemäß dargestellt werde, verfälsche dieser fiktionale Aspekt sein tatsächliches Leid und seine Aufklärungsleistung sowie die der anderen Schüler. Der Film sei zur historischen Wahrheit verpflichtet, weil er ein originalgetreues Portrait seiner Person zeichne. Nach dem Produktionsbericht (vgl. Anlage K 31) sei auch eine größtmögliche Authentizität gewollt. Es bestehe auch kein höheres Interesse der Kunst, § 23 Abs. 4 KUG.

Die Intensität des Eingriffs sei erheblich. Er habe mit ansehen müssen, wie ein Junge, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten sei, am selben Ort dieselbe sexuelle Gewalt erfahren müsse wie er selbst. Er habe erneut das Ohnmachtsgefühl erlebt, das er als Schüler empfunden habe, weil seine Person abermals benutzt worden sei, ohne dass er hierauf habe Einfluss nehmen können. Hierdurch werde seine Intimsphäre verletzt. Die wiederkehrende Konfrontation führe zu einer Perpetuierung des Leidens und zu einer erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung. Er habe sich nach der Ausstrahlung in einem schwer traumatisierten Zustand befunden, der bis heute Auswirkungen zeige. Er habe nur mit Schlafmitteln schlafen können und sich wegen eines zerknirschten Zahnes in ärztliche Behandlung begeben müssen. Das Zähneknirschen sei Resultat seiner Traumstressreaktion. Sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, er befinde sich in psychiatrischer und psychosomatischer Behandlung (vgl. Anlage K 24). Bis heute müsse er immer wieder der Retraumatisierung entgegen wirken. Seine Rückkehr in den Schuldienst sei in weite Ferne gerückt. Sämtliche Genesungsfortschritte, die durch den Gewinn der Deutungshoheit seiner Erlebnisse durch das Schreiben des Buches gemacht worden seien, seien erheblich beschädigt worden. Dies komme auch in dem als Anlage K 28 vorgelegten psychiatrischen Attests zum Ausdruck.

Dem Anspruch stehe auch das Verfassen des Buches nicht entgegen. Er habe die Erlebnisse lediglich zu Papier gebracht und unter einem Pseudonym veröffentlicht. Dies habe der Selbsttherapie gedient, so habe er die Deutungshoheit über seine Erlebnisse gewonnen. Darin liege keine Einwilligung in die Verwendung seines Bildnisses in die szenische Darstellung. Gerade der szenischen Darstellung komme aber ein besonders hoher Intensitätsgrad zu, der viel höher wiege als bei einer Wortberichterstattung. Der Film und seine Ausstrahlung würden für ihn einen totalen Kontrollverlust über seine Biografie bedeuten. Auch der Trailer „S.“ stehe dem nicht entgegen. Hier werde keine Figur gezeigt, die Ähnlichkeit zum realen Urbild habe (vgl. Anlage K 29).

Jedenfalls würden seine berechtigten Interessen verletzt, § 23 Abs. 2 KUG. Er habe ein berechtigtes Interesse daran, nicht wieder mit dem Ohnmachtsgefühl konfrontiert zu werden, das er als Schüler erlebt habe. Er befinde sich wegen der Ausstrahlung derzeit in einem schwer traumatisierten Zustand. Sein Leid werde verfälscht wieder gegeben und seine Aufklärungsleistung verfälscht (vgl. auch Anlage K 3). Zudem werde er im Erwachsenenalter als gebrochener Mann und damit negativ/verzerrt dargestellt.

Jedenfalls werde sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.

Der Kläger beantragt,

1. Der Beklagten zu 1 wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft für zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Intendanten, untersagt,

die im Film „D. A.“ gezeigten Szenen, die die Filmfigur „F. H.“ zeigen, verkörpert durch den Schauspieler L. S. (vgl. Anlage K 1), erneut zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder verbreiten zu lassen, wenn dies geschieht wie im Rahmen der Ausstrahlung des Spielfilms „D. A.“ am 1. Oktober 2014 um 20:15 Uhr in der A. und am …2014 auf E..

2. Der Beklagten zu 2 wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft für zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Intendanten, untersagt,

die Im Film „D. A.“ gezeigten Szenen, die die Filmfigur „F. H.“ zeigen, verkörpert durch den Schauspieler L. S. (vgl. Anlage K 1), erneut zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder verbreiten zu lassen, wenn dies geschieht wie im Rahmen der Ausstrahlung des Spielfilms „D. A.“ am 1. Oktober 2014 um 20:15 Uhr in der A..

