LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 01.06.2012 – 2 O 289/10
Allein der Umstand, dass der Fahrer eines mit starrer Stange abgeschleppten Fahrzeuges erstmals ein abgeschlepptes Fahrzeug gelenkt und überhaupt einen entsprechenden Entschluss gefasst hat, begründet keinen Fahrlässigkeitsvorwurf, solange nicht erweislich ist, dass ihm aufgrund mangelnder Erfahrung oder Sorgfalt ein Lenk- oder Bremsfehler unterlaufen ist, der ursächlich für das Unfallgeschehen geworden ist. (Rn.15).
Tenor
Die Beklagten zu 1. und 3. werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 5.111,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2009 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 546,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt vorab die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser zu 55% und die Beklagten zu 1. und 3. zu 45%. Der Kläger hat ferner 32% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und 3. zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des für die Beklagten aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.
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Der Zeuge … befuhr am 01.08.2009 gegen 19.47 Uhr mit dem Motorrad Honda Varadero des Klägers, amtliches Kennzeichen …, die … Straße in … aus … kommend in Richtung Stadtmitte. Der Zeuge … war Sozius. An der Kreuzung … musste der Zeuge an einer auf Rot geschalteten Ampel halten. In der Gegenrichtung näherte sich der Beklagte zu 1. mit seinem Pkw Proton, amtliches Kennzeichen …, der den von der Beklagten zu 2. gesteuerten Pkw Mitsubishi Colt, amtliches Kennzeichen …, an einer Stange im Schlepp hatte. Halter beider bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversicherten Fahrzeuge ist der Beklagte zu 1. Beim Abbiegen des Schleppgespanns nach links in die … kollidierte der zuvor in den Kreuzungsbereich eingefahrene Zeuge … mit dem hinteren rechten Heckbereich des geschleppten Fahrzeugs. Dieses stieß in der Folge infolge des Anpralls des Motorrades auch noch gegen den schleppenden Pkw. Die Parteien streiten über die Ampelschaltung im Zeitpunkt der Kollision. Die Lichtzeichenanlage des Kreuzungsbereichs ist mit einem Räumpfeil für Linksabbieger von der … Straße in die … versehen.
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Das Motorrad des Klägers trug bei dem Unfallgeschehen einen wirtschaftlichen Totalschaden davon. Der Kläger fordert auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Schadensgutachtens einen Wiederbeschaffungswert von 9.075,00 € abzüglich eines Restwerts von 1.640,00 €, ferner 57,80 € Abschleppkosten, 11,20 € Stilllegungskosten sowie 25,00 € Unkostenpauschale.
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Er behauptet, die Ampel habe für beide Richtungen gleichzeitig auf Grün geschaltet. Sowohl der Zeuge …, dieser allerdings mit einer Verzögerung von etwa 2 Sekunden, als auch die Beklagten zu 1. und 2. mit ihrem Schleppgespann seien gleichzeitig angefahren. Das Gespann sei sodann unter Verletzung des Vorfahrtsrechts des Zeugen nach links abgebogen. Der Zeuge habe nicht erkennen können, dass es sich um ein Schleppgespann handele. Als dies erkennbar geworden sei, habe er trotz eines sofort eingeleiteten Bremsvorganges die Kollision nicht mehr vermeiden können.
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Der Kläger, der die Klage hinsichtlich eines zunächst geltend gemachten Anspruchs auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten für eine Deckungsschutzanfrage beim Rechtsschutzversicherer mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, beantragt zuletzt,
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die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 7.529,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2009 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 698,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2010 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behaupten, die Beklagten zu 1. und 2. seien bei auf Grün geschaltetem Räumpfeil abgebogen, was darauf schließen lasse, dass die für den Zeugen … maßgebliche Ampel zur selben Zeit auf Rot geschaltet gewesen sein müsse und diesem deshalb ein Rotlichtverstoß anzulasten sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis über den Hergang des Verkehrsunfalls erhoben durch Vernehmung der Zeugen …, ferner gem. Beweisbeschluss vom 28.01.2011 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07.01.2011 sowie auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 11.11.2011 Bezug genommen, das dieser in der mündlichen Verhandlung vom 02.05.2012 mündlich erläutert hat.
