VG Düsseldorf, Urteil vom 27.02.2008 – 18 K 2667/07
Zur Rechtmäßigkeit der Androhung eines Schulverweises wegen Beleidigung eines Lehrers im Internet
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
Der am 00.00.1993 geborene Kläger zu 1. ist Schüler der beklagten Schule. Die Kläger zu 2. und 3. sind seine Eltern.
Im Herbst 2006 erstellte ein Mitschüler des Klägers zu 1., F, als Admin 1 die Internetseite „antio.de“. Frau O ist eine Lehrerin der beklagten Schule, deren Verächtlichmachung die Seite zu dienen bestimmt war. Die Internetseite trägt die Überschrift „GO TO HELL O“ und beginnt mit den Worten:
„Wir müssen gemeinsam die Erde und unsere Zukunft vor diesem Virus retten. Darum bitte ich euch die HP an alle Leute weiterzuschicken, die diese kanacke auslöschen wollen!!!!!“
Im folgenden Text schließt sich an die Frage
„Sacht ma wie ihr dieses jägermeister saufende Geschöpf findet!“
ein auf Frau O bezogener Fragenkatalog an, der für jede Frage mehrere Antworten vorsieht und jeweils mit der Aufforderung
„Zeig´s der Fotze“
endet.
F gab die Seite am 13. oder 14. November 2006 mit Passwort an den Kläger zu 1. weiter, damit dieser sie verbessere. Der Kläger zu 1. veränderte daraufhin als sog. Admin 2 den Rahmen der Seite. Ferner fügte er am 14. November 2006 hinzu:
„Nein, was hatten wir nur da wieder für einen Geniestreich!“
und
„Probleme mit du weißt schon wem? Falls ihr irgendeinen Tipp habt, was wir noch schreiben soen, schreibt es hier rein!“
Nachdem die beklagte Schule Kenntnis von dieser Internetseite erlangt hatte, berief sie eine Teillehrerkonferenz ein, die am 13. Dezember 2006 beschloss, gegenüber dem Kläger zu 1. die Androhung der Entlassung von der Schule auszusprechen. Sie bestätigte diese Ordnungsmaßnahme durch Bescheid vom 18. Dezember 2006. Zur Begründung führte sie aus, das Verhalten des Klägers zu 1. gefährde ernstlich die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule und verletze in erheblichem Maße die Person der Lehrerin.
Die gleiche Ordnungsmaßnahme wurde in derselben Konferenz gegenüber F beschlossen; sie wurde bestandskräftig.
Im Gegensatz hierzu legten die Kläger zu 2. und 3., und zwar gegen den ausdrücklichen Wunsch des Klägers zu 1., Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie im wesentlichen und im einzelnen aus: Die gesetzlichen Voraussetzungen für die verhängte Ordnungsmaßnahme lägen nicht vor. Sie sei überzogen bzw. unverhältnismäßig. Auch habe der Kläger zu 1. die Lehrerin nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches weder beleidigt noch verunglimpft.
Die Bezirksregierung E wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2007 zurück. Zur Begründung führte sie im einzelnen aus, dass und warum die beklagte Schule die Ordnungsmaßnahme rechtsfehlerfrei erlassen habe.
Die Kläger haben am 22. Juni 2006 Klage erhoben.
Sie rügen einen Begründungsmangel und behaupten: Der Kläger zu 1. sei für den Inhalt der Internetseite nicht verantwortlich, sondern habe nur an der äußeren Gestaltung mitgewirkt. Er sei sich zudem aufgrund seines jugendlichen Alters der Bedeutung und der Tragweite des Inhalts nicht bewusst gewesen. Die Kläger sind zudem der Ansicht, die Androhung der Entlassung von der Schule sei unverhältnismäßig, weil der Kläger zu 1. und sein Mitschüler durch die Internetseite auf die Alkoholprobleme der Lehrerin hätten hinweisen wollen. Schließlich sei die Ordnungsmaßnahme auch deshalb rechtswidrig, weil mehrere andere Mitschüler an der Erstellung der Internetseite mitgewirkt hätten, aber nicht belangt worden seien.
Die Kläger beantragen,
die Entscheidung der Teillehrerkonferenz vom 13. Dezember 2006 in der Fassung des Bescheides der Beklagten vom 18. Dezember 2006 und dieser wiederum in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 25. Mai 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft seine Auffassung, derzufolge die beschlossene Ordnungsmaßnahme rechtmäßig ist. Ergänzend trägt er vor, dass die beteiligten Mitschüler nicht hätten belangt werden könnten, weil weder der Kläger zu 1. noch F diese hätten benennen können oder wollen.
Wegen des weiteren Inhalts der Internetseite und der sonstigen weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Widerspruchsbehörde Bezug genommen.
Gründe
Die auch bezüglich des Klägers zu 1. im Hinblick auf §§ 1626ff BGB zulässige Klage ist unbegründet, weil die angefochtene Ordnungsmaßnahme nicht rechtswidrig ist und die Kläger auch nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die angedrohte Entlassung von der Schule findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Auch in materieller Hinsicht begegnet die Ordnungsmaßnahme keinen rechtlich durchgreifenden Bedenken.
Gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW ist u.a. die Androhung der Entlassung von der Schule (§ 52 Abs. 2 Nr. 4 SchulG NRW) zulässig, wenn der Schüler durch schweres Fehlverhalten die Erfüllung der Aufgaben der Schule oder die Rechte anderer ernstlich gefährdet oder verletzt hat. Aus § 42 Abs. 3 SchulG NRW folgt, dass der Schüler die Pflicht hat, an der Aufgabenerfüllung der Schule und der Erreichung des Bildungszieles mitzuwirken. Dabei hat er die Schulordnung einzuhalten und die Anordnungen der Lehrkräfte und des Schulleiters zu befolgen. Ausgehend hiervon hat ein Schüler alles zu unterlassen, was eine geordnete Unterrichts- und Erziehungsarbeit hindert sowie die Rechte der beteiligten Personen ernstlich verletzt. Diese Pflichten sind durch die Schulvereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger zu 1., die dieser am 13. Februar 2006 unterzeichnet hat, näher konkretisiert. Gegen diese vorgenannten Pflichten hat de Kläger zu 1. in massiver Weise verstoßen.
Die Veröffentlichung der Internetseite ist Ausdruck eines schweren Fehlverhaltens. Bezüglich ihres allen Beteiligten bekannten Inhalts wird zur Vermeidung der Wiedergabe von weiteren Einzelheiten auf die CD und deren Ausdruck verwiesen, die Bestandteil der Verwaltungsvorgänge sind. Dieser Inhalt ist in extremem Ausmaß geschmack-, distanz- und schamlos. Unerheblich ist, ob und ggfs. welche strafrechtlichen Normen durch seine Anfertigung und Veröffentlichung erfüllt sein könnten. Hierauf kommt es nicht an, weil es vorliegend nicht um Deliktsrecht, sondern um von strafrechtlichem Inhalt unabhängiges Ordnungsrecht geht, das sich allein an den bereits wiedergegebenen Voraussetzungen zu orientieren hat. Wie in der mündlichen Verhandlung zusammenfassend dargestellt und ausgeführt worden ist, handelt es sich um ein Pamphlet übelster Art und Sorte, das wegen seines extrem herabwürdigenden Inhalts die Autorität und die Persönlichkeitsrechte der angegriffenen Lehrerin in geradezu unerträglicher Weise verletzt hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob diese Lehrerin eventuell Anlass für die behauptete Unzufriedenheit gegeben hat. Denn kein Fehlverhalten eines Lehrers rechtfertigt, dass seine vom Grundgesetz geschützten, unantastbaren Persönlichkeitsrechte in einer solchen unerträglichen Weise verletzt werden.
Die Übergriffe sind dem Kläger auch zuzurechnen. Denn er hat den Rahmen der Seite verändert, also aktiv an deren Gestaltung mitgewirkt, anstatt ihre Veröffentlichung zu verhindern. Er hat sich zudem, wie im Tatbestand zitiert, durch die zweimalige Verwendung des Wortes „wir“ im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Internetseite auch deren Inhalt zu eigen gemacht und darüber hinaus weitere Aktivitäten angekündigt.
Die Androhung der Entlassung ist auch verhältnismäßig und zudem auch im übrigen angemessen. Angesichts des massiven Fehlverhaltens des Klägers zu 1. dürfte hier auch eine Entlassung von der Schule ohne vorherige Androhung in Betracht zu ziehen gewesen sein. Denn es sind in derart unerträglicher Weise die Persönlichkeitsrechte von Frau O und der Schulfrieden verletzt worden, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Lehrern der Schule und dem Kläger zu 1. in Zukunft nicht mehr möglich erscheint. Infolgedessen ist die mildere Maßnahme, nämlich die Androhung der Entlassung von der Schule, ohne weiteres angebracht und nicht zu beanstanden.
Der Vortrag der Kläger zu 2. und 3. führt zu keiner anderen Bewertung. Insbesondere ist es ausgeschlossen, dass sich der Kläger zu 1. der Bedeutung und Tragweite des Inhalts der Internetseite nicht bewusst gewesen sein soll. Er war zum Zeitpunkt der Erstellung und Veröffentlichung der Internetseite knapp 13 Jahre alt und damit als Schüler eines Gymnasiums in einem Alter, in dem ihm nach aller Lebenserfahrung bewusst ist, welche Folgen er mit einer solchen Verunglimpfungen auslöst.
Dass der Beklagte neben dem Kläger zu 1. und dem Schuler F keine weiteren Beteiligten an der Erstellung und Veröffentlichung der Internetseite mit einer Ordnungsmaßnahme belangt hat, ändert nichts an der Rechtslage. Denn angesichts des Umstandes, dass dem Beklagten keine weiteren Personen namentlich benannt worden und ihm daher diese Personen unbekannt sind, konnte er naturgemäß gegen diese nichts unternehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO.