OVG Bremen, Beschluss vom 25.02.2009 – 1 A 21/07
Durch die Teilnahme an privatem häuslichem Unterricht wird die Schulpflicht nicht erfüllt
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen – 7. Kammer – vom 08. November 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich dagegen, dass die Kläger zu 3. und 4. der Schulpflicht unterliegen.
Die Klägerin zu 1. ist Diplombiologin, der Kläger zu 2. Diplom-Sozialpädagoge mit erstem Staatsexamen für das Lehramt. Die Klägerin zu 1. betreibt einen kleinen Verlag. Beide sind die Eltern der 1996 und 1999 geborenen Söhne Moritz und Thomas, der Kläger zu 3. und 4.
Die Familie lebte bis 2005 im Allgäu. Dort beteiligten sich die Kläger zu 1. und 2. nach ihren Angaben an der Gründung einer Freien Montessorischule in O. . Der Kläger zu 3. wurde dort 2003 eingeschult, wollte aber – so die Kläger – lieber zu Hause lernen. Im Juni 2005 zogen die Kläger nach Bremen. Die Kläger zu 3. und 4. nahmen ab August 2005 für wenige Tage am Unterricht der (öffentlichen Grund-) Schule Schönebeck teil, danach waren sie krank gemeldet. Von Oktober 2005 bis heute sind sie dem Schulunterricht ferngeblieben. Im Oktober 2005 legten die Kläger zu 1. und 2. zunächst eine Bescheinigung vor, derzufolge ihre Kinder bei der Clonlara School in L. /Irland eingeschrieben seien. Zum 31.10.2005 meldeten die Kläger zu 1. und 2. ihre Kinder vom Schulbesuch ab, da die Familie nach Irland verzogen sei. Im Dezember 2005 erklärten die Kläger zu 1. und 2., sie verzichteten aus finanziellen Gründen auf eine Abmeldung aus Bremen, und kündigten einen Antrag auf Befreiung von der Schulpflicht an, da ihre Kinder weiter am Unterrichtsprogramm der Clonlara School teilnähmen.
Mit Schreiben vom 18.01.2006 beantragten die Kläger zu 1. und 2., ihre Kinder von der Schulpflicht zu befreien. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, ihre Kinder hätten auf den Schulbesuch mit psychosomatischen Beschwerden reagiert. Die Kinder könnten zu Hause besser und effektiver lernen. Das zeigten auch die Erfahrungen, die in anderen Ländern mit „Homeschooling“ gewonnen worden seien. Gegen deren Willen könnten, dürften und wollten sie ihre Kinder nicht in die Schule schicken. Der Senator für Bildung und Wissenschaft der Beklagten lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21.03.2006 ab. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der durch die Clonlara School betreute häusliche Unterricht sei kein adäquater Ersatz für den Besuch einer Schule. Dieser diene nicht nur der Aneignung von Wissen, sondern auch der Erfahrung eines gemeinsamen Lernens mit anderen Kindern.
Gegen den Bescheid erhoben die Kläger zu 1. und 2. fristgerecht Widerspruch. Eine vom Senator für Bildung und Wissenschaft angeregte schulärztliche Untersuchung lehnte das Gesundheitsamt der Beklagten aufgrund der Aktenlage ab: Psychosomatische Reaktionen auf den Schulbesuch könnten nicht festgestellt werden, weil dieser länger als ein Jahr zurückliege; mit dem Auftreten solcher Beschwerden bei einer Wiederaufnahme des Schulbesuchs müsse im Sinne einer „self-fulfilling prophecy“ gerechnet werden. Aus sozialpädiatrischer Sicht bestehe der Verdacht, dass die Kinder von ihren Eltern instrumentalisiert würden; die Abarbeitung des Konflikts auf der Gesundheitsschiene würde das Problem unzulässigerweise medikalisieren. Der Senator für Bildung und Wissenschaft schlug den Klägern zu 1. und 2. dann eine „Kooperationsvereinbarung“ vor. Danach sollte die Schulpflicht in der Weise „modifiziert“ werden, dass die Kinder im nächsten Schuljahr 2006/07 nur an einigen wenigen Veranstaltungen der Schule partizipieren, vom Beginn des Schuljahres 2007/08 aber wieder regulär am Unterricht der Schule teilnehmen sollten. Wegen des letzten Teils der Regelung lehnten die Kläger zu 1. und 2. die Vereinbarung ab. Zur Begründung erklärten sie: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur allgemeinen Schulpflicht, auf die sich die Beklagte berufe, stehe bedauerlicherweise so sehr in Widerspruch mit „verfassungsrechtlichen Werten, EU- und UN-Statuten“, dass sie mit Sicherheit korrigiert werden müsse; außerdem rufe die Eklatanz der darin zum Ausdruck kommenden Missachtung von Religionsfreiheit und Schutz der Familie den Widerstand vieler ansonsten „gemäßigter“ Bürger auf den Plan.
Daraufhin wies der Senator für Bildung und Wissenschaft den Widerspruch der Kläger zu 1. und 2. mit Bescheid vom 14.07.2006 als unbegründet zurück. Der Bildungsauftrag der Grundschule sei verfassungsrechtlich abgesichert; die Gründe, die die Kläger zu 1. und 2. vorgetragen hätten, könnten eine Ausnahme von der Schulpflicht nicht rechtfertigen.
Mit zwei weiteren Bescheiden vom 13.07.2006 gab der Senator für Bildung und Wissenschaft jedem der Kläger zu 1. und 2. auf, für den Schulbesuch der Kinder Sorge zu tragen, und drohte ein Zwangsgeld für den Fall der Missachtung in Höhe von 1.500,00 Euro pro Kind an. Die sofortige Vollziehung dieser Bescheide wurde angeordnet, im Verlaufe eines gerichtlichen Eilverfahrens später aber auf Vorschlag des Verwaltungsgerichts wieder aufgehoben. Über die Widersprüche gegen diese Bescheide ist noch nicht entschieden.
Gegen die Ablehnung ihres Befreiungsantrags haben die Kläger zu 1. und 2. am 20.07.2006 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Zur Begründung haben sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und weiter vorgetragen: Das Recht der Eltern, über die Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen, sei dem staatlichen Bildungsauftrag nicht nach-, sondern gleichgeordnet sei. Beide seien bei der Entscheidung über die Befreiung von der Schulpflicht im Wege praktischer Konkordanz zu einem Ausgleich zu bringen. Von dem Ermessen, das ihr bei der Entscheidung über die Befreiung eingeräumt sei, habe die Beklagte aber keinen Gebrauch gemacht.
Die Kläger zu 1. und 2. haben beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, die Kinder Thomas und Moritz von der Pflicht zum Besuch einer staatlichen Schule oder staatlich anerkannten Ersatzschule im Lande Bremen aus besonderen und wichtigen Gründen gemäß § 57 BremSchulG zu befreien.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2006 abgewiesen. Wegen der Gründe der Entscheidung wird auf das Urteil Bl. 160 – 172 GA Bezug genommen.
Gegen das Urteil haben die Kläger zu 1. und 2. die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung fristgerecht eingelegt und begründet. Die Kläger zu 3. und 4. sind dieser Berufung später beigetreten. Die Kläger tragen vor:
Das Verwaltungsgericht habe die Befreiungsvorschrift falsch angewandt. Es habe sich nicht um eine Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „besonderer Ausnahmefall“ bemüht, sondern bereits auf der Tatbestandsseite selbst Ermessen ausgeübt. Ein besonderer Ausnahmefall werde hier sowohl durch die Teilnahme der Kinder an einem Homeschooling-Programm als auch durch ihren Willen begründet, der Schule fernzubleiben. Schließlich hätten auch die gesundheitlichen Reaktionen der Kinder auf den Schulbesuch Anlass zur näheren Prüfung eines Ausnahmefalls geben müssen; einen entsprechenden Beweisantrag habe das Verwaltungsgericht schon deshalb nicht ablehnen dürfen, weil auch die Beklagte im Widerspruchsverfahren eine schulärztliche Untersuchung für erforderlich gehalten habe. Auch die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Schulpflicht seien verfehlt. Der „Hausunterricht“ werde in der Landesverfassung nicht ausdrücklich genannt, er sei damit weder erlaubt noch verboten. Da die Erziehungsziele der Landesverfassung auch durch häuslichen Unterricht erreicht werden könnten, müsse dieser zugelassen werden. Der Erziehungsauftrag des Staates stehe unter dem Vorbehalt, dass das Schulwesen den elterlichen Erziehungsvorstellungen im Einzelfall nicht widerspreche. Art. 7 GG ordne dem Staat keinen Erziehungsauftrag, sondern lediglich die Aufsicht über das Schulwesen zu. Es sei nicht belegt, dass die Schule den ihr zugeschriebenen Bildungsauftrag zuverlässig erfülle und dass Familien dies weniger effektiv könnten. Das von Fernschulen betreute Homeschooling werde für im Ausland lebende deutsche Kinder empfohlen und in Einzelfällen auch für im Inland lebende Kinder erlaubt. Auch die Beklagte habe mit ihrem Vorschlag einer Kooperationsvereinbarung das Homeschooling anerkannt. Zu Unrecht beziehe sich das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. In dem dort entschiedenen Fall sei es darum gegangen zu verhindern, die Entwicklung einer Parallelgesellschaft durch die religiös motivierte Abschottung der Kinder von sozialen Alltagserfahrungen zu verhindern. Diese Gefahr bestehe für die Kinder der Kläger nicht, weil ihnen gesellschaftliche Kontakte durch ihre Betätigung in einem Fußballverein, in Chören, einem Orchester und in Kursen der Freien Kunstschule sowie durch Kontakte mit Freunden vermittelt würden. Die Kläger seien nach wie vor bereit, den Hausunterricht in Kooperation und unter Kontrolle einer Schule durchzuführen. Es sei tatsächlich nicht erwiesen, dass schulischer Unterricht den Erwerb sozialer und staatsbürgerlicher Kompetenz effektiver fördere als Heimunterricht. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigten, dass staatlich beaufsichtigter häuslicher Unterricht insoweit gleichwertig sei. Der Besuch einer Schule sei deshalb nicht erforderlich; wenn die Landesverfassung gleichwohl die Schulpflicht vorsehe, verstoße sie gegen den bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Schulpflicht sei auch mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar; dem Kläger zu 2., der sich seit etwa einem Jahr mit den Klägern zu 3. und 4. überwiegend in Frankreich aufhalte, werde ein Umzug von Frankreich nach Deutschland und damit die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Deutschland unmöglich gemacht, weil der Umzug unausweislich zur Folge habe, dass seine Kinder zum Schulbesuch gezwungen würden. Die Schulpflicht verstoße schließlich auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Die anderslautende Entscheidung des EGMR in der Sache Konrad gegen Deutschland könne nicht verallgemeinert werden, weil sie „einen – leider nicht so bezeichneten – Missbrauchsfall“ betroffen habe.
Die Kläger beantragen,
die Bescheide des Senators für Bildung vom 21.03.2006 und vom 14.07.2006 und das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 08.11.2006 aufzuheben und festzustellen, dass die Kläger zu 3. und 4. berechtigt sind, dem Schulunterricht fernzubleiben und sich unter staatlicher Aufsicht privat zu Hause unterrichten zu lassen,
hilfsweise
die Beklagte unter Aufhebung der erwähnten Bescheide und des Urteils des Verwaltungsgerichts zu verpflichten, die Kläger zu 3. und 4. von der Pflicht zum Besuch einer öffentlichen Schule oder einer staatlich genehmigten privaten Ersatzschule zu befreien,
weiter hilfsweise
unter Aufhebung der genannten Bescheide und des Urteils des Verwaltungsgerichts festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Kläger zu 3. und 4. von der Pflicht zum Besuch einer öffentlichen Schule oder einer staatlich genehmigten privaten Ersatzschule zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschränke Art. 7 GG den Staat nicht auf eine bloße Aufsicht über die Schulen, sondern begründe einen dem elterlichen Erziehungsrecht gleichgeordneten Erziehungsauftrag. Dieser könne nicht erfüllt werden, wenn die Kinder wegen eines häuslichen Unterrichts der Schule fernblieben. Mit ihrem Vorschlag einer Kooperationsvereinbarung habe die Beklagte nicht die Gleichwertigkeit des Homeschooling anerkannt, sondern den behutsamen Übergang der Kinder in den regelmäßigen Schulbesuch ermöglichen wollen.
Den Antrag der Kläger, ihnen Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu bewilligen, hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 02.07.2007 (NordÖR 2007, 426) abgelehnt. Eine Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschl. v. 19.12.2007 – 1 BvR 2036/07 -, FamRZ 2008, 581).
Dem Oberverwaltungsgericht hat die den Vorgang betreffende Behördenakte der Beklagten vorgelegten; ihr Inhalt war, soweit das Urteil auf ihm beruht, Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat weder mit dem Hauptantrag (A.) noch mit den Hilfsanträgen (B.) Erfolg.
A.
…
I.
Die mit dem Hauptantrag erhobene Feststellungsklage ist zulässig.
Die Beklagte hat der Klageänderung nicht widersprochen; sie ist im übrigen auch sachdienlich (§ 91 Abs. 1 VwGO).