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor,
bei dem Film handele es sich um einen Spielfilm aus dem Genre des Fernsehspiels, nicht aber um einen Dokumentarfilm. Er veranschauliche die typischen Täterstrategien, die Mechanismen des Leugnens und Verschweigens des Opferumfeldes und die von den Tätern ausgenutzte emotionale Zwangssituation der Opfer. Der Film habe den Missbrauchsskandal einschließlich der Versagung aller Kontrollinstanzen und losgelöst von den Opfern aufarbeiten sollen.

Die Beklagten tragen umfangreich zur Fiktionalität der Figuren des F. und E. vor (vgl. Schriftsätze der Beklagten vom 2.04.2015, Seite 16 ff., vom 3.11.2015, Seite 6 ff.). Sie seien fiktional, bildeten die typischen, vielfach übereinstimmend geschilderten Erfahrungen zahlreicher Missbrauchsopfer ab und verdichteten diese in einer Person. Sie beruhten auf einer eigenständigen Autorenleistung. Keines der Opfer sei mit den historischen Personen identisch. Ausnahmen bildeten lediglich die Täter, für die G. B. und W. H. Urbilder seien. Soweit systemtragende Persönlichkeiten erkennbar seien, sei dies notwendige Folge der möglichst authentischen Darstellung des Missbrauchssystems. Die Rahmenbedingungen wolle der Film so getreu wie möglich wieder geben.

Die Fiktionalität des F. werde durch die Abweichungen zur Biographie des Klägers belegt. Tatsächlich hätten der Kläger und T. B. erst nach der Rede des Schulleiters am 2. Mai 1983 und auch nur für einige Wochen zusammen gewohnt. Auch seien sie keine engen Freunde gewesen. Anders als der Kläger sei F. aus vermögendem / einflussreichem Hause. Es habe keine enge Beziehung des Klägers zu einer Lehrerin gegeben. Der Kläger sei auch nie von Schülern gehänselt worden und habe sich nie mit einem Messer verletzt oder einen Suizidversuch begangen. Der Kläger und F. seien auch optisch unterschiedlich; dies ergebe insbesondere eine Gegenüberstellung der Fotos als Anlage B 16 und des Fotos auf Seite 5 der Klagschrift vom 17.02.2015. Lediglich die Haarlänge sei gleich, was aber typisch für die damalige Zeit sei. Dies zeigten auch die übrigen Schülerportraits des G. B.s, vgl. Anlage B 17. Auch die Erwachsenenfiguren wiesen keine Ähnlichkeit auf, vgl. Anlage B 18.

Der Film sei in Kostüm und Szenebild in den späten 70er Jahren angesiedelt und damit vor der Schulzeit der Klägers. Zur Zeit des Klägers an der Schule seien schmale Hosen/kurze Haare angesagt gewesen (vgl. Anlage B 19). F. und E. würden im Film auch nicht im originalen H.-Haus wohnen, sondern im sog. G.-Haus.

Die Darstellungen sexueller Gewalt seien nicht am Buch des Klägers orientiert. Das gemeinschaftliches Duschen sei auch von Ex-Schüler W. beschrieben worden, vgl. Anlage B 20, Film Min 12:14 (Anlage K 2) und typisches Täterverhalten. Das „Weckritual“ (Min. 16) sei so oder ähnlich von allen Betroffenen so geschildert worden (vgl. Anlage B 22; B 20, Film Min. 11:12). Den „erzwungener Kuss“ (Film Min. 46) habe zB auch A. K. geschildert. Das Vergehen an Betrunkenen (Film Min. 56) sei u.a. auch von Opfer D. G. geschildert worden, vgl. Anlage B 20, Min. 29.13. Die Selbstverunstaltung (Film Min. 47) sei typisches Opferverhalten (vgl. Anlage B 24). Das Messer sei nur ein „Dingsymbol“ / Akt der Selbstverletzung. Bezogen auf die Figur des jungen V. (Film Min. 62) behaupten sie, die Einschuldung von Kindern aus prekären Familienverhältnissen sei an der Tagesordnung gewesen. Bezogen auf die Einkaufsfahrt mit dem VW-Bus (Film Min. 44) werde in Abweichung zum Buch für eine Party eingekauft. Solche Einkäufe seien Alltag gewesen (vgl. Anlage B 26). Der Kläger habe B. nach Irland begleitet und nicht in den Griechenland-Urlaub. Solche Urlaube seien typisch gewesen (vgl. B 25, B 26, B 20, Film Min. 42.50).

Die Beklagten sind der Meinung, es liege kein Eingriff in das Recht am eigenen Bild vor. Es handele sich bereits nicht um ein Bildnis iSd § 22 KUG, da der Kläger und der Schauspieler, der F. verkörpert, nicht die erforderliche Ähnlichkeit besäßen. Eine Identifizierbarkeit komme allenfalls für eine kleine Gruppe von Personen in Betracht, die den Kläger aus Schultagen kennen. Es gelte aber die Fiktionalitätsvermutung. Jedenfalls fehle es an einem schwerwiegenden Eingriff, der ein Ausstrahlungsverbot rechtfertigen könne. Es bestehe ein großes Interesse am Film. Es sei der erste Film, der sich als Fernsehspiel mit den Missbrauchsfällen auseinandersetze und der deshalb einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung und zur Sensibilisierung der Gesellschaft darstelle. Dies gelinge nur, indem er sich an historische Figuren und Schicksale anlehne und diese in die Fiktion einfließen lasse.

