OLG München, Urteil vom 09.02.2012 – 23 U 2198/11
Ein Galerievertrag emthält als typengemischter Vertrag u.a. Elemente eines Geschäftsbesorgungsvertrags i.S. § 675 BGB, eines Verwahrungsvertrags nach § 688 BGB, sowie eines Kommissionsvertrages nach § 390 HGB. Aus diesem Vertrag ergibt sich die Pflicht der Galeristen, ihm vom Künstler übergebene Gegenstände, die ersichtlich eine gewisse Bedeutung für den Künstler haben, aufzubewahren und nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger zu vernichten. (Rn.22)
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Landgerichts München I vom 11.05.2011, Az. 35 O 22945/07, aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2010 zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 10 %, die Beklagte 90 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten in der Berufungsinstanz nur noch Schadensersatz für ein nicht mehr auffindbares Ausstellungsstück.
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Der Kläger ist Künstler, die Beklagte betreibt eine Galerie. Von 1989 bis 2005 betreute die Beklagte als Galerie die Werke des Klägers und organisierte u.a. Ausstellungen. Anfang 1990 beschäftigte der Kläger sich mit dem Thema „Kreuz“ und hatte sich schließlich auf ein Kreuz aus Pommes Frites konzentriert. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Beklagten entwickelte der Kläger die Idee einer Skulptur „Pommes d’Or“, deren Erstellung von der Beklagten finanziert wurde. Hierfür erwarb der Kläger acht Pommes Frites, legte sie paarweise übereinander und ließ diese eintrocknen. Aus den vier „Pommeskreuzen“ wurde eines ausgewählt. Dieses diente als Schablone für die Herstellung einer Silikonform, die wiederum als Negativvorlage für eine Gips-Abgussform verwendet wurde. Damit ließ die Beklagte einen Abguss in Feingold, das Goldkreuz „Pommes d’Or“ erstellen.
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Die Beklagte veranstaltete vom 14.9.1990 bis 10.11.1990 eine Ausstellung „Pommes d’Or“, in deren Zentrum das Goldpommeskreuz stand. Ausgestellt in einer Vitrine wurden als Objekt Nr. 46 auch das „Originalkreuz des in Gold Abgegossenen München 1990“ sowie als Objekt Nr. 47 die „Reservepommeskreuze 2,3,4,5 München 1990“. Diese Kreuze aus eingetrockneten Pommes Frites wurden gemeinsam mit den Objekten Nr. 40 – 45 derselben Vitrine zu einem Gesamtkaufpreis von 4.200 DM angeboten. Im Vorwort des von der Beklagten herausgegebenen Ausstellungskatalogs ist ausgeführt: „Im September 1990 wird in München ein Kreuz aus Gold hergestellt, Abgüsse zweier Münchner Pommes. Dazwischen liegt die Metamorphose eines profanen Alltagsgegenstandes in ein sakrales Kunstwerk…“. Weder das Pommes d’Or noch das Original-Pommeskreuz wurden in der Ausstellung verkauft und blieben nach Ende der Ausstellung zunächst bei der Beklagten.
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Im vorliegenden Prozess hat der Kläger zunächst nur die Herausgabe des Goldpommeskreuzes gefordert. Die Beklagte hat die Herausgabe angeboten, zunächst allerdings nur Zug um Zug gegen Erstattung der von ihr behaupteten Herstellungskosten von 3.285,56 Euro. Nach Erholung eines Sachverständigengutachtens, das die Herstellungskosten mit 960,06 Euro bezifferte, hat die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Herausgabe Zug um Zug gegen Bezahlung von 960,06 Euro anerkannt und das Landgericht am 14.06.2010 ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil erlassen.
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Des Weiteren hat der Kläger im Laufe des Verfahrens zusätzlich die Herausgabe des Original-Pommeskreuzes beantragt. Nachdem die Beklagte außergerichtlich mitteilte, dieses sei nicht auffindbar, fordert der Kläger nunmehr Schadensersatz in Höhe von 2.000 Euro.
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Der Kläger ist der Ansicht, nicht nur das Goldpommeskreuz, sondern auch das Original-Pommeskreuz, das als Vorlage diente, sei Kunst. Die Beklagte hätte dieses daher sorgfältig aufbewahren müssen und schulde nun Schadensersatz. Es habe sich ein Sammlerehepaar gefunden, das bereit wäre, 2.500 Euro für das Originalpommeskreuz zu bezahlen.
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Der Kläger hat daher beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.000 Euro nebst 6 % Zinsen seit dem 1.5.2010 zu zahlen.
