Zur Bestimmung der Höchstbetragshaftung eines Frachtführers

BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – I ZR 215/07

Sehen die Geschäfts- oder Beförderungsbedingungen eines Frachtführers keine Regelung für seine Höchstbetragshaftung im Fall des Verlusts des Transportguts vor, liegt es im Regelfall nahe, für die Frage, ob ein ungewöhnlich hoher Schaden i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB droht, von dem zehnfachen Betrag der Haftungsbegrenzung nach § 431 Abs. 1 HGB, Art. 23 Abs. 3 CMR auszugehen (Fortführung von BGH, Urt. v. 1.12.2005 – I ZR 31/04, NJW 2006, 1426 = TranspR 2006, 212). Ist durch vorformulierte Vertragsbedingungen (§ 449 Abs. 2 Satz 2 HGB) ein geringerer als der in § 431 Abs. 1 HGB vorgesehene Höchstbetrag vereinbart worden, ist von dem zehnfachen Betrag der vereinbarten Haftungshöchstsumme auszugehen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. November 2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Transportversicherer der C. AG in L. (im Weiteren: Versenderin). Sie nimmt die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht der S. Deutschland AG (im Weiteren: S. AG) wegen Verlusts von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Versenderin beauftragte die S. AG im November 2003 mit der Beförderung von neun Paletten, deren Gesamtgewicht 2.780 kg betrug, von L. zur S. S.A. in Madrid/Spanien. Die S. AG gab den Transportauftrag an die Beklagte weiter, die ihrerseits die E. S.L. (im Weiteren: E. ) mit der Durchführung der Beförderung beauftragte. Die E. übernahm die mit schwarzer Folie ummantelten Paletten am 21. November 2003 bei der Versenderin. Das Gut wurde auf einen von der E. für den Transport eingesetzten Planenauflieger verladen. Der Fahrer füllte für den Transport ein von ihm mitgebrachtes Formular eines CMR-Frachtbriefs nach den Angaben eines Mitarbeiters der Versenderin aus. In der die Art der Warensendung betreffenden Rubrik trug er zunächst „PC-Ware“ ein. Nach der Verladung des Gutes strich er die Buchstaben „PC“ auf dem Frachtbrief wieder durch. Der Fahrer traf am 25. November 2003 auf dem Gelände der S. S.A. in Madrid ein. Nach Öffnung der Plane wurde festgestellt, dass sich die neun bei der Versenderin übernommenen Paletten nicht mehr auf dem Auflieger befanden. Die Klägerin hat die Versenderin für den Verlust des Gutes in Höhe von 144.368 € entschädigt.

Die Klägerin hat behauptet, auf den abhanden gekommenen Paletten hätten sich 563 Computerflachbildschirme im Wert von 144.368 € befunden. Die S. AG habe der Beklagten bei Auftragserteilung mitgeteilt, dass es sich bei dem Transportgut um Computerkomponenten handele. Das Gut sei während des Transports unter Beteiligung des Fahrers der E. , der gewusst habe, dass PC-Ware transportiert werde, gestohlen worden. Die Beklagte hafte auch deshalb unbeschränkt, weil der Planen-Lkw mit dem diebstahlsgefährdeten Gut über Nacht auf einem unbewachten frei zugänglichen Parkplatz abgestellt worden sei.

Die Klägerin nimmt die Beklagte daher auf Zahlung von 144.368 € nebst Zinsen in Anspruch.

Die Beklagte hat eine Beteiligung des Fahrers an der Entwendung des Transportgutes in Abrede gestellt und geltend gemacht, der Diebstahl könne nur während einer vorgeschriebenen Ruhepause erfolgt sein, die der Fahrer am 24./25. November 2003 in der Zeit von 23.30 Uhr bis 7.30 Uhr auf einem unbewachten, aber beleuchteten Parkplatz schlafend im Lkw verbracht habe. Nach dem Aufwachen habe der Fahrer starke Kopfschmerzen verspürt. Er sei daher vermutlich von den Dieben durch Einleitung eines Betäubungsgases in die Fahrerkabine außer Gefecht gesetzt worden
Sie, die Beklagte, habe vom Wert des Gutes keine Kenntnis gehabt, weil ihre Auftraggeberin bei Auftragserteilung dazu keine Angaben gemacht habe. Hätte sie die Art und den Wert der Ware gekannt, hätte sie den Transportauftrag entweder nicht angenommen oder für den Transport – gegen Vereinbarung einer höheren Transportvergütung – einen Kofferauflieger mit zwei Fahrern eingesetzt. Da sie über den hohen Wert des Gutes nicht aufgeklärt worden sei, treffe ihre Auftraggeberin an der Schadensentstehung ein Mitverschulden, das sich die Klägerin zurechnen lassen müsse.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 38.371,81 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf TranspR 2008, 33) der Klage unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten in vollem Umfang stattgegeben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit über einen Betrag von 26.783,85 € nebst Zinsen hinaus zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust des Gutes nach Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR angenommen und ein der Klägerin zuzurechnendes Mitverschulden der S. AG verneint. Dazu hat es ausgeführt:
Der der S. AG für den Verlust des Gutes gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR zustehende Schadensersatzanspruch sei durch Abtretung auf die Klägerin übergegangen. Die Beklagte schulde, da sie den Warenverlust leichtfertig verursacht habe, nach Art. 29 CMR vollen Schadensersatz. Schadensursache und Schadenshergang lägen im Dunkeln, weil die Beklagte ihrer Einlassungsobliegenheit nicht nachgekommen sei. In einem solchen Fall sei von einer leichtfertigen Schadensverursachung seitens des Frachtführers auszugehen.

Die Klägerin müsse sich kein Mitverschulden der S. AG an der Entstehung des Schadens zurechnen lassen. Die S. AG habe der Beklagten zwar nicht den Wert des Gutes mitgeteilt, so dass sich die Frage stelle, ob die Klägerin sich ein Mitverschulden wegen unterlassenen Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens zurechnen lassen müsse. Im Streitfall habe jedoch kein außergewöhnlich hoher Schaden gedroht. Bei einem Frachtvertrag sei eine Hinweispflicht des Versenders dann anzunehmen, wenn der Warenwert den zehnfachen Schadensersatzbetrag übersteige, der im Verlustfall nach der gesetzlich vorgesehenen Höchstbetragshaftung oder nach der in den Beförderungsbedingungen des Frachtführers vereinbarten Haftungsobergrenze geschuldet werde. Danach habe keine Hinweispflicht der S. AG bestanden. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht in den zwischen ihr und der S. AG geschlossenen Frachtvertrag einbezogen worden seien, hätte eine Hinweispflicht nach § 254 Abs. 2 BGB erst bestanden, wenn der Wert der Warensendung den zehnfachen nach der CMR geschuldeten Höchstbetrag überschritten hätte. Tatsächlich habe sich der Wert des Gutes nur auf etwa das Vierfache dieses Betrags belaufen.

II. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden der S. AG wegen Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) verneint.

1. Das Berufungsgericht hat die Revision nur beschränkt auf die Frage des Mitverschuldens wegen Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens zugelassen. Im Tenor seines Urteils findet sich keine Angabe zur Zulassung der Revision. In den Entscheidungsgründen hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Revision werde zugelassen, weil der Bundesgerichtshof die für die gesamte Branche grundsätzlich bedeutsame Frage, wo die Wertgrenze für einen ungewöhnlich hohen Schaden anzusetzen sei, wenn der Frachtführer in seinen Beförderungsbedingungen keine Haftungshöchstgrenzen festgesetzt habe, bislang noch nicht entschieden habe. Das Speditionsgewerbe wie auch die Versender seien darauf angewiesen, möglichst bald Klarheit darüber zu haben, wann im Regelfall von einem drohenden ungewöhnlich hohen Schaden auszugehen sei und dem Frachtführer daher gemäß § 254 Abs. 2 BGB der tatsächliche Wert der Fracht bekannt gegeben werden müsse.

Das Berufungsgericht hat damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es nur die von ihm vorgenommene Beurteilung des Mitverschuldens und nicht auch die Frage einer unbeschränkten Haftung der Beklagten nach Art. 29 CMR zum Gegenstand einer möglichen revisionsgerichtlichen Überprüfung machen wollte. Diese Beschränkung der Zulassung ist entgegen der Ansicht der Revision zulässig und damit auch wirksam.

a) Die Zulassung der Revision kann allerdings nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden. Eine Beschränkung der Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen ist daher unzulässig (st. Rspr.; vgl. BGHZ 101, 276, 278; 111, 158, 166; BGH, Urt. v. 21.9.2006 – I ZR 2/04, TranspR 2006, 451, 452 m.w.N.).

b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage des Mitverschuldens der Klägerin betrifft schon deshalb einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs und ist daher wirksam, weil das Berufungsgericht bei Erlass eines Grundurteils die Frage des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 BGB dem Nachverfahren über den Betrag hätten vorbehalten können (BGHZ 76, 397, 399 f.). Dass es tatsächlich kein Grundurteil erlassen hat, ist unerheblich (BGHZ 76, 397, 399).

Im Streitfall besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass der Einwand nach § 254 Abs. 2 BGB zum vollständigen Wegfall der Haftung der Beklagten führen könnte. Hat der Versender positive Kenntnis davon, dass der Frachtführer bestimmte Güter nicht befördern will, und setzt er sich bei der Einlieferung bewusst über den entgegenstehenden Willen des Frachtführers hinweg, so kann sein darin liegendes Mitverschulden bei einem Verlust des Gutes zwar zu einem vollständigen Ausschluss der Haftung des Frachtführers führen, selbst wenn dieser wegen eines Organisationsverschuldens leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.2007 – I ZR 109/04, TranspR 2007, 405 Tz.
m.w.N.). Die Beklagte hat im Streitfall aber nicht geltend gemacht, ihre Auftraggeberin, die S. AG, habe positive Kenntnis davon gehabt, dass sie, die Beklagte, Güter mit einem derartigen Wert nicht befördern wollte. Sie hat vielmehr lediglich vorgetragen, sie hätte den Transportauftrag entweder nicht angenommen oder für den Transport – gegen Vereinbarung einer höheren Transportvergütung – einen Kofferauflieger mit zwei Fahrern eingesetzt, wenn sie die Art und den Wert der Ware gekannt hätte. Auf diesen Vortrag kann ein vollständiger Haftungsausschluss der Beklagten nicht gestützt werden.

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand nach § 254 Abs. 2 BGB auch im Falle des qualifizierten Verschuldens i.S. von Art. 29 CMR zu berücksichtigen ist. Mit Recht hat es zudem angenommen, im Rahmen der Haftung nach Art. 29 CMR könne sich ein anspruchsminderndes Mitverschulden i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB daraus ergeben, dass der Geschädigte es unterlassen habe, den Schädiger im Hinblick auf den Wert des Gutes auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die dieser weder gekannt habe noch habe kennen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 – I ZR 95/01, TranspR 2005, 311, 314 f. = VersR 2006, 814; Urt. v. 19.1.2006 – I ZR 80/03, TranspR 2006, 121, 122 = VersR 2006, 953).

Die Obliegenheit zur Warnung gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB soll dem Schädiger Gelegenheit geben, geeignete Schadensabwendungsmaßnahmen zu ergreifen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber wusste oder hätte wissen müssen, dass der Frachtführer das Gut mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, wenn er den tatsächlichen Wert der Sendung gekannt hätte. Den Auftraggeber trifft vielmehr eine allgemeine Obliegenheit, auf die Gefahr eines außergewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen, um seinem Vertragspartner die Möglichkeit zu geben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Daran wird der Schädiger jedoch gehindert, wenn er keine Kenntnis von der Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hat (BGH TranspR 2005, 311, 314 f.; BGH, Urt. v. 15.12.2005 – I ZR 95/03, TranspR 2006, 210, 211).

3. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass im Streitfall kein ungewöhnlich hoher Schaden i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gedroht hat.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Voraussetzung einer ungewöhnlichen Höhe des Schadens nicht in einem bestimmten Betrag oder in einer bestimmten Wertrelation (etwa zwischen dem unmittelbar gefährdeten Gut und dem Gesamtschaden) angeben lässt. Die Frage, ob ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, kann vielmehr regelmäßig nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei ist maßgeblich auf die Sicht des Schädigers abzustellen und auch zu berücksichtigen, welche Höhe vergleichbare Schäden erfahrungsgemäß – also nicht nur selten – erreichen. Da es insoweit maßgeblich auf die Sicht des Schädigers ankommt, ist vor allem von Bedeutung, in welcher Höhe dieser, soweit er die Möglichkeit einer vertraglichen Disposition hat, Haftungsrisiken einerseits vertraglich eingeht und andererseits von vornherein auszuschließen bemüht ist (BGH, Urt. v. 1.12.2005 – I ZR 31/04, NJW 2006, 1426 Tz. 28 = TranspR 2006, 212 m.w.N.).

