Amtsgericht Brühl, Urteil vom 07.04.2008 – 28 C 447/07
Kein Widerruf von ebay-Bewertungen, wenn diese nicht unsachlich sind
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger, 5,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit dem 21. Juni 2007 zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Beklagte ist auf der Ebayauktionsplattform unter der Bezeichnung ##-com als gewerblicher Anbieter und sogenannter Powerseller von Elektronikware tätig. Der Kläger erwarb bei ihm am 2. April 2007 eine TV-Out Kabelpeitsche 7 pol zu SVHS + RGB zum Preis von 5,– Euro zuzüglich Versandkosten in Höhe von 3,90 Euro. Am 7. April 2007 erhielt der Kläger die Ware, woraufhin er beim Beklagten rügte, daß der blaue Stecker für den Komponentenausgang nicht kontaktiere. Mit Email vom 10. April 2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dieser solle entweder von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen oder aber zur Prüfung einer Gewährleistung die Ware zurücksenden. Der Kläger sandte die Ware zurück, wofür er Kosten von 1,45 Euro aufwendete. Mit Email vom 21. April 2007 forderte er den Beklagten auf, ihm bis zum 26. April 2007 einen Austauschadapter zu übermitteln. Mit Email vom 23. April 2007 fragte der Beklagte nach der Bankverbindung des Klägers und teilte mit, daß eine Überweisung nach Bestätigung der Auflösung der eBay-Auktion erfolgen werden. Mit Email vom gleichen Tag bestand der Kläger auf der Ersatzlieferung. Der Beklagte antwortete ebenfalls noch am 23. April 2007: „Kabel-Peitsche geprüft. 100 % funktionstüchtig, daher Widerruf. Bitte gehen Sie entsprechend der vorherigen Email vor“. Wiederum noch am gleichen Tag verlangte der Kläger erneut eine neue Kabelpeitsche. In der Folge zahlte der Beklagte den Kaufpreis von 5,– Euro zurück. Am 25. April 2007 gab der Kläger über den Beklagten folgende Bewertung bei eBay ab: “ Gewährleistung wird ohne Einwilligung wie Widerruf behandelt ?! (Wert < 40 E)“. Diese ursprünglich mit einem neutralen Bewertungssymbol versehene Bewertung ergänzte er am gleichen Abend um den Zusatz: „muß natürlich negativ heißen“. Mit Email vom 26. April 2007 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten auf, die Versandkosten von 3,90 Euro und die Kosten der Rücksendung von 1,45 Euro zu erstatten, und zwar bis zum 8. Mai 2007. Dieser Bewertung des Klägers fügte der Beklagte am 27. April 2007 folgende Antwort hinzu: „Kabel 100 % intakt. Er WILL einfach nicht verstehen. Solche KD brauchen wir nicht“. Nahezu zeitgleich gab er über den Kläger folgende Bewertung ab: „Kabel 100 % ok. Legt Gewährlstg/FernAbsG aus, wie er’s braucht. Traktiert m.mail“. Der Kläger fügte dieser Bewertung den Zusatz hinzu: „Es wurde von mir kein Widerruf ausgesprochen! Rücksendung verweigert -> Rücktritt!“. In der Folge verlangte der Kläger vom Beklagten den Widerruf der abgegebenen Bewertungen.
