Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 22.04.2010 – 6 U 1/09
Wenn ein Verfrachter die Nebenpflicht übernimmt, einen Container zu stellen, muss er dafür sorgen, dass sich der Container in einem für den vertragsgemäßen Gebrauch tauglichen Zustand befindet. Weist der Container Mängel auf, so haftet der Verfrachter wegen Verletzung dieser Nebenpflicht aus dem Frachtvertrag. (Rn. 23).
Trolleys sind „Stück“ i. S. d. § 660 HGB (Rn. 29).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 3 für Handelssachen, Geschäfts-Nr. 403 O 62/08, vom 25.11.2008, geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den am 22.4.2010 geltenden Gegenwert von 5.094 Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds in Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2008 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin EUR 7.012,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2008 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz haben die Klägerin 45 % und die Beklagte 55 % zu tragen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in 2. Instanz haben die Klägerin 41 % und die Beklagte 59 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die jeweilige Schuldnerin kann jeweils die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Gläubigerin jeweils vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil vom 25.11.2008 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Beklagte im angefochtenen Urteil zur Zahlung vom EUR 21.536,90 nebst anteiligen Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
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Gegen ihre Verurteilung in dem ihr am 1.12.2008 zugestellten Urteil richtet sich die am 30.12.2008 eingelegte und nach entsprechender Fristverlängerung am 1. März 2009 begründete Berufung der Beklagten.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Hamburg – 403 O 62/08 – vom 25. 11. 2008 teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Beide Parteien vertiefen ihren Vortrag 1. Instanz. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.
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Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass die Beklagte dem Grunde nach für den geltend gemachten Schaden haftet. Die Haftung ist aber gemäß §§ 659, 660 HGB begrenzt.
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Im Einzelnen:
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Zwischen den Parteien ist ein Frachtvertrag und kein Speditionsvertrag zustande gekommen. Die Klägerin hatte in 1. Instanz vorgetragen, dass ihre Versicherungsnehmerin … (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) die Beklagte jeweils „zu festen Kosten mit der Gestellung eines Containers und der Abholung der Sendung und Anlieferung in Salzbergen“ beauftragt habe. Die Beklagte hatte in 1. Instanz demgegenüber vorgetragen, dass die Versicherungsnehmerin die Beklagte jeweils mit der „Besorgung eines Containertransportes“ beauftragt habe. Das Landgericht ist von „Frachtverträgen“ ausgegangen. In der Berufungsbegründung spricht auch die Beklagte von einem „Frachtvertrag“
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Im Angebot der Beklagten tritt diese selbst nicht ausdrücklich als „Spedition“ auf, sondern führt den Zusatz „Logistik & Service“. Im Angebot ist von „Seefracht“ die Rede, was für die Einordnung des Vertrages als Frachtvertrag spricht. Wenn es dort heißt: „Verschiffung erfolgt vorrangig mit Mitsui- und Hanjin-Reedereien“, spricht dies nicht gegen einen Frachtvertrag, weil diese Aussage damit vereinbar ist, dass die Beklagte die Reedereien als Unterverfrachter einsetzt. Die im Angebot genannte „Rechtsgrundlage“ spricht weder für noch gegen einen Frachtvertrag. Die Ausstellung jeweils einer eigenen „Bill of Lading“ spricht für das Vorliegen eines Frachtvertrages. Die Bill of Lading ist zwar jeweils durch die philippinische Schwestergesellschaft der Beklagten ausgestellt worden, aber unstreitig für die Beklagte.
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Es handelt sich um einen Multimodalvertrag, weil die Beklagte jedenfalls für den Seetransport Manila – Rotterdam und für den anschließenden Landtransport nach Salzbergen verantwortlich war.
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Anwendbar ist deutsches Recht, weil beide Vertragsparteien (Versicherungsnehmerin und Beklagte) ihren Sitz in Deutschland haben und die Ware in Deutschland abgeliefert werden sollte (vgl. Art. 28 Abs. 4 EGBGB a.F.).
