AG Bad Segeberg, Urteil vom 29.12.2011 – 17 C 294/10
1. Ist bei einem Versicherungsvertrag, der vor dem 1. Januar 2008 geschlossen worden ist, der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 2008 eingetreten, ist der zeitliche Anwendungsbereich des § 215 Abs. 1 VVG unabhängig davon eröffnet, ob Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG zur Anwendung kommen oder nicht.
2. Sehen die Versicherungsbedingungen für den Fall einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers vor, dass bei einer grob fahrlässig begangenen Obliegenheitsverletzung nur bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Vorschrift die Leistungspflicht des Versicherers bestehen bleibt und im Übrigen vollständig entfällt, sind die Versicherungsbedingungen insoweit wegen Verstoßes gegen den wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam; macht der Versicherer von der ihm in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumten Möglichkeit zur Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen keinen Gebrauch, bleibt es bei der sich aus dem Gesetz ergebenden Unwirksamkeit (Anschluss an BGH, Urt. v. 12. Oktober 2011, IV ZR 199/10).
3. Wird in den Versicherungsbedingungen der Unfall dahingehend definiert, dass ein solcher vorliegt, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet und sehen die Versicherungsbedingungen in einer gesonderten Regelung weiter vor, dass der Versicherungsschutz für Blutungen aus inneren Organen und Gehirnblutungen ausgeschlossen ist, sofern nicht ein unter den Vertrag fallendes Unfallereignis die überwiegende Ursache ist, handelt es sich hierbei insgesamt um eine objektive primäre Risikobeschreibung und nicht um einen Risikoausschluss bzw. eine verhüllte Obliegenheit, für welche der Versicherer beweispflichtig wäre.
4. Macht ein Bezugsberechtigter Ansprüche aus einer Unfallversicherung geltend, hat er einen Sachverhalt zu beweisen, der seinem äußeren Erscheinungsbild nach den Schluss auf das Vorliegen eines Unfalls i.S. der Versicherungsbedingungen zulässt; der Versicherungsnehmer ist beweispflichtig dafür, dass es zu einem Unfalltod gekommen ist. Steht fest, dass infolge eines Sturzes eine zum Tode führende Verletzung eingetreten ist, muss der Versicherungsnehmer nicht auch die Einzelheiten des Unfallherganges und deren Ursachen beweisen, vielmehr ist insoweit der Versicherer beweispflichtig, wenn er sich auf die Ursächlichkeit eines nicht versicherten Umstandes beruft. Ist dagegen streitig, ob sich der Versicherungsnehmer infolge eines Sturzes eine zum Tode führende Kopfverletzung zugezogen hat, ist der Versicherungsnehmer bzw. der Bezugsberechtigte beweisbelastet hierfür.
5. Kommen mehrere Ursachen für eine Hirnblutung in Betracht, streitet zugunsten des Versicherungsnehmers bzw. des Bezugsberechtigten kein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Tod infolge von sturzbedingten Verletzungen eingetreten ist.
(Leitsätze des Gerichts)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung aus einer Unfallversicherung seiner verstorbenen Ehefrau.
2
Zwischen der Ehefrau des Klägers und der Beklagten bestand ein Vertrag über eine Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung. Die Todesfallsumme betrug 4.000,00 €, der Kläger wurde als Bezugsberechtigter eingesetzt. Gemäß Ziff. 1.3 der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen … AB UPR-K 2000 S / U 7203/03 liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Gemäß Ziff. 5.2.1 der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen … AB UPR-K 2000 S / U 7203/03 wurde der Versicherungsschutz für Blutungen aus inneren Organen und Gehirnblutungen ausgeschlossen; Versicherungsschutz bestand jedoch, sofern ein unter den Vertrag fallendes Unfallereignis die überwiegende Ursache ist. In Ziff. 8 der Versicherungsbedingungen wurden die Folgen einer Verletzung von Obliegenheiten geregelt. Wegen der weiteren Einzelheiten über den Inhalt des Versicherungsvertrages wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Anlage B 1, Bl. 32-44 d.A.).