Es liege auch keine Verfälschung vor. Mit der Figur der P. G. stellten sie die Verdienste des Klägers für die Aufklärung des Missbrauchs nicht in Abrede. Für den Zuschauer seien erkennbar sämtliche Figuren frei erfunden. Im Übrigen würden auch im Film der Kläger und seine Mitschüler den Skandal an die Öffentlichkeit bringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.

I.

Die Verbreitung des streitgegenständlichen Films „D. A.“ verletzt im Ergebnis weder sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Artt. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG noch sein Recht am eigenen Bild gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 22 ff. KUG als dessen spezialgesetzliche Ausprägung.

Es kann unterstellt werden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Berichterstattung betroffen ist und durch die Verbreitung des Films auch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird (hierzu I.1.). Nach Abwägung aller betroffenen Interessen insbesondere unter Berücksichtigung der für die Beklagten streitenden Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG würde sich ein solcher Eingriff indessen nicht als rechtswidrig darstellen (hierzu I.2.).

1. Ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht demjenigen zu, der durch die Veröffentlichung individuell betroffen ist. Dies setzt voraus, dass er erkennbar zum Gegenstand einer medialen Darstellung wurde. Ausreichend ist insoweit die Erkennbarkeit in einem mehr oder minder großen Bekanntenkreis bzw. in der näheren persönlichen Umgebung (vgl. BVerfG NJW 2008, 39, 41 – Esra.). Die Erkennbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn die Person ohne namentliche Nennung zumindest für einen Teil des Leser- oder Adressatenkreises auf Grund der mitgeteilten Umstände hinreichend erkennbar wird. Es kann die Wiedergabe von Teilinformationen genügen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt (BGH NJW 2005, 2844, 2845 m.w.N., insoweit bestätigt durch BVerfG NJW 2008, 39, 41 – Esra). Eine nachweisbare Vorbildfunktion („Entschlüsselungsmöglichkeit“) ist insoweit allerdings unzureichend. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die Identifizierung für den mit den Umständen vertrauten Leser aufdrängt.

Die Kammer neigt auch dazu, nach den aufgezeigten Grundsätzen die Erkennbarkeit des Klägers als Vorbild für die Figur des F. anzunehmen. Denn die hohe Kumulation von Identifizierungsmerkmalen dürfte den mit dem schulischen und persönlichen Umfeld des Klägers vertrauten Personen die Identifizierung aufdrängen:

Hierfür spricht zunächst die Authentizität der im Film dargestellten sexuellen Übergriffe. Insbesondere für jenen Personenkreis, der das Buch des Klägers „W. l. s. i. n. s.? Die O… Schule und der sexuelle Missbrauch“ kennt, drängt sich die Übereinstimmung zwischen den im Buch geschilderten Szenen und den im Film dargestellten auf, auch wenn die Darstellungen nicht in jedem Detail übereinstimmen. Dies gilt beispielsweise für die Übereinstimmungen bei der „Duschszene“ (vgl. auch Anlage K 4); den Szenen im Bett (Film ab Min. 16, Anlage K2, Buch Anlage K 4, Seite 50); die „Kussszene“ (vgl. Film Min. 46, Buch Anlage K 5); den Übergriff auf den betrunken dargestellten F. (Film Min 56, Buch Anlage K 6); das Kurzschneiden der Haare. Auch berichtet nur der Kläger gerade von Turnschuhen als Geschenk des Schulleiters, wie sie auch die Filmfigur F. von P. bekommt. Allein der Umstand, dass teilweise auch andere Betroffene vergleichbare Übergriffe schildern oder es sich hier um typisches Opferverhalten handelt, steht der Identifizierbarkeit nicht zwingend entgegen.

Auch die Authentizität der im Film dargestellten Umgebung spricht für die Erkennbarkeit. Insoweit ist es nicht maßgeblich, dass tatsächlich die Räumlichkeiten der „Schulfamilie“ des P. nicht im „H. Haus“ gedreht wurden. Die Außenansicht ist aber die Originalkulisse und die Ausstattung der Räumlichkeiten sind denen, wie sie real bestanden, jedenfalls nachgebildet. Zwar war der Kläger Anfang/Mitte der 80ziger Jahre Schüler der O… Schule und der Film ist in den späten 70zigern Jahren angesiedelt. Unstreitig war der Kläger jedoch ebenso wie die Filmfigur F. in der Schulfamilie des Schulleiters, als dieser unter Druck geriet und schließlich auch seinen Weggang (in zwei Jahren) ankündigte. Ob dies Ende der 70ziger oder Anfang der 80ziger Jahre war, mag für die Ausstattung des Films eine Rolle spielen, für die Handlung ist dies aber nicht tragend.

