Verletzung eines Beamten im Toilettenraum des Dienstgebäudes während der regelmäßigen Dienstzeit ist Dienstunfall

VG Berlin, Urteil vom 04.05.2016 – 26 K 54.14

Bei der Verletzung eines Beamten im Toilettenraum des Dienstgebäudes während der regelmäßigen Dienstzeit handelt es sich um einen Dienstunfall

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin vom 20. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 17. Dezember 2013 verpflichtet, das am 7. August 2013 auf der Toilettenanlage des Dienstgebäudes Yorckstraße 4-11, 10965 Berlin, stattgefundene Ereignis als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge „Platzwunde und Prellung am Schädeldach“ anzuerkennen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Ereignisses als Dienstunfall.

Die Klägerin steht als S… im Dienst des Beklagten und ist als Verwaltungsbeamtin und L… im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin – Ordnungsamt – tätig. Am 7. August 2013 gegen 9.10 Uhr stieß sie während ihrer Dienstzeit im Dienstgebäude Yorkstraße 4-11, 10965 Berlin, beim Toilettengang gegen den Fensterflügel eines weit geöffneten Fensters im Toilettenraum und erlitt eine blutende Platzwunde sowie eine Prellung am Schädeldach. Sie wurde im Anschluss in der Zentralen Notaufnahme / Rettungsstelle des V…-Klinikum am Urban ärztlich versorgt. Mit einer Unfallanzeige vom 14. August 2013 zeigte sie das Ereignis als Dienstunfall bei ihrer Dienststelle an.

Mit Bescheid vom 20. August 2013 teilte ihr das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin mit, dass der Unfall nicht als Dienstunfall anerkannt werde. Bei einem Toilettengang handele es sich um eine sogenannte privatwirtschaftliche Tätigkeit, die keine Dienstausübung darstelle.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 9. September 2013 Widerspruch. Sie verwies auf den Gesetzestext des § 31 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes, wonach das einen Dienstunfall begründende Ereignis in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten sein müsse. Es gehöre zu den ureigenen menschlichen und notwendigen Bedürfnissen, in regelmäßigen Abständen die Toilette aufzusuchen. Sollte es sich tatsächlich beim Toilettengang um eine Verrichtung handeln, die nicht unter eine Dienstausübung falle, so müssten hierzu Regelungen getroffen worden sein. In § 6 der gültigen Dienstvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit in der Bezirksverwaltung Friedrichshain-Kreuzberg sei vorgesehen, dass die Arbeitszeit grundsätzlich in den Diensträumen bzw. an dem üblichen Arbeitsplatz zu erbringen sei; dass die Toilettenräume hiervon ausgenommen seien, werde nicht angeführt. Auch für die Zeiterfassung sei hierzu nichts geregelt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2013, zugestellt am 21. Dezember 2013, wies das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin den Widerspruch der Klägerin zurück. Unter Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 8. August 2013 (– M 12 K 13.1024 –) führte es aus, dass es sich bei dem Aufenthalt in einer Toilettenanlage um eine rein private Angelegenheit handele, die in keinem Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit stehe. Das Risiko, das nicht dem privaten Bereich zuzuordnen sei, werde dagegen dadurch abgedeckt, dass der Weg von und zur Toilette vom Unfallschutz erfasst sei. Auch die sozialgerichtliche Rechtsprechung, welche in dieser Frage auf das Beamtenversorgungsrecht übertragen werden könne, ordne den Aufenthalt in der Toilette dem persönlichen und unversicherten Lebensbereich des Versicherten zu.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin die am 23. Januar 2014 beim Gericht eingegangene Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt und der Rechtsauffassung im Urteil des Verwaltungsgerichts München entgegentritt. Es sei lebensfremd, die Benutzung einer Toilette während der Dienstzeit und im Dienstgebäude als außerdienstlich anzusehen. Mit ähnlicher Argumentation könnte man auch die klassischen Wegeunfälle als außerdienstlich und privatwirtschaftlich bewerten. Die Toilettenanlagen in Dienstgebäuden würden vom Dienstherrn zur Verfügung gestellt, den eine besondere Verkehrssicherungspflicht treffe und der die Unterhaltung der Einrichtungen im Rahmen der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bediensteten wahrnehme. Die Übertragung der sozialgerichtlichen Rechtsprechung auf den beamtenrechtlichen Bereich sei schon deshalb nicht möglich, weil das Dienstunfallrecht vor dem Hintergrund der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten besonders geregelt sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin vom 20. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 17. Dezember 2013 zu verpflichten, das am 7. August 2013 auf der Toilettenanlage des Dienstgebäudes Yorckstraße 4-11, 10965 Berlin, stattgefundene Ereignis als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge „Platzwunde und Prellung am Schädeldach“ anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die angefochtenen Bescheide, in denen die Sach- und Rechtslage umfassend und richtig dargestellt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (eine Personalakte, zwei Hefter) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe
I.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 20. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; ihr steht ein Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 7. August 2013 als Dienstunfall mit der festgestellten Verletzungsfolge zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 31 Abs. 1 Satz 1 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes – LBeamtVG –. Danach ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Nach § 45 Abs. 3 Satz 2 LBeamtVG entscheidet die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle, ob ein Dienstunfall vorliegt. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Dienstunfall sind entgegen der Auffassung des Beklagten erfüllt.

