LG Hannover, Urteil vom 02. Juni 2021 – 11 O 3/20
1. Für eine Klage deutscher Käufer, die von einem schweizer Unternehmen Bäume in Brasilien zum Zweck der Geldanlage gekauft haben und die ihr Geld zurückverlangen, sind deutsche Gerichte gem. Art. 15 Nr. 1 lit c., Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ II international zuständig.
2. In solchen Fällen ist gem. Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO deutsches Recht anwendbar.
3. Den Käufern steht in solchen Fällen nach Ablauf von zwölf Monaten und vierzehn Tagen kein Widerrufsrecht mehr zu.
4. Die Käufer haben nach brasilianischem Recht Eigentum an den Bäumen erworben und sind insofern nicht getäuscht worden.
5. Den Käufern der Bäume hätte sich bei vernünftiger Betrachtung des Bauminvestments der vorliegenden Art aufdrängen müssen, dass etwa durch Schädlinge, Brände und Naturgewalten, durch eine Änderung des Holzabsatzmarktes, der politischen Lage sowie der Wechselkurse auch ein Totalverlust eintreten kann.
6. Das Unternehmen hatte keine Offenbarungspflicht bezüglich früherer Tätigkeiten des Geschäftsführers.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Kläger machen als Gesamtgläubiger gegen die Beklagten Schadensersatz- bzw. Rückzahlungsansprüche aus zwei Baumkaufverträgen geltend.
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Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in Zürich. Nach eigenen Angaben bewirtschaftet sie zusammen mit ihrer brasilianischen Tochtergesellschaft W. Ltda und ihren Partnern in Brasilien auf circa 6.000 ha Fläche Edelholzplantagen (Teak, Eukalyptus, Balsa). Sie bietet Privatpersonen an, zu Investitionszwecken auf Plantagen in Brasilien Bäume zu kaufen und von der Beklagten bewirtschaften zu lassen, d.h. die Bäume zu pflegen, zu ernten, zu verkaufen und den Erlös aus dem Holz-Verkauf den Käufern auszuzahlen.
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Nach vorheriger telefonischer Werbung und Zusendung von entsprechenden „Prospekten“ sowie der Vertragsunterlagen schlossen die Kläger im Mai 2014 einen Vertrag über den Kauf von 200 Teakbäumen und im Juli 2015 einen Vertrag über den Kauf von 890 Balsabäumen in Brasilien ab. Zugleich mit diesen Kaufverträgen haben die Kläger jeweils auch einen Service- und einen Rahmenvertrag mit der Beklagten abgeschlossen.
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In dem Rahmenvertrag vom 17.05.2014 ist unter anderem Folgendes geregelt:
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„7. Landpacht
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7.1. Mit dem Kauf der Bäume pachtet der Käufer gleichzeitig den entsprechenden Boden (vgl. Einzelvertrag), solange die von SW gekauften Bäume darauf stehen, längstens jedoch für die Dauer, die im Einzelvertrag spezifiziert ist. Die Pacht umfasst einzig das Recht, die gekauften Bäume wachsen zu lassen.
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7.2. Der Pachtzins ist im Kaufpreis inbegriffen; eine Rückzahlungsverpflichtung von SWS in Folge frühzeitiger Rückgabe wird ausdrücklich wegbedungen.
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7.3. Die Pacht kann nur mit dem Weiterverkauf der Bäume übertragen werden. Die Unterverpachtung ist ausgeschlossen.
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8. Weiterverkauf der Bäume durch den Käufer
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8.1. Der Käufer kann seine Bäume jederzeit mit oder ohne Servicevertrag einem Dritten verkaufen und diesem das Eigentum übertragen. Der Käufer verpflichtet sich, die entsprechende Landpacht dem Dritten zu übertragen und diese Verpflichtung dem Dritten zu überbinden.
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8.2. Der Käufer verpflichtet sich, den Weiterverkauf der Bäume an einen Dritten mittels Baumübertragungsformular an SWS schriftlich zu melden und diese Verpflichtung dem Dritten zu überbinden. Ohne Meldung gilt gegenüber SWS der letzte gemeldete Käufer als Eigentümer der Bäume.
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8.3. Nach Erhalt der Meldung erhält der neuen Käufer gegen Vorauszahlung von CHF 50 eine neue Baumurkunde. Der Käufer verpflichtet sich, die alte Baumurkunde an SWS zurückzusenden.
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8.4. Ohne Übertragung des Servicevertrages vom Käufer an den Dritten endet der Servicevertrag mit SWS automatisch, d.h. ohne dass es einer Kündigung bedarf. …
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C. Servicevertrag
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9. Werterhaltung der gekauften Bäume
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9.1. Zur Wertentwicklung und Werterhaltung empfiehlt SWS die Bäume regelmäßig zu pflegen. Diese Dienstleistung bietet SWS mit dem Servicevertrag an.
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9.2. Für die Bewirtschaftung, Aufforstung und den Verkauf der Bäume kann der Käufer mit SWS einen Servicevertrag abschliessen, eine andere Firma beauftragen oder dies selbst durchführen.
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10. Ohne Servicevertrag
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10.1. Besteht zwischen dem Käufer und SWS kein Servicevertrag ist SWS weder für die Bewirtschaftung noch für die Ausforstung oder den Verkauf der Bäume zuständig und verantwortlich.
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10.2. Im Rahmen der Landpacht verpflichtet sich der Käufer den Boden sorgfältig gemäß seiner Bestimmung zu bewirtschaften und insbesondere für nachhaltige Ertragsfähigkeit und für den Unterhalt zu sorgen. Er verpflichtet sich zudem, sich an die lokalen Gesetze in Brasilien im Zusammenhang mit der Landbewirtschaftung zu halten.