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die Kläger zu 3. und 4. zum Schulbesuch verpflichtet sind. Die Beklagte ist der Auffassung, die Kläger zu 3. und 4. dürften der Schule nicht fernbleiben, solange ihnen keine Befreiung von der Schulpflicht wegen eines besonderen Ausnahmefalls erteilt worden sei. Die Kläger halten demgegenüber die Vorschriften des Bremischen Schulgesetzes, die den Besuch einer Schule durch die Kläger zu 3. und 4. verlangen und eine Befreiung von der Schulpflicht vom Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalls abhängig machen, für verfassungswidrig; jedenfalls stehe der Anwendung der Vorschriften auf sie das europäische Gemeinschaftsrecht entgegen. Da eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Befreiung von diesem Rechtsstandpunkt aus nicht in Betracht kommt und eine isolierte Aufhebung der ergangenen Ablehnungsbescheide nicht ausreicht, um ihr Begehren durchzusetzen, können sie ihre Rechte nur mit einer Feststellungsklage geltend machen (vgl. BVerwGE 39, 247 <249>).
Die Kläger haben auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Zwar unterliegen die Kläger zu 3. und 4. gegenwärtig nicht mehr der Schulpflicht, weil sie – jedenfalls nach ihrem eigenen Vortrag – ihre Hauptwohnung nach Frankreich verlegt haben (vgl. § 52 BremSchulG). Das ist jedoch unschädlich, weil die Verlegung der Hauptwohnung nur vorübergehend für die Dauer des Rechtsstreits erfolgt ist, um eventuellen Nachteilen zu entgehen, die ihnen durch die Nichterfüllung der Schulpflicht vor Beendigung des Rechtsstreits drohen. Ziel der Kläger ist es, ihren Wohnsitz wieder in Bremen zu nehmen, ohne dass die Kläger zu 3. und 4. zur Schule gehen müssten.
II.
Die Klage ist aber unbegründet. Die Kläger zu 3. und 4. sind nicht berechtigt, dem Schulunterricht fernzubleiben und sich unter staatlicher Aufsicht privat zu Hause unterrichten zu lassen.
1.
Die Kläger zu 3. und 4. unterliegen der Schulpflicht nach den §§ 52ff. BremSchulG.
Die Voraussetzungen für den Beginn (§ 53 BremSchulG) und die Dauer der Schulpflicht (§ 54 BremSchulG) sind unstreitig erfüllt. Die Schulpflicht ist nach § 55 Abs. 1 BremSchulG dadurch zu erfüllen, dass die Kläger zu 3. und 4. eine öffentliche Schule oder eine private Ersatzschule im Lande Bremen besuchen. Nach § 55 Abs. 7 Satz 1 BremSchulG erstreckt sich die Schulpflicht auf die regelmäßige Teilnahme am Unterricht sowie auf die Teilnahme an Schulfahrten und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule.
Die Schulpflicht ist danach eine Schulbesuchspflicht. Durch die Teilnahme an privatem häuslichem Unterricht wird die Schulpflicht nicht erfüllt.
2.
Die Vorschriften des BremSchulG über die Schulpflicht verstoßen nicht gegen die Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen.
Nach Art. 30 Abs.1 BremLV besteht allgemeine Schulpflicht. Danach ist die Schulpflicht nicht nur zulässig, sondern von Verfassungs wegen ausdrücklich geboten.
Allgemeine Schulpflicht im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BremLV bedeutet die Verpflichtung zum Besuch einer öffentlichen Schule oder einer staatlich genehmigten privaten Ersatzschule im Sinne des Art. 29 BremLV. „Es besteht also nicht nur Unterrichtspflicht, sondern Schulbesuchspflicht“ (Spitta, Kommentar zur Bremischen Verfassung von 1947, 1960, S. 75f.; vgl. auch Füssel, in: Kröning/Pottschmidt/Preuß/Rinken, Handbuch der Bremischen Verfassung, 1991, S.185 <202<).
Der Auffassung der Kläger, Schulpflicht im Sinne des Art. 30 Abs. 1 BremLV könne auch so verstanden werden, dass ihr ohne den Besuch einer Schule durch häuslichen Unterricht genügt werden könne, steht schon die verwandte Begrifflichkeit entgegen. Danach kann von „Schulpflicht“ nicht die Rede sein, wenn sie nicht den Besuch einer Schule verlangt, sondern auch zu Hause im Familienkreis erfüllt werden kann (vgl. ähnlich für das dortige Landesrecht: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.06.2002 – 9 S 2441/01 – NVwZ-RR 2003, 561 <562>).
Gegen die Auffassung der Kläger spricht vor allem aber die historische Entwicklung: Art. 30 Abs. 1 BremLV ist textidentisch mit Art. 145 Satz 1 der Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Reichsverfassung -WRV) vom 11.08.1919 und knüpft ersichtlich an diese Bestimmung an, mit der die Schulpflicht erstmals verfassungsrechtlichen Rang erhielt. Soweit vorausgegangene Verfassungen überhaupt Rechte und Pflichten in Bezug auf das Bildungswesen enthielten, sahen sie lediglich eine Unterrichtspflicht vor. So bestimmten § 155 Abs. 2 der Verfassung des deutschen Reiches („Paulskirchen-Verfassung“) vom 28.03.1849, dass Eltern ihre Kinder „nicht ohne den Unterricht lassen (dürften), welcher für die unteren Volksschulen vorgeschrieben“ war. Art. 21 der revidierten Verfassung für den Preußischen Staat vom 31.01.1850 enthielt eine gleich lautende Regelung. Von dieser bloßen Unterrichtspflicht setzte sich die Weimarer Reichsverfassung durch die Einführung einer Schulbesuchspflicht ab. Damit war eine „wesentliche Neuerung“ gewollt (Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 1933, S. 674), die durch die weiteren Vorschriften über „eine für alle gemeinsame Grundschule“ (Art. 146 Abs. 1 Satz 2 WRV) als „Einheitsschule im sozialen Sinne“ (Anschütz, a.a.O., S. 679f.) und die Aufhebung privater Vorschulen (Art. 147 Abs. 3 WRV) ergänzt wurde. Ziel dieser Regelungen war, die Kinder sämtlicher Klassen und Schichten zu einem gemeinsamen Unterricht zusammenzuführen, um die verschiedenen sozialen Bevölkerungsgruppen unter eine gemeinsame Bildungsidee zu bringen und gleiche Bildungschancen für alle Kinder herzustellen. Eine Abwendung von diesen Regelungen, die zu Recht zu den „Grundlagen der Demokratie“ gezählt worden sind (VGH Baden-Württemberg, a.a.O., S. 563), stand beim Erlass der Landesverfassungen nach 1945 nicht zur Diskussion.
3.