Das in § 31 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG vorgegebene Merkmal der „äußeren Einwirkung“ dient dazu, Vorgänge der Außenwelt von krankhaften Abläufen im Inneren des menschlichen Körpers abzugrenzen. Eine äußere Einwirkung liegt nicht nur bei Verletzungen vor, welche von dritten Personen bewirkt werden oder ihre Ursache in elementaren Wirkungen der äußeren Welt haben, sondern auch bei solchen Verletzungen, die auf schädlichen Einwirkungen beruhen, die ihre Ursache in den eigenen Bewegungen des Verletzten haben (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1963 – II C 10.62 –, BVerwGE 17, 59, juris Rn. 20). Danach handelt es sich auch bei dem von der Klägerin selbst verursachten Anprall mit dem Kopf an den von ihr übersehenen geöffneten Fensterflügel im Toilettenraum um eine solche äußere Einwirkung.

Die Legaldefinition des § 31 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG setzt weiter voraus, dass es sich um ein „plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares“ Ereignis“ handelt, das die gesundheitlichen Folgen hervorruft. Diese Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt. Das hier maßgebliche, den Dienstunfall begründende Ereignis ist unvermittelt und an bzw. zu einem konkret feststehenden Ort und Zeitpunkt eingetreten.

Das dargestellte Ereignis hat bei der Klägerin auch den geforderten Körperschaden mit Krankheitswert verursacht. Die Klägerin hat – ausweislich ihrer Unfallanzeige und vom Beklagten nicht bestritten – durch den Aufprall eine Prellung und eine blutende Platzwunde am Schädeldach erlitten, die in der Rettungsstelle des V… Klinikum am Urban ärztlich versorgt werden mussten.

Schließlich ist das maßgebliche Ereignis auch „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ eingetreten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beamte den Unfall bei einer Tätigkeit erleidet, die im engen natürlichen Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben oder sonstigen dienstlich notwendigen Verrichtungen oder dem dienstlichen Über- und Unterordnungsverhältnis steht, bei der der Beamte also gewissermaßen „im Banne“ des Dienstes steht. Der danach erforderliche Zusammenhang des Unfalls mit dem Dienst ist im Regelfall gegeben, wenn sich der Unfall während der Dienstzeit am Dienstort ereignet hat (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1963 – II C 10.62 –, juris Rn. 27 f.; Urteil vom 3. November 1976 – VI C 203.73 – juris Rn. 24 ff.). Maßgebend hierfür ist der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeregelung. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird. Ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Regelung und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn kommt dem konkreten Dienstort des Beamten eine herausgehobene Rolle zu. Der Beamte steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Zu diesem Bereich zählt der Dienstort, an dem der Beamte seine Dienstleistung erbringen muss, wenn dieser Ort zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn gehört. Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichen, sind dem Dienstherrn zuzurechnen, unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, dienstlich geprägt ist. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass diese Tätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2013 – 2 C 1.12 –, juris Rn. 10 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Nach diesen Maßgaben ist auch im vorliegenden Fall der erforderliche enge, natürliche Zusammenhang des Ereignisses mit den eigentlichen Dienstaufgaben der Klägerin anzunehmen. Sie hielt sich zu diesem Zeitpunkt an ihrem regulären Dienstort im Bürogebäude des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg auf, in dem sich auch der Toilettenraum befand. Es steht außer Zweifel, dass es sich hierbei um den vom Dienstherrn unmittelbar beherrschbaren räumlichen Risikobereich handelte. Der Dienstherr hat den Toilettenraum nicht nur selbst – aus Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beschäftigten – zu dem Zweck zur Verfügung gestellt, zu dem ihn die Klägerin nutzte, sondern unterliegt auch einer Verkehrssicherungspflicht, nach der er grundsätzlich derartige Unfälle durch geeignete bauliche oder technische Vorkehrungen verhindern muss. Der Unfall ereignete sich während des um 6.20 Uhr begonnenen Dienstes der Klägerin gegen 9.10 Uhr, somit auch innerhalb der regelmäßigen Dienstzeit. Allein der Umstand, dass die Klägerin vorübergehend ihren konkreten Arbeitsplatz verlassen hatte, um die Toilette aufzusuchen, ändert nichts daran, dass sie sich allein aufgrund ihrer dienstlichen Tätigkeit als Verwaltungsbeamtin des bezirklichen Ordnungsamtes in dem Dienstgebäude aufhielt. Zwar stellt das Aufsuchen der Toilette selbst erkennbar keine dienstlich geprägte Tätigkeit dar, sondern fällt in die private Sphäre des Beamten, dies ändert nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nichts an der grundsätzlich geltenden Risikoverteilung. Denn es bestehen keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Toilettenbesuch der Klägerin dem Interesse ihres Dienstherrn zuwidergelaufen wäre; im Gegenteil erscheint es offensichtlich, dass die von einem Beamten erwartete pflichtbewusste und effiziente Diensttätigkeit gerade auch derartige Pausen zur Erfüllung eines persönlichen, natürlichen Bedürfnisses voraussetzt.

In diesem Sinne sind in der Rechtsprechung vergleichbare Ereignisse als von der Dienstunfallfürsorge gedeckt und als Dienstunfall anerkannt worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 24. Oktober 1963 (– II C 10.62 –, juris, insb. Rn. 23) festgestellt, dass das Aufsuchen einer im Keller des Dienstgebäudes gelegenen Kantine während der Dienstzeit „in Ausübung des Dienstes“ erfolgt und im Weiteren ausgeführt: „Daß der Beamte unter Unfallschutz verbleibt, wenn er während des Dienstes den im Dienstgebäude gelegenen Waschraum aufsucht, oder wenn er sich auf dem Flur des Dienstgebäudes ein Glas Trinkwasser holt, kann ernstlich nicht in Frage gestellt werden. Nichts anderes kann gelten, wenn der Beamte an seinem Schreibtisch seine Gedanken in den privaten Bereich abschweifen läßt, wenn er ans Fenster tritt, um einen Vorgang auf der Straße zu beobachten, wenn er mit einem Kollegen ein privates Gespräch führt, zumal wenn das Gespräch aus dem dienstlichen in den privaten Bereich überging, oder wenn er in der Bücherei nach dem Studium von Fachliteratur auch einen Blick in eine dort aushängende illustrierte Zeitschrift wirft. Der Beamte ist kein ‘Dienstausübungsautomat’, sondern er bleibt auch im Dienst und auch bei der ‘Ausübung’ des Dienstes ein Mensch mit seinen persönlichen Bedürfnissen, Gedanken und Empfindungen. Sein Verhalten schwankt – auch im Rechtssinne – nicht von Minute zu Minute zwischen Dienstausübung und außerdienstlichem Verhalten hin und her. Es kann sich nur darum handeln, wann und unter welchen Voraussetzungen die auch bei der Ausübung des Dienstes naturgegebene ‘Gemengelage’ eindeutig dem privaten Bereich zuzurechnen ist.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner entschieden, dass ein Unfall, den ein Lehrer im Schullandheim während des morgendlichen Duschens erleidet, jedenfalls dann „in Ausübung des Dienstes“ im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG geschieht, wenn der Lehrer aus dienstlichen Gründen im Schullandheim übernachten muss und sich ein spezifisches örtliches Risiko verwirklicht (Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 B 135.07 –, juris Rn. 10). Nach einem Urteil des VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 28. Mai 1974 – IV 1229/71 –, juris) handelt es sich um einen Dienstunfall, wenn ihn der Beamte aufgrund besonderer gefahrerhöhender Umstände in einer Gemeinschaftsunterkunft, in der er amtlich untergebracht ist, bei üblichen und erwarteten hygienischen Verrichtungen erleidet. Entsprechend hat der Bayerische VGH (Beschluss vom 11. Januar 2007 – 3 B 02.459 –, juris) festgestellt, dass ein Unfall eines Polizeibeamten in der Gemeinschaftsdusche anlässlich der morgendlichen Körperpflege vor Dienstbeginn nicht vom Dienstunfallschutz umfasst ist, dabei aber auch festgehalten, dass der Gang zur Toilette oder zum Waschraum an der Dienststelle während der Dienstausübung geschützt ist (a. a. O., Rn. 25).