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10.3. Die Benutzung der Plantagenstraßen wird alleine von SWS bestimmt und koordiniert, so dass sich der Käufer verpflichtet, vor jeder Benutzung mit SWS Kontakt aufzunehmen.
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10.4. Die Landpacht endet automatisch nach Ablauf der Dauer, die im Einzelvertrag spezifiziert ist. Der Käufer verpflichtet sich, die Bäume bis zu diesem Zeitpunkt ausgeforstet zu haben und den gepachteten Boden in gesäubertem und guten Zustand zurückzugeben.
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11.Mit Servicevertrag
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11.1. Mit Abschluss eines Servicevertrages mit SWS erteilt der Käufer SWS den Auftrag, die gekauften Bäume gemäß Plantagen-Management und unter Berücksichtigung der internationalen Standards über die nachhaltige Plantagenwirtschaft zu bewirtschaften, zu verwalten, zu pflegen, zu ernten, zu verkaufen und den Netto-Erlös aus dem Verkauf dem Käufer auf sein angegebenes Konto zu zahlen. SWS übernimmt zudem sämtliche Verpflichtungen aus der Landpacht.
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11.2. SWS informiert den Käufer regelmäßig über die Aktivitäten auf den Plantagen
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11.3. Der Servicevertrag wird ab Kaufdatum der Bäume bis zur Auszahlung des Netto-Holzerlöses aus dem Verkauf der Schlussernte abgeschlossen. Der Käufer kann den Servicevertrag jederzeit kündigen.
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11.4. Der Käufer beauftragt und ermächtigt SWS alle Handlungen vorzunehmen, welche zur Erfüllung des Servicevertrages notwendig sind. Diese Ermächtigung ist während der Dauer des Servicevertrages unwiderruflich.
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…
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11.6. Falls innerhalb der ersten vier Jahre ab Pflanzung der Teakbäume mehr als 10 % der vom Käufer gekauften Teakbäume auf einem bestimmten Plot ausfallen, bietet SWS dem Käufer an, sämtliche gekauften Teak-Bäume dieses Plots gegen eigene Teak-Bäume des gleichen Jahrgangs eines anderen Plots zu tauschen, auf welchem weniger als 10 % der Teak-Bäume ausgefallen sind. Der Käufer ist frei, den Tausch anzunehmen oder abzulehnen. ….
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…
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11.12. Die Bäume werden entweder als stehende Bäume oder als geschlagene Bäume (Log, Rundholz) im Auftrag des Käufers ab nächster Plantagenstrasse (next road plantation side, NRPS) angeboten und verkauft.
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…
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14. Investition
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14.1. Der Kauf von Bäumen ist ein sachenrechtliches Geschäft mit Eigentumsübertragung und keine Investition in ein Finanzprodukt.
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14.2. Der Käufer ist sich bewusst, dass der Kauf von Bäumen eine kurz-, mittel- bis langfristige Investition darstellt.
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E. Rechte und Pflichten von SWS
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15. Versicherung von Teakbäumen
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15.1 SWS versichert für den Käufer und für sich selbst in den ersten vier Jahren nach Pflanzung, Land und Teakbäume (nicht aber andere Bäume) gegen Feuer, Blitzschlag, starke Winde und Niederschläge, sowie Frostschäden. Der Käufer nimmt zur Kenntnis, dass ein Ausfall von weniger als 10 % der Teakbäume nicht von der Versicherung gedeckt ist.
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F. Allgemeine Bestimmungen
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16. Haftung
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16.1 SWS haftet in jedem Fall nicht für Schäden, die aufgrund höherer Gewalt entstehen.
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16.2. Schadensersatzansprüche beschränken sich auf Schäden, die SWS absichtlich oder grobfahrlässig verschuldet hat.
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17. Kündigung
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17.1. Der Käufer kann diesen Rahmenvertrag bis zur Schlagung des letzten gekauften Baumes, respektive bei Abschluss eines Servicevertrages bis zur Auszahlung des Netto-Holzerlöses aus dem Verkauf der letzten Schlussernte, nicht kündigen. Danach endet er automatisch.
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…
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24. Anwendbares Recht und Gerichtsstand
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24.1. Der Rahmenvertrag und jeder Einzelvertrag unterstehen materiellem Schweizer Recht, unter Ausschluss (i) internationaler Übereinkommen, auch dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge für den internationalen Warenverkauf vom 11.04.1980 (CSIG) und (ii) der kollisionsrechtlichen Normen. Streitigkeiten unterstehen einzig der ordentlichen Gerichtsbarkeit am Sitz von SWS.“
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Nach Unterzeichnung und Rücksendung der Unterlagen des ersten Vertrages (Nr. …) sowie Überweisung des Kaufpreises in Höhe von 8.288,84 € erhielten die Kläger von der Beklagten eine auf den 19. Mai 2014 datierte „Baumurkunde“, die das „persönliche Baumeigentum“ der Kläger an 200 Teakbäumen unter Nennung von Baumnummern auf einer näher bezeichneten Plantage in Brasilien unter Angabe von vier GPS- Koordinaten bescheinigt.
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Nach Abschluss eines zweiten Vertrages (Nr. … ) im Juli 2015 über den Kauf von 890 Balsabäumen zum Preis von 20.000,00 € erhielten die Kläger von der Beklagten eine auf den 06.07.2015 datierte „Baumurkunde“, die das „persönliche Baumeigentum“ der Kläger an 580 sowie 310 Balsabäumen unter Nennung von Baumnummern auf einer näher bezeichneten Plantage in Brasilien unter Angabe von jeweils vier GPS- Koordinaten bescheinigt.
