AG Gummersbach, Urteil vom 6. Februar 2007 – 1 C 598/06
UPE-Aufschlag ist jedenfalls zu ersetzen, wenn er ortsüblich ist.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 2.122,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2006 abzüglich am 12.12.2006 gezahlter 1.022,22 € sowie nichtanrechenbare vorgerichtliche Gebühren in Höhe von 68,68 € zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Klägerin zu 1) verlangt von der Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 15.01.2006. Die Einstandspflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Von dem Reparaturschaden auf Basis des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. in Höhe von netto 7.396,59 € ersetzte die Beklagte indes einen Betrag in Höhe von 938,88 € nicht. Auch die Umsatzsteuer auf die Reparaturkosten in Höhe von 1.020,22 € wurde zunächst nicht bezahlt, ebenso wenig die Kosten für ein Nachtragsgutachten des Sachverständigen pp.in Höhe von 163,33 € . Den Gesamtbetrag in Höhe von 2.122,43 € hat die Klägerin zu 1) zunächst klageweise geltend gemacht.
Nachdem die Beklagte nach Rechtshängigkeit einen Betrag in Höhe von 1.022,22 € gezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Ferner machen die Kläger vorgerichtliche nichtanrechenbare Rechtsanwaltkosten in Höhe von 68,68 € geltend.
Die Kläger zu 2) behauptet, er habe durch den Unfall eine HWS- Distorsion erlitten und verweist auf einen von Dr. pp. ausgefüllten Fragebogen (Bl. … ff d.A.)
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 2.122,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2006 abzüglich am 12.12.2006 gezahlter 1.022,22 €, an den Kläger zu 2) 200,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2006 sowie an beide als Gesamtgläubiger nichtanrechenbare vorgerichtliche Gebühren in Höhe von 68,68 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klägerin könne bei einer fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens nicht die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt beanspruchen und benennt Werkstätten, die günstigere Stundensätze berechnen. Wegen der weiteren Abzüge wird auf den Klageerwiderungsschriftsatz vom 04.12.2006 Bezug genommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.
Die Klägerin zu 1) kann gem. § 249 BGB weiteren Schadensersatz in Höhe von 939,88 € aus dem Unfall vom 15.01. 2006 beanspruchen. Auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen pp. vom 20.01.2006 hat die Klägerin auch Anspruch auf Ersatz der dort aufgeführten Stundenlöhne und Ersatzteilzuschläge.
Zwar ist der Schadensersatz nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auch bei einer fiktiven Abrechnung auf den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag beschränkt und ist der Geschädigte gemäß § 254 Abs. 1 BGB gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadenbeseitigung zu wählen.
Die Klägerin zu 1) berechnet ihren Restschaden in Höhe von 939,88 € auf der Grundlage des von ihr eingeholten Gutachtens des Sachverständigen pp.. Dieses ist hinreichend ausführlich und wird dem Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht. Insbesondere ist unstreitig, dass die vom Sachverständigen pp. angesetzten Stundenverrechnungssätze und Ersatzteilpreise bei einer Reparatur in einer markengebundenen Vertragswerkstatt tatsächlich anfielen.
Die Klägerin muss sich nicht auf die ihr konkret nachgewiesene Möglichkeit einer Reparatur in einer freien, d.h. nicht markengebundenen Werkstatt verweisen lassen. In seinem „Porsche- Urteil“ vom 29.04.2003 (BGHZ 155, 1-8) hat der BGH entschieden, dass der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf. Der BGH hat ausgeführt, der Geschädigte sei zwar unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen könne. Doch genüge im allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechne, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich sei und das Bemühen erkennen lasse, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Diesen Anforderungen wird das von der Klägerin zu 1) eingeholte Gutachten gerecht.
Der BGH hat zwar weiter ausgeführt, dem Berufungsgericht könne vom Ansatz her in der Auffassung beigetreten werden, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Die Beklagte hat günstigere Reparaturmöglichkeiten vorgetragen. Indes ist nicht nachgewiesen, dass diese auch gleichwertig sind. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass markengebundene Fachwerkstätten einem hohen Maß an Qualitätssicherung unterliegen, deren Kosten sich in höheren Stundenverrechnungssätzen niederschlagen. Die Klägerin hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass die zur Reparatur eingesetzten Fachkräfte einer markengebundenen Fachwerkstatt – und nur diese – eine fahrzeugtypbezogene regelmäßig stattfindende Spezialausbildung erhalten. Auch ist unstreitig, dass markengebundene Fachwerkstätten fahrzeugtypbezogene Spezialwerkzeuge vorhalten.
