LG Fulda, Urteil vom 08. Februar 1989 – 2 S 143/88
Dem Eigentümer steht gegenüber dem dinglich Wohnungsberechtigten ein Recht zur Besichtigung der Wohnung nicht zu.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Fulda vom 31. Mai 1988 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Von der Darstellung des Tatbestandes hat die Kammer gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 511, 511 a,516,518,519 ZPO), aber nicht begründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger zur Besichtigung des Wohnungszustandes Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren.
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Die Frage, ob dem Eigentümer gegen den dinglich Wohnungsberechtigten im Sinne des § 1093 BGB ein Recht zur Besichtigung der Wohnung zusteht, ist soweit ersichtlich, bisher in Rechtsprechung und Literatur nicht erörtert worden. Die Kammer verneint diese Frage, da die Rechte und Pflichten von Eigentümer und Wohnungsberechtigtem in den Vorschriften §§ 1093, 1031 ff. BGB abschließend geregelt sind und sich auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Verpflichtung des Wohnungsberechtigten nicht ergibt.
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Nach § 1093 BGB kann der Wohnungsberechtigte ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluß des Eigentümers als Wohnung nutzen. Weder aus dieser Vorschrift noch aus den anwendbaren §§ 1090- 1092 BGB läßt sich ein Besichtigungsrecht des Eigentümers entnehmen; die Formulierung „unter Ausschluß des Eigentümers“ spricht eher dagegen. Auch auf die in § 1093 Abs. 1 BGB für anwendbar erklärten Vorschriften über den Nießbrauch kann der Kläger sein Begehren nicht stützen.
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§ 1034 BGB gewährt dem Eigentümer und dem Nießbraucher (hier dem Wohnungsberechtigten) das Recht, den Zustand der Sache auf seine Kosten durch Sachverständige feststellen zu lassen, und zwar im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 164, 15 FGG). Wenngleich der Zustandsfeststellung besondere Bedeutung im Hinblick auf die Rückgabepflicht des Wohnungsberechtigten nach § 1055 BGB zukommt (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 48. Aufl., § 1034 Anm. 1), ist der Regelungsgehalt der Vorschrift darauf nicht beschränkt. Vielmehr ist allgemein anerkannt, daß beide Parteien jederzeit die Feststellung verlangen können (vgl. Palandt/Bassenge, aaO.; Petzoldt in Münchener Kommentar, BGB, 2. Aufl., § 1034 Rd.-Nr. 2; Soergel/Baur, BGB, 10.Aufl., § 1034 Rd.-Nr. 1; Erman/Ronke, BGB, 6. Aufl., § 1034 Rd.-Nr. 2; Staudinger/Spreng, BGB, 11. Aufl., § 1034 Rd.-Nrn. 1, 3). Ein Recht des Eigentümers auf Besichtigung der Wohnung, um eigene Feststellungen zu treffen, läßt sich der Vorschrift angesichts des eindeutigen Wortlauts nicht entnehmen.
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Als Grundlage für das Klagebegehren kommt auch § 1042 BGB nicht in Betracht. Hiernach ist der Wohnungsberechtigte zwar verpflichtet, dem Eigentümer unverzüglich Anzeige unter anderem von Zerstörungen oder Beschädigungen der Sache zu machen; ein Recht des Eigentümers, die Wohnung zur Besichtigung der Schäden zu betreten, folgt daraus jedoch nicht.
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Ebenso scheidet ein Anspruch nach § 1044 BGB aus, wonach der Wohnungsberechtigte verpflichtet ist, eine erforderlich gewordene Ausbesserung oder Erneuerung der Sache zu dulden, sofern er sie nicht selbst vornimmt. Die Duldung der zeitlich vorhergehenden Besichtigung der Wohnung zur Zustandsfeststellung wird davon nicht umfaßt. Ob dem Eigentümer ein Recht zusteht, die Wohnung im Rahmen der Ausbesserungsarbeiten zu betreten, bedarf hier keiner Entscheidung.
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Schließlich läßt sich der Anspruch entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht auf eine nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuerkennende Nebenpflicht aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Wohnungsberechtigten und Eigentümer stützen. Allerdings ist grundsätzlich anerkannt, daß § 242 BGB auch zur Begründung von Nebenpflichten führen kann (vgl. nur Palandt/Heinrichs, aaO., § 242 Anm. 1 b). Angesichts der vom Gesetzgeber getroffenen Wertung ist jedoch nach Ansicht der Kammer die Zubilligung eines Besichtigungsrechts des Eigentümers auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht veranlaßt, zumal § 242 BGB keine allgemeine Billigkeitsvorschrift ist, die es gestattet, sich über gesetzliche Regelungen hinwegzusetzen (vgl. nur Palandt/Heinrichs, aaO., § 242 Anm. 1 a, bb m. w. N.).