Art. 30 Abs. 1 BremLV und die zu seiner Ausfüllung erlassenen Vorschriften des Bremischen Schulgesetzes sind mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. Böckenförde/Grawert, Rechtsgutachten zu der Frage, inwieweit Bestimmungen der Bremischen Landesverfassung durch das Grundgesetz oder anderes Bundesrecht außer Kraft getreten sind, 1970, S. 65).
a.
Anders als die Weimarer Reichsverfassung enthält das Grundgesetz keine ausdrückliche Verankerung der Schulpflicht. Auch wenn die Schulpflicht damit nicht mehr durch Bundesverfassungsrecht zwingend vorgeschrieben ist, folgt daraus nicht, dass das Grundgesetz sich indifferent zur Schulpflicht verhielte. Ihm lässt sich vielmehr mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es jedenfalls die Zulässigkeit der Schulpflicht – deren Regelung nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Ländersache ist – von Verfassungs wegen voraussetzt.
In Art. 7 Abs. 1 GG hat das Grundgesetz die in Art. 144 Satz 1 Hs. 1 WRV enthaltene Regelung über die Schulaufsicht übernommen. Danach steht das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts wird damit ein staatlicher Erziehungsauftrag zur Schulerziehung von Verfassungs wegen vorausgesetzt (BVerfGE 34, 165 <182f., 186f.>; 47, 46 <71f.>; 52, 223 <236>; 96, 288 <303f.>; 98, 218 <244>; BVerwGE 5, 153 <155f.>; 18, 40 <42>; DVBl 1975, 429 <430>; NVwZ 1992, 370), der durch die Schulpflicht konkretisiert wird (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 21.04.1989 – 1 BvR 235/89 – <juris>, vom 29.04.2003 – 1 BvR 436/03 – NVwZ 2003, 1113, vom 31.05.2006 – 2 BvR 1693/04 – FamRZ 2006, 1094, und vom 15.03.2007 – 1 BvR 2780/06 – NVwZ 2008, 72 <73>): „Damit der Staat seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag – auch unabhängig von den Vorstellungen der betroffenen Eltern – wirksam und umfassend wahrnehmen kann, darf er eine allgemeine Schulpflicht einführen und die Möglichkeit einer Befreiung auf besonders begründete Ausnahmefälle beschränken“ (BVerwGE 94, 82 <84>). Die gesetzliche Schulpflicht dient danach dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags (BVerfG, Kammerbeschl. v. 29.04.2003, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 08.05.2008 – 6 B 65.07 – Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 133).
Die Zulässigkeit einer allgemeinen Schulpflicht wird auch an anderer Stelle in Art. 7 GG vorausgesetzt: Nach Art. 7 Abs. 2 GG haben die Erziehungsberechtigten das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Dieser besonderen Regelung bedürfte es nicht, wenn die Erziehungsberechtigten generell darüber entscheiden könnten, ob das Kind am Schulunterricht teilnehmen soll (Ennuschat, RdJB 2007, 271 <274>; Fetzer, RdJB 1993, 91 <94f>; Gröscher, in: Dreier (Hg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Rn 27; Rux, RdJB 2002, 423 <429>; Tangermann, ZevK 20006, 393 <412>; Thurn, NVwZ 2008, 718 <719>. Auch das Recht zur Gründung von Privatschulen (Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG) bedürfte keiner besonderen Verankerung in der Verfassung, wenn der Schulbesuch nicht Pflicht, sondern freiwillig wäre (Ennuschat, a.a.O.; Rux, a.a.O.). Schließlich zeigen das in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG für das Privatschulwesen besonders hervorgehobene Bestreben des Verfassungsgebers, eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen zu vermeiden, die Bevorzugung der öffentlichen Volksschule vor der privaten Volksschule in Art. 7 Abs. 5 GG und die Bestimmung in Art. 7 Abs. 6 GG, dass Vorschulen aufgehoben bleiben, dass das Grundgesetz von einer von allen Kindern gemeinsam zu besuchenden öffentlichen Grundschule ausgeht (BVerfGE 34, 165 <187>).
b.
Aus diesen Regelungen folgt, dass die Schulpflicht nicht die Grundrechte der Kläger aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
Der staatliche Erziehungsauftrag in der Schule, der aus Art. 7 GG abgeleitet wird, steht vielmehr eigenständig neben dem elterlichen Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG; er ist diesem nicht nach-, sondern gleichgeordnet (BVerfGE 34, 165 <183>; 47, 46 <72>; 52, 223 <236>; 96, 288 <304>; 98, 218 <244>; BVerwGE 18, 40 <42>; 107, 75 <83>; Beschl. v. 08.05.2008, a.a.O.). Eltern und Schule obliegt eine gemeinsame Erziehungsaufgabe, welche die Bildung der Persönlichkeit des Kindes zum Ziel hat; sie ist in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen (BVerfGE 34, 165 <183>; 98, 218 <244f.>). Widerstreitende Rechtspositionen sind nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz in der Weise zu lösen, dass nicht eine von ihnen bevorzugt oder maximal behauptet wird, sondern beide einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (BVerfGE 59, 360 <381>; Kammerbeschl. v. 29.04.2003, a.a.O., im Anschluss an BVerfGE 93, 1 <21>). Daraus folgt, dass der Schulbereich der elterlichen Einwirkung zwar nicht verschlossen, das Erziehungsrecht der Eltern vielmehr auch von Bedeutung ist, soweit sich die Erziehung in der Schule vollzieht (BVerfGE 34, 165 <183>). Das Elternrecht bleibt aber ein Recht, das sich innerhalb der Schulpflicht entfaltet, und ist kein Recht, dass sich gegen die Schulpflicht durchsetzen kann. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht der allgemeinen Schulpflicht als solcher deshalb nicht entgegen (BVerfG, Kammerbeschl. v. 15.03.2007, a.a.O.; BVerwG, NVwZ 1992, 370).
Für das Recht der Kläger zu 3. und 4. auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG gilt das entsprechend (BVerfG, Kammerbeschl. v. 29.04.2003, a.a.O.). Es kann der Schulpflicht als Verwirklichung des staatlichen Erziehungsauftrags nicht als Grenze staatlichen Handelns entgegengesetzt werden, sondern bestimmt deren Ziel und wirkt insoweit auf deren Inhalt ein (vgl. Wißmann, RdJB 2008, 153 <154>): Die Schule hat darauf hinzuwirken, dass die Kinder zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten herangebildet werden (vgl. Dittmann, VVDStRL 54 <1995>, 47 <57> m.w.Nwn.). Die Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrags durch die Schulpflicht dient dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Kindesinteresse (BVerfG, Kammerbeschl. v. 21.04.1989, a.a.O.), sie widerspricht ihm nicht.
c.
