Zur Anfechtung einer Willenserklärung eines über eine Internetauktionsplattform geschlossenen Vertrages

AG Kassel, Urteil vom 23. April 2009 – 421 C 746/09

1. Zur Anfechtung einer Willenserklärung eines über eine Internetauktionsplattform geschlossenen Vertrages.

2. Erklärungsirrtum bei irrtümlicher Aktivierung der “Sofort-Kaufen” Option

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung wird abgesehen gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Übereignung des streitgegenständlichen Apple iPhone nebst Ledertasche gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §433 Abs. 1 BGB.

Zwar ist – insofern unstreitig – zwischen den Parteien am 22.11.2008 um 18:15 Uhr ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Apple iPhone über die “Sofort Kaufen”-Option bei dem Internetauktionshaus ebay zu Stande gekommen (vgl. hierzu BGH NJW 2002, 363), dieser Vertrag ist durch die wirksame Anfechtung des Beklagten aber gemäß § 142 Abs. 1 BGB als ex tunc nichtig anzusehen.

Dabei steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte bei Einstellung des Angebots einem Erklärungsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB unterlag und damit ein Anfechtungsgrund gegeben ist.

Ein Irrtum im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn schon der äußere Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht (Palandt, 67. Aufl., § 119 BGB, Rn. 10).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Irrtums, für den Ursachenzusammenhang zwischen Irrtum und Erklärung und auch dafür, dass er die Erklärung bei verständiger Würdigung nicht abgegeben hätte, trägt dabei nach allgemeinen Grundsätzen der Anfechtende, also der Beklagte. Vorliegend hat der Beklagte jedoch glaubhaft vorgetragen, dass er sich beim Verfassen des Angebots „verklickt” hat und das Angebot entgegen seinem Willen zu einem Festpreis von EUR 1,00 eingestellt wurde anstatt als Auktion mit einem Startpreis von EUR 1,00. Die Darstellung des Beklagten begegnet von Seiten des Gerichts keinen vernünftigen Zweifeln. Bei verständiger Würdigung des Sachverhalts ist ohne weiteres anzunehmen, dass der Beklagte ein neuwertiges Apple iPhone nebst Zubehör nicht über die Option “Sofort Kaufen” für einen Betrag von EUR 1,00 angeboten haben würde. Durch die “Sofort-Kaufen”-Option erhält der Verkäufer die Möglichkeit, einen Artikel sogleich zu verkaufen, ohne das Ergebnis einer Versteigerung abwarten zu müssen.

Die Wahl dieser Option macht daher für ihn nur dann Sinn, wenn er einen Verkaufspreis wählt, der letztlich demjenigen Betrag entspricht, den er für angemessen ansieht und für den er bereit ist, den angebotenen Artikel auf jeden Fall zu verkaufen (LG Kiel, Beschl. v. 11.02.2004 – 1 S 153/03, recherchiert nach juris). Vor diesem Hintergrund ist es fernliegend anzunehmen, der Beklagte habe sich als angemessenen Preis einen Betrag in Höhe von EUR 1,00 vorgestellt, zumal ein solches iPhone aktuell- neu – zu Preisen von über EUR 500,00 angeboten wird.

Für einen solchen Irrtum spricht im Übrigen auch die von dem Beklagten zu dem Artikel eingestellte Beschreibung, die von dem Kläger als Anlage K 1 (BI. 6 d.A.) vorgelegt wurde, in der unter anderem aufgeführt ist “Sofortkauf ist möglich. Viel Spaß beim Bieten!”. Dem lässt sich entnehmen, dass der Beklagte einen Sofortkauf ganz augenscheinlich lediglich als – weitere – Möglichkeit neben einem “Ersteigern” des Artikels im Rahmen einer Auktion anbieten wollte. Auch die Formulierung “Viel Spaß beim Bieten” deutet klar darauf hin, dass hier eine Auktion mit mehreren abzugebenden Geboten und nicht etwa allein ein Verkauf zu einem Festpreis beabsichtigt war.