Auch in der Literatur wird im Hinblick auf die Verantwortlichkeit des Dienstherrn für den räumlichen Bereich, in dem sich die Dienststelle befindet, die Auffassung bestätigt, dass nicht nur unmittelbar dienstliche Tätigkeiten, sondern auch z.B. die Aufnahme von Nahrung und Getränken, der Gang zu einem Pausenraum oder zu einer Kantine, das Öffnen von Fenstern zu Lüftungszwecken, das Aufsuchen einer Toilette oder die Benutzung von Duschräumen, wenn diese durch die dienstliche Tätigkeit veranlasst ist, in den Dienst einbezogen sind (vgl. Plog/Wiedow, BBG – Kommentar, § 31 BeamtVG, Rn. 58a f.; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 7. Aufl., § 13 Rn. 23 m. w. N.). Notwendige Pausen stellen danach die Ausübung des Dienstes nicht infrage, selbst wenn sie außerhalb der anzurechnenden Arbeitszeit liegen. Durch den Aufenthalt in einer vom Dienstherrn bereitgestellten Kantine zur Einnahme einer Mahlzeit während der Mittagspause trete keine Unterbrechung des Dienstes ein. Es sei nicht notwendig, dass Hunger oder Durst durch besondere dienstliche Verhältnisse stimuliert worden seien (Plog/Wiedow, a. a. O., Rn. 69 m. w. N.).

Das von dem Beklagten zur Begründung seiner Auffassung maßgeblich herangezogene Urteil des VG München (Urteil vom 8. August 2013 – M 12 K 13.1024 –, juris) vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Zunächst ausgehend von der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, überträgt das Verwaltungsgericht in der Folge die Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit zum Schutzumfassung der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfällen in Toilettenräumen unmittelbar auf die beamtenrechtliche Dienstunfallfürsorge. Damit liegt es auf der Linie anderer Entscheidungen der Bayerischen Verwaltungsgerichte (Bayerischer VGH, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 3 ZB 13.1706 –, juris Rn. 15 zum Händewaschen im Sanitärraum aufgrund einer Verschmutzung durch eine klebrige Flüssigkeit, bei der ein Dienstunfall wegen einer „dienstpflichtbedingten“ Tätigkeit angenommen wurde; VG München, Urteil vom 20. März 2012 – M 5 K 11.5039 –, juris Rn. 16 zu einem Dienstunfall auf dem Heimweg von der Dienststelle, der auf dem Umweg zur Verrichtung der Notdurft erlitten wurde; abweichend aber noch Bayerischer VGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 – 3 ZB 07.2366 –, juris Rn. 6). Nach sozialgerichtlicher Rechtsprechung ist die Verrichtung der Notdurft eine „eigenwirtschaftliche“ Tätigkeit. Während des Aufenthalts in einer betrieblichen Toilettenanlage als grundsätzlich unversichertem Bereich bestehe daher kein Unfallversicherungsschutz. Demgegenüber bestehe Versicherungsschutz auf dem Weg zu einem Ort in der Betriebsstätte, an dem die Notdurft verrichtet werden soll, weil der Versicherte durch die Anwesenheit auf der Betriebsstätte gezwungen sei, seine Notdurft an einem anderen Ort zu verrichten, als er dies von seinem häuslichen Bereich aus getan hätte. Zudem handele es sich um eine regelmäßig unaufschiebbare Handlung, die der Fortsetzung der Arbeit direkt im Anschluss daran diene und somit auch im mittelbaren Interesse des Arbeitgebers liege. Da das Aufsuchen der Toilette einen einheitlichen Vorgang bilde, ende der Versicherungsschutz mit dem Betreten der zur Toilette zählenden Räumlichkeiten und lebe mit deren Verlassen wieder auf. Dabei trenne die Toilettentür den öffentlichen vom privaten Bereich ab (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 6. Mai 2003 – L 3 U 323/01 –, juris Rn. 18, Urteil vom 28. September 2011 – L 18 U 354/09 –, juris Rn. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juli 2015 – L 6 U 526/13 –, juris Rn. 46 m. w. N.). Demgegenüber hatte das Bundessozialgericht in einem – von der genannten sozialgerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig zitierten – Urteil vom 30. August 1963 (– 2 RU 112/61 –, juris Rn. 20) ausdrücklich festgestellt, dass für das Verrichten der Notdurft auf der Arbeitsstätte von jeher Versicherungsschutz angenommen worden sei.