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Weder in 2018 noch in 2019 erfolgte die von der Beklagten vertraglich in Aussicht gestellte Rückzahlung hinsichtlich der Balsabäume.
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Stattdessen informierte die Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 09.09.2019, dass mit den Balsabäumen kein Verkaufserlös mehr zu erzielen sei, weil der große Bedarf nach Balsa-Holz in Brasilien in den letzten Jahren gänzlich verebbt sei und der Export auf andere Märkte angesichts zu hoher Transportkosten wirtschaftlich nicht sinnvoll sei. Die Beklagte schlug den Klägern als effizienteste Lösung vor, das Balsa-Projekt zu stoppen, die Bäume zu fällen, das Holz der Bäume fachgerecht zu zerkleinern und gleich vor Ort in den Boden einzuarbeiten.
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Daraufhin machten die Kläger mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten 30.09.2019 gegenüber der Beklagten außergerichtlich Schadensersatzansprüche geltend und widerriefen die beiden Kaufverträge.
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Die Kläger sind der Ansicht, dass sie nach Maßgabe des anzuwendenden deutschen materiellen Rechts zum Widerruf der Verträge als Fernabsatzverträge berechtigt seien, weil sie nicht ordnungsgemäß über die Möglichkeit eines Widerrufs belehrt worden seien. Auch sei die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen, weil die Verträge Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Geldanlage seien und damit Finanzdienstleistungen darstellten.
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Die Beklagte habe zudem insbesondere im Hinblick auf mögliche Risiken ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt. Die Kläger sind weiter der Ansicht, dass sie gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen Betruges hätten. Insofern behaupten die Kläger, dass die Beklagte sie nicht auf die Möglichkeit eines Totalverlustes hingewiesen hätten. Außerdem hätten sie nicht wirksam Eigentum an den Bäumen erworben, weil die Verträge angesichts der Mitübertragung von Grund und Boden mangels notarieller Beurkundung formnichtig seien. Zudem habe die Beklagte verschwiegen, dass ihr Geschäftsführer im Rahmen einer früheren Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen mit einem ähnlichen Geschäftsmodell an der Schädigung einer Vielzahl von Anlegern in Millionenhöhe beteiligt gewesen sei.
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Die Kläger beantragen,
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 8.288,84 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche und Rechte der Kläger aus dem Kaufvertrag vom 13.05.2014 zur Vertrags-Nr. …..
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche und Rechte der Kläger aus dem Kaufvertrag vom 01.07.2015 zur Vertrags-Nr. ….
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3. Darüber hinaus wird die Beklagte verurteilt, an die Kläger weitere 1.666,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Parteien wirksam die Anwendung des schweizerischen Rechts vereinbart hätten.
62
Auch unter Anwendung des deutschen Rechts sei die Klägerin zum Widerruf der geschlossenen Kaufverträge nicht berechtigt, weil beim Erwerb individualisierter und nummerierter Bäume nebst korrespondierender Verträge keine Finanzdienstleistung im Sinne von § 356 Abs. 3 S. 3 BGB vorläge.
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Auch habe sie die Kläger nicht etwa getäuscht, diese seien nach brasilianischem Recht Eigentümer der Bäume geworden. Zudem seien ihre im Zusammenhang mit dem Verkauf getätigten Angaben über Sicherheit und Rentabilität des Baumkaufs zutreffend gewesen. Hinsichtlich der früheren Tätigkeit ihres Geschäftsführers hätten ihr keine Offenbarungspflichten oblegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (vgl. BGH, Urteil v. 28.02.2012 – XI ZR 9/11 -, NJW 2012, 1817 Rn. 12) ergibt sich für das Schadensersatzbegehren hinsichtlich aller in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen aus Art. 15 Abs. 1 lit. c), Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ II (Zuständigkeit für Verbrauchersachen). Das Übereinkommen hat gemäß Art. 64 Abs. 2 lit. a) LugÜ II Vorrang vor dem nationalen Prozessrecht (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 08. Oktober 2020 – 6 U 1582/19 –, juris Rn. 8).
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a. Eine Anwendung der Art. 15 Nr. 1 lit. c), Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Rahmenvertrag in Ziffer 24 Streitigkeiten ausschließlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit am schweizerischen Sitz der Beklagten unterstellt. Denn von den Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen kann gemäß Art. 17 LugÜ II im Wege der Vereinbarung nur dann abgewichen werden, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird, dem Verbraucher lediglich zusätzliche Klagemöglichkeiten eröffnet oder die Gerichte des Staats für zuständig erklärt, in dem beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (vgl. OLG Koblenz a.a.O. Rn. 9), und hier ist keine der genannten Alternativen gegeben. Insbesondere hatten die Kläger im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
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b. Die Voraussetzungen der Art. 15 Abs. 1 lit. c), Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ II sind hier erfüllt. Danach kann ein Verbraucher eine Klage vor den Gerichten des Vertragsstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, wenn der andere Vertragspartner im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Die Kläger haben die Vereinbarung mit der Beklagten zum Erwerb der Bäume in Brasilien als Verbraucher im Sinne von Art. 15 Abs. 1 LugÜ II abgeschlossen. Unter einem Verbraucher ist eine Person zu verstehen, die zu einem Zweck tätig wird, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der Vertrag diente der Anlage und Verwaltung des privaten Vermögens der Kläger und kann deshalb nicht einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden (vgl. BGH, Urteil v. 20.12.2011 – VI ZR 14/11 -, WM 2012, 852 Rn. 21; OLG Koblenz a.a.O. Rn. 10). Unstreitig bietet die Beklagte den Kauf von Bäumen in Brasilien als ökologisch und wirtschaftlich sinnvolles Investment gerade auch Kunden in Deutschland an. Sie hatte mit den Klägern in Deutschland telefoniert und ihnen eine Werbebroschüre nebst den Vertragsunterlagen an ihre Heimatadresse zugeschickt. Sie hat damit ihre Absicht, die Kläger als Kunden in Deutschland zu gewinnen, zum Ausdruck gebracht und diese durch den Anruf und die zugesandten Unterlagen maßgeblich zum Vertragsschluss motiviert.