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§ 1093 BGB berechtigt den Wohnungsberechtigten zur Ausübung seines Wohnrechts unter Ausschluß des jeweiligen Eigentümers. Andererseits obliegt ihm allein die Sorge für die Erhaltung der Sache; zu Ausbesserungen und Erneuerungen ist er verpflichtet, soweit diese zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören (§ 1041 BGB). Den Eigentümer treffen insoweit ebensowenig Pflichten wie zur Vornahme außergewöhnlicher Unterhaltungsmaßnahmen (vgl. Palandt/Bassenge, aaO., § 1041 Anm. 1 b). Da auch der Wohnungsberechtigte zur Vornahme außergewöhnlicher Unterhaltungsmaßnahmen nicht verpflichtet ist, wird den Interessen des Eigentümers an der Erhaltung seines Eigentums zwar dadurch Rechnung getragen, daß er zur Vornahme berechtigt ist. Allerdings gebührt auch insoweit dem Wohnungsberechtigten der Vorrang, als der Eigentümer erforderliche Ausbesserungen oder Erneuerungen nur vornehmen darf, wenn der Wohnungsberechtigte diese nicht selbst vornimmt (§ 1044 BGB).
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Aus einer Gesamtschau dieser Vorschriften ergibt sich, daß der Eigentümer nicht nur von der Nutzung ausgeschlossen ist, sondern daß die Fürsorge für das Eigentum in besonderem Maße dem Wohnungsberechtigten zugewiesen ist. Diese gesetzliche Wertung, der sich eine nur geringe Berechtigung und Verantwortlichkeit des Eigentümers entnehmen läßt, ist bei der Beurteilung der Frage, welches Gewicht dem Interesse des Eigentümers, über den Zustand der Sache Kenntnis zu haben, beizumessen ist. Bei der Abwägung ist andererseits in Betracht zu ziehen, daß die bereits angeführten Vorschriften über die Zustandsfeststellung durch Sachverständige (§ 1034 BGB), die Anzeigepflicht (§ 1042 BGB) und die Duldung von Ausbesserungen und Erneuerungen (§ 1044 BGB) den Interessen des Eigentümers zu dienen bestimmt sind. Hinzu kommt, daß der Wohnungsberechtigte bei einem schuldhaften Verstoß gegen seine Anzeigepflicht nach § 1042 BGB, seine Duldungspflicht nach § 1044 BGB und für von ihm verschuldete Schäden an der Sache schlechthin (vgl. Palandt/Bassenge, aaO., § 1041 Anm. 1 b) auf Schadensersatz haftet.
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Nach Ansicht der Kammer ist den Interessen des weitgehend von seinem Eigentum ausgeschlossenen Eigentümers durch die gesetzlichen Regelungen hinreichend Rechnung getragen, so daß die vom Kläger beanspruchte Duldungspflicht der Beklagten auch nicht als Nebenpflicht anzuerkennen ist.
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Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das dem Vermieter nach allgemeiner Auffassung zugebilligte Besichtigungsrecht (vgl. hierzu Palandt/Putzo, aaO., § 535 Anm. 3 c, cc; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Teil II Rd.-Nr. 292, jeweils mit weiteren Nachweisen). Denn das Besichtigungsrecht des Vermieters, der wegen des Hausrechts des Mieters ebenfalls grundsätzlich gehindert ist, die Mieträume nach eigenem Ermessen zu betreten und zu besichtigen …, hat als Ausnahme insbesondere deshalb Anerkennung gefunden, um ihm die Erfüllung seiner Pflichten und die Wahrnehmung seiner Rechte zu ermöglichen (vgl. Sternel, aaO.). Hierin unterscheidet sich die Stellung des Vermieters aber grundlegend von der des Eigentümers, dem Pflichten dem Wohnungsberechtigten gegenüber grundsätzlich nicht obliegen, mit Ausnahme der Duldung der Nutzung durch den Wohnungsberechtigten. Soweit dem Vermieter das Besichtigungsrecht zugebilligt wird, um das Mietobjekt auf einen vertragsgemäßen Zustand überprüfen zu können, um Meßeinrichtungen abzulesen, um seine Rechte wahrzunehmen, z. B. das Aufmaß zum Zwecke einer Mieterhöhung zu nehmen, und um die Räume bei Beendigung des Mietverhältnisses Mietinteressenten und bei Verkauf des Grundstücks Kaufinteressenten zeigen zu können (vgl. Sternel, aaO., m. w. N.), kommt diesen Fällen im Bereich des Wohnungsrechts keine Bedeutung zu. Auch das Recht auf Überprüfung des Mietobjekts auf einen vertragsgemäßen Zustand findet keine Parallele, da es im Verhältnis zum Wohnungsberechtigten keinen „vertragsgemäßen Zustand“ gibt; soweit im Bereich des Mietrechts insoweit ein Besichtigungsrecht bejaht wird, wird auf die eigene Instandhaltungspflicht des Vermieters abgestellt (vgl. Sternel, aaO.), die aber dem Eigentümer gegenüber dem Wohnungsberechtigten gerade nicht obliegt.
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Nach alledem findet sich für das Begehren des Klägers keine Rechtsgrundlage. Soweit ein Besichtigungsrecht des Eigentümers wünschenswert sein mag, muß eine Regelung jedoch dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.
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Da die Berufung erfolglos bleiben mußte, hat der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 ZPO).