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Eine verschuldensunabhängige Haftung kann nach den derzeit möglichen tatsächlichen Feststellungen allerdings nicht bejaht werden. Dabei kommt es an dieser Stelle nicht darauf an, ob allgemeines Transport- oder Seetransportrecht anwendbar ist. Eine verschuldensunabhängige Haftung für eine Beschädigung der transportierten Güter würde sowohl nach § 425 Abs. 1 HGB als auch nach § 606 Satz 2 HGB erst mit der Übernahme bzw. Annahme entstehen. Die Beklagte (bzw. die von ihr eingeschaltete Reederei) hat die Güter erst mit Verladung des Containers auf das Schiff in Manila übernommen. Für den Vorlauf (Transport bis zum Hafen Manila) war sie nicht verantwortlich. Insoweit ist das Angebot der Beklagten an die Versicherungsnehmerin eindeutig. Es geht um die „Seefracht“ ab „FOB Verschiffungshafen bis CFR Nordseehafen“ und dann weiter „ab CFR bis frei Haus“. Der Vorlauf (Transport bis zum Verschiffungshafen Manila) ist im Angebot eindeutig nicht umfasst und auch nicht in Rechnung gestellt. Wer wen mit dem Vorlauf-Transport (bis Manila) beauftragt hat, ist nicht eindeutig geklärt. Es spricht viel dafür, dass die philippinische Tochtergesellschaft der Versicherungsnehmerin (die Lieferantin) die philippinische Schwestergesellschaft der Beklagten im eigenen Namen mit dem Transport bis Manila beauftragt hat. Dies kann letztlich dahinstehen. Jedenfalls gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte hiermit beauftragt worden wäre. Soweit sich die Klägerin auf das Vorliegen einer „Routing Order“ bezieht, ist nicht näher dargelegt, was die Klägerin unter diesem – gesetzlich nicht definierten – Begriff versteht (vgl. dazu Bodis, TranspR 2009, 5 ff.). Die Vertragsunterlagen (d. h. insbesondere das schriftliche Angebot der Beklagten an die Versicherungsnehmerin) sind aber eindeutig und durch die Bezugnahme auf eine „Routing Order“ nicht in Frage gestellt.
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Es steht nicht fest, dass der Schaden erst nach Übernahme/Abnahme der Ware, also erst nach Verladen auf das Schiff in Manila, eingetreten ist. Die Beklagte behauptet, dass der Schaden bereits vor Übernahme (auf dem Schiff in Manila) eingetreten ist, weil die Farbe bereits einen Tag im Container ausdünsten und auf die Textilien übergreifen konnte. Die Klägerin bestreitet das, trägt aber die Beweislast dafür, dass der Schaden erst nach Annahme / Übernahme (also während des Obhutszeitraums) eingetreten ist. Ggf. wäre die Aufklärung durch ein Sachverständigen-Gutachten denkbar. Dies kann aber dahinstehen, weil die Beklagte aus anderem Grunde haftet (wenn auch der Höhe nach durch §§ 659, 660 HGB begrenzt).
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Auch für die Frage der Haftungsbegrenzung gemäß §§ 659, 660 HGB kommt es nicht darauf an, wann der Schaden genau eingetreten ist. Diese Haftungsbegrenzung würde nämlich auch dann eingreifen, wenn sich (nach einer fiktiven Beweisaufnahme) herausstellen sollte, dass die Beklagte wegen eines nach Obhutsübernahme eingetretenen Schadens haften sollte. Zwischen den Parteien ist nur streitig, ob der Schaden während des „Vorlaufs“ (Transport nach Manila) oder auf dem Schiff (während des Transports von Manila nach Rotterdam) eingetreten ist. Dass der Schaden erst nach Abschluss des Seetransports auf dem Landwege (Rotterdam nach Salzbergen) eingetreten ist, ist wegen der Dauer der Seereise fernliegend und wird auch von keiner Seite behauptet. Wenn der Schaden also überhaupt erst nach Obhutsübernahme durch die Beklagte entstanden sein sollte (und nicht schon vorher entstanden ist), wäre dies während des Seetransports geschehen, so dass gemäß § 452 a HGB Seerecht anwendbar wäre und damit auch die Haftungsbegrenzung der §§ 659, 660 HGB eingreifen würde.