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Darüber hinaus sind die Verfahrensakten des Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahrens … beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist gegen die Beklagte zu 2. unbegründet, im Übrigen teilweise begründet.
I.
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1. Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage ist unabhängig vom Ergebnis der Abwägung der Mitverursachungsanteile der übrigen Unfallbeteiligten abzuweisen, weil ihre Ersatzpflicht durch § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG ausgeschlossen ist. Wie sich aus der Verkehrsunfallanzeige ergibt und im Übrigen auch zwischen den Parteien unstreitig ist, war der Beklagte zu 1. Halter beider Fahrzeuge des Schleppgespanns. Die Haftung der Beklagten zu 2. als bloße Fahrzeugführerin kann sich daher allein aus § 18 Abs. 1 StVG ergeben.
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Der Beklagten zu 2. liegt kein Verschulden zur Last. Sie befand sich am Steuer des abgeschleppten Fahrzeugs, das mit einer starren Stange mit dem vom Beklagten zu 1. gesteuerten Schleppfahrzeug verbunden war. Sie konnte damit zwar das Lenkrad betätigen, um der Fahrspur des Schleppfahrzeugs zu folgen, jedoch weder auf die Fahrtrichtung, noch auf die Entscheidung des Beklagten zu 1., mit dem Linksabbiegen zu beginnen, Einfluss nehmen. Auch ein isolierter Bremsvorgang der Beklagten zu 1. bei Gewahrwerden des bevorrechtigten Motorrades hätte die Kollision mit dem geschleppten Fahrzeug nicht mehr verhindern können, weil das Schleppgespann gleichwohl seine Fahrt fortgesetzt hätte. Unfallursächlich ist vielmehr allein das Verhalten des Beklagten zu 1 und des Zeugen …. Für die Beklagte zu 2. hingegen war das schädigende Ereignis unvermeidbar. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des OLG Schleswig (VersR 1992, 464) zu fahrlässigem Verhalten des Führers eines abgeschleppten Fahrzeugs lässt sich insoweit nicht heranziehen, weil anders als im Streitfall im dort zugrunde liegenden Lebenssachverhalt winterliche Straßenbedingungen herrschten und das Fahrzeug zudem mit einem Seil abgeschleppt worden ist. Allein der Umstand jedoch, dass die Beklagte erstmals ein abgeschlepptes Fahrzeug gelenkt und überhaupt einen entsprechenden Entschluss gefasst hat, gereicht ihr nicht zum Fahrlässigkeitsvorwurf, solange nicht erweislich ist, dass ihr aufgrund mangelnder Erfahrung oder Sorgfalt ein Lenk- oder Bremsfehler unterlaufen ist, der ursächlich für das Unfallgeschehen geworden ist.
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Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob das schädigende Ereignis überhaupt bei dem Betrieb des von der Beklagten zu 2. gelenkten Fahrzeugs eingetreten ist oder ob das abgeschleppte Fahrzeug jedenfalls im Verhältnis zum unfallbeteiligten Motorrad des Klägers mit dem abschleppenden Fahrzeug des Beklagten zu 1. eine Betriebseinheit bildet (vgl. hierzu OLG Hamm, NJW-RR 2011, 1666; Hentschel/König/Dauer, 41. Aufl., Rdn. 8 zu § 7 StVG m.w.N.).
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Aus den vorgenannten Gründen ist auch für einen deliktischen Schadensersatzanspruch kein Raum.
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2. Die gegen die Beklagten zu 1. und 3. gerichtete Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen diese gem. § 7 Abs. 1 StVG einen Schadensersatzanspruch in erkannter Höhe. Die gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmende Abwägung der Mitverursachungsbeiträge führt zu einer Haftungsquote von 30% zu 70% zu Lasten der Beklagten zu 1. und 3.