Auch andere für den Zuschauer erkennbar real existierende Personen legen eine Erkennbarkeit nahe. Dies gilt einerseits für den Schulleiter (P./ B.) und den Musiklehrer („M.“/ H.). Die Kammer neigt auch der Ansicht zu, dass in der Figur des E. der Freund des Klägers, T. B., für den Zuschauer erkennbar ist.

Auch die optische Ähnlichkeit des Klägers zu Schulzeiten zu der Filmfigur des F. spricht in Ergänzung mit den vorgenannten Umständen für eine Erkennbarkeit. Ob die Beklagten diese Ähnlichkeit beabsichtigt hatten, ist insoweit ohne Belang. Weiter kommt der Filmfigur F. die Rolle des Aufklärers zu, wie auch der Kläger in besonderer und maßgeblicher Weise den Aufklärungsprozess initiiert und vorangetrieben hat. Als solcher ist er auch in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten.

2. Selbst wenn der Kläger in der Kinder- und Erwachsenenfigur des F. erkennbar ist, folgt hieraus allein jedoch keine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Ob eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes vorliegt, ist vielmehr aufgrund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung anhand des zu beurteilenden Einzelfalles festzustellen. Hierbei sind neben den Interessen des Klägers auch die zugunsten der Beklagten streitenden Umstände zu berücksichtigen.

a. Zugunsten beider Beklagten streitet im Rahmen dieser Abwägung vorliegend die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG. Denn bei dem Fernsehfilm handelt es sich um ein Kunstwerk erzählender Art und der persönliche Schutzeberich des Grundrechts ist für beide Beklagten eröffnet.

Ein Kunstwerk i.S. von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist ein Werk, in dem seine Schöpfer ihre Eindrücke, Erfahrungen oder Erlebnisse dem Rezipienten zu unmittelbarer Anschauung bringen. Dabei steht der Umstand, dass ein solches Werk – wie hier – seine Grundlage in der Schilderung tatsächlicher Ereignisse oder existierender Personen hat, seiner Eigenschaft als Kunstwerk ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass in dem Werk eine Meinung über die Personen oder Ereignisse zum Ausdruck gebracht wird. Ein Spielfilm ist zwar nicht wie ein Roman ein lediglich textlich fixiertes Werk, sondern eine Verbindung mehrerer Ausdrucksformen; mit dem Roman hat er aber gemeinsam, dass die an seiner Erstellung beteiligten Personen jeweils innerhalb ihres Wirkungskreises gestaltend und ihre Eindrücke von der Wirklichkeit verarbeitend tätig sind. Insoweit besteht hinsichtlich des Schutzes von Kunstwerken epischer oder dramatischer Art kein Unterschied (vgl. OLG Hamburg, NJW 2009, 1510, 1512 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Film. Auch wenn er keine eigenen Erfahrungen oder Erlebnisse seiner Schöpfer zum Ausdruck bringen mag, so gibt er aber die Eindrücke wieder, die seine Schöpfer auf Grund ihrer Recherchen von den Geschehnissen um die O… Schule und die dort stattgefundenen Missbrauchsfälle gewonnen haben. Diese Eindrücke sind dramaturgisch aufgearbeitet und damit in künstlerischer Weise gestaltet.

Auf dieses Grundrecht kann sich die Beklagte zu 2 als Produzentin des Films berufen, auch wenn sie als juristische Person nicht eigenschöpferisch an der Entstehung des Werks mitgewirkt hat. Denn sie war als Produzentin des Films maßgeblich daran beteiligt, aus dem Drehbuch einen Film zu machen und diesen Film einem breiten Publikum zugänglich zu machen („Wirkbereich”).