3
Mit Schreiben vom 27.10.2008 teilte die Beklagte der Ehefrau des Klägers Veränderungen des Versicherungsvertrages im Hinblick auf die Änderung des VVG mit Wirkung ab dem 01.01.2009 mit. Wegen der Einzelheiten über den Inhalt des Schreibens vom 27.10.2008 wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 1, Bl. 5-9 d.A.).
4
Am 02.11.2009 stürzte die Ehefrau des Klägers im Badezimmer ihrer Wohnung und verstarb am 07.11.2009.
5
Am 20.11.2009 übersandte der Kläger der Beklagten eine Schadenmeldung. In dieser kreuzte er den vorformulierten Passus „Krankheiten (auch frühere)/Gebrechen/frühere Unfälle Wenn ja, welche und wann?“ mit „nein“ an. Wegen der weiteren Einzelheiten über den Inhalt der Schadenmeldung wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Anlage K 3, Bl. 12 d.A.).
6
Der Kläger behauptet, dass seine Ehefrau durch den Sturz Kopfverletzungen erlitten und infolge dieser Verletzungen verstorben sei.
7
Er beantragt,
8
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 18.07.2010 sowie weitere 402,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9
Die Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Sie trägt vor, dass der Tod der Ehefrau des Klägers nicht durch den Sturz, sondern aufgrund einer spontan eingetretenen Hirnmassenblutung verursacht worden sei. Darüber hinaus beruft sie sich auf eine Leistungsfreiheit wegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung, weil der Kläger unrichtige Angaben zu Vorerkrankungen seiner Ehefrau gemacht habe.
12
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. … vom 20.09.2011 (Bl. 94-103 d.A.).
Entscheidungsgründe
I.
13
Die Klage ist zulässig (unten 1.), jedoch unbegründet (unten 2.).
1.
14
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Gericht gemäß § 215 Abs. 1 VVG örtlich zuständig. Allerdings ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmung des § 215 Abs. 1 VVG auf Versicherungsverträge, die vor dem 01.01.2008 entstanden sind, Anwendung findet.
15
Teilweise wird für Klagen, die ab dem 01.01.2008 erhoben wurden, eine uneingeschränkte Anwendung des § 215 Abs. 1 VVG gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631) befürwortet, weil sich die Übergangsbestimmung des Art. 1 EGVVG nicht auch auf solche Bestimmungen beziehe, die das Prozessrechtsverhältnis ausgestalteten (so OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.09.2008 – 5 W 220/08, NJW 2008, 3579 f.; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21.04.2009 – 3 W 20/09, RuS 2010, 140 f.; LG Hechingen, Urt. v. 15.12.2008 – 1 O 240/08, VersR 2009, 665 f.; AG Bad Segeberg, Urt. v. 28.04.2011 – 17 C 99/09, NJW-RR 2011, 1538; Schneider, VersR 2008, 859, 861; Fricke, VersR 2009, 15, 19).
16
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG ab dem 01.01.2009 die Bestimmung des § 215 Abs. 1 VVG auf sämtliche Versicherungsverhältnisse Anwendung finde und zwar auch dann, wenn der Versicherungsfall vor dem 01.01.2009 eingetreten ist, weil Art. 1 Abs. 2 EGVVG sich lediglich auf „Versicherungsfälle“ und damit auf die materiell-rechtliche Beurteilung und nicht auf die Zuständigkeitsbestimmung des § 215 Abs. 1 VVG beziehe (so OLG Dresden, Beschl. v. 10.11.2009 – 3 AR 81/09, VersR 2010, 1065 ff.; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.03.2009 – 9 W 23/09, NJW-RR 2009, 966 f.; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, VVG, § 215 Rn. 8; Wagner, VersR 2009, 1589, 1591 f.).
17
Andere vertreten die Auffassung, die Übergangsvorschriften des Art. 1 EGVVG seien ohne Einschränkungen auf sämtliche Bestimmungen des VVG, also auch § 215 Abs. 1 VVG, anzuwenden, weshalb bei Altverträgen gemäß Art. 1 Abs. 2 EGVVG das bis zum 31.12.2007 geltende VVG anzuwenden ist, wenn der Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist (so OLG Braunschweig, Beschl. v. 05.10.2011 – 3 W 43/11; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.06.2008 – 7 AR 5/08, RuS 2009, 102; OLG Hamm, Beschl. v. 08.05.2009 – 20 W 4/09; OLG Hamm, Beschl. v. 20.05.2009 – 20 U 110/08; MDR 2009, 1391 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 08.04.2011 – 20 W 8/11, NJW-RR 2011, 1405 f.; OLG Nürnberg, Beschl. v. 02.03.2010 – 8 W 353/10, NJW-RR 2010, 1186 f.; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.09.2010 – 1 W 39/10, NJW-RR 2011, 388 f.; OLG Naumburg, Beschl. v. 15.10.2009 – 4 W 35/09, VersR 2010, 374 f.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.06.2010 – 4 U 162/09, VersR 2010, 1354 ff.; LG Bückeburg, Beschl. v. 24.06.2009 – 2 O 59/09, ZfS 2009, 510; LG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2010 – 332 O 213/10, VersR 2011, 514; Schwintowski/Brömmelmeyer/Klär, PK-VVG, § 215 Rn. 16; Abel/Winkens, RuS 2009, 102, 104 f.; Bauer/Rajkowski, VersR 2010, 1559).
18
Vorliegend kann dahinstehen, welcher der oben genannten Auffassungen zu folgen ist. Nach der ersten Ansicht ist § 215 Abs. 1 VVG in jedem Fall seit dem 01.01.2008 anzuwenden. Nach der zweiten Auffassung war das Gericht unabhängig vom Zeitpunkt des Versicherungsfalls unter Anwendung von Art. 1 Abs. 1 EGVVG für die nach dem 01.01.2009 erhobene Klage aus dem „Altvertrag“ gemäß § 215 Abs. 1 VVG örtlich zuständig. Nach der dritten Auffassung ist § 215 Abs. 1 VVV auf den vorliegenden „Altvertrag“ gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG anzuwenden, weil der Versicherungsfall nach dem 31.12.2008 eingetreten ist und daher die Ausnahmeregelung des Art. 1 Abs. 2 EGVVG nicht greift (vgl. zum insoweit unstreitigen Anwendungsbereich des § 215 Abs. 1 VVG Wagner, VersR 2009, 1589, 1590; Abel/Winkens, RuS 2009, 102, 103).
2.
19
Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem zwischen seiner Ehefrau und der Beklagten zustande gekommenen Versicherungsvertrag ein Zahlungsanspruch nicht zu.
a.
20
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt dies allerdings nicht aus einer Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung gemäß Ziff. 8 i.V. mit Ziff. 7.2 der Versicherungsbedingungen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger – wofür er beweisbelastet ist – ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit in der Schadenmeldung vom 20.11.2009 unrichtige Angaben zu (Vor-)Erkrankungen seiner Ehefrau gemacht hat. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, führt dies nicht zur Leistungsfreiheit gemäß der Ziff. 8 der Versicherungsbedingungen.
21
Da der Versicherungsfall nach dem 31.12.2008 eingetreten ist, findet gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG das Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631) Anwendung. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG bestimmt, dass der Versicherer im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit nur berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Von dieser Regelung weicht das Sanktionensystem in Ziff. 8 i.V. mit Ziff. 7.2 der Versicherungsbedingungen entgegen § 32 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab. Denn die Ziff. 8 der Versicherungsbedingungen nimmt ersichtlich Bezug auf die Leistungsfreiheit in § 6 Abs. 3 VVG a.F., wonach bei einer grob fahrlässig begangenen Obliegenheitsverletzung nur bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Vorschrift die Leistungspflicht des Versicherers bestehen bleibt und im Übrigen vollständig entfällt. Da Ziff. 8 der Versicherungsbedingungen mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG nicht vereinbar ist, ist die Regelung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die durch diese Unwirksamkeit der Regelung entstandene Vertragslücke kann nicht geschlossen werden. Wenn der Versicherer von der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumten Möglichkeit zur Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen keinen Gebrauch macht, bleibt es bei der sich aus dem Gesetz ergebenden Unwirksamkeit (zutreffend zum Ganzen BGH, Urt. v. 12.10.2011 – IV ZR 199/10).