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c. Von der hiernach gegebenen Zuständigkeit in Verbrauchersachen werden nicht nur vertragliche Ansprüche im engen Sinne erfasst. Auch Ansprüche wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten sowie (konkurrierende) nicht vertragliche Anspruchsgrundlagen, insbesondere deliktischer und bereicherungsrechtlicher Natur können Art. 15 LugÜ unterfallen (Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, Art. 17 EUGVVO/Art. 15 LugÜ Rn. 17 m.w.N.; Gottwald, in: MünchKomm ZPO, 5. Aufl. 2017, Brüssel Ia-VO Art. 17 Rn. 5 f.). Insofern genügt es, dass sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (BGH, a.a.O., Rn. 22; OLG Koblenz a.a.O. Rn. 11).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen ist insbesondere auch der klägerseits geltend gemachte Anspruch nach § 823 BGB als Anspruch im engen Zusammenhang mit einem Vertrag im Sinne von Art. 15 Abs. 1 LugÜ II anzusehen. Die Kläger stützen sich darauf, dass die Beklagte sie mit falschen Versprechen zum Abschluss der Vereinbarung über den Erwerb von Bäumen in Brasilien veranlasst und hierdurch geschädigt habe. Insbesondere habe die Beklagte sie darüber getäuscht, dass sie mit dem Vertragsabschluss und der Übersendung der ihr persönliches Eigentum bescheinigenden Baumurkunden tatsächlich Eigentum an den gekauften Bäumen erwerben. Ihr Begehren ist mithin untrennbar mit dem Erwerbsvertrag verbunden (vgl. OLG Koblenz a.a.O. Rn. 12).
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2. Die mithin zulässige Klage erweist sich jedoch in der Sache als nicht erfolgreich.
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Die Kläger können von der Beklagten keine Rückzahlung des für die Bäume gezahlten Kaufpreises von 28.288,84 € verlangen.
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a. Auf die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge ist gemäß Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 VO (EG) 593/2008 (im Folgenden: Rom I-VO) materielles deutsches Recht anwendbar.
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aa. Nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer eine – wie in lit. (a) beschriebene – Tätigkeit auf irgendeiner Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
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Hiernach ist deutsches materielles Recht unmittelbar anzuwenden (Art. 20 Rom I-VO). Die streitgegenständlichen Verträge betrafen auf Käuferseite die Kläger als Verbraucher und auf Verkäuferseite die Beklagte als Unternehmerin im Sinne der Norm. Die Beklagte hat dabei ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf die Bundesrepublik Deutschland, als Start des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin, ausgerichtet, indem sie sich durch werbenden Auftritt im Internet und durch werbende Telefonanrufe insbesondere auch an deutschsprachige Anleger aus Deutschland wendete.
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Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO ist dabei auch nicht nach den Ausnahmevorschriften in Art. 6 Abs. 4 lit. a bzw. lit. c Rom I-VO ausgeschlossen. Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO betrifft Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gemischte Verträge fallen dabei aber nur in den Anwendungsbereich der Ausnahme, wenn der wirtschaftliche Schwerpunkt des Vertrags die Dienstleistung ist (Rühl in beck-online.Großkommentar, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Budzikiewicz/Weller/Wurmnest, Stand: 01.07.2019, Art. 6 Rom I-VO Rn. 121).
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Vorliegend handelt es sich um typengemischte Verträge, die sowohl die Übereignung des Eigentums an einer bestimmten Anzahl von Bäumen sowie gemäß Ziffer 11.1 des Rahmenvertrages die Bewirtschaftung, Verwaltung, Pflege, Ernte, Verkauf und Zahlung des netto Holzerlöses in der in Brasilien betriebenen Plantage umfassten. Jedenfalls nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen kommt dieser Servicekomponente jedoch nur eine untergeordnete wirtschaftliche Funktion zu.
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Art. 6 Abs. 4 lit. c Rom I-VO betrifft Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben. Die Ausnahme trägt insoweit dem Umstand Rechnung, dass Verträge über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen regelmäßig eine enge Verbindung zum Belegenheitsort aufweisen (Rühl in beck-online.Großkommentar, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Budzikiewicz/Weller/Wurmnest, Stand: 01.07.2019, Art. 6 Rom I-VO Rn. 138). Eine solche enge Verbindung zum Belegenheitsort der Bäume in Brasilien weisen die streitgegenständlichen Verträge aber gerade nicht auf. Denn unter Beachtung des „Servicevertrages“ haben die Käufer zu den Kaufgegenständen grundsätzlich keine Kontaktpunkte. Soweit das Vertragsstatut vielmehr die Beziehungen der Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und einem schweizerischen Unternehmen betrifft, liegt der Schwerpunkt der Vertragsabwicklung eben nicht in Brasilien. Nach dem Zweck der Vorschrift ist die Rückausnahme nicht anzuwenden.
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Auch die in Ziffer 24.1 des Rahmenvertrages getroffene Klausel zur Wahl schweizerischen Rechts (unter Ausschluss der CISG bzw. der schweizerischen Kollisionsnormen) führt nicht zur Abbedingung von dem nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO im Hinblick auf das Vertragsstatut anzuwendenden deutschen materiellen Recht.