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Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch kann dem Grunde nach jedenfalls darauf gestützt werden, dass die Beklagte vor Annahme / Übernahme der Ware eine Nebenpflicht verletzt hat. Gemäß § 280 BGB ist sie deshalb für den entstandenen Schaden ersatzpflichtig.
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Die Stellung eines für den Transport geeigneten Containers fällt in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Das folgt allerdings nicht allein daraus, dass dieser Container für den Seetransport erforderlich war. Die Beklagte weist nämlich zu Recht darauf hin, dass die Ware schon vor Beginn des Seetransports im Container verpackt werden musste und der Container auch schon für den Transport bis zum Schiff erforderlich war.
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Die Verantwortung der Beklagten ergibt sich aber aus anderen Überlegungen. Es entspricht einer häufigen Handhabung, dass eine (nur) mit einem Seetransport beauftragte Reederei, die regelmäßig im Besitz vieler Container ist, bei Buchung von Frachtraum dem Befrachter (der häufig nicht im Besitz eines Containers ist) einen Container zur Verfügung stellt. Dies geschieht unabhängig davon, wer den „Vorlauf“ durchzuführen hat. Es ist ggf. Sache des Befrachters, ggf. den Container abzuholen, zu beladen und zum Schiff zu bringen. Das ändert aber nichts daran, dass das bloße Zur-Verfügung-Stellen des Containers eine Leistung der Reederei (des Verfrachters) ist. Dabei spielt auch keine Rolle, ob hierfür eine gesonderte Vergütung verlangt wird oder nicht (ggf. kann sie auch in die allgemeine Seefracht mit einkalkuliert sein; eine gesonderte Vergütung wird dann nur bei verspäteter Rückgabe – Detention – verlangt, vgl. hierzu auch das Angebot der Beklagten). Ein solcher Fall liegt hier vor, da unstreitig der Container durch die von der Beklagten beauftragte Reederei gestellt worden ist.
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Wenn ein Befrachter anlässlich des Abschlusses eines Seetransportvertrages einen Container bei einer Reederei abruft und die Reederei einen Container zur Verfügung stellt, handelt es sich dabei um eine (konkludent) vereinbarte Nebenleistung zum Seetransportvertrag. Für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Nebenpflicht ist die Reederei / der Verfrachter verantwortlich. Im vorliegenden Fall ist kein Seetransportvertrag zwischen der Versicherungsnehmerin und der Reederei zustande gekommen, sondern zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten (als Teil des multimodalen Transportauftrages). Die Reederei ist von der Beklagten als Unterverfrachter eingeschaltet worden. Das ändert aber nichts daran, dass die Nebenleistung dem Seetransport zuzurechnen ist. Mit dem Seetransport ist die Beklagte von der Versicherungsnehmerin beauftragt worden.