22
Vorliegend hat die Beklagte ihre Versicherungsbedingungen nicht, auch nicht durch das Schreiben vom 27.10.2008 angepasst, denn dieses bezog sich ausschließlich auf die Veränderungen der Regelung zur Überschussbeteiligung und nicht auf die Regelung in den Versicherungsbedingungen über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung. Auch im Prozess hat sich die Beklagte auf diese Allgemeinen Bedingungen berufen und nicht etwa vorgetragen, von Art. 1 Abs. 3 EGVVG Gebrauch gemacht zu haben.
b.
23
Dem Kläger steht jedoch kein Zahlungsanspruch zu, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Sturz der Ehefrau des Klägers vom 02.11.2009 nicht um ein Unfallereignis nach Ziff. 1.3 der Versicherungsbedingungen handelt.
24
Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser beweisbelastet dafür, dass ein vom Versicherungsschutz umfasstes Unfallereignis vorgelegen hat. Bei der Regelung in Ziff. 5.2.1 der Versicherungsbedingungen handelt es sich um eine objektive primäre Risikobeschreibung (gleichbedeutend mit Risikobegrenzung) und nicht um einen Risikoausschluss bzw. um eine verhüllte Obliegenheit, für welche die Beklagte beweispflichtig wäre (vgl. hierzu OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.07.2006 – 5 U 610/05, VersR 2007, 238, juris Rn. 25). Bei der Unterscheidung zwischen einer Obliegenheit bzw. einem Risikoausschluss und einer Risikobegrenzung kommt es nicht entscheidend auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungsklausel an. Maßgebend ist vielmehr der materielle Inhalt der einzelnen Klausel. Es kommt darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das (allein) der Versicherer Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes vorbeugendes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert. Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobegrenzung (vgl. BGH, Urt. v. 31.01.1990 – IV ZR 227/88, NJW-RR 1990, 465 f.). So liegt der Fall hier. Wie sich aus Ziff. 1.3 ergibt, liegt ein Unfall im Sinne des Versicherungsvertrages vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Ein Sturz infolge einer Hirnmassenblutung stellt schon unter Zugrundelegung dieser Definition in Ermangelung eines von „außen“ einwirkenden Ereignisses ein versichertes Ereignis dar. Einen eigenständigen Regelungehalt weist die Ziff. 5.2.1 der Versicherungsbedingungen lediglich insoweit auf, als ein Versicherungsschutz auch bei Fehlen eines von außen einwirkenden Ereignisses besteht, sofern ein unter die Ziff. 1.3 der Versicherungsbedingungen fallendes Ereignis die überwiegende Ursache ist. Die Klausel fordert auch insoweit allerdings kein bestimmtes vorbeugendes Verhalten des Versicherungsnehmers, sondern definiert und beschreibt ersichtlich das von dem Versicherer zu übernehmende Wagnis.
25
Soweit das Oberlandesgericht Nürnberg die Auffassung vertritt, dass der Versicherer die Beweislast für das Vorliegen einer Geistes- oder Bewusstseinsstörung als „Ausschlusstatbestand“ trägt (so OLG Nürnberg, Urt. v. 19.05.2011 – 8 U 1906/10, juris Rn. 22), kann dem nicht gefolgt werden. Nach dem Gesagten ist für die Unterscheidung zwischen einer Risikobegrenzung und einem Risikoausschluss weder der Wortlaut noch die Stellung der Versicherungsklausel maßgeblich. Wenn – wie vorliegend – eine als „Ausschluss“ formulierte Versicherungsbedingung sachlich eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, handelt es sich um eine Risikobegrenzung, weshalb der Versicherungsnehmer insoweit beweisbelastet bleibt.