Ergibt sich somit aus dem Grundgesetz selbst, dass die Grundrechte der Schulpflicht nicht entgegenstehen, bleibt für die von den Klägern verlangte gerichtliche Überprüfung der grundsätzlichen Zulässigkeit der Schulpflicht am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kein Raum mehr. Die Frage, ob die Schulpflicht ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Verwirklichung des staatlichen Erziehungsauftrages ist, stellt sich in diesem Verfahren nicht, denn sie ist von der Verfassung selbst beantwortet worden. Die Verfassung ist Maßstab, nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung.
4.
Eine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Schulpflicht ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht deshalb geboten, weil sich die der Verfassung zugrunde liegenden Lebensverhältnisse verändert hätten.
Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass auch Verfassungsbestimmungen einen Bedeutungswandel erfahren können, wenn in ihrem Bereich neue, nicht vorausgesehene Tatbestände auftauchen oder bekannte Tatbestände durch ihre Einordnung in den Gesamtablauf einer Entwicklung in neuer Beziehung oder Bedeutung erscheinen (BVerfGE 2, 380 <401>). Solchen verfassungsrechtlich relevanten Veränderungen Rechnung zu tragen, ist aber zunächst Aufgabe des Verfassungsgesetzgebers. Durch die Rechtsprechung kann dies im Wege der Auslegung nur dann geschehen, wenn die einschlägigen Vorschriften auslegungsfähig sind und eine solche Auslegung zulassen (BVerfGE 59, 336 <357>). Daran fehlt es hier ebenso wie an der von den Klägern behaupteten Veränderungen. Vereinzelte Äußerungen im pädagogischen Schrifttum reichen für die Annahme einer solchen Veränderung nicht aus. Es ist nicht erkennbar, dass die Gründe für die Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Deutschland überholt oder weggefallen sein könnten und die Entscheidung des Verfassungsgebers für die Zulässigkeit der allgemeinen Schulpflicht aus heutiger Sicht nicht mehr vertretbar und willkürlich wäre.
Der Senat verweist dazu wie schon in seinem Prozesskostenhilfebeschluss erneut auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in den Kammerbeschlüssen vom 29.04.2003 und 31.05.2006 (jeweils a.a.O.), die er sich weiterhin zu Eigen macht. Danach ist die allgemeine Schulpflicht auch heute noch ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Durchsetzung des legitimen staatlichen Erziehungsauftrags:
Schon soweit dieser Erziehungsauftrag die reine Wissensvermittlung umfasst, ist fraglich, ob diese Aufgabe von den Eltern zu Hause hinreichend geleistet werden kann (verneinend BVerwGE 5, 153 <155>). Das gilt nicht nur wegen der Breite des zu vermittelnden Stoffes, sondern insbesondere auch wegen der dazu benötigten didaktischen Fähigkeiten, die für eine Unterrichtung durch wissenschaftlich ausgebildete, professionell tätige Lehrkräfte und gegen eine „Do it yourself-Bildung durch ‚Amateurheimschulwerker'“ (Tangermann, a.a.O., S. 395) sprechen. Dies kann jedoch auf sich beruhen, denn zu Gunsten der Kläger mag unterstellt werden, dass die Beschränkung des staatlichen Erziehungsauftrags auf die regelmäßige Kontrolle von Durchführung und Erfolg eines Heimunterrichts zur Erreichung des Ziels der Wissensvermittlung ein milderes und insoweit auch gleich geeignetes Mittel darstellen kann (BVerfG, Kammerbeschl. v. 29.04.2003, a.a.O.).
Der staatliche Erziehungsauftrag geht jedoch über die Wissensvermittlung hinaus und umfasst auch die Erziehung zu einer sich selbst und anderen gegenüber verantwortlichen Persönlichkeit. Dazu bedarf es des Zusammenlebens und der Auseinandersetzung mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft. In der Schule begegnen sich unterschiedliche Teile der Gesellschaft. In der Begegnung mit ihnen lernen die Kinder, andere zu respektieren und mit ihnen umzugehen. Es kann deshalb „nicht als eine Fehleinschätzung angesehen werden, die bloße staatliche Kontrolle von Heimunterricht im Hinblick auf das Erziehungsziel der Vermittlung sozialer und staatsbürgerlicher Kompetenz nicht als gleich wirksam zu bewerten. Denn soziale Kompetenz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung können effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen unterschiedlichsten Auffassungen nicht nur gelegentlich stattfinden, sondern Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung sind.“ (BVerfG, Kammerbeschl. v. 29.04.2003, a.a.O.)
Diese „Integrationsfunktion“ der Schule (Robbers, in: v.Mangoldt/Klein/Starck (Hg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Rn 63 zu Art. 7; vgl. auch Gröschner, a.a.O., Rn 11) besteht nicht nur im Interesse der einzelnen Kinder, sondern ist auch eine wesentliche Voraussetzung des Funktionierens einer demokratischen Staatsordnung (vgl. Rux, a.a.O., S. 432ff.). Sie liegt darin, „das zu vermitteln, was die Gemeinsamkeit, die tragende Grundlage und die von innen her regulierende Kraft für das Zusammenleben der Gesellschaft und in der Gesellschaft ausmacht“ (Böckenförde, VVDStRL 54 <1995>, 125).
Diese Grundsätze gelten nicht nur, wie die Kläger offenbar meinen, für die Angehörigen religiöser Minderheiten. Der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts darauf, dass die allgemeine Schulpflicht auch geeignet und erforderlich sei, um der Entwicklung von „Parallelgesellschaften“ entgegenzuwirken, relativiert die vorstehenden Darlegungen nicht, sondern bekräftigt ihr Gewicht auch für solche Konstellationen, in denen sich Schüler oder ihre Eltern auf das – vorbehaltlos gewährleistete – Grundrecht der Religionsfreiheit berufen (vgl. den Beschl. des Senats vom 02.07.2007, NordÖR 2007, 426 <427>). Es ist jedenfalls nicht unvertretbar, dass die Schulpflicht auch bezweckt zu verhindern, dass die Kinder, indem sie Erziehung und Bildung ausschließlich oder überwiegend im Elternhaus erfahren, wie in einer „Fluchtburg vor der gesellschaftlichen Realität der Gegenwart“ (Thurn, a.a.O., S. 719) abgeschottet werden. Eine solche gesellschaftliche Isolierung würde genau den Zielen widersprechen, die für die Einführung der allgemeinen Schulpflicht und einer für alle gemeinsamen Grundschule ausschlaggebend waren.
Die von den Klägern geforderte verfassungsrechtliche Neubewertung der allgemeinen Schulpflicht wäre daher keine Anpassung an veränderte Lebensumstände, sondern liefe auf eine Aufhebung der von der Verfassung getroffenen Entscheidung und ein „Zurück zur Zeit vor 1919“ hinaus.