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Wenn ein Verfrachter die Nebenpflicht übernimmt, einen Container zu stellen, muss er dafür sorgen, dass sich der Container in einem für den vertragsgemäßen Gebrauch tauglichen Zustand befindet. Weist der Container Mängel auf, so haftet der Verfrachter wegen Verletzung dieser Nebenpflicht aus dem Frachtvertrag. Der Senat folgt insoweit der bereits vom Landgericht zitierten Auffassung von Rabe (Seehandelsrecht, 4. Aufl., § 606, Rn. 6). Die Container waren im vorliegenden Fall wegen des frischen und ausdünstenden Farbanstrichs nicht für den Transport von Kleidungsstücken geeignet. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung angesprochen hat, dass die Reederei nicht habe wissen können, was im Container transportiert werden solle, und es Sache der philippinischen Tochtergesellschaft der Versicherungsnehmerin (bzw. dem von ihr beauftragten Transportunternehmen) gewesen sei, einen geeigneten Container auszusuchen, lässt das eine Haftung nicht entfallen. Zum einen ist der Transport von Textilien durchaus häufig. Ein Verfrachter muss damit rechnen, dass in einem von ihm gestellten Container Textilien transportiert werden sollen. Ggf. muss er entsprechende Hinweise erteilen, dass in einem Container nur geruchsunempfindliche Güter transportiert werden dürfen. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass Vertragspartnerin die Beklagte selbst war. Diese hat einen Transportvertrag mit der Versicherungsnehmerin geschlossen. Dass die Versicherungsnehmerin im Zweifel Textilien befördern lassen will, ergibt sich schon aus ihrem Namen („Fashion“). Die Erwähnung von „Hängeequipment“ im Angebot der Beklagten deutet auch darauf hin, dass der Beklagten durchaus bewusst war, mit welcher Art von Waren die Versicherungsnehmerin handelt und welche Art von Waren sie transportieren lassen will. Es wäre dann Sache der Beklagten gewesen, ihre Unterverfrachterin (die Reederei) hiervon zu informieren.
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Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB ist zwar nur bei Verschulden gegeben. Verschulden liegt aber vor. Die Beklagte muss sich gemäß § 278 BGB das Verschulden von Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen. Hier ist die von der Beklagten eingeschaltete Reederei Unterverfrachterin und damit Erfüllungsgehilfin. Die Reederei hat im Zweifel den Anstrich der Container selbst veranlasst. Jedenfalls hätte sie erkennen können, dass die von ihr gestellten Container für den Transport von Textilien ungeeignet waren.
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Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist allerdings der Höhe nach gemäß §§ 659, 660 HBG begrenzt. Bei der vorliegenden Fallkonstellation ist Seerecht anwendbar. Dies folgt allerdings nicht aus § 452 a HGB. Diese Vorschrift ist hier nicht einschlägig. Die Regelung in § 452 a HGB stellt darauf ab, auf welcher Teilstrecke ein Schaden eingetreten ist. Wie sich aus § 452 HGB ergibt, sind Fälle gemeint, in denen ein einheitlicher Frachtvertrag mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln geschlossen worden ist. Das ist zwar an sich der Fall, weil die Beklagte sowohl den Seetransport (Manila nach Rotterdam) und den anschließenden Landtransport (Rotterdam nach Salzbergen) durchführen sollte. Es geht aber – wie bereits ausgeführt – hier nicht darum, ob der Schaden auf See oder beim anschließenden Landtransport eingetreten ist (Letzteres kommt hier nicht in Betracht). Hier geht es darum, ob der Schaden während des „Vorlaufs“ (Landtransport bis Manila) oder während des anschließenden Seetransports eingetreten ist. Insoweit liegt aber gerade kein einheitlicher Frachtvertrag vor, wie ihn § 452 HGB voraussetzt. Die Beklagte ist gerade nicht mit dem „Vorlauf“ beauftragt worden. Da § 452 a HGB nicht eingreift, kommt es für die Frage des anwendbaren Rechts nur darauf an, welcher Art des Transports die hier verletzte Nebenpflicht (Stellung eines ungeeigneten Containers) zuzuordnen ist. Das ist hier – wie ebenfalls bereits ausgeführt – der Seetransport.
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Die Regelungen der §§ 659, 660 HGB sind allgemein anwendbar, wenn es um die Haftung für Beschädigung der Güter geht. Ob die Haftung auf § 606 Satz 2 HGB (verschuldensunabhängige Haftung während der Obhutszeit) oder auf schuldhafter Verletzung einer Nebenpflicht beruht, ist irrelevant, da es gemäß § 607 a HGB nicht darauf ankommt, auf welchem Rechtsgrund der Anspruch beruht. Im vorliegenden Fall geht es jedenfalls um die Beschädigung der transportierten Güter.