Auch die Ersatzteilaufschläge sind zu erstatten. Der Sachverständige pp. hat nämlich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.03.2006 nachvollziehbar ausgeführt, dass die UPE- Aufschläge in der hiesigen Region üblich seien, insbesondere bei dem BMW-Händler pp., der in der Region mit 19 Betrieben vertreten sei.
Gleiches gilt für die Kosten der Verbringung. Insofern hat der Sachverständige pp. dargelegt, keine der im hiesigen Raum ansässigen markengebundenen Fachwerkstätten verfüge über eine eigene Lackiererei.
Das Gericht vermag nicht der teilweise vertretenden Auffassung zu folgen (vgl. Palandt- Heinrichs, BGB, 66. Aufl., 2007, § 249 Rn 14 m. w .N.), die Kosten für die Ersatzteilaufschläge und Verbringungskosten seien nur zu ersetzen, wenn sie tatsächlich angefallen sind. Das widerspricht nämlich dem Grundsatz, dass ein Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon zu leisten ist, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. BGH a.a.O.).
Schließlich ist nicht nachvollziehbar, warum das Freilegen der Frontstoßstange (102,- €) durch das Sachverständigenhonorar abgegolten sein soll und warum die Kosten für die Kontrolle von Scheibenrad und Wasserkühler um 13,34 € zu mindern sein sollen, wie die Beklagte im klageerwidernden Schriftsatz ohne nähere Angabe von Gründen meint.
Die Kosten für das Nachtragsgutachten des Sachverständigen pp. in Höhe von 163,33 € sind als notwendige Kosten der Schadensermittlung ebenfalls zu ersetzen, nachdem die Beklagte Einwendungen erhoben hatte, mit denen sich der Sachverständige auseinander zu setzen hatte.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Wegen des Schmerzensgeldanspruchs ist die Klage abzuweisen.
Der Kläger zu 2) kann kein Schmerzensgeld beanspruchen. Es mag sein, dass bei der Erstuntersuchung durch den behandelnden Arzt Dr. pp. am 23.01.2006 eine HWS- Distorsion festgestellt wurde. Es steht jedoch nicht fest, dass diese durch das Unfallereignis vom 15.01.2006 verursacht wurde. Es fehlt klägerseits bereits gänzlich an Angaben zum Hergang des Verkehrsunfalls. Eine erstmalige Vorstellung beim Arzt erfolgte zudem erst 8 Tage nach dem Verkehrsunfall. Schließlich ist dem Gericht aus einer Vielzahl von Sachverständigengutachten bekannt, dass selbst bei zeitlich unmittelbar nach einem Verkehrsunfall festgestellten HWS- Distorsionen nicht unbedingt eine Ursächlichkeit festzustellen ist, da die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung oftmals derart geringfügig ist, dass eine HWS-Distorsion nicht plausibel ist und da die Feststellung einer HWS- Distorsion zumeist lediglich auf den Angaben des Geschädigten beruht.
Die Entscheidung über die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf § 249 BGB. Diese wurden zwar nach einem Streitwert berechnet, der den – abgewiesenen -Schmerzensgeldanspruch des Klägers zu 2) einschließt, jedoch hatte dies keinen Gebührensprung zur Folge. Indes steht nur der Klägerin zu 1) ein Erstattungsanspruch zu, mangels eines Schadensersatzanspruches jedoch nicht dem Kläger zu 2).
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der nichtnachgelassene Schriftsatz der Kläger gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Er verdeutlicht lediglich, in welcher konkreten Höhe die Beklagte Abzüge vorgenommen hat und konkretisiert damit nur den klageerwidernden Schriftsatz der Beklagten. Auch im Hinblick auf das Schmerzensgeld war eine Wiedereröffnung nicht veranlasst.
Streitwert:
bis 12.12.06: 2.322 43
danach: bis 1.500,- €