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, im Rahmen eines Frachtvertrags bestehe eine Hinweispflicht des Versenders nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn der Warenwert den zehnfachen Schadensersatzbetrag überschreite, der im Verlustfall nach der in den Beförderungsbedingungen des Frachtführers ausbedungenen Haftungsbegrenzung oder nach der gesetzlich vorgesehenen Höchstbetragshaftung geschuldet werde. Hierfür spreche zum einen der Umstand, dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Transportschäden durch ein Paketdienstunternehmen eine Hinweispflicht des Versenders angenommen worden sei, wenn der Warenwert den zehnfachen Betrag der in den Beförderungsbedingungen vorgesehenen Haftungshöchstgrenze überstiegen habe, sofern nicht die gesetzliche Höchstbetragshaftung über diesem Betrag gelegen habe. Zudem sähen die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen in Nr. 3.6 eine Hinweispflicht des Auftraggebers vor, wenn der Warenwert den zehnfachen Betrag der nach Nr. 23.1 vorgesehenen Haftungshöchstgrenze von 5 € je Kilogramm Rohgewicht überschreite. Dieser Regelungszusammenhang lasse vermuten, dass im Speditionsgewerbe ein Warenwert von etwa dem Zehnfachen des Haftungshöchstbetrags als ungewöhnlich wertvolle Fracht angesehen werde. Es sei daher davon auszugehen, dass aus der Sicht der Spediteure/Frachtführer Transportschäden wegen Warenverlusts regelmäßig nicht höher seien als der zehnfache Betrag der gesetzlichen Haftungsbegrenzung.

c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Hinweispflicht des Versenders bestehe nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn der Warenwert den zehnfachen Schadensersatzbetrag überschreite, der im Verlustfall nach der in den Beförderungsbedingungen des Frachtführers ausbedungenen Haftungsbegrenzung oder nach der gesetzlich vorgesehenen Höchstbetragshaftung geschuldet werde, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

aa) Allerdings lässt sich nicht schon ohne weiteres aus der Regelung in Nr. 3.6 ADSp herleiten, dass ein Warenwert von etwa dem Zehnfachen des Haftungshöchstbetrags bei Transportaufträgen der vorliegenden Art als ungewöhnlich wertvolle Fracht anzusehen ist. Das Berufungsgericht hat, soweit es bei seiner Beurteilung an die Nummern 3.6 und 23.1.1 ADSp angeknüpft hat,
nicht berücksichtigt, dass die Haftungshöchstgrenze nach Nr. 23.1.1 ADSp von 5 € je Kilogramm Rohgewicht allein für Schäden im speditionellen Gewahrsam gilt (vgl. Bahnsen in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., Ziff. 23 ADSp Rdn. 6; Knorre, TranspR 2008, 162). Für Schäden, die – wie hier – am Gut während des Transports mit einem Beförderungsmittel eintreten, gilt diese Haftungsbegrenzung nicht. Für Transportschäden bestimmt Nr. 23.1.2 ADSp vielmehr, dass der für diese Beförderung gesetzlich festgelegte Haftungshöchstbetrag maßgeblich ist. Dieser beträgt im Regelfall sowohl beim nationalen (§ 431 Abs. 1 HGB) als auch beim grenzüberschreitenden Straßengütertransport (Art. 23 Abs. 3 CMR) 8,33 Rechnungseinheiten je Kilogramm Rohgewicht. Nach dem Umrechnungswert eines Sonderziehungsrechts des Internationalen Währungsfonds (§ 431 Abs. 4 HGB, Art. 23 Abs. 7 CMR) im Zeitpunkt der Beauftragung der Beklagten am 20. November 2003, der damals bei 1,213450 € lag, wäre demgemäß die Höhe der Entschädigungsleistung nach Nr. 23.1.2 ADSp auf etwa 10,10 € je Kilogramm begrenzt gewesen. Die Wertgrenze von 50 €/kg in Nr. 3.6 ADSp hätte sich danach im Verhältnis zu diesem Betrag nicht auf etwa das Zehnfache, sondern lediglich auf etwa das Fünffache belaufen.

bb) Zutreffend ist das Berufungsgericht jedoch davon ausgegangen, dass für die Frage, ab welchem Wert des Transportgutes im Falle seines Verlustes ein ungewöhnlich hoher Schaden i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB anzunehmen ist, nur im Gesetz oder internationalen Abkommen wie der CMR vorgesehene Haftungssummen als Anknüpfungspunkte in Betracht kommen, wenn – wie im Streitfall – nicht an Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten oder ihrer Auftraggeberin angeknüpft werden kann.