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Nach § 660 HGB haftet der Verfrachter höchstens bis zu einem Betrag von 666,67 Sonderziehungsrechten für das Stück oder die Einheit oder einem Betrag von 2 Sonderziehungsrechten für das Kilogramm des Rohgewichts der beschädigten Güter, je nachdem, welcher Betrag höher ist.
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Diese Haftungsbegrenzung wirkt sich im vorliegenden Fall nur im ersten Schadensfall aus. Gegenstand des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ist insoweit nur der Container MOAU 077999-0. Aus der eingereichten Bill of Lading (Anlage K 2 b) ergibt sich, dass dort angegeben war in der Spalte „Pcks“ die Zahl 7. Im weiteren Text ist von 7 Trolleys die Rede mit 3.204 Stück (Pcs.) Hosen; Gewicht 2.547 kg. Stellt man auf „Stück“ oder „Einheit“ im Sinne von § 660 HGB ab, ist nach Auffassung des Senats maßgebend, dass 7 Trolleys transportiert wurden. Dass sich in den Trolleys 3.204 Hosen befanden, ist unerheblich.
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Die Vorschrift des § 660 HGB beruht auf der Neufassung von Art. IV § 5 der Haager Regeln durch Art. II der Visby-Regeln (vgl. Rabe, a.a.O., § 660, Rn. 1). Sowohl in den Haager Regeln als auch in den Visby-Regeln ist im französischen Text von „colis ou unité“ die Rede, im englischen Text von „package or unit“. Bei der Auslegung, was unter „Stück“ im Sinne von § 660 HGB zu verstehen ist, ist deshalb auch darauf abzustellen, was man unter „colis“ oder „package“ versteht (vgl. auch Herber, Seehandelsrecht, S. 329). Der französische Begriff „colis“ entspricht im Deutschen am ehesten „Frachtstück“, „Gepäckstück“, „Kollo“, „Packstück“ oder „Paket“ (Übersetzung nach dem Online-Wörterbuch von LEO), wobei „Paket“ die häufigste Übersetzung ist (etwa bei Larousse, Pons, PROMT, google). In § 660 HGB a.F. wurde „colis“ mit „Packung“ übersetzt. Die Änderung in „Stück“ im jetzigen Wortlaut des § 660 HGB sollte deutlich machen, dass auch unverpackte Einzelstücke unter den Begriff fallen (vgl. Herber, a.a.O.; vgl. auch BT-Drucks. 10/3852, S. 23). Jedenfalls dann, wenn die transportierten Güter tatsächlich verpackt sind, muss man sich nach Auffassung des Senats an der Art der „Packung“ orientieren, hier also an den Trolleys. Dafür spricht auch, dass in der Bill of Lading (Anlage K 2 b) ausdrücklich eine Spalte „Pcks“ vorgesehen und mit der Zahl „7“ ausgefüllt ist. Maßgebend dafür, wie viel „Stück“ im Sinne von § 660 HGB im Container transportiert worden sind, sind demnach die 7 Trolleys. Das ist auch kein Widerspruch zur Entscheidung des Senats vom 15. 10. 1992 (TranspR 1992, 111), in der unverpackte Schweinehälften als „Einheiten“ im Sinne von § 660 HGB angesehen wurden. Die Besonderheit des damals entschiedenen Falles lag darin, dass die Schweinehälften eben unverpackt waren und einzeln zu transportieren gewesen wären. Hier waren die Herrenhosen aber für Transportzwecke in Trolleys als „Packungen“ zusammengefasst. Darauf, dass die Herrenhosen ggf. einzeln und stückweise verkauft werden, kommt es nicht an. Maßgeblich sind die Verhältnisse auf dem Transport und was üblicherweise einzeln verschifft wird (vgl. OLG Hamburg, TranspR 1992, 111, 112; Hamburger Schiedsspruch vom 12. 12. 1991, TranspR 1992, 74, 78). Auch bei der Auslegung des Begriffs „Einheit“, bei der sich ähnlich Probleme stellen, wird auf eine „ladungsorientierte Betrachtungsweise“ abgestellt (Rabe, a.a.O., § 660, Rn. 11).