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Die Beklagte hat insoweit
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Klageabweisung beantragt.
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Die Beklagte trägt vor, sie habe keine Aufbewahrungspflicht bezüglich des Original-Pommeskreuzes getroffen, da dieses kein eigenständiges Kunstwerk darstelle.
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Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage bezüglich des Schadensersatzanspruchs abgewiesen und ist der Argumentation der Beklagten gefolgt. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass und auf welche Weise er die beiden Pommes Frites selbst zu einem Kunstwerk erhöht hätte. Allein die Ausstellung in einer Vitrine genüge nicht. Insoweit habe es sich nur um Dokumentationsmaterial zur Entstehung des Kunstwerk „Pommes d’Or“ gehandelt. Es habe daher weder eine besondere Aufbewahrungspflicht der Klägerin bestanden noch sei ein bezifferbarer Schaden entstanden.
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Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht habe den Begriff der Kunst verkannt.
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Der Kläger beantragt daher,
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das Schlussurteil des Landgerichts dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 2.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05. 2010 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, das Landgericht habe zutreffend das Original-Pommeskreuz nicht als Kunst angesehen. Der vom Kläger behauptete Wert sei völlig überzogen. Die vom Kläger angebotenen Zeugen hätten allenfalls ein Affektionsinteresse.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin M. (Bl. 213 der Akte). Auf die weiteren gewechselten Schriftsätze der Parteien wird Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung ist in vollem Umfang begründet.
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I. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch in Höhe von von 2.000 Euro gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB zu.
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1. Eine Pflichtverletzung der Beklagten i.S. des § 280 Abs. 1 BGB liegt vor. Zwischen den Parteien bestand von 1989 bis 2005 nicht nur ein Gefälligkeitsverhältnis, sondern ein „Galerievertrag“, der als typengemischter Vertrag u.a. Elemente eines Geschäftsbesorgungsvertrags i.S. § 675 BGB, eines Verwahrungsvertrags nach § 688 BGB, sowie eines Kommissionsvertrages nach § 390 HGB enthielt. Aus diesem Vertrag ergab sich die Pflicht der Beklagten, ihr vom Kläger übergebene Gegenstände, die ersichtlich eine gewisse Bedeutung für den Künstler hatten, aufzubewahren und nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger zu vernichten. Das Original-Pommeskreuz war ein derartiger Gegenstand:
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Das Originalpommeskreuz wurde in der Ausstellung „Pommes d’Or“ als eigenständiges Objekt Nr. 46 ausgestellt und gemeinsam mit anderen Objekten für 4.200 DM zum Verkauf angeboten. Dies war der Beklagten als Galeristin, Veranstalterin der Ausstellung und Herausgeberin des Katalogs bekannt.
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Darüber hinaus hat die Beklagte 2008 dem Kläger noch die Herausgabe des Originalpommeskreuzes angeboten, ging also damals noch davon aus, dass sie dieses aufbewahrt hatte. Zudem hat die Geschäftsführerin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 26.1.2012 erklärt, die als Objekt Nr. 47 ausgestellten „Reservepommeskreuze“ seien noch in ihrem Besitz. Der Kläger habe sie ihr geschenkt. Dies zeigt, dass die Beklagte selbst weder das Original-Pommeskreuz noch die Reservepommeskreuze als wertlose, jederzeit vernichtbare Alltagsgegenstände oder nur verderbliche Lebensmittel, sondern gerade umgekehrt als Objekte von gewisser Bedeutung und gewissem Wert angesehen hat.
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Schließlich hat auch die Gießerei nach Herstellung des Goldpommeskreuzes das als Vorlage verwendete Original-Pommespaar nicht vernichtet, sondern an die Beklagte zurückgegeben.
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Auf die Frage, ob das Original-Pommeskreuz Kunst darstellt, kommt es nicht an. Wie oben ausgeführt, war für die Beklagte erkennbar, dass das Original-Pommeskreuz eine gewisse Bedeutung für den Kläger hatte. Daher war sie verpflichtet, dieses sorgfältig aufzubewahren und nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger zu vernichten. Gegen diese Pflicht hat die Beklagte verstoßen, da das Kreuz nunmehr nicht mehr auffindbar ist.
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Das Verschulden der Beklagten wird nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet.
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Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte kein Verschulden trifft, sind nicht vorgetragen.
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2. Der Kläger kann nach §§ 249, 252 BGB entgangenen Gewinn in Höhe von 2.000 Euro von der Beklagten fordern.