Einer Übertragung der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem SGB VII auf das Recht der Unfallfürsorge nach den Beamtenversorgungsgesetzen stehen indessen wesentliche Systemunterschiede entgegen. So betont das Bundessozialgericht selbst die mangelnde wechselseitige Übertragbarkeit der Rechtsprechung. Unter Verweis auf eine Entscheidung des VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 28. September 2007 – 4 S 516/06 –, juris Rn. 20), wonach ein beim morgendlichen Duschen in einem Schullandheim eintretendes Unfallereignis eines Lehrers ein Dienstunfall sei, hat es festgestellt, dessen Auffassung sei auf die gesetzliche Unfallversicherung nicht übertragbar. Zwischen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge und dem Unfallversicherungsschutz von Beschäftigten bestünden trotz gewisser Gemeinsamkeiten in der Ausgestaltung erhebliche strukturelle Unterschiede aufgrund der verschiedenen Inhalte von Beamtenverhältnis einerseits und Versicherungsverhältnis von Beschäftigen andererseits (BSG, Urteil vom 18. November 2008 – B 2 U 31/07 R –, juris Rn. 13). So gilt im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich kein sog. „Betriebsbann“. Deshalb begründet allein der Umstand, dass ein Unfall auf dem Betriebsgelände oder gar unmittelbar am Arbeitsplatz eingetreten ist, noch nicht den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Eigenwirtschaftliche Tätigkeiten sind selbst im Falle der Einwirkung besonderer, dem Betrieb eigentümlicher Gefahren nicht versichert (vgl. Plog/Wiedow, BBG, § 31 BeamtVG Rn. 58a m. w. N.). Im Gegensatz dazu stehen nach ihrem Sinn und Zweck die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeregelungen, die einen noch über die allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen gewährleisten sollen, die in dem Gefahrenbereich eintreten, in dem der Beamte aufgrund der Anforderungen seines Dienstes tätig wird. In dieser vom Dienstherrn übernommenen Risikosphäre besteht – wie dargestellt – ein Anspruch auf Unfallfürsorge somit grundsätzlich unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, selbst dienstlich geprägt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2013 – 2 C 1.12 –, juris Rn. 11).

II.

Der Beklagte trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung – ZPO –.

III.

Die Berufung und die Sprungrevision sind gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 134 Abs. 1 Satz 1 und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Es handelt sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, denn die Frage, wann eine in der vom Dienstherrn übernommenen Risikosphäre vorgenommene private Tätigkeit eines Beamten der Unfallfürsorge unterliegt, erschien zwar geklärt, unterliegt nach der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen VGH aber wieder Zweifeln; eine obergerichtliche oder höchstgerichtliche Entscheidung zu dieser Frage wäre für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle von Bedeutung.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

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