80
Nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO darf die nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit Art. 3 Rom I-VO erfolgte Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, dass nach Abs. 1 und ansonsten anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. So liegt der Fall auch hier. Denn die Vereinbarung schweizerischen materiellen Rechts unter Ausschluss der dortigen Kollisionsnormen hätte zur Folge, dass die Kläger der zu ihrem konkreten Schutz bestimmten, verbraucherschützenden Widerrufsrechte nach §§ 312 ff. BGB verlustig gingen. Diese Vorschriften schützen gerade – was auch Zweck des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO ist – den Verbraucher als schwächeren Vertragsteil (Martiny in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2021, Art. 6 Rom I-VO, Rn. 55). Bei den Vorschriften zum Widerrufsrecht handelt es sich insoweit auch um zwingendes Recht, dass grundsätzlich nicht zulasten des Verbrauchers abdingbar ist.
81
bb. Zwar meinen das Handelsgericht Wien mit Urteil vom 09.09.2019, 581 Cg 14/17p-35 sowie das OLG Wien mit Entscheidung vom 25.02.2020, 5 R 135/19p, der Umstand, dass die erworbenen Bäume nicht in Ballen gehalten werden, führe dazu, dass sie nicht jederzeit beweglich und deshalb unbewegliche Sachen seien, was wiederum dazu führe, dass die Verträge als Landpachtverträge anzusehen seien, so dass Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Rom I-VO wegen Art. 6 Abs. 4 lit. c) Rom I-VO nicht anwendbar sei und das Schweizer Recht die von den Parteien getroffene Rechtswahl annehme. Soweit im jenem österreichischen Prozess der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich im Vorlagebeschluss vom 28.09.2020 (8Ob 36/20g) zum EuGH, C 595/20, zum Ausdruck gebracht hat, die Bäume als bewegliche Sachen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO anzusehen und in den in den Verträgen inkludierten Landpacht keinen Anlass für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des Art. 6 Abs. 4 lit c) Rom I-VO zu sehen, die Frage jedoch wegen bestehender Restzweifel dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt hat, hat die im vorliegenden Fall entscheidende Kammer aus den vorstehend unter 2.a.aa. aufgeführten Gründen keine Zweifel daran, dass Art. 6 Rom I-VO hier zur Anwendung deutschen Rechts führt. Es ist deshalb weder eine Aussetzung des Verfahrens entsprechend § 148 ZPO im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Obersten Gerichtshofs der Republik Österreich noch eine eigene Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV veranlasst. Eine Pflicht hierzu besteht ohnehin nicht, weil die Kammer nicht als letztinstanzliches Gericht entscheidet.
82
b. Entgegen der Auffassung der Kläger haben sie die Baumkaufverträge nicht wirksam widerrufen.
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Denn ein etwaiges Widerrufsrecht wäre hinsichtlich des ersten Vertrages nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB (in der ab dem 11.08.2011 geltenden Fassung) bzw. hinsichtlich des zweiten Vertrages nach § 356 Abs. 3 S. 2 BGB (in der ab dem 13.06.2014 geltenden Fassung) im Zeitpunkt der Widerrufserklärung, jedenfalls erloschen.
84
Für Fernabsatzverträge, die – wie vorliegend der erste Kaufvertrag aus dem Mai 2014 – vor dem 13.06.2014 geschlossen worden sind, ist die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 32 Abs. 2 EGBGB zu beachten. Danach erlischt das Widerrufsrecht bei der Lieferung von Waren zwölf Monate und 14 Tage nach Eingang der Waren beim Empfänger, jedoch nicht vor Ablauf des 27.06.2015, und bei Dienstleistungen mit Ablauf des 27.06.2015. Hier waren die Bäume mit ihrer Eigentumsübertragung an den Kläger vertragsgemäß „geliefert“ worden. Spätestens mit der Übersendung der Baumurkunde mittels Schreiben vom 13.05.2014 war zwischen dem Kläger und der Beklagten ein entsprechendes Besitzkonstitut zustande gekommen und die Eigentumsübertragung erfolgt. Mithin war ein etwaiges Widerrufsrecht jedenfalls am 27.06.2015 erloschen und konnte nicht mehr am 30.09.2019 ausgeübt werden.
85
Es handelt sich vorliegend auch nicht um einen Vertrag über Finanzdienstleistungen, auf den Art. 229 § 32 Abs. 2 EGBGB gemäß Abs. 4 Satz 1 der Vorschrift nicht anwendbar wäre.
86
Denn unter Finanzdienstleistungen sind Vertragsverhältnisse über Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung zu verstehen (vgl. § 312 Abs. 5 Satz 1 BGB entsprechend § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.). Für die Auslegung des Begriffs ist aufgrund des europarechtlichen Hintergrunds auf die autonome Begrifflichkeit der europäischen Fernabsatz-Finanzdienstleistungs-Richtlinie (VO (EG) Nr. 2002/65) abzustellen (Wendehorst, in: MünchKomm BGB, 8. Aufl. 2019, § 312 Rn. 96; Thüsing, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 312 Rn. 67). Unerheblich ist daher, ob es sich um ein Einlagengeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG handelt (vgl. OLG Koblenz a.a.O. Rn. 34).