Es kann dahin stehen, ob auch die Beklagte zu 1 den Film ebenfalls (mit-) produziert hat (so der Kläger). Da ein Film ohne die Vervielfältigung, Verbreitung und Veröffentlichung keine Wirkung in der Öffentlichkeit entfalten könnte, erstreckt sich die Freiheitsgarantie auch auf diese Tätigkeit. Soweit es zur Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum also der publizistischen Medien bedarf, sind auch die Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die eine solche vermittelnde Tätigkeit ausüben (vgl. BVerfG NJW 2008, 39, 40 – Esra zum Verleger). Die Beklagte zu 2 übt als Rundfunkanstalt eine maßgebliche Mittlerfunktion zwischen Künstler und Publikum aus, so dass auch sie sich – neben der ihr zustehenden Rundfunkfreiheit – auch auf die Kunstfreiheit berufen kann.

b. Das Bundesverfassungsgericht hat in der hier maßgeblichen „Esra-Entscheidung“ (BVerfG NJW 2008, 39 ff., Rn. 79 ff.) zum Verhältnis von Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit insbesondere folgende Maßstäbe für die Abwägung vorgegeben:

„(…) Allerdings zieht die Kunstfreiheit ihrerseits dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. (…).Steht im Streitfall fest, dass in Ausübung der Kunstfreiheit (…) das Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigt wird, ist bei der Entscheidung über den auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützten zivilrechtlichen Abwehranspruch der Kunstfreiheit angemessen Rechnung zu tragen. Es bedarf daher der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat. Eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Lässt sich freilich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (…).

Die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts hängt dabei sowohl davon ab, in welchem Maß der Künstler es dem Leser nahelegt, den Inhalt seines Werks auf wirkliche Personen zu beziehen, wie von der Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung, wenn der Leser diesen Bezug herstellt. (…).

Die Entscheidung darüber, ob eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, kann daher nur unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden. Dabei ist zu beachten, ob und inwieweit das „Abbild” gegenüber dem „Urbild” durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselbstständigt erscheint, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zu Gunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der „Figur” objektiviert ist (…).

Die Gewährleistung der Kunstfreiheit verlangt, den Leser eines literarischen Werks für mündig zu halten, dieses von einer Meinungsäußerung zu unterscheiden und zwischen der Schilderung tatsächlicher Gegebenheiten und einer fiktiven Erzählung zu differenzieren. Ein literarisches Werk, das sich als Roman ausweist, ist daher zunächst einmal als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Ohne eine Vermutung für die Fiktionalität eines literarischen Textes würde man die Eigenarten eines Romans als Kunstwerk und damit die Anforderungen der Kunstfreiheit verkennen. Diese Vermutung gilt im Ausgangspunkt auch dann, wenn hinter den Romanfiguren reale Personen als Urbilder erkennbar sind. Da die Kunstfreiheit eine derartige Verwendung von Vorbildern in der Lebenswirklichkeit einschließt, kann es auch kein parallel zum Recht am eigenen Bild verstandenes Recht am eigenen Lebensbild geben, wenn dies als Recht verstanden würde, nicht zum Vorbild einer Romanfigur zu werden. Dabei muss es sich bei der in Rede stehenden Publikation allerdings tatsächlich um Literatur handeln, die für den Leser erkennbar keinen Faktizitätsanspruch erhebt. (…).

Je stärker der Autor eine Romanfigur von ihrem Urbild löst und zu einer Kunstfigur verselbstständigt („verfremdet”; …), umso mehr wird ihm eine kunstspezifische Betrachtung zugutekommen. Dabei geht es bei solcher Fiktionalisierung nicht notwendig um die völlige Beseitigung der Erkennbarkeit, sondern darum, dass dem Leser deutlich gemacht wird, dass er nicht von der Faktizität des Erzählten ausgehen soll. (…) Eine Lösung kann daher nur in einer Abwägung gefunden werden, die beiden Grundrechten gerecht wird. (…).

Zwischen dem Maß, in dem der Autor eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Realität schafft und der Intensität der Verletzung des Persönlichkeitsrechts besteht eine Wechselbeziehung. Je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer wiegt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Je mehr die künstlerische Darstellung die besonders geschützten Dimensionen des Persönlichkeitsrechts berührt, desto stärker muss die Fiktionalisierung sein, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen. (…).

Zwar wurden diese Grundsätze für die Verbreitung eines Romans aufgestellt. Sie gelten dem Grunde nach aber auch für die Verbreitung eines Spielfilms (vgl. OLG Hamburg, NJW 2009, 1510, 1512 ff.).

Nach diesen Maßstäben liegt bei Abwägung der beiderseitig betroffenen Interessen und aller Umstände des Einzelfalles in der Verbreitung der streitgegenständlichen Filmszenen kein so schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, dass dieser zum Zurücktreten der für die Beklagten streitenden Kunstfreiheit führen könnte.