Daran ändern auch die Erfahrungen mit dem Homeschooling in anderen Ländern wie z.B. Österreich nichts, auf die sich die Kläger berufen. Die verfassungsrechtliche Beurteilung in Deutschland ist nicht schon deshalb unvertretbar geworden, weil andere Länder andere Regelungen getroffen haben (vgl. dazu schon BVerwG, NVwZ 1992, 370 <371>). Der Vortrag der Kläger, Deutschland sei das einzige Land in Europa, das auf einer allgemeinen Schulpflicht bestehe, ist im Übrigen unzutreffend. Innerhalb der Europäischen Union ist die allgemeine Schulpflicht ausdrücklich vorgeschrieben in den Verfassungen von Italien von 1948 (Art. 34 Abs. 2), Griechenland von 1975 (Art. 16 Abs. 3), Spanien von 1978 (Art. 27 Abs. 4) und Polen von 1997 (Art. 70 Abs. 1).
5.
Entgegen der Auffassung der Kläger verlangt auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Gewährleistungen bei der Anwendung der deutschen Grundrechte in ihrer konkreten Ausgestaltung als Auslegungshilfe heranzuziehen sind (BVerfGE 74, 358 <370>; 111, 307 <317, 329>; 120, 180 <200>), keine andere Auslegung der Verfassung.
Die allgemeine Schulpflicht verstößt nicht gegen Art.2 Satz 2 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK. Danach hat der Staat bei der Ausübung der von ihm auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine auf diese Vorschrift gestützte Individualbeschwerde in dem Fall, der dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.04.2003 zugrunde lag, als „offensichtlich unbegründet“ zurückgewiesen (Entsch. v. 04.11.2003 – Nr. 35504/03 – Konrad u. a. ./. Deutschland). Der Gerichtshof geht in seiner Begründung auf die von den Klägern angeführte unterschiedliche Praxis in Europa ein und stellt fest, dass es in Bezug auf den Besuch der Grundschule unter den Vertragsstaaten keinen Konsens über die Zulässigkeit von Heimunterricht zu geben scheint und die Entscheidung darüber in den Ermessensspielraum der Vertragstaaten fällt. Die Einschätzung der deutschen Behörden und Gerichte, dass nicht nur die Aneignung von Wissen, sondern auch die Integration in die Gesellschaft und erste gesellschaftliche Erfahrungen wichtige Ziele der Grundschulbildung seien, die auch dann nicht im selben Maße durch Heimunterricht erreicht werden könnten, wenn den Kindern dadurch dasselbe Wissensniveau vermittelt werden könne wie durch die Grundschulbildung, bewegt sich nach Auffassung des Gerichtshofs innerhalb dieses Ermessensspielraums und stellt keine Fehleinschätzung dar.
Für die Auffassung der Kläger, die Erwägungen des Gerichtshofs könnten nur für „religiöse Sektierer“ Geltung beanspruchen, findet sich in den – allgemein und grundsätzlich gehaltenen – Ausführungen keine Stütze. Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung der Kläger, die – frühere – Europäische Kommission für Menschenrechte habe in ihrer Entscheidung Familie H gegen Vereinigtes Königreich vom 06.03.1984 (Nr. 10233/83) ein Wahlrecht zwischen staatlichen Schulen und Heimunterricht anerkannt. Die Auffassung der Kläger beruht auf einer offensichtlich falschen Übersetzung des englischen und französischen Originaltextes. Nach der zitierten Passage „is clear that Art 2 of Protocol No 1 implies a right for the State to establish compulsory schooling, be in State schools or private tuition ….“ (“ il est clair d’une part que l’article 2 du Protocole additionnel implique pour l’Etat le droit d’instaurer une scolarisation obligatoire, qu’elle ait lieu dans les écoles publiques ou grâce à des lecons particulières …“; Hervorhebungen nicht im Original) .Sowohl „private tuition“ als auch „lecons particuliéres“ sind nicht mit „Heimunterricht“, sondern mit „privatem Unterricht“ zu übersetzen; ihre Verwendung als eine der möglichen Formen von „compulsory schooling“ bzw. „scolarisation obligatoire“ macht deutlich, dass damit im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich „Privatschulunterricht“ gemeint ist. Dementsprechend hat sich auch der EGMR in der Sache Konrad zur Begründung seiner Rechtsauffassung zustimmend auf die zitierte Passage bezogen.
Auch die Berufung auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens in Art. 8 Abs. 1 EMRK hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der zitierten Entscheidung Konrad als „offensichtlich unbegründet“ zurückgewiesen, weil er, wenn er vorläge, aus den wiedergegebenen Gründen jedenfalls nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt wäre, da er gesetzlich vorgesehen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und im öffentlichen Interesse der Sicherstellung der Erziehung des Kindes sei.
Warum Art. 6 Abs. 1 EMRK für die Zulässigkeit der allgemeinen Schulpflicht von Bedeutung sein sollte, wie die Kläger meinen, ist nicht nachvollziehbar. Die Vorschrift betrifft das Recht auf ein faires Verfahren und nicht die zu entscheidende materiellrechtliche Frage.
6.
Auch der Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts steht entgegen der Auffassung der Kläger der Anwendung der Vorschriften über die Schulpflicht auf die Kläger zu 3. und 4. Nicht entgegen.
Nach Art. 149 Abs. 1 EG sind die Mitgliedstaaten für die Gestaltung ihrer jeweiligen Bildungssysteme zuständig. Bei der Ausübung dieser Befugnis müssen sie aber das Gemeinschaftsrecht beachten. Dazu gehören insbesondere die Grundfreiheiten und das Recht der Unionsbürger aus Art. 18 Abs. 1 EG, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (EuGH, Urt. v. 11.09.2007 – C-76/05 – Schwarz u. Gootjes-Schwarz, Slg. 2007, I-6849 = NJW 2008, 351<355>, Rn 70; Urt. v. 23.10.2007 – C-11/06 und C-12/06 – Morgan und Bucher, Slg. 2007, I-9161 = NVwZ 2008, 298 <299>, Rn 24). Von diesem Recht auf Freizügigkeit machen die Kläger zu 2. bis 4. Gebrauch, wenn sie sich in Frankreich aufhalten und sich von dort wieder nach Deutschland begeben wollen.
Darin, dass die Kläger zu 3. und 4. im Falle ihrer Rückkehr nach Deutschland wieder der Schulpflicht unterliegen, liegt aber kein Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit.