Für den grenzüberschreitenden Straßengütertransport bestimmt Art. 23 Abs. 3 CMR, dass die Schadensersatzleistung des Frachtführers für gänzlichen oder teilweisen Verlust – sofern die Voraussetzungen des Art. 29 CMR nicht erfüllt sind – 8,33 Rechnungseinheiten für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts nicht übersteigen darf. Diese Regelung ist für die Parteien des Frachtvertrags zwingend, da nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 CMR jede Vereinbarung nichtig und ohne Rechtswirkung ist, die von den Bestimmungen des Übereinkommens abweicht. Von der in § 431 Abs. 1 HGB gleichfalls auf 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung begrenzten Höchstsumme der Haftung bei Verlust oder Beschädigungen des Transportguts, für die nach den Vorschriften der §§ 429 und 430 HGB Entschädigung zu leisten ist, kann dagegen durch Parteivereinbarung abgewichen werden. Die Haftung kann gemäß § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HGB durch vorformulierte Vertragsbedingungen auf einen anderen als den in § 431 Abs. 1 HGB vorgesehenen Betrag begrenzt werden, wenn dieser Betrag zwischen zwei und vierzig Rechnungseinheiten liegt und in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorgehoben ist. Der Frachtführer, der in seinen Beförderungsbedingungen keine Haftungshöchstgrenze bestimmt hat, muss mithin bei einem Verlust des Gutes im Straßengütertransport mit einer Haftung in Höhe von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts der Sendung rechnen.

Angesichts dieser Haftungsbegrenzungen erscheint es dem Senat – insoweit in Übereinstimmung mit der Auffassung des Berufungsgerichts – naheliegend, im Frachtrecht die Gefahr eines besonders hohen Schadens i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB in solchen Fällen anzunehmen, in denen der Wert der Sendung den zehnfachen Betrag der Regelhaftung gemäß § 431 Abs. 1 HGB, Art. 23 Abs. 3 CMR übersteigt. Hiervon ist allerdings nur dann auszugehen, wenn die Parteien des Beförderungsvertrags – wie im Streitfall – hinsichtlich der Höchstsumme der Frachtführerhaftung keine Vereinbarung getroffen haben. Sofern durch vorformulierte Vertragsbedingungen (§ 449 Abs. 2 Satz 2 HGB) ein geringerer als der in § 431 Abs. 1 HGB vorgesehene Höchstbetrag vereinbart wurde, ist von diesem Betrag auszugehen und die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens in der Regel dann naheliegend, wenn der Wert der Sendung das Zehnfache der vereinbarten Haftungshöchstsumme übersteigt. Liegt die aufgrund von vorformulierten Vertragsbedingungen vorgesehene Haftungshöchstsumme über dem Haftungshöchstbetrag von 8,33 Rechnungseinheiten/kg nach § 431 Abs. 1 HGB, so kommt auch dann im Regelfall die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens in Betracht, wenn der Wert der Sendung den zehnfachen Schadensersatzbetrag übersteigt, der im Verlustfall gemäß § 431 Abs. 1 HGB geschuldet wird. Haben die Parteien des Beförderungsvertrags die Höchstbetragshaftung des Frachtführers dagegen individuell ausgehandelt, so kommt der konkreten Parteivereinbarung ein besonderes Gewicht zu, dem gegenüber die an den Haftungshöchstgrenzen nach § 431 Abs. 1 HGB, Art. 23 Abs. 3 CMR ausgerichtete Bestimmung des Betrags, ab dem von einem ungewöhnlich hohen Schaden i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auszugehen sein kann, zurückzutreten hat.

d) Danach hat im Streitfall bei einem Verlust des Gutes kein ungewöhnlich hoher Schaden i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gedroht, auf den die S. AG die Beklagte bei Auftragserteilung hätte hinweisen müssen. Bei einem Gewicht der Sendung von 2.780 kg und dem Wert eines Sonderziehungsrechts von 1,213450 € bei Auftragserteilung am 20. November 2003 hätte der nach Art. 23 Abs. 3 CMR zu ermittelnde Haftungshöchstbetrag 28.100,35 € betragen. Demgemäß hätte für den Fall des Verlusts des Transportguts ein besonders großer Schaden i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB erst bei einem Wert der Sendung von mehr als 281.000 € in Betracht gezogen werden müssen. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte die abhandengekommene Ware jedoch einen unter diesem Betrag liegenden Wert von 144.368 €.

III. Demnach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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