Es ist nach den aufgezeigten Maßstäben zunächst zu berücksichtigen, dass es keinen generellen Schutz davor gibt, Vorbild für eine fiktive Figur zu werden. Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Falle eines Romans, sondern auch bei einem wie hier in Rede stehenden Film. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum „Recht am eigenen Lebensbild“ sind auch insoweit auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die Kammer versteht die Ausführungen (BVerfG NJW 2008, 39, 42, Rz. 84 – Esra: „…kann es auch kein parallel zum Recht am eigenen Bild verstandenes Recht am eigenen Lebensbild geben,…“) insbesondere – anders als der Kläger – nicht dahingehend, dass dann, wenn das Recht am eigenen Bild betroffen wäre, nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ein „Recht am eigenen Lebensbild“ bestehe. Unabhängig von der Frage, ob das Recht am eigene Bild im Sinne des § 22 KUG hier betroffen ist (siehe hierzu unten I.3.), wird nach Auffassung der Kammer vom Bundesverfassungsgericht an der zitierten Stelle lediglich beschrieben, dass das (abzulehnende) Recht am eigenen Lebens-“bild“ nicht „parallel“ zum Recht am eigene Bild im Sinne des § 22 KUG existiert.

Vorliegend handelt es sich auch bei dem Film erkennbar um einen Spielfilm und nicht um eine Dokumentation, die einen umfassenden, alle Details betreffenden Faktizitätsanspruch erheben würde. Im Rahmen der Abwägung ist somit nach den aufgezeigten Kriterien am konkreten Einzelfall das Maß der Verfremdung und die damit verbundene Beeinträchtigung für das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu berücksichtigen. Denn je stärker sich eine Figur von ihrem realen Urbild löst und zu einer Kunstfigur verselbstständigt, ums so mehr kommt dem Inhaber der Kunstfreiheit die kunstspezifische Betrachtung zugute.

Es können insoweit zunächst die vom Kläger vorgetragen Übereinstimmungen zwischen den realen Geschehnissen an der O… Schule und den im Film dargestellten unterstellt werden. Der Film knüpft hiernach an die tatsächlichen Geschehnisse im Zusammenhang mit den Missbrauchvorwürfen und deren Aufarbeitung an, wie sie sich in der O… Schule zugetragen haben. Die Darstellung am Originalschauplatz verleiht dem Film ebenfalls Authentizität. Wesentliche Teile des Films entsprechen damit den tatsächlichen Gegebenheiten. Diese werden insoweit auch nach der Auffassung des Klägers zutreffend und nicht verfälschend wiedergegeben.

Allerdings bestehen ebenfalls Abweichungen zwischen dem Film und den realen Geschehnissen, die als Verfremdungen nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen die Anforderungen an die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers erhöhen. Da es die Kunstfreiheit gebietet, zunächst von der Fiktionalität eines Spielfilms auszugehen, hat derjenige, der sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, die Unrichtigkeit oder Ehrenrührigkeit der von ihm beanstandeten Passagen nachzuweisen (vgl. BGH NJW 2008, 2587, 2589 – Esra). Für die Frage, inwieweit ein festgestelltes Maß an Verfremdung das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt, ist zu berücksichtigen, ob der Zuschauer erkennt, dass es sich bei der ihm präsentierten Schilderung nicht um die Wiedergabe eines realen Geschehens handelt, sondern um ein fiktionales Geschehen, bei dessen Entwicklung die Schöpfer des Werkes sich von tatsächlichen Vorgängen oder tatsächlichen Personen nur gleichsam haben inspirieren lassen (vgl. OLG Hamburg, NJW 2009, 1510, 1512f.).

Der verwendete Disclaimer kann vorliegend nicht zur Annahme einer entsprechenden Fiktionalität führen. Dies schon deshalb nicht, weil er bei der Ausstrahlung in der A. nicht vorgeschaltet war. Im Übrigen muss diese Beurteilung stets aus dem Film selbst heraus erfolgen. Maßgeblich ist insoweit nicht der Durchschnittszuschauer, sondern der Standpunkt eines kunstsachverständigen Publikums. Danach ist entscheidend, ob der Eindruck, den das Werk in seiner Gesamtheit bei dem Rezipienten erweckt, dahin geht, dass einzelne in dem Werk geschilderte Geschehnisse oder Eigenschaften als tatsächlich gegeben behauptet oder als im Wesentlichen fiktional geschildert werden sollen (vgl. OLG Hamburg, NJW 2009, 1510, 1513).

Der Kläger selbst bezieht sich im Wesentlichen auf zwei Verfremdungen, nämlich zum einen den Umstand, dass sein Zimmergenosse T. B., der in der Figur des E. erkennbar werde, im Film als Missbrauchsopfer dargestellt werde, obwohl er dies tatsächlich nicht gewesen sei, und zum anderen auf die Einführung der Figur der Biologielehrerin P. G.. Im Ergebnis führen diese Abweichungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Filmaufnahmen.

Es kann unterstellt werden, dass die Figur des E. ein Abbild von T. B. ist und es ist unstreitig, dass T. B. nicht Opfer sexuellen Missbrauchs an der O… Schule geworden ist. Der Umstand, dass T. B. wahrheitswidrig als Opfer dargestellt wird, wirkt sich zwar auf dessen Persönlichkeitsrecht in ganz schwerwiegender Weise verletzend aus. Für das Persönlichkeitsrecht des Klägers hat dieser Umstand jedoch keine erhebliche Beeinträchtigung zur Folge.