Zwar bestand auch im Falle einer Versteigerung letztlich die Gefahr, dass das Höchstangebot unterhalb des tatsächlichen Wertes des iPhones bleiben würde. Hieran hätte sich der Beklagte dann auch festhalten lassen müssen. Dennoch sind die Risiken im Falle einer Versteigerung ganz anders gelagert als diejenigen bei Wahl der Alternative “Sofort Kaufen-Option”. Denn bei einer sich in aller Regel über mehrere Tage erstreckenden Versteigerung besteht die Chance, einen größeren Interessentenkreis zu erreichen, sowie die daraus resultierende weitere Chance, dass sich die Interessenten gegenseitig überbieten und das jeweilige Höchstangebot somit steigt.

Die tatsächlich abgegebene Erklärung des Beklagten kann daher nur auf eine unbewusste Verkennung des wahren Sachverhalts, also einen Erklärungsirrtum i. S. d. § 119 Abs. 1 BGB, zurückgeführt werden.

Dass der Beklagte nach dem Vorbringen des Klägers zum Zeitpunkt der Angebotsaufgabe fast 600 zu 100 % positive Bewertungen bei ebay hatte und folglich davon auszugehen sei, dass er sich mit den Angebotsformen von ebay bestens auskannte schließt einen Irrtum des Beklagten nach Ansicht des Gerichts ebenso wenig aus, wie der von dem Kläger vorgebrachte Umstand, dass die Option “Festpreis” bei ebay separat abgefragt wird.

Es mag zwar sein, dass durch, die separate Abfrage ein Irrtum erschwert wird. Auch eine mehrfache unbewusst falsche Eingabe wird hierdurch aber letztlich nicht ausgeschlossen.

Ein solcher Irrtum kann auch und vielleicht gerade einem erfahrenen Benutzer unterlaufen, der aufgrund einer vermeintlichen Sicherheit im Umgang mit dem System von ebay beim Einstellen eines Angebots seine Angaben möglicherweise weniger sorgfältig überprüft.

Der Beklagte hat die Anfechtung auch form- und fristgerecht erklärt.

Die über ebay übermittelten Nachricht des Beklagten an den Kläger vom 22.11.2008, deren Zugang der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, stellt eine Anfechtungserklärung LS.d. § 143 BGB dar. Für eine Anfechtungserklärung ist nicht erforderlich, dass der Anfechtende das Wort “anfechten” benutzt. Notwendig und ausreichend ist, dass der Beklagte deutlich macht, dass er den Vertrag aufgrund eines Irrtums nicht gelten lassen will (vgl. Palandt, 67. Aufl., § 143 BGB, Rn. 3). Für die Auslegung ist dabei auch und vor allem die bestehende Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen (Palandt-Heinrichs, § 133, Rdn. 18).

Die Mitteilung des Beklagten, bei der Auktion sei ein Irrtum unterlaufen, 1 € bzw. Sofort-Kaufen sollte der Startpreis sein, war vom objektiven Empfängerhorizont nach §§ 133, 157 BGB nur so zu verstehen, dass der Beklagte an dem Geschäft nicht festhalten wollte.

Durch diese Erklärung machte der Beklagte deutlich, dass er das iPhone nicht im Rahmen der “Sofort Kaufen”-Option für EUR 1,00 verkaufen wollte und legte auch den Irrtum dar, der eine Anfechtung des Geschäfts durch ihn begründete. Dass er aufgrund dieses Irrtums das Rechtsgeschäft nicht gelten lassen wollte, wurde damit impliziert und ergibt sich zudem aus dem umstand, dass er ankündigte, die aufgrund des Kaufvertrags von dem Kläger erbrachte Leistung, den einen Euro, zurückzuzahlen, was er auch tatsächlich umgehend tat.

Schließlich erfolgte die Anfechtung des Vertrags durch den Beklagten LS.d. § 121 Abs. 1 BGB fristgerecht. Der Beklagte schickte die E-Mail, mit der er seinen Irrtum dem Kläger gegenüber mitteilte, innerhalb einer halben Stunde nach Vertragsschluss und damit unverzüglich im Sinne der Vorschrift.

Damit konnte die Klage insgesamt keinen Erfolg haben und war abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird entsprechend des geschätzten Werts des streitgegenständlichen Apple iPhones mit 500,00 € festgesetzt, § 3 ZPO.

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