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a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 1. unter Verletzung des Vorfahrtsrechts des Zeugen … nach links in die … abgebogen ist, ohne dass zu diesem Zeitpunkt der für ihn maßgebliche Räumpfeil auf Grün geschaltet war. Der Sachverständige … hat festgestellt, dass für die Ampelschaltung zur Unfallzeit zwei Signalzeitenpläne in Betracht kamen. Unter Berücksichtung der Angaben der Unfallbeteiligten sowie der Schilderungen der Zeugen hat er die Aktivierung des Signalzeitenplans 2 ausgeschlossen, der allein jedoch die Behauptung der Beklagten stützen würde, im Zeitpunkt des Linksabbiegens sei der Räumpfeil auf Grün geschaltet gewesen bzw. gerade erloschen. Für den Zeugen … hätte dann nämlich dessen Ampel erst 6 Sekunden nach dem Erlöschen des Räumpfeils auf Grün geschaltet. Da der Zeuge nach den sachverständigen Feststellungen aber eine Zeitspanne von 4,5 Sekunden benötigt, um nach dem Anfahren die Kollisionsstelle zu erreichen, würde mithin eine Gesamtzeit von 10,5 Sekunden verstreichen, bis der Zeuge an der Kollisionsstelle eintrifft. Vor diesem Hintergrund hält der Sachverständige die Angaben des Beklagten zu 1., der Räumpfeil sei bei Überfahren der Haltelinie erloschen, aus technischer Sicht für nicht plausibel, weil das Schleppgespann deutlich weniger Zeit für den Abbiegevorgang benötigt, zumal es an der Haltelinie nicht gehalten hat, sondern unmittelbar in den Kreuzungsbereich eingefahren ist.
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Der Sachverständige hat hieraus mit überzeugender Begründung den Schluss gezogen, dass im Unfallzeitpunkt deshalb ausschließlich der Signalzeitenplan 4 aktiviert gewesen sein könne. Bei diesem allerdings leuchtete der Räumpfeil für das Gespann der Beklagten zu 1. und 2. erst auf, als gleichzeitig das Grünlicht für die Geradeausfahrer in Richtung … erlosch. Die für den Zeugen … maßgebliche Ampel war zu diesem Zeitpunkt bereits eine Sekunde lang auf Rot geschaltet. Der Signalzeitenplan 4 lässt sich ohne weiteres auch mit der Schilderung des Zeugen …, an deren Glaubhaftigkeit keine Bedenken bestehen, in Einklang bringen, der mit seinem Pkw nach rechts in die … Straße einzubiegen beabsichtigte und zunächst an der Ampel in der … warten musste. Der Zeuge hat bekundet, der Rechtsabbiegerpfeil habe erst nach der Kollision aufgeleuchtet. Da der Rechtsabbiegerpfeil in der Kochstedter Kreisstraße und der Räumpfeil für Linksabbieger aus der … Straße gleichgeschaltet sind, lassen die vorstehenden Umstände den zwingenden Schluss darauf zu, dass der Beklagte zu 1. den Abbiegevorgang unter Geltung des Signalzeitenplanes 4 eingeleitet hat, bei dem die Grünphasen in beiden Fahrtrichtungen gleichzeitig einsetzten und der Räumpfeil erst eine Sekunde nach Beginn der Rotphase für den Zeugen … aufleuchtete. Hierfür spricht auch die Aussage des Zeugen …, der gleichfalls bekundet hat, er habe hinter dem Motorrad bis zum Beginn der Grünphase warten müssen. Wäre der Signalzeitenplan 2 aktiviert gewesen, wäre die Ampel für ihn jedoch auf Grün geschaltet gewesen.
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Dann aber war der Beklagte zu 1. gehalten, zunächst dem Zeugen … die Vorfahrt zu gewähren. Daran ändert nichts, dass der Zeuge … das Motorrad aus nicht näher geklärten Gründen nicht sofort bei Beginn der Grünphase in Bewegung setzte, worauf sowohl der Umstand, dass das Schleppgespann ohne anzuhalten in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, als auch die Aussage des Zeugen … hindeuten. Letzterer hat bekundet, nach seiner Schätzung sei der Zeuge … erst etwa 1 1/2 Sekunden nach Beginn der Grünphase angefahren. Der Beklagte zu 1. durfte hieraus ohne weitere Anhaltspunkte nicht den Schluss ziehen, der Zeuge werde auf sein Vorfahrtsrecht verzichten, zumal sich hinter diesem mindestens ein weiteres Fahrzeug, nämlich das des Zeugen …, befand.