Ein solcher Eingriff ist gegeben, wenn eine nationale Regelung – hier die deutschen Vorschriften der Schulpflicht – die eigenen Staatsangehörigen allein deswegen benachteiligt, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat – hier nach Frankreich – zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben (EuGH, stRspr seit dem Urt. v. 11.07.2002 -C-224/98 – D’Hoop, Slg. 2002, I-6191, Rn 30ff.; zuletzt Urt. v. 11.09.2007, a.a.O., Rn 93; Urt.v. 23.10.2007, Rn 25; Urt. v. 14.10.2008 – C-353/06 – Grunkin und Paul, NJW 2009, 135 <136> Rn 21 m.w.Nwn.). Davon kann hier aber keine Rede sein. Die Vorschriften über die Schulpflicht stellen allein auf den Aufenthalt der Kläger zu 3. und 4. in Deutschland ab und knüpfen keinerlei Rechtsfolgen daran an, dass die Kläger zu 2. bis 4. sich zwischenzeitlich in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben. Die Kläger zu 3. und 4. werden nicht weniger günstig behandelt, als wenn sie von der Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hätten (vgl. Urt. v. 11.09.2007, a.a.O., Rn 88).
Allerdings erschöpft sich die Bedeutung von Art. 18 Abs. 1 EG nicht in einem Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund der Ausübung der Freizügigkeit (Diskriminierungsverbot). Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH wird in das Recht auf Freizügigkeit auch dadurch eingegriffen, dass eine Regelung, ohne diskriminierend zu sein, wegen der mit ihr verbundenen Nachteile geeignet ist, Unionsbürger davon abzuhalten oder sie dabei zu behindern, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und dort aufzuhalten (Urt. v. 23.10.2007, a.a.O, Rn 30; Urt. v. 14.10.2008, a.a.O, Rn 22;).
Ein solches allgemeines Beschränkungsverbot hatte der EuGH, wie die Kläger zutreffend hervorheben, schon in seinem Bosman-Urteil vom 15.12.1995 (C-415/93 – Slg. 1995, I-4921 = NJW 1996, 505 <510>, Rn 96) für die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EG begründet. In dieser Entscheidung hatte er aber zugleich auch klargestellt, dass das Beschränkungsverbot nur solche Regelungen der Erwerbstätigkeit erfasst, die geeignet sind, den Zugang zum Arbeitsmarkt in dem anderen Mitgliedstaaten zu beeinflussen (a.a.O., Rn 102.f.; vgl. auch Urt. v. 27.01.2000 – C-190/98 – Graf, Slg. 2000, I-493, Rn 23.; Urt. v. 09.09.2003 – C-285/01 – Burbaud, Slg. 2003, I-8219, Rn 101). Die Freizügigkeit bedeutet hingegen nicht, dass der Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat auch hinsichtlich aller anderer Regelungen, denen der Arbeitnehmer nunmehr unterworfen ist und die ihn davon abhalten könnten, von seiner Freizügigkeit Gebrauch zu machen, neutral bleiben müsste. Wie der Gerichtshof für das Recht der sozialen Sicherheit und für das Steuerrecht entschieden hat, kann ein solcher Wechsel aufgrund der unterschiedlichen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten je nach Einzelfall Vor- oder Nachteile in Bezug auf den entsprechenden Sachbereich haben. Folglich verstößt ein eventueller Nachteil im Vergleich zu der Situation, in der der Erwerbstätige seine Tätigkeiten vor dem Wechsel ausübte, grundsätzlich nicht gegen Art. 39 EG, sofern diese Rechtsvorschriften den betreffenden Erwerbstätigen gegenüber den Personen, die ihnen bereits zuvor unterlagen, nicht benachteiligen (Urt. v. 19.03.2002, C-393/99 und C-394/99 – Hervein und Hervillier – Slg. 2002, I-2829 Rn 51; Urt. v. 29.04.2004 – C-387/01 – Weigel – Slg. 2004, I-4981, Rn 55).
Für die Frage, ob die Freizügigkeit der Unionsbürger nach Art. 18 Abs. 1 EG durch die Regelungen über die Schulpflicht beschränkt wird, gilt dies entsprechend. Das Recht auf Freizügigkeit verleiht den Klägern kein umfassendes Recht darauf, dass schulrechtliche Regelungen eines Mitgliedstaats nur deshalb nicht auf sie angewandt werden, weil sie sie als belastender empfinden als die Regelungen eines anderen Mitgliedstaats, in dem sie sich zeitweise aufgehalten haben. Das Recht auf Freizügigkeit ist keine „Allzweckwaffe gegen missliebige mitgliedstaatliche Regelungen“ (Nettesheim, zit, bei Kroll-Ludwigs, JZ 2009, 153 <155>), die es erlauben würde, sich nach eigenem Belieben die günstigsten Regelungen aus dem Angebot der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten á la carte zu einem individuellen Menu zusammenzustellen.
Selbst wenn die Schulpflicht hier als Beschränkung der Freizügigkeit gewertet werden könnte, läge darin im Übrigen noch kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht. Beschränkungen der Freizügigkeit sind nämlich gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruhen, die in angemessenem Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck stehen (vgl. für das Bildungswesen EuGH, Urt. v. 11.09.2007, a.a.O., Rn 94; Urt. v. 23.10.2007, a.a.O., Rn 33; jeweils m.w.Nwn.). Die allgemeine Schulpflicht verfolgt, wie dargestellt, einen legitimen im Allgemeininteresse liegenden Zweck und ist zu seiner Erreichung geeignet und erforderlich.
7.
Schließlich steht auch Völkerrecht der Schulpflicht nicht entgegen. Art. 13 Abs. 3 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1976 II S. 428) stellt die Zulässigkeit der Schulpflicht nicht in Frage (so aber Tangermann, a.a.O., S. 407f.; dagegen Ennuschat, a.a.O., S. 272). Nach dieser Vorschrift verpflichten sich die Vertragsstaaten, die Freiheit der Eltern zu achten, für ihre Kinder andere als öffentliche Schulen zu wählen, die den vom Staat gegebenenfalls festgesetzten oder gebilligten bildungspolitischen Mindestnormen entsprechen. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 02.07.2007 ausgeführt hat, spricht schon die Formulierung „andere als öffentliche Schulen“ dagegen, aus dieser Vorschrift ein Recht abzuleiten, vom Schulbesuch ganz abzusehen und den häuslichen Unterricht als gleichwertige Alternative zu erachten (ebenso jetzt BayVGH, Beschl. v. 02.08.2007 – 7 ZB 07.987 – NVwZ-RR 2007, 763 <764>). Unabhängig davon entspricht das Homeschooling nicht den geforderten Mindestbedingungen, weil es nach der jedenfalls vertretbaren Einschätzung des Verfassungsgebers hinsichtlich der Vermittlung sozialer und staatsbürgerlicher Kompetenz nicht als gleich wirksam zu bewerten ist. Vor allem aber kann Art. 13 Abs. 3 nicht ohne Rückgriff auf Art. 13 Abs. 2 gelesen werden, in dem die Vertragsstaaten anerkennen, dass der Grundschulunterricht für jedermann Pflicht („compulsory“, „obligatoire“) sein muss.