Der Kläger behauptet, die Behauptung des Beklagten, die Kabelpeitsche sei 100%ig in Ordnung, sei falsch.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. wie erkannt;
2. die im Ebay-Bewertungsprofil unter ##-com am 25. Juli 2007 vorgenommene Bewertung „Kabel 100 % intakt. Er WILL einfach nicht verstehen. Solche KD brauchen wir nicht“ sowie die Bewertung vom 27. April 2007 „Kabel 100 % ok. Legt Gewährlstg/FernAbsG aus, wie er’s braucht. Traktiert m.mail“ zu widerrufen und zu löschen;
3. künftig die im Ebay-Bewertungsprofil unter ##-com am 25. Juli 2007 vorgenommene Bewertung „Kabel 100 % intakt. Er WILL einfach nicht verstehen. Solche KD brauchen wir nicht“ sowie die Bewertung vom 27. April 2007 „Kabel 100 % ok. Legt Gewährlstg/FernAbsG aus, wie er’s braucht. Traktiert m.mail“ zu unterlassen;
4. dem Beklagten für jeden Verstoß gegen die Verpflichtung aus Ziffer 3) ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 5.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft anzudrohen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die gelieferte Kabelpeitsche sei mängelfrei gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht Brühl ist örtlich zuständig. Soweit es um den Widerrufs- bzw. Unterlassungsanspruch geht, besteht die Zuständigkeit nach § 32 ZPO. Denn der klägerische Anspruch könnte sich u.a. aus unerlaubter Handlung ergeben. Der Erfolg beispielsweise einer Beleidigung oder Verleumdung wäre aber – wenn sie denn vorläge – im hiesigen Bezirk eingetreten, da der Kläger hier seinen Wohnsitz hat. Soweit es um den Zahlungsanspruch geht, hat der Beklagte sich auf den Hinweis in der mündlichen Verhandlung rügelos eingelassen.
Die Klage ist aber überwiegend unbegründet.
Der Kläger hat lediglich Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der ihm entstandenen Versendungskosten von 3,90 Euro sowie 1,45 Euro nach §§ 347 Nr. 3, 284 BGB. Der Kaufvertrag hatte infolge des vom Kläger erklärten Rücktritts sein Ende gefunden. Das Rücktrittsrecht des Klägers bestand nach §§ 347 Nr. 3, 323 Abs. 1 BGB, da der Kläger dem Beklagten erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hatte. Das Recht auf Nacherfüllung seitens des Klägers war gegeben, da davon ausgegangen werden muß, daß die gelieferte Sache mangelhaft war. Die Beweislast diesbezüglich liegt im vorliegenden Fall beim Beklagten. Denn er als Verkäufer hat zu beweisen, daß bis zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Kaufsache frei von Mängeln war. Gefahrübergang war vorliegend die Ablieferung des Pakets beim Kläger. Die Ausnahmevorschrift über den Versendungskauf, § 447 BGB, findet hier nach § 474 Abs. 2 BGB keine Anwendung. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelte es sich hier, da der Kläger Verbraucher im Sinne des § 13 BGB war, der Beklagte Unternehmer. Der Beklagte hat für seine Behauptung, die Kabelpeitsche sei im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mängelfrei gewesen, keinen geeigneten Beweis angeboten. Zwar hat er ein Sachverständigengutachten angeboten. Nachdem aber der Kläger in Abrede gestellt hat, daß der dem Sachverständigen vorzulegende Gegenstand auch der Kaufgegenstand sei, hätte der Beklagte näher darlegen und unter Beweis stellen müssen, daß dies sehr wohl der Fall sein würde, was er indes nicht getan hat. Infolge der Mangelhaftigkeit hatte der Kläger zunächst Anspruch auf die begehrte Nacherfüllung, nach erfolgloser Fristsetzung ein Recht zum Rücktritt. Die Versandkosten sind nach § 284 BGB zu erstatten, da der Kläger sie im Vertrauen auf den Erhalt einer mängelfreien Kaufsache gemacht hatte und auch machen durfte.
Der Verzinsungsanspruch ergibt sich aus Verzug.
Die weitergehende Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Widerruf der abgegebenen Erklärungen. Widerruf könnte lediglich hinsichtlich der Behauptung „Kabel 100 % ok“ verlangt werden, da nur dieser Teil der Erklärung eine Tatsachenbehauptung beinhaltet. Die übrigen Erklärungen sind lediglich Werturteile, bezüglich derer generell kein Anspruch auf Widerruf besteht. Die Äußerung „Legt Gewährlstg/FernAbsG aus, wie er’s braucht“ stellt keine Tatsachenbehauptung dar. Die Frage, wie jemand ein Gesetz auslegt oder auszulegen hat, kann nicht mit einer einzigen zutreffenden Antwort – d.h. im einschlägigen Sinn wahrheitsgemäß – beantwortet werden; vielmehr richtet sich die Antwort nach der Ansicht desjenigen, der insoweit die Entscheidung zu treffen hat. Die Äußerung „Traktiert m.mail“ ist ebenfalls keine Tatsachenbehauptung, da die Formulierung „traktieren“ bereits ein Werturteil darstellt, wobei der Beklagte sich möglicherweise schon von zehn Emails traktiert fühlt, wohingegen eine andere Person dies auch nach zwanzig Emails noch nicht so empfinden würde. Die Äußerung „Er WILL einfach nicht verstehen“ ist ebenfalls ein Werturteil. Denn es liegt in der Natur der Sache, daß der Beklagte letztlich nicht mit hinreichender Sicherheit wissen kann, ob der Kläger nicht verstehen will oder nicht verstehen kann. Die Formulierung „Solche Kunden brauchen wir nicht“ könnte man zwar als Tatsachenbehauptung einordnen, da objektiv festgestellt werden könnte, ob und welche Kunden der Beklagte benötigt. In der Weise, wie der Beklagte die Äußerung aber verstanden haben will und wie der Kläger sie auch verstanden hat, stellt sie lediglich ein Werturteil dar.