Unstreitig ist auch die Figur der „P. G.“ fiktiv. Mit dieser wird der Figur des F. eine unterstützende Protagonistin an die Seite gestellt, wodurch der Eindruck transportiert wird, die Figur des F. sei „nicht allein“ gewesen und habe Unterstützung durch eine engagierte Lehrerin gehabt. Tatsächlich gab es eine solche oder vergleichbare Hilfe für den Kläger nicht. Im Vergleich zum realen Geschehen wird seine Situation folglich verfälschend und verharmlosend dargestellt.

Die Kammer neigt auch zu der Ansicht, dass nicht jeder Zuschauer die Figur der P. G. nicht als fiktional erkennt. Denn er ist mit den personellen Gegebenheiten an der Schule zum fraglichen Zeitpunkt nicht vertraut und die Figur ist auch nicht derart lebensfremd gezeichnet, dass sie zwingend als fiktional einzuschätzen wäre. Auch scheint es Zuschauern angesichts des derart erschreckenden Ausmaßes der aufgezeigten Vorwürfe geradezu naheliegend, dass wenigstens einer der Lehrkräfte die Augen vor dem gezeigten sexuellen Missbrauch nicht verschließt.

Die Kammer kann im Ergebnis jedoch auch unterstellen, dass die Figur ebenfalls aus der Sicht des kunstverständigen Publikums nicht als fiktional erkannt wird. Denn im Ergebnis führt diese Abweichung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht zur Rechtswidrigkeit. Zwar wird die Situation des Klägers durch diese Fiktion positiver dargestellt, als sie sich tatsächlich zugetragen hat. Denn tatsächlich fehlte es an jeglicher Unterstützung aus der Lehrerschaft. Auch kommt der Figur der Lehrerin im Film eine nicht unerhebliche Rolle bei der Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe zu, die nicht der Realität entspricht. Tatsächlich war es insbesondere der Kläger, der die Aufklärung maßgeblich vorangetrieben hat. Andererseits scheitert die Lehrerin im Film während ihrer Zeit an der Schule letztlich ebenfalls mit dem Versuch, die Vorgänge an die Öffentlichkeit zu bringen und muss die Schule verlassen. Es ist die Figur des F., die im Vorfeld der „Anhörung“ im Rahmen der 100-Jahr-Feier das Handeln der Lehrerin anstößt. Gleich zu Beginn des Films wird der erwachsene F. gezeigt, wie er P. G. aufsucht und ihr mitteilt, dass er und andere („wir“) die Schule dazu gebracht hätte, eine Anhörung zu machen. Er wird als derjenige dargestellt, der sich einsetzt und um Aufklärung kämpft. Er überredet seine ehemalige Lehrerin und bringt sie so erst dazu, aktiv zu werden. Er sitzt sodann auch – anders als es beim Kläger tatsächlich der Fall war – auf dem Podium bei der Anhörung und ergreift als erster der Betroffenen das Wort. Für den Zuschauer ist auch erkennbar, dass die Vorgänge um die Aufklärung im Film verkürzt dargestellt werden. Denn es wird gerade nicht gezeigt, wie es im Einzelnen dazu kam, dass eine Anhörung auf dem Schulgelände zugelassen wurde und sich die Schulleitung bereit erklärte, daran mitzuwirken.

In der Verfremdung durch die Figur der Biologielehrerin kommt auch – unabhängig von der Frage der Erkennbarkeit für den Zuschauer – die von Art. 5 Abs. 3 GG geschützte künstlerische Gestaltung des Stoffes zum Ausdruck. Die Figur rahmt das Geschehen ein und stellt es dem Zuschauer im ersten Teil anhand ihres Rückblicks dar. Das Geschehen folgt insoweit den dramaturgischen Gesetzen der Spielfilmhandlung, die im Wege eines Spannungsbogens aufgebaut wird.