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Der hier streitgegenständliche Baumkaufvertrag unterfällt als Austauschgeschäft keinem der vorgenannten Vertragsverhältnisse. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Dienstleistung im Zusammenhang mit einer „Geldanlage“. Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 2002/65 ergibt sich, dass nach dem Willen des Unionsgesetzgebers als Anlageobjekt ausschließlich Finanzinstrumente erfasst sein sollen (Wendehorst, a.a.O., Rn. 110). Somit stellen insbesondere Wertpapiere (z.B. Aktien, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Optionsscheine), Anteile an Anlagegesellschaften, andere Geldmarktinstrumente (z.B. kurzfristige Schuldscheindarlehen), Devisen und vergleichbare Rechnungseinheiten (z.B. ECU) sowie Derivate (Fest- und Optionsgeschäfte, Swap-Geschäfte) Finanzdienstleistungen dar (Wendehorst, a.a.O., Thüsing, a.a.O., Rn. 78). Zwar mag der Baumkaufvertrag seitens der Kläger zum Zweck der Kapitalanlage und mit dem Ziel einer Renditeerwirtschaftung abgeschlossen worden sein. Gegenstand des Vertrags ist aber weder ein Finanzinstrument noch die Beteiligung an einer Anlagegesellschaft, sondern ausschließlich der Erwerb von individuellem „Baum-eigentum“, das von der Beklagten zu 1) im Auftrag des Klägers bewirtschaftet und veräußert werden soll (vgl. OLG Koblenz a.a.O. Rn. 35; a.A. OLG Dresden, Urteil vom 25.03.2021, 8 U 1713/20; LG Regensburg Urteil vom 23.04.2021, 83 O 12/20). Aus diesen Gründen sieht die Kammer daher auch insofern keinen Anlass für eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV an den EuGH.
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Für den zweiten Kaufvertrag aus dem Juli 2015 gilt im Ergebnis dasselbe. Denn für das Widerrufsrecht sind die Reglungen der §§ 312g, 355 BGB a.F. anzuwenden und auch gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB erlischt das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach der „Lieferung“, die hier mit der Übersendung der „Baumurkunde“ mittels Schreiben vom 06.07.2015 erfolgt war. Mithin war ein etwaiges Widerrufsrecht jedenfalls am 19.07.2016 erloschen und konnte nicht mehr am 30.09.2019 ausgeübt werden.
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c. Die Beklagte hat den Klägern nicht fälschlich vorgespiegelt, aufgrund der getroffenen Vereinbarung Eigentum an den Teak- bzw. Balsabäumen in Brasilien zu erwerben (aa.). Ebensowenig hat die Beklagte die Kläger über die Renditemöglichkeiten, Sicherheit, Rentabilität etc. getäuscht (bb.). Schließlich hat die Beklagte die Kläger nicht über die frühere Tätigkeit des Geschäftsführers der Beklagten getäuscht (cc). Daher scheiden insofern insgesamt sowohl vorvertragliche Ansprüche und auch deliktische Schadensersatzansprüche aus.
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Angesichts des Fehlens der tatsächlichen Voraussetzungen kann hinsichtlich der deliktischen Ansprüche in rechtlicher Hinsicht offenbleiben, ob sich diese gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO (Verordnung (EG) Nr. 864/2007) nach deutschem Recht richten oder ob wegen der engen Verbindung mit dem Vertragsverhältnis der Parteien und der in Ziffer 24 des Rahmenvertrags vorgesehenen Rechtswahl nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II-VO Schweizer Recht anzuwenden ist (vgl. OLG Koblenz a.a.O. Rn. 15).
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aa. Die Beklagte hat die Kläger nicht hinsichtlich des Eigentumserwerbs an den Bäumen getäuscht. Denn die Kläger haben infolge der vertraglichen Vereinbarungen mit der Beklagten Eigentum an den Teak- und Balsabäumen in Brasilien erworben. Der Eigentumserwerb ist nach brasilianischem Recht vollzogen worden. Die Kammer stützt sich insoweit gemäß § 411a ZPO auf das überzeugende, vom Landgericht Mainz in einem Parallelverfahren zum dortigen Az. 4 O 187/17 eingeholte Gutachten des Max-Planck Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg, vom 13.02.2019 (nachfolgend: SV-Gutachten), das die Beklagte hier als Anlage B5 vorgelegt hat und das die Kläger inhaltlich nicht angegriffen haben.
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(1) Auf Rechte an einer Sache ist nach Art. 43 Abs. 1 EGBGB das Recht des Staats anwendbar, in dem sich die Sache befindet. Die Verweisung schließt auch das internationale Privatrecht ein (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Das brasilianische Recht nimmt die Verweisung an; nach Art. 8 des Gesetzes zur Einführung in die Vorschriften des brasilianischen Rechts findet ebenfalls das Recht des Staats Anwendung, in dem sich die Güter befinden (vgl. SV-Gutachten, S. 2).
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(2) Die ausweislich der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zur Abholzung und zum anschließendem Verkauf bestimmten Bäume unterfallen nach brasilianischem Recht der Kategorie der sog. antizipierten Mobiliargüter und sind rechtlich wie Mobiliargüter gemäß Art. 82 des brasilianischen Código Civil (im Folgenden: CC) und nicht wie Immobilien zu behandeln.
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Antizipierte Mobiliargüter sind nach brasilianischem Recht Güter, die natürlicherweise oder künstlich mit dem Grund und Boden verbunden sind und daher gemäß Art. 79 CC grundsätzlich unbeweglich wären, aber zur Trennung von Grund und Boden bestimmt sind. Entscheidend ist hierbei der subjektive Zweck der Veräußerung (vgl. SV-Gutachten S. 4 ff.). In der brasilianischen Rechtsprechung und Kommentarliteratur werden zu den antizipierten Mobiliargütern insbesondere Bäume gezählt, die – wie hier – zur Rodung bestimmt sind (vgl. SV-Gutachten, S. 5).