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Die an der Stückzahl orientierte Haftungshöchstgrenze beträgt 7 x 666,67 SZR = 4.666,69 SZR. Die am Gewicht orientierte Haftungshöchstgrenze beträgt bei 2.547 kg 5.094 SZR. Da das der höhere Betrag ist, ist es auch der für die Haftung maßgebende Betrag
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Beim zweiten Schadensfall (Container MOAU 672034-6) sind in der Bill of Lading 279 Kartons angegeben, so dass der an der Stückzahl orientierte Haftungshöchstbetrag 279 x 666,67 = 186.000,93 SZR beträgt. Der geltend gemacht Schaden ist deutlich geringer, so dass sich § 660 HGB insoweit nicht haftungsbegrenzend auswirkt. Geltend gemacht werden kann (da – wie ausgeführt – Seerecht anwendbar ist) aber nur der Differenzwert gemäß § 659 HGB. Der Senat schätzt, dass die geltend gemachten Kosten für die Schadensbeseitigung diesem Differenzwert entsprechen. Da im Seetransportrecht eine § 430 HGB entsprechende Vorschrift fehlt, können aber die Schadensfeststellungskosten nicht geltend gemacht werden, so dass die Klägerin nur den „Warenschaden“ von EUR 7.012,80 und nicht die insoweit entstandenen Gutachterkosten von EUR 830,50 geltend machen kann.
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Der Anspruch der Klägerin verringert sich nicht wegen eines etwaigen Mitverschuldens der Versicherungsnehmerin (bzw. der von ihr eingeschalteten Erfüllungsgehilfen). Es ist streitig, ob die Mitarbeiter der Tochtergesellschaft der Versicherungsnehmerin vor Verladen der Ware hätte erkennen können, dass es die Farbbelastung gibt. Der Senat hält dies durchaus für denkbar. Eine abschließende Beurteilung ist nach dem Vortrag der Parteien insoweit aber nicht möglich. Darüber, in welchem Umfang die Farbbelastung bereits bei Beladen des Containers feststellbar war, lassen sich allenfalls Spekulationen anstellen. Es mag dabei eine Rolle spielen, was mit dem Container zuvor transportiert worden ist, wie lange er offen stand, welche Auswirkungen die Witterungsverhältnisse (Wärme, Feuchtigkeit) auf das Ausmaß der Farbausdünstung hatten u.v.m. Zeugenbeweis für ihre Behauptung, dass der Geruch bereits bei Beladen des Containers feststellbar war, hat die Beklagte nicht angetreten. Denkbar wäre allenfalls (allerdings mit sehr ungewissen Erfolgsaussichten) eine Klärung durch ein Sachverständigen-Gutachten. Die Beklagte hat allerdings nach Erörterung dieser Frage im Termin vom 25.3.2010 ausdrücklich erklärt, dass ein solches Gutachten nicht eingeholt werden soll. Die für ein etwaiges Mitverschulden beweispflichtige Beklagte ist daher insoweit beweisfällig geblieben.
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Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Da der Wert eines Sonderziehungsrechts am Tag der Urteilsverkündung bei Abfassung noch nicht absehbar ist, hat der Senat für die Berechnung der Kostenquote den Wert eines Sonderziehungsrechts mit 1,12808 EUR angenommen (Stand 19. 3. 2010). 5.094 SZR entsprechen dann EUR 5.746,44, so dass das Unterliegen der Beklagten mit 5.746,44 + 7.012,80 = EUR 12.759,24 zu bewerten ist (55 % des erstinstanzlichen Streitwerts von EUR 23.126,9 und 59 % des zweitinstanzlichen Streitwerts von EUR 21.536,90).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO). Es geht hier um die Frage des Bestehens vertraglicher Pflichten in einem Einzelfall.