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Der Senat ist nach der Einvernahme der Zeugin M. überzeugt, dass diese dem Kläger 2.500 Euro für das Original-Pommeskreuz gezahlt hätte:
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Die Zeugin hat ausgesagt, sie habe letzten Sommer zufällig den Kläger getroffen. Auf Nachfrage, wie der Prozess laufe, habe er gesagt, das Goldpommeskreuz sei bei seinem Anwalt, um das Originial-Pommeskreuz gehe es noch. Er habe ihr dann das Original-Pommeskreuz für 2.500 Euro zum Kauf angeboten. Sie habe das akzeptiert und sei bereit, diesen Preis dafür zu zahlen.
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Die Zeugin ist glaubwürdig. Insbesondere hat die Zeugin ihre Aussage ruhig, überlegt und detailliert gemacht und war ersichtlich bemüht, den Sachverhalt zutreffend wiederzugeben. Allein die Tatsache, dass die Zeugin mit dem Kläger seit 1990 befreundet ist und ihr Mann mit dem Kläger an Musikprojekten gearbeitet hat, macht die Zeugin nicht unglaubwürdig. Zu berücksichtigen ist zudem, dass nach ihren Angaben sich die Freundschaft zum Kläger seit dessen Aufenthalt in Brüssel auf ca. zwei Treffen pro Jahr beschränkt, somit auch von keiner besonders engen Freundschaft auszugehen ist. Ein Eigeninteresse der Zeugin am Ausgang des vorliegenden Prozesses, also an einem Schadensersatzanspruch des Klägers, ist nicht ersichtlich.
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Die Aussage der Zeugin ist auch glaubhaft: Die Zeugin hat zur Begründung ihrer Kaufbereitschaft angegeben, sie habe bereits ca. 30 Arbeiten des Klägers teils erworben, teils geschenkt bekommen. Das Originalpommeskreuz würde dazu gut in ihre Sammlung passen. Sie habe dieses auch schon einmal in einem Katalog gesehen. Zudem habe sie auch Kunstwerke von anderen modernen Künstlern „der zweiten Reihe“ erworben und habe auch „Überbleibsel“ von Kunstaktionen in ihrer Sammlung. Der Kläger sei ein international bekannter Künstler, da könne man nicht so viel falsch machen. Vor diesem Hintergrund erscheint es ohne Weiteres nachvollziehbar und glaubhaft, dass die Zeugin M. bereit wäre, auch das Original-Pommeskreuz für ihre Sammlung zu erwerben.
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Der Senat hat auch keine Zweifel, dass die Zeugin M. bereit und in der Lage wäre, dafür 2.500 Euro zu bezahlen. Die Zeugin M. hat nach ihren Angaben bislang ca. 10.000 Euro, „vielleicht auch mehr“, auf die Jahre verteilt für Kunstwerke ausgegeben, teilweise Kunstwerke aber auch geschenkt bekommen. Das teuerste vom Kläger erworbene Kunstwerk habe 1.500 DM gekostet. Der Senat verkennt nicht, dass verglichen damit ein Kunstwerk von 2.500 Euro eine erhebliche Preissteigerung bedeuten würde. Die Zeugin M. hat auf Vorhalt dessen jedoch angeführt, dass alles teurer geworden sei. Außerdem hat die Zeugin erläutert, sie erhalte zwar nur 1.300 Euro Rente im Monat. Ihr Mann arbeite aber noch. Außerdem habe sie ein Haus geerbt und im Zentrum von K. sechs Etagen als Gewerberäume vermietet. Somit ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die Zeugin M. auch über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, entsprechend ihrer offensichtlichen Vorliebe für Werke des Klägers ihre Sammlung um ein weiteres Objekt zu ergänzen.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist irrelevant, ob der Preis, den die Zeugin zu zahlen bereit wäre, ein Liebhaberpreis und von Affektionsinteresse bestimmt ist. Fest steht, dass der Kläger, wenn die Beklagte pflichtgemäß das Originalpommeskreuz verwahrt und an ihn herausgegeben hätte, dieses für 2.500 Euro an die Zeugin M. hätte verkaufen können.
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Die Vernehmung des Zeugen G. war nicht erforderlich, da der Kläger auf diesen Zeugen verzichtet hat. Der Erholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es ebenfalls nicht mehr, da der Kläger den Nachweis für den ihm entgangenen Gewinn geführt hat und es somit nicht darauf ankommt, welchen Marktwert im Übrigen das Objekt hätte.
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Gemäß § 308 Abs. 1 ZPO war der Anspruch gemäß dem Antrag des Klägers auf 2.000 Euro zu begrenzen.
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II. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 ZPO.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.