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b) Zugleich hat aber auch der Zeuge … die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dadurch außer Acht gelassen, dass er auf den Abbiegevorgang verspätet reagiert hat. Der Sachverständige hat insbesondere aus den Fahrzeugbeschädigungen sowie aus den Kollisionsendstellungen der unfallbeteiligten Fahrzeuge Kollisionsgeschwindigkeiten des Schleppgespanns im Bereich zwischen 24-27 km/h und des Motorrads im Bereich zwischen 24-26 km/h ermittelt. Hieraus sowie aus der von ihm festgestellten genauen Kollisionsstelle hat er den Schluss gezogen, dass der Zeuge … von seinem Ausgangsstandort eine Wegstrecke von 24 Metern zurücklegen musste, für die er eine Zeit von 4,5 Sekunden benötigte. Zugleich hat der Sachverständige anhand der rekonstruierten Einlaufbewegungen des Schleppgespanns ermittelt, dass sich der Beklagte zu 1. bei Beginn des Anfahrvorgangs des Zeugen … in einer Entfernung von 26 Metern vor Erreichen seiner Fahrzeugposition zum Kollisionszeitpunkt befand.
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Der Sachverständige hat ferner plausibel dargestellt, dass die Reaktionsaufforderung für den Zeugen … gegeben war, als die Fahrtrichtungsänderung des Beklagten zu 1. mit einem Querversatz von 0,5 Metern deutlich sichtbar geworden ist. Die dem Zeugen zuzubilligende Gefahrbeobachtungszeit betrug unter den konkreten Umständen 1,8 Sekunden, sodass ihm noch eine Zeitspanne von 2,7 Sekunden vor Erreichen der Kollisionsstelle zur Verfügung stand, um auf den Abbiegevorgang des Beklagten zu 1. zu reagieren. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Motorrad noch in der Beschleunigungsphase. Der Sachverständige hat unter Berücksichtigung einer Vorbremszeit von 1 Sekunde anhand der fahrdynamischen Fahrvorgänge des Motorrades sowie der Kollisionsgeschwindigkeit ermittelt, dass der Zeuge … erst 1,7 Sekunden vor Erreichen der Kollisionsstelle und damit 1 Sekunde später als möglich und unter den gegebenen Umständen geboten reagiert hat. Zu diesem Zeitpunkt war das Unfallgeschehen für ihn zwar bereits unvermeidbar. Bei rechtzeitiger Reaktion allerdings hätte der Zeuge … die Kollision vermeiden können. Insoweit hat der Sachverständige errechnet, dass der Zeuge 2,7 Sekunden vor Erreichen des Kollisionsortes, als er bei der gebotenen Aufmerksamkeit auf den erkennbaren Abbiegevorgang hätte reagieren müssen, eine Geschwindigkeit von nicht mehr als 30 km/h erreicht haben konnte, bei der er noch rechtzeitig hätte anhalten können.
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Die dem Zeugen … damit vorzuwerfende Sorgfaltspflichtverletzung wird durch seinen Einwand, er habe nicht erkennen können, dass es sich um ein Schleppgespann handele, nicht ausgeschlossen. Der Sachverständige hat auch insoweit überzeugend ausgeführt, dass der Zeuge das von der Beklagten zu 2. gesteuerte Fahrzeug bereits vor dem Anfahren leicht seitlich versetzt hat erkennen können. Selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt die Besonderheit des Schleppgespanns noch nicht hat wahrnehmen können, war er gehalten, bereits im Hinblick auf den Beklagten zu 1. sein Motorrad abzubremsen, nachdem erkennbar war, dass dieser ihm die Vorfahrt nicht gewähren werde. Überdies war sichtbar, dass das Fahrzeug der Beklagten zu 2. dem vorausfahrenden Pkw in knappem Abstand und mit gleichförmiger Geschwindigkeit folgte. Der Zeuge musste deshalb ins Kalkül ziehen, dass auch dieses sein Vorfahrtsrecht missachten werde.
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Die überzeugenden und von den Parteien nicht in erheblicher Weise angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen … sind der Entscheidung in vollem Umfang zugrunde zu legen. Sie lassen weder in sich noch in Bezug auf die Schilderungen der Zeugen Widersprüche erkennen.