26
Eine andere und von dem Oberlandesgericht Nürnberg in der vorgenannten Entscheidung nicht hinreichend differenziert beurteilte Frage ist, welche Umstände der Versicherungsnehmer beweisen muss, um den Eintritt eines Versicherungsfalls nachzuweisen (deutlich OLG Stuttgart, Urt. v. 27.07.2006 – 7 U 208/05, VersR 2007, 1363 ff., juris Rn. 25; OLG Köln, Urt. v. 05.10.1989, 5 U 14/89, RuS 1989, 415 f.). In diesem Zusammenhang weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass der Versicherungsnehmer nicht umfassend beweisbelastet für den Eintritt des Versicherungsfalles ist. Es ist allgemein anerkannt, dass es ausreicht, wenn der Versicherungsnehmer einen Sachverhalt darlegt und erforderlichenfalls beweist, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles zulässt. Der Versicherungsnehmer hat also lediglich den Vollbeweis hinsichtlich eines Sachverhaltes zu erbringen, der seinem äußeren Erscheinungsbild nach den Schluss auf den Eintritt eines versicherten Ereignisses zulässt. Beweist der Versicherungsnehmer einen solchen Sachverhalt, ist es an dem Versicherer, Tatsachen vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Versicherungsfall von dem Versicherungsnehmer lediglich vorgetäuscht worden oder aufgrund anderer Ursachen eingetreten ist (s. zum Ganzen BGH, Urt. v. 17.05.1995 – IV ZR 279/94, BGHZ 130, 1, 3; BGH, Urt. v. 20.12.2006 – IV ZR 233/05, NJW-RR 2007, 466 f.; OLG Celle, Urt. v. 23.09.2004 – 8 U 128/03, VersR 2005, 640; LG Köln, Urt. v. 23.02.2005 – 20 O 534/04, SP 2005, 391). Für den Fall der Unfallversicherung ist daher ausreichend aber auch erforderlich, dass der Versicherungsnehmer einen Sachverhalt beweist, der seinem äußeren Erscheinungsbild nach den Schluss auf das Vorliegen eines Unfalls i.S. der Ziff. 1.3 der Versicherungsbedingungen zulässt. So genügt der Versicherungsnehmer seiner Beweislast, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass der Versicherungsnehmer etwa durch ein Ertrinken verstorben ist. Beruft sich in diesem Fall der Versicherer darauf, dass das Ertrinken durch eine nicht versicherte innere Ursache herbeigeführt worden ist, trägt er nach dem oben Gesagten die Beweislast hierfür (in diesem Sinne zutreffend OLG Nürnberg, Urt. v. 19.05.2011 – 8 U 1906/10, juris Rn. 21 ff.).
27
Für den vorliegenden Fall folgt hieraus, dass der Kläger beweisen muss, dass seine Ehefrau sich durch den Sturz eine zum Tode führende Kopfverletzung zugezogen hat bzw. eine durch den Sturz verursachte Kopfverletzung die überwiegende Ursache für das Versterben gewesen ist, denn nur dann hat der Kläger den ihm obliegenden Beweis für das Vorliegen eines Unfalltodes geführt (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.1977 – IV ZR 128/75, VersR 1977, 736 f., juris Rn. 10; OLG Köln, Urt. v. 05.10.1989, 5 U 14/89, RuS 1989, 415 f.; OLG Hamm, Urt. v. 05.06.2002 – 20 U 217/01, juris Rn. 9 f.; LG Aachen, Urt. v. 30.06.2006 – 9 O 134/06, RuS 2006, 429, juris Rn. 16 f.; LG Flensburg, Urt. v. 08.04.2005 – 4 O 452/04, juris Rn. 18 ff.). Steht fest, dass infolge eines Sturzes eine zum Tode führende Verletzung eingetreten ist, muss der Versicherungsnehmer nicht auch die Einzelheiten des Unfallherganges und deren Ursachen beweisen, vielmehr ist insoweit der Versicherer beweispflichtig, wenn er sich auf die Ursächlichkeit eines nicht versicherten Umstandes beruft (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.03.2010 – 5 U 144/09, VersR 2011, 659 ff., juris Rn. 37 f.; OLG Köln, Urt. v. 05.10.1989, 5 U 14/89, RuS 1989, 415 f.). Vorliegend hat die Beklagte jedoch bestritten, dass die Ehefrau des Klägers sich durch den Sturz eine Kopfverletzung zugezogen hat, die dann die (überwiegende) Ursache für das Versterben gewesen ist. Vielmehr hat die Beklagte vorgetragen, die Ehefrau des Beklagten sei aufgrund einer spontan eingetretenen Hirnmassenblutung verstorben.