Der Feststellungsantrag ist daher unbegründet. Auf die von ihnen unter Beweis gestellten Behauptungen kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge waren daher abzulehnen. Der beantragten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Bremischen Staatsgerichtshof bedarf es ebenso wenig wie des beantragten Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof.
B.
Auch mit ihren Hilfsanträgen haben die Kläger keinen Erfolg.
I.
Dabei kann offen bleiben, ob das Begehren, die Kläger zu 3. und 4. von der Schulpflicht zu befreien, noch im Wege der Verpflichtungsklage (Hilfsantrag zu 1.) verfolgt werden kann, nachdem diese Kläger ihre Hauptwohnung nach Frankreich verlegt haben, oder ob das Verpflichtungsbegehren sich durch den Wechsel der Hauptwohnung erledigt hat und deshalb nur als Fortsetzungsfeststellungsklage (Hilfsantrag zu 2.) geltend gemacht werden kann.
II.
Die Beklagte hat die Erteilung einer Befreiung nämlich zu Recht abgelehnt. Die Kläger hatten und haben keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Befreiung
1.
Nach § 57 Abs. 2 BremSchulG ist die Befreiung von der Schulpflicht „nur in besonderen Ausnahmefällen“ möglich. Die Vorschrift ist, wie der Senat schon in seinem Beschluss vom 02.07.2007 ausgeführt hat, nicht nur wegen der im Wortlaut zum Ausdruck gekommenen Verdoppelung (vgl. für die entsprechende Vorschrift des dortigen Landesrechts ebenso VGH Baden-Württemberg, a.a.O. <563>), sondern auch deshalb restriktiv auszulegen, weil Art. 30 Abs. 1 BremLV die allgemeine Schulpflicht uneingeschränkt in der Verfassung verankert hat; der Ausgestaltungsvorbehalt in Art. 30 Abs. 2 BremLV („Das Nähere bestimmt das Gesetz.“) bezieht sich nicht auf das Ob, sondern auf das Wie der allgemeinen Schulpflicht, insbesondere ihre Dauer und ihren Umfang. Ein besonderer Ausnahmefall wird deshalb nur vorliegen können, wenn ein Schüler oder eine Schülerin durch eine langfristige und schwerwiegende Erkrankung an der Erfüllung der Schulpflicht gehindert ist oder wegen der ständigen berufsbedingten Ortswechsel der Eltern (Binnenschiffer, Schausteller, Artisten) durch die Erfüllung der Schulpflicht dauerhaft von den Eltern getrennt würde. Die Frage, ob ein besonderer Ausnahmefall vorliegt, unterliegt uneingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung. Erst wenn sie zu bejahen ist, kann die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheiden, ob und ggf. in welcher Weise den Besonderheiten durch eine Befreiung Rechnung getragen werden soll.
2.
Anhaltspunkte dafür, dass hier ein besonderer Ausnahmefall vorliegen könnte, sind nicht ersichtlich. In seinem Beschluss vom 02.07.2007 hat der Senat dazu ausgeführt:
„Allein daraus, dass die Kinder der Kläger zu Hause an einem Homeschooling-Programm teilnehmen, ergibt sich noch kein besonderer Ausnahmefall. Auch der Vortrag der Kläger, dass der Wille der Kinder einem Schulbesuch entgegenstehe, begründet keinen besonderen Ausnahmefall. Würden diese Gründe als Ausnahmen anerkannt, würde die Erfüllung der Schulpflicht in das freie Belieben der Eltern gestellt. Gesundheitliche Gründe stehen dem Schulbesuch der Kinder gleichfalls nicht entgegen. Die Kläger haben insoweit lediglich vorgetragen, ihre Kinder hätten mit – nicht näher bezeichneten – ,deutlichen psychosomatischen Symptomen‘ reagiert, als sie nach ihrem Umzug nach Bremen zunächst zur Schule gegangen seien. Dieser Vortrag ist nicht hinreichend substantiiert. Er lässt weder Art und Ausmaß der Beschwerden erkennen noch lässt sich ihm entnehmen, dass es sich bei diesen Reaktionen um mehr als normale Anfangsschwierigkeiten gehandelt hat, die häufig nach einer Veränderung der Lebensumstände zunächst auftreten und die in der Regel – insbesondere wenn sich die Eltern darum bemühen, den Kindern die Eingewöhnung in die neuen Lebensverhältnisse zu erleichtern – nach kurzer Zeit überwunden sind. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass – jedenfalls bei der gebotenen Unterstützung durch die Eltern – eine Integration der Kinder in eine Klassengemeinschaft nicht gelingen könnte, sind nicht ersichtlich. Es besteht keine Veranlassung, den Sachverhalt insoweit durch die Prognose eines medizinischen oder psychologischen Sachverständigen weiter aufzuklären.“
An diesen Ausführungen hält der Senat fest.
3.
Ein Ermessensspielraum für die Erteilung einer Befreiung ist der Beklagten daher nicht eröffnet. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Beklagte in anderen Fällen von der Erfüllung der Schulpflicht befreit. Wie die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ergeben haben, ist aber auch nichts dafür ersichtlich, dass die Praxis der Beklagten Anlass für die Annahme bietet, die Kläger könnten von der Beklagten ungleich behandelt worden sein. Soweit die Kläger sich auf die ihnen selbst angebotene teilweise Befreiung von der Schulbesuchspflicht im Schuljahr 2006/07 berufen, geht diese Berufung schon deshalb fehl, weil die damals als Vergleich vorgeschlagene Regelung eine Übergangsmaßnahme mit dem Ziel einer behutsamen, aber baldigen (Wieder-) Eingliederung der Kläger zu 3. und 4. in die Schule sein sollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache nicht die von den Klägern geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind, wie sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt, seit langem geklärt. Dementsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht in einem vergleichbaren Fall mit dem bereits zitierten Beschluss vom 08.05.2008 (a.a.O.) die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision abgelehnt; die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit (unveröffentlichtem) Beschluss vom 09.09.2008 – 1 BvR 1663/08 – nicht zur Entscheidung angenommen.
Beschluss
Der Streitwert wird unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 08.11.2006 für beide Instanzen auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG. Die Verdoppelung des Regelstreitwerts trägt der Tatsache Rechnung, dass Gegenstand des Streites die Schulpflicht zweier Kinder ist.