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(3) Demnach sind auf die Frage der Eigentumsübertragung der Teak- bzw. Balsabäume die Vorschriften über die Übereignung von Mobiliargütern anzuwenden. Das brasilianische Recht kennt kein dem deutschen Recht vergleichbares Trennungs- und Abstraktionsprinzip (vgl. SV-Gutachten S. 7). Zur Übertragung des Eigentums an beweglichen Gütern bedarf es nach Art. 1267 CC einer (nicht notariell zu beurkundenden) vertraglichen Vereinbarung und einer Übergabe der Sache oder eines Übergabesurrogats (vgl. SV-Gutachten S. 7). Als Übergabesurrogat kommt insbesondere die Vereinbarung eines Besitzkonstituts in Betracht, bei dem der Verkäufer, beispielsweise als Mieter oder Pächter, im Besitz der Sache verbleibt (vgl. SV-Gutachten S. 8 f.). Eine Eintragung in ein öffentliches Register ist dabei keine Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Eigentumsübergang. Zwar können gemäß Art. 129 Nr. 5 des Lei de Registros Publicos Kaufverträge in das Urkunden- und Dokumentenregister eingetragen werden. Dies hat aber nur Bedeutung für eine Wirkung des Vertrags gegenüber Dritten, nicht für die Wirksamkeit der Vereinbarung inter partes. Gleiches gilt, soweit nach einem Teil der brasilianischen Doktrin darüber hinaus eine Beischreibung im Immobilienregister diskutiert wird. Dies betrifft ebenfalls nur die Wirkung gegenüber Dritten; die Wirksamkeit der Eigentumsübertragung an sich wird nicht in Frage gestellt (vgl. SV-Gutachten S. 9 ff.).
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(4) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Eigentum an den Bäumen von der Beklagten auf die Kläger übertragen worden.
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(a) Die gewollte Übertragung des Eigentums an den Teak- bzw. Balsabäumen ist zwanglos den jeweiligen Einzelkaufverträgen zu entnehmen, in denen es ausdrücklich heißt: „Der Kaufpreis beinhaltet: … Eigentumsübertragung der Bäume.“ Darüber hinaus ist im zugehörigen Rahmenvertrag unter Ziffer 3.1. Satz 2 vereinbart, dass sich die Beklagte mit Bezahlung des Kaufpreises verpflichtet, das Eigentum an den Bäumen auf die Käufer zu übertragen. Als Bestätigung für den vollzogenen Kauf wird dem Käufer nach Zahlungseingang eine „Baumurkunde“ mit den Individualisierungsmerkmalen der gekauften Bäume zugestellt (Ziffer 4.2. des Rahmenvertrags). Unter Ziffer 14.1. des Rahmenvertrags findet sich schließlich die Erläuterung, dass der Kauf von Bäumen ein sachenrechtliches Geschäft mit Eigentumsübertragung ist und keine Investition in ein Finanzprodukt. Aus alldem ergibt sich deutlich, dass die Parteien mit der Vereinbarung das Eigentum an den Teak- bzw. Balsabäumen auf die Kläger als Käufer übertragen wollten (vgl. OLK Koblenz a.a.O. Rn. 22).
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(b) Die Parteien haben zudem ein Besitzkonstitut als Übergabesurrogat vereinbart. Nach den vertraglichen Vereinbarungen sollte die Beklagte nach Eigentumsübertragung im Besitz der Bäume verbleiben und diesen fortan für die Kläger ausüben. Dementsprechend ist den Klägern nach Zahlung des Kaufpreises die „Baumurkunde“ mit den konkreten Daten zum Standort der Teak- bzw. Balsabäume und den einzelnen Baumnummern übersandt worden. Mit ihr wurde die Eigentümerstellung der Kläger an den individualisierten Bäumen bescheinigt und äußerlich dokumentiert, dass die Beklagte die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Bäume nunmehr für die Kläger ausübt (vgl. OLG Koblenz a.a.O. Rn. 23).
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(5) Zur subjektiven Seite einer Täuschung fehlt es ohnehin an entsprechend substantiiertem Vortrag der Kläger.
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bb. Die Beklagte hat die Kläger auch nicht über die Renditemöglichkeiten, Sicherheit, Rentabilität etc. getäuscht.
101
Ein täuschendes Verhalten wollen die Kläger in dem von der Beklagten verwendeten „Prospektmaterial“ sehen, weil dort nur von Renditen etc. die Rede sei, ein Risikohinweis aber fehle.
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Soweit die Kläger selbst darauf hinweisen, dass das Direktinvestment in Bäume nicht risikolos sei, weil die Bäume durch Schädlinge, Brände und Naturgewalten geschädigt werden könnten, sich die politische Lage in Brasilien ebenso wie die Wechselkurse ändern könnten, zeigen sie genau die Bedenken auf, die sich jedem vernünftigen Käufer bei einem Bauminvestment der vorliegenden Art schon beim Kauf hätten aufdrängen müssen. Insofern ist bereits objektiv eine Täuschung nicht ersichtlich.
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Dies gilt insbesondere auch für das weitere Argument der Kläger, dass ein Hinweis darauf gefehlt habe, dass sich die Rendite nur erzielen lasse, wenn ein Käufer für das Holz der Bäume gefunden werde, der den prognostizierten Preis zahlt und weiter auch ein Hinweis darauf gefehlt habe, dass sich der Preis etwa für Balsaholz, sowie mit dem Sinken des Preises von 2017 bis 2018 um 50 % geschehen, verändern könne. Auch hierbei handelt es sich für den vernünftigen Betrachter eines solchen Bauminvestments um Selbstverständlichkeiten, die eines ausdrücklichen Hinweises nicht bedürfen, so dass bei einem Fehlen eines solchen Hinweises erst recht keine Täuschung angenommen werden kann. Insgesamt ist anzumerken, dass die Kläger das Risiko tragen, dass sich der prognostizierte Gewinn nicht realisiert.