Auch aus der vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien in Verbindung mit den von eBay aufgestellten Kriterien über die Bewertung ergibt sich ein Widerrufsanspruch hinsichtlich dieser Werturteile nicht. Unabhängig davon, ob sich grundsätzlich hieraus ein solcher Anspruch ergeben könnte, liegt er hier schon deshalb nicht vor, weil ein Verstoß gegen die eBay-Kriterien nicht gegeben ist. Ob eine Bewertung unzutreffend ist, ist im Falle der Abgabe von Werturteilen letztlich wiederum eine Frage der Bewertung. Die vom Beklagten abgegebenen Werturteile sind insgesamt gesehen nicht unsachlich und damit unzulässig. Vielmehr ist die Grenze zur Unsachlichkeit erst dann als überschritten anzusehen, wenn bewusste Fehlurteile oder Verzerrungen vorgenommen werden oder abschließende Bewertung als sachlich nicht mehr vertretbar, d.h. indiskutabel erscheint. Hiervon waren aber die Äußerungen des Beklagten weit entfernt. Würde man dies anders sehen, würde die Bewertungsmöglichkeit bei eBay auch gar keinen Sinn mehr machen. Allein schon die Möglichkeit der „Bewertung“ lässt den Schluß zu, daß hier die persönliche Meinung gefragt ist, nicht die eines „objektiven Dritten“.
Aber auch hinsichtlich der Tatsachenbehauptung „Kabel 100 % ok“ hat der Kläger keinen Widerrufsanspruch. Denn er hat für seine Behauptung, diese Erklärung des Beklagten sei unwahr, keinen Beweis angeboten. Im Gegensatz zur Beweislastverteilung bei Streitigkeiten über die mit dem Klageantrag zu 1) verfolgte Kostenerstattung, d.h. über Ansprüche aus dem Kaufvertrag als solchem, liegt die Beweislast im Falle der Geltendmachung eines Widerrufsanspruchs beim Anspruchsteller, dem Kläger. Er muß die Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich die Unwahrheit der angegriffenen Behauptung ergibt.
Auch einen Unterlassungsanspruch hat der Kläger nicht. Zum einen steht diesem Anspruch entgegen, daß der Beklagte im Falle einer Verurteilung nie mehr die getätigten Äußerungen wiederholen dürfte, selbst wenn sie im Falle eines erneuten Vertragsschlusses zwischen den Parteien zutreffen würden. Zum anderen ist für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs das Bestehen einer Wiederholungsgefahr Voraussetzung, die aber nicht gegeben ist. Der Beklagte hat durch sein Verhalten letztlich einmalig auf die vom Kläger abgegebene Bewertung reagiert; obwohl es sich um zwei Erklärungen handelte, sind diese im engen zeitlichen Zusammenhang und damit als eine einzige Reaktion zu sehen. Seitdem ist nahezu ein Jahr vergangen, ohne daß der Beklagte sich erneut gerührt hat. All dies bietet eine hinreichend sichere Gewähr dafür, daß in Zukunft keine Äußerungen der streitgegenständlichen Art mehr zu erwarten sind.
Mangels Unterlassungsanspruchs entfällt auch das Erfordernis der verlangten Androhung von Ordnungsmitteln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.