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c) Im Rahmen der Abwägung der Mitverursachungsbeiträge überwiegt die Vorfahrtsverletzung durch den Beklagten zu 1. die lediglich leicht fahrlässige, verspätete Reaktion des Zeugen … auf den Abbiegevorgang erheblich. Dessen Sorgfaltspflichtverletzung führt, da eine überhöhte Geschwindigkeit des Motorrads im Kollisionszeitpunkt nicht nachweisbar ist, lediglich zu einer geringfügigen Steigerung der von dem Motorrad ausgehenden Betriebsgefahr, die im Ergebnis mit 30% zu bewerten ist.
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d) Der Höhe nach ist der Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes gerichtet. Die Beklagten zu 1. und 3. haben insoweit nicht bestritten, dass der Bruttowiederbeschaffungswert des Motorrads nicht wie im Schadensgutachten zunächst ausgewiesen 8.400,00 €, sondern 9.075,00 € beträgt, wie sich dort auch aus einem handschriftlichen Zusatz ergibt. Dem Gutachten lässt sich allerdings entnehmen, dass es sich dabei um einen Bruttowiederbeschaffungswert handelt, der anteilige Mehrwertsteuer enthält, die der Gutachter in der nachfolgenden Spalte auf 212,51 € beziffert. Hieraus ergibt sich, dass der Sachverständige davon ausgegangen ist, dass Motorräder vom Typ des unfallbeschädigten Fahrzeugs überwiegend weder umsatzsteuerfrei, noch regelbesteuert, sondern differenzbesteuert angeboten werden. Da der Kläger jedoch eine Ersatzbeschaffung nicht dargelegt hat, steht ihm gem. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich der Nettowiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes zu, weil Umsatzsteuer tatsächlich nicht angefallen ist (BGH, NJW 2006, 2181; OLG Hamm, Urteil vom 19.02.2010 – 9 U 147/09 -; zit. nach juris). In Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass sich die vom Gutachter bezifferte Umsatzsteuer auf den Wiederbeschaffungswert 8.400,00 € bezieht und damit etwa 2,5% beträgt. Dieser Satz bewegt sich im üblichen Rahmen (vgl. Palandt/Grüneberg, 71. Aufl., Rdn. 30 zu § 249 BGB) und ist daher auch für den unstreitigen Bruttowiederbeschaffungswert von 9.075,00 € zugrunde zu legen. Hieraus ergibt sich ein Nettowiederbeschaffungswert von 8.848,13 € und unter Berücksichtigung des Restwertes ein Betrag von 7.208,13 €.
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Daneben hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der Abschlepp- und Stilllegungskosten in Gesamthöhe von 69,00 € sowie der Unkostenpauschale von 25,00 €. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote ist dem Kläger daher vom Gesamtschaden in Höhe von 7.302,13 € ein Betrag von 5.111,49 € zuzusprechen.
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e) Die Zinsforderung beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagten zu 1. und 3. befinden sich aufgrund der Mahnung vom 27.11.2009 unter Fristsetzung zum 10.12.2009 seit dem 11.12.2009 in Verzug.
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f) Ferner kann der Kläger Ersatz der ihm vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten verlangen. Der Höhe nach ist der Anspruch auf eine 1,3-fache Geschäftsgebühr zuzüglich Telekommunikationspauschale sowie Umsatzsteuer gerichtet, wobei sich der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit nach der Höhe der tatsächlich begründeten Forderung bemisst. Hieraus folgt ein Anspruch in Höhe von 439,40 € zzgl. 20,00 € Pauschale sowie Umsatzsteuer (insgesamt 546,69 €).
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Die Zinsforderung folgt insoweit aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Teilklagerücknahme bleibt für die Kostenlast außer Betracht, weil sie lediglich eine Nebenforderung betraf.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für den Kläger aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO, für die Beklagten aus §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 i.V.m. 709 Satz 2 ZPO.
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Bei der Festsetzung des Streitwerts bleiben die Nebenforderungen außer Betracht.
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Beschluss
36
Der Streitwert wird auf 7.529,00 € festgesetzt.