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Soweit die Kläger aus heutiger Sicht im Rahmen einer ex-post-Betrachtung vertreten, die konkret in dem damals von der Beklagten vorgelegten Werbebroschüren dargestellten Renditeprognosen seien nicht vertretbar gewesen, übersehen sie, dass es insofern auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt. Nicht relevant ist daher insofern auch der Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 09.09.2019, das die Kläger sich zudem inhaltlich auch nicht zu eigen gemacht haben.
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Hinsichtlich der Möglichkeit eines Totalverlustes ist zudem darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa bei Immobilienfonds eine Hinweispflicht auf Totalverlust verneint wird (BGH, Urteil vom 11. September 2012 – XI ZR 363/10 –, juris Rn.13). Dem folgend ist aus Sicht der Kammer auch für das vorliegende Direktinvestment in Bäume nicht von einer entsprechenden Hinweispflicht auszugehen.
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Schließlich kommt es hier auch nicht weiter darauf an, dass die Kläger nicht unterscheiden zwischen der Rendite für den Verkauf von Teakbäumen und der Rendite für den Verkauf von Balsabäumen. Zwar mag sich hier bezüglich der Balsabäume zwischenzeitlich der Renditeausfall und möglicherweise sogar der Totalverlust realisiert haben. Dass daraus zu schlussfolgern wäre, dass für die Verwertung des Teakholzes das gleiche Risiko drohe, ist von den Klägern jedoch weder konkret vorgetragen noch ersichtlich.
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Zudem fehlt es zur subjektiven Seite einer Täuschung auch hier an entsprechend substantiiertem Vortrag der Kläger.
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cc. Die Kläger wurden von der Beklagten auch nicht über die frühere Tätigkeit des Geschäftsführers der Beklagten bei der F. AG getäuscht. Denn es bestand keine Pflicht zur Offenbarung dieses Umstands.
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Grundsätzlich besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die für den Entschluss des anderen Vertragspartners von Bedeutung sein könnten. Es liegt nämlich grundsätzlich in der Verantwortungs- und Risikosphäre jeder Partei, sich selbst über die für die eigene Willensentschließung maßgeblichen Tatsachen zu informieren. Damit korrespondiert die Befugnis, überlegenes eigenes Wissen zum eigenen Nutzen verwerten zu dürfen.
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Über die Tätigkeit des Geschäftsführers der Beklagten Ö. bei der F. AG war ungefragt nicht aufzuklären. Zwar besteht unter Umständen, z.B. bei Kapitalanlagen eine Aufklärungspflicht hinsichtlich bestimmter Vorstrafen der Personen, denen von den Anlegern Gelder anvertraut werden; eine strafrechtliche Verurteilung des Geschäftsführers Ö. behaupten die Kläger hier jedoch nicht einmal. Eine Verpflichtung mitzuteilen, dass der Geschäftsführer des Vertragspartners bereits an „gescheiterten“ Geschäftsideen beteiligt war, besteht jedoch nicht, auch wenn die Geschäftsmodelle nach der klägerischen Behauptung ähnlich sein sollten. Außerdem haben die Beklagten vorgetragen, dass dieses frühere Projekt gänzlich anders konstruiert gewesen sein soll, ohne dass die Kläger dem mit Substanz entgegengetreten wären.
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d. Es ist auch kein Anspruch der Kläger aus Prospekthaftung ersichtlich.
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Eine Prospektpflicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 7, § 6 VermAnlG besteht erst seit dem 31.12.2016.
113
Auch aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen einer bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung lässt sich ein Anspruch für die Kläger nicht herleiten.
114
Die Kläger haben nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass die Angaben der Beklagten in den verwendeten Broschüren unzutreffend gewesen wären, soweit es sich nicht erkennbar um Anpreisungen gehandelt hätte.
115
Hinsichtlich des von den Klägern vorgelegten – in einem anderweitigen Strafverfahren eingeholten – Gutachtens für Teakholz in Costa Rica, fehlt es für ihren Teakbaumkauf in Brasilien und der damit verbundenen geographischen, politischen und wirtschaftlichen Verschiedenheit der Ausgangsbedingungen bereits erkennbar an einer Vergleichbarkeit.
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Soweit die Kläger insbesondere ansprechen, dass eine zu hohe Sicherheit suggeriert und Risiken insbesondere des Totalverlustes nicht genannt bzw. bagatellisiert worden seien, ist auf die vorstehenden Ausführungen unter 2.c.bb. zu verweisen, wonach sich ihnen die Risiken hier aufdrängen mussten, so dass auch im Rahmen der Prospekthaftung jedenfalls keine entsprechende Hinweispflicht bestanden hätte.
117
e. Die Kläger haben auch keinen Anspruch aus einer Verletzung von Aufklärungspflichten aus einem Beratungs- oder Anlagevermittlungsvertrag, denn einen solchen haben sie mit der Beklagten nicht geschlossen. Die Kläger tragen zu den Umständen der Abschlüsse der zwei Kaufverträge lediglich vor, dass diese auf telefonische Werbung erfolgt sein, sie tragen jedoch keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, aus denen sich ergeben würde, dass damit zugleich konkludent ein Beratungsvertrag geschlossen worden wäre.
118
Nach klägerischem Vorbringen bestehen auch keine konkreten Anhaltspunkte, dass der Erwerb der Bäume hier über einen zwischengeschalteten Vertrieb erfolgt wäre; die Kläger haben vielmehr direkt bei der Beklagten gekauft.
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f. Mangels Bestehens eines Anspruchs in der Hauptsache können die Kläger auch die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nicht beanspruchen.