28
Den ihm obliegenden Beweis hat der Kläger nicht zu führen vermocht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht gemäß § 286 ZPO zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine infolge eines Sturzes erlittene Kopfverletzung (überwiegend) ursächlich für den Tod seiner Ehefrau gewesen ist. Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen …, der seiner Begutachtung sämtliche zur Verfügung stehenden Krankenunterlagen und Befunde zugrunde gelegt hat, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass primär eine Spontanblutung vorgelegen hat, die dann zum Bewusstseinsverlust und zum Sturz geführt hat und nicht primär ein unfallursächlicher Sturz für die Blutung verantwortlich war. Der Sachverständige ist zu seinem Ergebnis durch eine in sich schlüssige, widerspruchsfreie und auch für den Laien nachvollziehbare Auswertung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen gelangt. Der Sachverständige hat zunächst die Risikofaktoren dargelegt, die für das Auftreten eines nicht-traumatischen (also spontanen, interzerebralen) Hämatoms wesentlich sind. Weiter hat der Sachverständige dargelegt, welche Verletzungen typischerweise bei traumatischen interzerebralen Blutungen auftreten, also etwa auch bei Verletzungen infolge eines Sturzes. Sodann hat der Sachverständige unter Auswertung des CCT vom 02.11.2009 dargelegt, dass sich bei der Ehefrau des Klägers keine Traumafolgen extrakraniell, keine Schädelfrakturen, keine multiplen Hämatome und keine kortikalen Einblutungen gezeigt hätten, was gegen eine primäre massive Gewalteinwirkung auf den Schädel spreche. Einer derart starken Blutung um Ventrikelbereich hätte nach den Ausführungen des Sachverständigen jedoch eine massive Gewalteinwirkung auf den Schädel vorausgehen müssen. Das von dem Sachverständigen begutachtete CCT vom 02.11.2009 ist nach seinen Ausführungen eher typisch für eine primäre, möglicherweise hypertensiv bedingte Stammganglienblutung mit Ventrikeleinbruch. Hierfür sprächen die Lokalisation sowie die fehlenden extra- und intrakraniellen Begleitverletzungen. Der Sachverständige hat dann aus dem Umstand, dass die Ehefrau des Klägers eine Reihe von wesentlichen Risikofaktoren für eine spontane Hirnblutung aufwies (langjähriger Hypertonus, langjähriger Alkoholabusus mit einer hepatogen bedingten Gerinnungsstörung, deutlich erhöhter BMI), dass eine derart massive Blutung einen „ungebremsten“ Sturz auf den Boden, den Badewannenrand oder eine Türzarge erfordert hätte, ein „schwerer“ Sturz im CCT mehrere extra- und intrakranielle Verletzungen hätte sichtbar machen müssen und die bei der Ehefrau des Klägers festgestellte Prellmarke links okzipital nicht auf einen primären Sturz mit konsekutiver Blutung schließen lasse, nachvollziehbar die Schlussfolgerung gezogen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass primär eine Spontanblutung vorgelegen hat, die dann zum Bewusstseinsverlust und zum Sturz geführt haben und nicht primär ein unfallursächlicher Sturz für die Blutung verantwortlich gewesen ist.
29
Im Hinblick darauf, dass – insbesondere aufgrund der Vorerkrankungen der Ehefrau des Klägers – mehrere Ursachen für eine Hirnblutung in Betracht kommen, streitet zugunsten des Klägers auch kein Beweis des ersten Anscheins (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 21.12.1990 – 7 U 148/90, juris Rn. 35, 43; LG Aachen, Urt. v. 30.06.2006 – 9 O 134/06, RuS 2006, 429, juris Rn. 18).
c.
30
Da dem Kläger nach dem Gesagten ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht zusteht, kann der Kläger auch die auf die Hauptforderung geltend gemachten Zinsen nicht verlangen, die Klage war auch insoweit abzuweisen. Ebenso war die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 402,82 € nebst der hierauf geltend gemachten Zinsen unbegründet und abzuweisen.
II.
31
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
32
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.