Der Film verletzt unter Berücksichtigung aller weiter genannten Umstände auch nicht die Intim- oder Privatsphäre des Klägers. Die Kammer verkennt nicht, dass die Verbreitung des Films insbesondere aufgrund des visuell dargestellten Missbrauchs an der Figur des F. für den Kläger eine ganz besondere persönliche Belastung mit sich bringt. Auch ist der Kläger als minderjähriges Opfer besonders schwerwiegender Straftaten in besonderer Weise schützenswert. Im Rahmen der Abwägung ist insoweit aber auch zu berücksichtigen, dass der Kläger sich in mehrerlei Hinsicht mit dem Thema in die Öffentlichkeit begeben hat, auch wenn dies der Aufklärung und seiner persönlichen Aufarbeitung diente und dient. Er hat sich für ein Interview bei dem Dokumentarfilm „U. w. s. n. d. E.“ (Anlage B 20) zur Verfügung gestellt. Hier berichtete er von seinen Missbrauchserfahrungen an der O… Schule und dem Aufklärungsprozess. Zudem verfasste er ein Buch, in dem der Missbrauch sehr detailliert geschildert wird (vgl. Anlagen K 4 – K 7, K 9 – K 11). Das Buch wird auch heute noch verbreitet. Es enthält zahlreiche Darstellungen des tatsächlich stattgefundenen Missbrauchs, die die Vorgänge im Vergleich zu den filmischen Szenen deutlich detailreicher schildern. Während die Filmszenen hier nur Vorgänge andeuten, beschreibt der Kläger die Missbrauchsvorfälle in deutlichen Worten. Die im Buch detailliert dargestellten realen Missbrauchsszenen korrespondieren auch dem Grunde nach mit den im Film dargestellten Missbrauchsszenen, was der Kläger selbst auch nicht in Abrede nimmt.

Zwar ist der Kläger insoweit zunächst unter seinem Pseudonym „J. D.“ öffentlich aufgetreten. Er hat dann jedoch seinen Namen offenbart und wurde hierdurch für die Öffentlichkeit identifizierbar.

Auch beabsichtigte der Kläger eine nicht-fiktionale Verfilmung seiner Erfahrungen und arbeitete an dem Trailer „S.“ (Anlage B 1) mit, der das Thema – wenn auch in völlig anderer Art und Weise als in dem vorliegenden Spielfilm – in die Öffentlichkeit bringt. Schließlich wandte er sich mit der vor Ausstrahlung des Films veröffentlichten Filmkritik (Artikel des S. „U. L. a. R.“, Anlage K 3) an die Öffentlichkeit.

Die Selbstöffnung führt nicht dazu, dass der Kläger seinen Privatsphärenschutz verwirkt hätte. Auch wiegt die Darstellung von Bildern schwerer als die Verbreitung im Rahmen einer Wortberichterstattung. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Kläger durch seine Hinwendung an die Öffentlichkeit ein besonderes öffentliches Interesse an der Aufklärung der Vorfälle erfüllte und auch zur Selbsttherapie gehandelt hat. In die Abwägung ist indessen neben der zugunsten der Beklagten streitenden Kunstfreiheit ebenfalls einzustellen, dass an der Verbreitung des Films ein überragendes öffentliches Informationsinteresse besteht. Denn mit diesem Film wird ein breites Publikum mit dem Thema sexualisierte Gewalt konfrontiert, dessen öffentliche Erörterung von gesamtgesellschaftlichem Interesse ist. Zudem werden die Missbrauchsfälle an der O… Schule jedenfalls dem Grunde nach in die Öffentlichkeit getragen. Durch die konkrete Darstellung als Spielfilm kann diese Thematik einem breiten Publikum offenbart werden, das auf anderem Weg wie beispielsweise durch eine Dokumentation nicht in gleicher Weise erreichbar wäre. Es wird hierdurch eine öffentliche Diskussion darüber angestoßen, wie es generell und im speziellen Fall der O… Schule zu einem sexuellen Missbrauch diesen Umfangs unter den Augen so vieler kommen konnte. Der mit der öffentlichen Thematisierung verbundenen Sensibilisierung für dieses Thema kommt besondere Bedeutung für die Allgemeinheit zu.

Unter Abwägung aller genannter Umstände müssen die Interessen des Klägers daher hier zurücktreten.

3. Es kann insoweit dahin stehen, ob das Recht am eigenen Bild des Klägers gem. § 22 KUG als einfachgesetzliche Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegend durch die Abbildung des Schauspielers L. S. in der Figur des F. betroffen ist oder ob es sich hier lediglich um die filmische Darstellung des „Lebens- und Charakterbildes“ des Klägers handelt. Für letzteres spricht, dass sich die – unterstellte – Erkennbarkeit nicht allein aus dem äußeren Erscheinungsbild der Filmfigur ergibt, sondern aus einer Zusammenschau verschiedener Elemente wie der zutreffend dargestellten äußeren Umstände und anderen erkennbaren Personen wie beispielsweise dem Schulleiter P.. Hierauf kommt es aber nicht an. Selbst wenn man den Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild als eröffnet ansehen würde, müssten im Rahmen des abgestuften Schutzkonzeptes entsprechend obiger Darstellungen die Interessen der Beklagten Berücksichtigung finden und ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte angenommen werden. Ebenfalls stehen der Verbreitung aufgrund der oben angegebenen Abwägungsgesichtspunkte § 23 Abs. 2 KUG nicht entgegen.

II.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 28.01.2016 erfordert keine Wiedereröffnung der Verhandlung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO.

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